Bundespatentgericht:
Beschluss vom 16. Februar 2004
Aktenzeichen: 30 W (pat) 224/02

(BPatG: Beschluss v. 16.02.2004, Az.: 30 W (pat) 224/02)

Tenor

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Marke VEDRES ist am 3. Juni 1999 für "Pharmazeutische Erzeugnisse, nämlich Hormonpräparate" in das Register eingetragen worden. Die Veröffentlichung der Eintragung erfolgte am 8. Juli 1999.

Widerspruch erhoben hat ua die Inhaberin der am 24. März 1999 ua für "Pharmazeutische Erzeugnisse" eingetragenen Marke 398 74 939 VERVESS.

Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Verwechslungsgefahr verneint und durch Beschluß des Erstprüfers ua diesen Widerspruch sowie durch einen weiteren Beschluß auch die Erinnerung zurückgewiesen. Ein Auseinanderhalten der Marken sei gewährleistet.

Die Widersprechende hat Beschwerde eingelegt. Sie hält insbesondere im Klang Verwechslungsgefahr für gegeben.

Die Widersprechende beantragt sinngemäß, die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamts vom 16. Oktober 2000 und vom 18. Juni 2002 insoweit aufzuheben, als der Widerspruch aus der Marke 398 74 939 VERVESS zurückgewiesen worden ist und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

Zur Sache ist eine Äußerung der Inhaberin der angegriffenen Marke im Beschwerdeverfahren nicht zu den Akten gelangt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die angefochtenen Beschlüsse sowie auf den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig, in der Sache aber nicht begründet. Es besteht auch nach Auffassung des Senats keine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG. Der Widerspruch ist deshalb von der Markenstelle gemäß §§ 42 Abs 2 Nr 1, 43 Abs 2 Satz 2 MarkenG zu Recht zurückgewiesen worden.

Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr erfolgt durch Gewichtung von in Wechselbeziehung zueinander stehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke, so dass ein geringer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen hohen Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st Rspr zB vgl BGH MarkenR 2002, 332, 333 - DKV/OKV; GRUR 2001, 507, 508 - EVIAN/REVIAN; GRUR 2000, 506, 508 - ATTACHÉ/TISSERAND jew mwN).

Der Senat geht bei seiner Entscheidung mangels anderweitiger Anhaltspunkte von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und damit von einem normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke VERVESS aus.

Ausgehend von der Registerlage - Benutzungsfragen spielen im vorliegenden Verfahren keine Rolle - können die Marken angesichts des weiten Oberbegriffs im Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke zur Kennzeichnung identischer Waren verwendet werden. Zu berücksichtigen ist weiter, dass eine Rezeptpflicht in den Warenverzeichnissen zwar nicht festgeschrieben ist, allerdings in tatsächlicher Hinsicht der Fachverkehr im Vordergrund stehen dürfte; denn nach den derzeit überschaubaren Erkenntnisquellen sind Hormone nur in Mitteln anzutreffen, die die Annahme rechtfertigen, dass sie mit ganz besonderer Vorsicht und nicht ohne profunde ärztliche Überwachung verabreicht werden. Die in der Roten Liste für "Sexualhormone und ihre Hemmstoffe" verzeichneten Medikamente (Hauptgruppe 76) sind nicht nur rezeptpflichtig, sondern weisen aufgrund überdurchschnittlich umfangreicher Nebenwirkungsanzeigen sowie Gegenanzeigen daraufhin, dass es sich um Mittel handelt, bei denen die unmittelbare Beteiligung von Laien deutlich zurücktritt, und nicht zu einem sorglosen Umgang Anlaß geben.

Soweit allgemeine Verkehrskreise dennoch zu berücksichtigen wären, ist aber auch davon auszugehen, dass grundsätzlich nicht auf einen sich nur flüchtig mit der Ware befassenden, sondern durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher abzustellen ist, dessen Aufmerksamkeit je nach Art der Ware unterschiedlich hoch sein kann (vgl BGH aaO - ATTACHÉ/TISSERAND; BGH GRUR 1998, 942, 943 li Spalte - ALKA-SELTZER; EuGH MarkenR 1999, 236, 239 unter 24. - Lloyd/Loint's) und der insbesondere allem, was mit der Gesundheit zusammenhängt, eine gesteigerte Aufmerksamkeit beizumessen pflegt (vgl BGH GRUR 1995, 50, 53 - Indorektal/Indohexal).

Den danach erforderlichen Abstand hält die angegriffene Marke trotz identischer Waren noch ein. Zwar stimmen die Marken in der Vokalfolge überein und weisen beide die Anfangs-/Endkonsonanten "V-S" auf. Jedoch haben die Marken keine Sprechsilbe gemeinsam. In den Anfangssilben "VE-/VER" unterscheiden sich die Marken in klanglicher Hinsicht markant durch den zusätzlichen Konsonanten "R" in der Widerspruchsmarke, der ein hartes Klangbild bewirkt gegenüber dem weichen Klangbild "VE-" der Eingangssilbe der angegriffenen Marke. Da Wortanfänge im allgemeinen aber stärker beachtet werden als die übrigen Markenteile, und hier auch die Betonung liegt, kommt ihnen hier besonderes Gewicht zu (vgl hierzu Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl, § 9 Rdn 184 mwN). Weiter ist zu berücksichtigen, dass auch Abweichungen in den Anfangskonsonanten der Schlußsilben (DR/V) bestehen; insbesondere bewirkt die Wiederholung des Konsonanten "V" in der Widerspruchsmarke ein gleichmäßig fließendes Klangbild gegenüber der deutlichen Zäsur mit den Konsonanten "DR" am Anfang der zweiten Silbe der angegriffenen Marke. Auch fällt ins Gewicht, dass es sich noch um relativ kurze, aus nur zwei Silben gebildete Markenwörter handelt. All dies führt auch unter Berücksichtigung der Gemeinsamkeiten im Gesamteindruck zu einem zur Verneinung der Verwechslungsgefahr ausreichend verschiedenen Klangbild der Marken.

Im schriftbildlichen Vergleich ist unter den genannten Umständen ein Auseinanderhalten der Marken in allen üblichen Wiedergabeformen aufgrund der geschilderten Abweichungen ebenfalls gewährleistet. Hierbei ist noch zu berücksichtigen, dass das Schriftbild der Marken erfahrungsgemäß sehr viel besser eine ruhige und auch wiederholte Wahrnehmung der Bezeichnung gestattet als das schnell verklingende gesprochene Wort, wodurch Markenabweichungen im Schriftbild eher auffallen.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlaß, (§ 71 Abs 1 MarkenG).

Dr. Buchetmann Winter Schramm Hu






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Beschluss v. 16.02.2004
Az: 30 W (pat) 224/02


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