Bundespatentgericht:
Beschluss vom 28. Oktober 2002
Aktenzeichen: 30 W (pat) 235/01

(BPatG: Beschluss v. 28.10.2002, Az.: 30 W (pat) 235/01)

Tenor

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegen die Eintragung der Wortmarke BONVITAL, nach einer Teillöschung noch eingetragen für

"Futtermittel, ausschließlich für den Bereich der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung bestimmt; Veterinärmedizinische Produkte, nämlich Milchsäurebakterien als Probiotikum sowie aktive Milchsäurebakterien, auch gefriergetrocknet, für Futtermittel, alle vorgenannten Waren ausschließlich für den Bereich der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung bestimmt"

ist Widerspruch eingelegt aus der zuletzt mit Wirkung vom 1. Oktober 1996 verlängerten prioritätsälteren Wortmarke 910 457 Bona-Vit, eingetragen für

"Futtermittel für Zucht- und Mastschweine".

Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamtes, besetzt mit einer Beamtin des höheren Dienstes, hat den Widerspruch mit Beschluss vom 5. September 2001 zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, dass sich die Vergleichsmarken zwar auf identischen Waren begegnen könnten, der erforderliche Markenabstand aber gewahrt sei, da bei Zugrundelegung einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und der Einschaltung von Fachleuten beim Erwerb der beiderseitigen Waren aufgrund der Tatsache, dass sich außer den Anfangssilben alle übrigen Bestandteile der Marken unterschieden, eine klangliche Verwechslungsgefahr ausscheide. Eine schriftbildliche Verwechslungsgefahr sei ebenfalls nicht gegeben, da sich die Zeichen auch hier deutlich unterschieden.

Die Widersprechende hat Beschwerde eingelegt und begründend ausgeführt, es seien nicht ausschließlich Fachkräfte mit dem Erwerbsvorgang befasst. Aufgrund der Identität der Waren sei ein erheblicher Markenabstand erforderlich, der hier wegen der beiderseits vorhandenen Lautgruppen "bon" und "vit" und der identischen begrifflichen Anklänge nicht gegeben sei. Zudem benutze sie umfänglich die Zeichen 836 642 "Bonalac" und 841 872 "Bonamin", weshalb eine gedankliche Verbindung mit dem Betrieb der Widersprechenden nicht auszuschließen sei.

Mit den von ihr erreichten Umsätzen - im Jahr 1995 in Höhe von ... DM - komme der Widerspruchsmarke ein mindestens leicht erhöhter Schutz zu.

Die Widersprechende beantragt, den Beschluss der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 5. September 2001 aufzuheben.

Die Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie sieht eine Verwechslungsgefahr nicht gegeben, da sich die Vergleichsmarken ausreichend klanglich und schriftbildlich unterschieden. Bei dem Markenbestandteil "BON" handle es sich zudem um eine populäre Qualitätsbeschreibung, die als solche kennzeichnungsunfähig und damit als Serienstamm ungeeignet sei. Eine begriffliche Übereinstimmung scheitere daran, dass der populäre Begriff "VITAL" in der Widerspruchsmarke keine Entsprechung habe.

Ergänzend wird auf das schriftsätzliche Vorbringen und den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Zwischen den Marken besteht auch nach Auffassung des Senates keine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.

Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, so dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st Rspr, vgl ua EuGH GRUR 1998, 387 - Sabèl/Puma; GRUR 1998, 922 - CANON, BGH GRUR 2000, 506 - ATTA-CHÉ/TISSERAND).

Hinsichtlich der Ähnlichkeit der beiderseitigen Waren ist nach der hier maßgeblichen Registerlage im Bereich der Futtermittel Warenidentität möglich, jedenfalls soweit "Futtermittel für Zucht- und Mastschweine" betroffen sind; hinsichtlich der übrigen Waren der angegriffenen Marke ist aber weder eine Warenidentität noch eine besondere Warennähe zu konstatieren.

Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist am unteren Rand des Durchschnitts anzusiedeln, nachdem sie aus den beiden, ohne weiteres in ihrem beschreibenden Sinn erfassbaren Bestandteilen "Bona" (von lateinisch bonus) und "Vit" als weitgehend verbrauchtem Kürzel für Vitamin oder vital (vgl BPatG 25 W (pat) 144/98, PAVIS-PROMA-Knoll) zusammengesetzt ist.

Die Benutzung der Marke im vorgetragenen Umfang führt hier zu keiner Stärkung des Schutzumfangs. Einmal lässt die bloße Angabe von Umsatzzahlen ohne Angabe der Gesamtzahlen auf diesem Warensektor oder sonstiger Umstände keinen Schluss auf die Bekanntheit des Zeichens zu, zum anderen beziehen sich die angegebenen Umsätze auch auf für Rinder bestimmte Produkte, also auf Waren außerhalb des Warenverzeichnisses.

Den danach erforderlichen Abstand hält die angegriffene Marke ein. Es stehen sich hier beiderseits sprechende Zeichen mit einem jeweilig eng begrenzten Schutzumfang gegenüber (vgl zu "Vit" etwa BPatG 25 W (pat) 256/94 - Spidivit/VIVIVIT; 30 W (pat) 104/98 - innovit/Egmo Vit; beide PAVIS PROMA CD -ROM). Auch wenn kennzeichnungsschwache Bestandteile bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr nicht von vornherein außer Betracht gelassen werden dürfen, bestimmt deren individuelle Zusammenstellung oder Abänderung den Schutzbereich der Widerspruchsmarke, so dass eine Übereinstimmung in Markenteilen mit beschreibendem Anklang idR nicht ausreicht (vgl Althammer/ Ströbele, MarkenG, 6. Aufl, § 9 Rdn 152).

In schriftbildlicher Hinsicht sind relevante Kollisionsfälle nicht zu besorgen. Sowohl bei handschriftlicher Wiedergabe als auch bei Wiedergabe in Großbuchstaben treten die Unterschiede der Wortkonturen aufgrund der unterschiedlich angeordneten Buchstaben ausreichend deutlich hervor.

Auch in klanglicher Hinsicht ist eine markenrechtlich relevante Verwechslungsgefahr zu verneinen. Wie bereits dargelegt, hat dabei die Übereinstimmung in den Ursprungsworten keine wesentliche Bedeutung, weil diese beschreibend sind. Im engeren Vergleich ist zwar beiden Marken der Wortanfang "Bo-" gemein, in den übrigen Bestandteilen ergeben sich jedoch deutliche Unterschiede. Keine der sonstigen Sprechsilben ist gleich; im besonderen bestehen so erhebliche Unterschiede in der Silbengliederung zwischen "Bonavit" und "Bonvital", dass eine Verwechslungsgefahr hier schon deswegen auszuschließen ist, weil die Widerspruchsmarke einen gleichmäßigen Sprechrhythmus aufweist, wogegen die angegriffene Marke mit einer deutlichen Zäsur nach der ersten Silbe gesprochen wird. Da diese Abweichungen noch im Bereich des Wortanfangs liegen, wird der Verkehr sie nicht vernachlässigen (vgl Althammer/Ströbele, aaO, § 9 Rdn 97).

Zusätzlich wirkt sich verwechslungsmindernd aus, dass es sich bei den beiderseitigen Waren um Produkte handelt, die sich nicht an den allgemeinen Verkehr, sondern an mehr oder weniger spezialisierte Abnehmer wenden, was allgemein die Gefahr von Verwechslungen etwas mindert, auch wenn zusätzliche Hilfspersonen bei Vertrieb und Erwerb der Waren eingeschaltet sein können (vgl Althammer/Ströbele aaO, § 9 Rdn 81).

Anhaltspunkte dafür, dass die Marken in anderer Hinsicht miteinander verwechselt werden könnten, sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist keine Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt der gedanklichen Verbindung iSv § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG zu erkennen, weil hier der Gesamteindruck der beiden Zeichen durch die Wortgestaltung, nicht aber durch den Sinngehalt gekennzeichnet wird (vgl BGH GRUR 1975, 143 - Biovital) und auch nicht erkennbar ist, warum sich das angegriffene Zeichen als Fortentwicklung der Widerspruchsmarke darstellen sollte. Die von der Widersprechenden genannten Marken "Bonalac" und "Bonamin" heben - ebenso wie das Widerspruchszeichen - allenfalls "Bona-" als Stammbestandteil, der mit dem Bestandteil "Bon-" der angegriffenen Marke nicht gleich oder wenigstens wesensgleich ist. Zudem handelt es sich dabei um einen Bestandteil mit beschreibendem Anklang, der sich in aller Regel weniger eignet, einen Hinweischarakter auf einen bestimmten Hersteller zu entfalten. Insofern liegt der Sachverhalt auch anders als in der von der Widersprechenden zitierten Entscheidung des 26. Senats des BPatG (BlPMZ 1996, 417), wo aufgrund des identischen Bestandteils "QUEEN'S" die Verwechslungsgefahr bejaht wurde.

Zu einer Auferlegung von Kosten gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG besteht keine Veranlassung.

Dr. Buchetmann Winter Voit Ju






BPatG:
Beschluss v. 28.10.2002
Az: 30 W (pat) 235/01


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