Bundespatentgericht:
Beschluss vom 25. Juli 2011
Aktenzeichen: 11 W (pat) 317/05

(BPatG: Beschluss v. 25.07.2011, Az.: 11 W (pat) 317/05)

Tenor

Der zurückgenommene Einspruch war unzulässig.

BPatG 152

Gründe

I.

Auf die am 23. Oktober 2002 beim Deutschen Patentund Markenamt eingereichte Patentanmeldung ist die Erteilung des Patents 102 49 521 mit der Bezeichnung

"Verfahren zur Herstellung von zumindest nahezu palladiumoxidfreiem Palladium, insbesondere Palladiumschwamm"

am 4. November 2004 veröffentlicht worden.

Gegen das Patent hat die W...GmbH & Co. KG in ... P..., Einspruch erhoben.

Die Einsprechende hat geltend gemacht, der Gegenstand des Anspruchs 1 des angegriffenen Patents sei nicht patentfähig, da ihn eine offenkundige Vorbenutzung durch die Einsprechende neuheitsschädlich vorwegnehme.

Zur Stützung ihres Vorbringens hat sie die Ablichtungen folgender Dokumente vorgelegt:

1 Schreiben der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie, Heidelberg, an die Otto Bürkle GmbH, Lörrach, vom 15.3.1993 2 Schreiben der Otto Bürkle GmbH, Lörrach, an die Wieland Edelmetalle KG, Pforzheim, vom 18.6.1998 3 Lieferschein der Grodke GmbH, Stuttgart-Münster, an die Wieland Edelmetalle GmbH & Co. KG, Pforzheim, vom 18.3.1999 4 QM-Arbeitsanweisung Wieland Edelmetalle "Platinund Palladium-Raffination, S. 1-6, in Kraft ab 4.12.1997 5 Kopie einer Rechnung der Wieland Edelmetalle GmbH & Co., Pforzheim, an die Hagenunger Entsorgung + Recycling, Hügelsheim, vom 21.12.2000.

Zudem hat die Einsprechende Beweis angeboten durch die Zeugen Z1 H... Z2 G....

Die Einsprechende hat beantragt, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt sinngemäß, den Einspruch wegen mangelnder Zulässigkeit zu verwerfen, hilfsweise wegen mangelnder Begründetheit zurückzuweisen.

Die Patentinhaberin hat geltend gemacht, die Einsprechende habe nicht angegeben, was offenkundig geworden sei und wodurch die Offenkundigkeit gegeben sei. Das im Streitpatent beanspruchte Gesamtverfahren werde zudem nirgends konkret in den eingereichten Unterlagen zur vorgeblichen Vorbenutzung beschrieben.

Auf eine Zwischenverfügung des Senats mit der der Einsprechenden Gelegenheit gegeben wurde, sich zur Frage der Zulässigkeit des Einspruchs zu äußern, hat die Einsprechende am 29. Juni 2011 ihren Einspruch zurückgenommen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Akte verwiesen.

II.

Das nach Rücknahme des Einspruchs gemäß § 61 Abs. 1 Satz 2 PatG fortzusetzende Einspruchsverfahren wird ohne Sachentscheidung beendet, weil der Einspruch unzulässig war.

Der innerhalb der Einspruchsfrist einzige geltend gemachte Widerrufsgrund der mangelnden Patentfähigkeit gemäß § 59 Abs. 1 Sätze 4 und 5 PatG i. V. m. § 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG aufgrund mangelnder Neuheit gegenüber einer zum Stand der Technik gehörenden Vorbenutzung ist nämlich nicht hinreichend substantiiert worden.

Zur Begründung eines Einspruchs, der sich auf eine Vorbenutzung stützt, muss die Einsprechende innerhalb der Einspruchsfrist substantiiert darlegen, was, wann, wie, durch wen in öffentlich zugänglicher Weise geschehen ist, weil nur durch die Darlegung konkreter Umstände im Einzelnen, festgestellt werden kann, ob die behauptete Vorbenutzung zum Stand der Technik gehört oder nicht. Die Einsprechende hat zu deren Vorgeschichte die Dokumente 1 bis 3 eingereicht und mit Dokument 5 eine Rechnung über die Aufarbeitung von Filterrückständen. Diese Schriftstücke belegen allenfalls, dass die Einsprechende über einen zur Palladiumraffination geeigneten Ofen und einschlägige Verfahrenskenntnisse betreffend die Gewinnung von Metallen der Platingruppe verfügt, was der Senat nicht bezweifelt.

Zu den näheren Umständen der geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzung hat die Einsprechende dargelegt, der Gegenstand des angegriffenen Patents sei durch ein von ihr laufend praktiziertes Verfahren zur Herstellung von Palladium vorweggenommen. Zu den Einzelheiten ihres Verfahrens hat die Einsprechende auf S. 3, Ziff. 03.02. des eine QM-Arbeitsanweisung betreffenden Dokuments 4 verwiesen. Diese seien offenkundig geworden, weil sie zur Erzielung einer optimalen Kundenbindung auch sachverständigen Kunden - konkret u. A. dem Zeugen 1 vom Zeugen 2 anlässlich eines Besuches am 25.11.1999, 10:00 Uhr, -erläutert worden seien.

Die Einsprechende hat dabei wohl übersehen, dass das Dokument 4 auf S.6 im Abschnitt 05.01 die Anweisung enthält, dass QM-Originaldokumente vom Qualitäts-Management-Beauftragten (QMB) und die herausgegebenen Exemplare vom jeweiligen Empfänger verwaltet werden, und dass der Empfänger die Dokumente so verwahren muss, dass sie vor Missbrauch geschützt werden. Darunter ist zweifellos die unterbundene Weitergabe des Inhalts des Dokumentes zu verstehen. Die Einsprechende hat somit einen betriebsinternen Stand der Technik herangezogen, der -wie üblich -ausdrücklich beliebigen Dritten nicht zur Kenntnis gegeben werden soll. In diesem Fall ist die Substantiierung der öffentlichen Zugänglichkeit der behaupteten Vorbenutzung unabdingbar (BPatGE 31, 174, 176).

Die Behauptung der Einsprechenden, ihr Verfahren sei sachverständigen Besuchern zur Erzielung einer optimalen Kundenbindung erläutert worden, genügt dieser Erfordernis nicht, weil eine solche Handlung im Widerspruch zu der hier klaren detaillierten schriftlichen Anweisung steht, das Dokument 4 sorgfältig vor Missbrauch geschützt zu verwahren. Nach der Lebenserfahrung würde ein so gekennzeichneter betriebsinterner Stand der Technik nicht vorbehaltlos an eine beliebige Anzahl Fachkundiger weitergegeben. Die Einsprechende hätte daher mindestens zu dem konkret benannten Anlass genau angeben müssen, aus welchem Grund Zeuge 1 von seiner Verschwiegenheitspflicht entbunden gewesen war und warum keine Verpflichtung des Zeugen 2 zur Geheimhaltung bestanden hatte. Sie hat auch nicht weiter ausgeführt, dass über den Zeugen 2 und durch welche Handlungen des Zeugen 2 ein beliebiger Personenkreis Kenntnis von den vom Zeugen 1 erfahrenen Informationen hatte nehmen können und in welchem Umfang.

Aus welchem Grund bei dem konkret benannten Ereignis oder anlässlich der anderen nicht näher angegebenen Firmenbesuche die behauptete Benutzung gleichwohl öffentlich geworden war, hat die Einsprechende weder innerhalb der Einspruchsfrist noch nachträglich auf den der Zwischenverfügung zu entnehmenden Hinweis des Senats dargelegt, so dass es an der Substantiierung der Umstände fehlt, die für eine öffentliche Zugänglichkeit des Verfahrens der Einsprechenden hätten sprechen können.

Folglich ist für die Patentinhaberin und den Senat ohne eigene Recherchen nicht nachvollziehbar, auf welche Weise das nach den Maßgaben des Dokuments 4 praktizierte Verfahren zur Palladiumherstellung im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 2 PatG der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sein soll.

Dr. Maier v. Zglinitzki Dr. Fritze Fetterroll Bb






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Az: 11 W (pat) 317/05


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