Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 25. August 1994
Aktenzeichen: 6 U 296/93
(OLG Frankfurt am Main: Urteil v. 25.08.1994, Az.: 6 U 296/93)
Tenor
Die Berufung gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 7. Dezember 1993 wird auf Kosten der Antragsteller zu 1-3 und zu 6-7 zurückgewiesen.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Tatbestand
Die Antragsteller sind Angehörige der Glaubensgemeinschaft "U.". Der Antragsgegner zu 1 ist eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt, der Antragsgegner zu 2 war Leiter eines Fernsehteams, das im November 1993 an einem Beitrag des Antragsgegners zu 1 über die Glaubensgemeinschaft "U." arbeitete. Dazu wurden umfangreiche Filmaufnahmen gefertigt und aus diesen ein Beitrag zusammengestellt, der am 10.12.1993 in der Sendereihe "A." ausgestrahlt wurde. Der Beitrag ist als Video-Aufzeichnung zu den Akten gereicht worden. Die Parteien streiten über die Rechtmäßigkeit der von den Antragsgegnern gemachten Filmaufnahmen und der Sendung, die aus diesen Filmaufnahmen zusammengestellt worden ist.
Durch Beschluß - einstweilige Verfügung - vom 8.11.1993 hatte das Landgericht den Antragsgegnern zunächst untersagt, von den Antragstellern ohne deren ausdrückliche Einwilligung Film- oder Tonaufnahmen zu machen oder machen zu lassen oder bereits gemachte Aufnahmen zu verbreiten oder verbreiten zu lassen. Auf den Widerspruch der Antragsgegner hat das Landgericht diesen Beschluß mit dem angefochtenen Urteil aufgehoben und den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Zur näheren Sachdarstellung wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Mit ihrer Berufung machen die Antragsteller zu 1-3 und 6-7 geltend, das Team des Antragsgegners zu 1 sei bei den Filmaufnahmen außerordentlich rücksichtslos vorgegangen, insbesondere seien immer wieder die Eingänge von Geschäften und Kliniken über längere Zeitabschnitte hinweg der laufenden Kamera ausgesetzt worden, so daß die dort ein- und ausgehenden Kunden und Patienten erheblich belästigt worden seien. Die Berufungskläger hätten das Kamerateam wiederholt angesprochen und gebeten, die Belästigung der genannten Einrichtungen zu unterlassen, dabei sei die Kamera auch auf die Antragsteller gerichtet worden, obwohl diese eindringlich darum gebeten hätten, nicht gefilmt zu werden. Soweit das Landgericht in dem angefochtenen Urteil ausgeführt habe, die Antragsteller hätten sich dem Kamerateam in den Weg gestellt, um über das Recht am eigenen Wort und Bild die Antragsgegner an der Berichterstattung über die Glaubensgemeinschaft zu hindern, sie würden dadurch mißbräuchlich handeln, finde diese Auffassung im tatsächlichen Geschehensablauf keine Grundlage. Es sei umgekehrt so gewesen, daß das Kamerateam gefilmt habe, was ihm vor die Kamera gekommen sei. Wegen der Einzelheiten des Sachvortrags wird auf die Berufungsbegründung nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Antragsteller zu 1-3 und 6-7 beantragen,
das angefochtene Urteil abzuändern und den Beschluß - einstweilige Verfügung - zugunsten der Berufungskläger zu bestätigen.
Die Antragsgegner beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen das angefochtene Urteil. Wegen der Einzelheiten ihres Sachvortrags wird auf die Berufungserwiderung nebst Anlagen Bezug genommen.
Der Senat hat im Termin vom 25.8.1994 drei von den Antragstellern als besonders gravierende Verletzung ihrer Rechte ausgewählte Sequenzen aus dem später ausgestrahlten Beitrag in Augenschein genommen.
Gründe
Die zulässige Berufung ist im Ergebnis unbegründet, das Landgericht hat den Beschluß - einstweilige Verfügung - zu Recht aufgehoben und das Eilbegehren zurückgewiesen. Weder die beanstandeten Filmaufnahmen noch die Ausstrahlung der umstrittenen Sendung verletzen die Berufungskläger in ihrem Persönlichkeitsrecht oder ihrem Recht am eigenen Bild (§ 823 BGB i.V.m. Art. 1, 2 GG; §§ 22, 23 KUG).
Das Landgericht hat mit erheblichen Gründen ein rechtsmißbräuchliches Verhalten der Antragsteller angenommen. Letztlich kann jedoch dahingestellt bleiben, ob hinsichtlich aller Antragsteller und insbesondere bezüglich der Berufungskläger ein Mißbrauch des Rechts am eigenen Bild dahingehend festgestellt werden kann, sie hätten sich den Filmaufnahmen der Antragsgegner bewußt entgegengestellt, um auf diesem Wege eine im allgemeinen Interesse liegende Berichterstattung zu verhindern. Denn selbst wenn man mit den Berufungsklägern davon ausgehen wollte, ihnen könne ein derartiger Rechtsmißbrauch nicht vorgeworfen werden, die tatsächlichen Voraussetzungen dafür seien jedenfalls bezüglich der Berufungskläger nicht glaubhaft gemacht, ist das Eilbegehren unbegründet.
1. Das Landgericht hat den Beschluß - einstweilige Verfügung - zunächst zu Recht aufgehoben und den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen, soweit den Antragsgegnern untersagt war, die - nunmehr bereits gesendeten - Aufnahmen zu verbreiten oder verbreiten zu lassen. Denn durch die aus den Aufnahmen zusammengestellte und ausgestrahlte Sendung ist weder das Recht der Antragsteller am eigenen Bild (§ 22 KUG) noch deren allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzt worden. Die Anfertigung und Ausstrahlung dieser Aufnahmen war gemäß § 23 Abs. 1 Ziff. 1 KUG auch ohne die Einwilligung der Antragsteller zulässig.
a) Die von den Antragsgegnern angefertigte und ausgestrahlte Sendung erfaßt zwar auch Bildnisse i.S.v. § 22 Satz 1 KUG, die zum Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts grundsätzlich nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet und öffentlich zur Schau gestellt werden dürfen. § 23 Abs. 1 Ziff. 1 KUG nimmt hiervon aber Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte aus, wobei die Formulierung "Bereich der Zeitgeschichte" weit zu fassen ist (Schricker, § 60 UrhG/§ 23 KUG, Rdn. 8 m. Nachw.). Wie aus den im vorliegenden Verfahren (Bl. 148 f d.A.) sowie den in den verschiedenen sonstigen Verfahren zwischen den Parteien zu den Akten gereichten Publikationen der Glaubensgemeinschaft ersichtlich ist und die Antragsteller im Senatstermin auch nicht in Abrede gestellt haben, steht die Glaubensgemeinschaft, der die Antragsteller angehören, in scharfen Auseinandersetzungen mit den Kirchen und insbesondere deren Sektenbeauftragten. Die Glaubensgemeinschaft ist damit Gegenstand allgemeinen Interesses, so daß am Gegenstand der Berichterstattung durch die Antragsgegner ein Informationsbedürfnis der Allgemeinheit bestand und besteht; der Gegenstand der umstrittenen Berichterstattung ist demzufolge dem Bereich der Zeitgeschichte zuzuordnen. Die Anfertigung des Berichts und seine Sendung sind als solche rechtlich unter keinem Gesichtspunkt zu beanstanden. Die Antragsteller greifen die Berichterstattung der Antragsgegner daher als solche auch nicht an.
Soweit die Antragsteller meinen, das Anfertigen von Filmaufnahmen ihrer Person und das Senden dieser Aufnahmen sei ohne ihre Einwilligung nicht zulässig, verkennen sie die Voraussetzungen, unter denen sich die Abbildungsfreiheit auf sog. "relative Personen" der Zeitgeschichte erstreckt. Denn zu den "relativen Personen der Zeitgeschichte" zählen auch diejenigen Personen, die zufällig oder - wie im Falle der Antragsteller - absichtlich in Verbindung zu einem Ereignis der Zeitgeschichte geraten (vgl. Schricker, aaO, Rdn. 12).
Zu dem zeitgeschichtlichen Ereignis, über das die Antragsgegner berichtet haben, gehört auch die Frage, ob und inwieweit sich Glaubensgemeinschaften von der Art des "U." gegen ihre Umwelt abgrenzen und insbesondere ihre Mitglieder in religiöser, gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und politischer Hinsicht ausschließlich ihrem Einfluß zu unterwerfen bestrebt sind. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat und sich nicht nur aus den von den Antragstellern selbst vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen, sondern vor allem aus der von den Antragstellern gefertigten Fotodokumentation ergibt, konnten die Antragsgegner keine Filmaufnahmen von den Einrichtungen der Glaubensgemeinschaft machen, ohne fortlaufend bei den Dreharbeiten beobachtet und selbst fotografiert zu werden. Dieses Verhalten der Glaubensgemeinschaft belegt, daß diese sich von vornherein und massiv der Berichterstattung entgegengestellt und damit eine Tendenz zu erkennen gegeben hat, sich in der Art von Sekten nicht nur gegen ihre Umgebung abzuschließen, sondern auch jede Art der Berichterstattung zu behindern. Gerade diese Tendenz zur Abschottung der Gemeinschaft und ihrer einzelnen Mitglieder gegenüber der Allgemeinheit rückt die Glaubensgemeinschaft in den Zusammenhang mit dem auch bei anderen Glaubensgemeinschaften und bei Sekten zu beobachtenden zeitgeschichtlichen Vorgang der Abschottung gegenüber der Mitwelt; der Versuch der Antragsteller, zusammen mit anderen Mitgliedern der Gemeinschaft die Berichterstattung zu behindern, zu beschränken oder unmöglich zu machen, ist selbst Bestandteil des zeitgeschichtlichen Ereignisses, dessentwegen die Allgemeinheit ein Informationsinteresse an der Berichterstattung hat. Soweit die Filmaufnahmen und die Sendung dieses Verhalten dokumentieren, hält sich die Abbildung der Antragsteller im Rahmen des Informationsbedürfnisses der Allgemeinheit und die Veröffentlichung entspricht dem Informationszweck der Sendung.
Soweit die Antragsteller gemeint haben, aus dem gesendeten Beitrag sei zu ersehen, daß die Aufnahmen über die Grenzen einer einwilligungsfreien Veröffentlichung hinausgegangen seien, hat die Einnahme des Augenscheins in der Senatssitzung das Gegenteil ihrer Behauptungen ergeben. Keine der drei gesendeten und von den Antragstellern als besonders gravierend herausgestellten Sequenzen hat Anhaltspunkte dafür ergeben, daß die Antragsgegner die Grenzen des § 23 Abs. 1 Ziff. 1 KUG überschritten hätten. Soweit die Antragsteller meinen, durch die Filmaufnahmen wären insbesondere Patienten belästigt worden, hat die Augenscheinseinnahme nichts für eine solche Annahme ergeben. Zwar ist in einem ohne besonderen Hinweis kaum wahrzunehmenden Moment eine Person im Hintergrund zu erkennen, die "durch das Bild läuft", sie ist aber nicht zu identifizieren; im Vordergrund der Aufnahme steht der Disput zwischen den agierenden Personen über die Filmaufnahmen, die im Hintergrund bei aufmerksamer Betrachtung erkennbare Person ist allenfalls Beiwerk der Örtlichkeit (§ 23 Abs. 1 Nr. 2 KUG). Soweit der Antragsteller zu 1 in einer Sequenz bei einem Gespräch auf einem Gerichtsflur abgebildet ist, hält sich die Berichterstattung im Rahmen der üblichen Berichterstattung über Gerichtsverfahren. Soweit der Antragsteller zu 1 schließlich anläßlich einer Diskussion mit einer Einwohnerin des in Bezug genommenen Ortes abgebildet worden ist, ist Gegenstand der Berichterstattung eine Auseinandersetzung dieser Einwohnerin mit der Glaubensgemeinschaft, wobei das Anfertigen von Fotografien seitens der Glaubensgemeinschaft Gegenstand der Auseinandersetzung ist, ein Vorgang, der sich in das in dem Beitrag dokumentierte Fotografieren des Kamerateams der Antragsgegnerin zu 1 durch die Glaubensgemeinschaft und damit in den Gegenstand des Informationsinteresses der Allgemeinheit und des Informationszwecks der Sendung einreiht.
Im Hinblick auf die von dem Antragsteller zu 7 am 8.11.1993 vor dem Rathaus in H. entstandenen Aufnahmen kommt eine Verletzung des Rechts am eigenen Bild schon deshalb nicht in Betracht, weil er in der ausgestrahlten Sendung durch Augenbalken und andere Mittel unkenntlich gemacht wurde. Soweit der Antragsteller zu 6 vorgetragen hat, auf der Terrasse seiner Wohnung gefilmt worden zu sein, kommt eine Verletzung des Rechts am eigenen Bild schon deshalb nicht in Betracht, weil diese Aufnahmen nicht ausgestrahlt worden sind.
Die Antragsteller können auch nicht geltend machen, die Ausstrahlung von Filmmaterial, das die Abgebildeten in Abwehrhaltung zeigt, könne im Zweifelsfalle durch § 23 Abs. 1 Satz 1 KUG nicht gerechtfertigt werden (§ 23 Abs. 2 KUG: dazu Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 4. Aufl., Kap. 7 Rdn. 7.16). Selbst wenn man dieser Auffassung folgt, läßt sich daraus im Streitfall das Unterlassungsbegehren nicht herleiten. Denn das Informationsinteresse der Allgemeinheit leitet sich im Streitfall gerade auch aus den Versuchen der Glaubensgemeinschaft ab, sich nicht nur gegen ihre Umwelt abzugrenzen, sondern sich einer an sich zulässigen Berichterstattung bewußt entgegenzustellen, um sie so zu verhindern oder zumindest zu behindern. Die sich darin dokumentierende "Abwehrhaltung" ist ein wesentlicher Teil des zeitgeschichtlichen Ereignisses, über das die Antragsgegner berichtet haben, so daß die gesendeten Sequenzen auch unter diesem Gesichtspunkt aus § 23 Abs. 1 KUG gerechtfertigt sind.
b) Soweit die Antragsteller mit ihrem Begehren nicht nur ein Verbot der Verbreitung, sondern auch der Anfertigung von Aufnahmen erstreben, folgt aus dem Ausgeführten, daß ihr Begehren jedenfalls im Umfang des gesendeten Beitrags unbegründet ist. Aus §§ 22 f KUG läßt sich ein solcher Anspruch nicht herleiten, da diese Vorschriften nur die Verbreitung des Bildnisses erfassen; ein Verbot der Anfertigung des Bildnisses kann sich daher nur unter dem Gesichtspunkt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ergeben. Gegenüber persönlichkeitsrechtlichen Ansprüchen ist aber das Erfordernis der Informationsbeschaffung zu beachten, so daß grundsätzlich davon auszugehen ist, daß die Anfertigung eines Bildnisses jedenfalls in dem Rahmen zulässig ist, in dem es nach § 23 KUG verbreitet werden darf (Wenzel, a.a.O. Kap. 7 Rdn. 7.16 m. Nachw.). Die Anfertigung der schließlich gesendeten Aufnahmen ist daher rechtlich so wenig zu beanstanden wie ihre Sendung. Das Landgericht hat daher den Beschluß - einstweilige Verfügung - zu Recht aufgehoben und das Eilbegehren zurückgewiesen, soweit sich das beantragte Verbot auf dasjenige Filmmaterial bezog, das in dem gesendeten Bericht verarbeitet worden ist.
2.) Soweit die Antragsteller mit ihrem Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung ein generelles Verbot der Anfertigung von Filmaufnahmen ohne ihre Einwilligung erstrebt haben, sich also vorbeugend gegen Filmaufnahmen im Rahmen weiterer zukünftiger Recherchen wenden, können sie sich ebenfalls nicht auf §§ 22 f KUG berufen: ein solcher Anspruch kann sich lediglich aus ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht ergeben (§§ 823, 1004 BGB; vgl. Schricker a.a.O. § 60 UrhG/§ 22 KUG Rdn. 1 m. Nachw.).
Hinsichtlich dieses Unterlassungsanspruchs ist zwar grundsätzlich davon auszugehen, daß die Anfertigung fotografischer Aufnahmen, auf denen der Betroffene erkennbar ist, ohne dessen Einverständnis grundsätzlich einen Eingriff in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht darstellt; bei Aufnahmen, die wie im Streitfall von Berufsfotografen gemacht werden, ist ferner davon auszugehen, daß der Betroffene auch mit einer Veröffentlichung der Aufnahme und deren Archivierung rechnen muß (OLG Hamburg GRUR 1990, 35 f - Begleiterin). Bei der Entscheidung der Frage, ob derartige Aufnahmen ein rechtswidriger Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht sind und fotografische Aufnahmen einer Person vorbeugend untersagt werden können, ist aber das Informationsbedürfnis im Rahmen zulässiger Berichterstattung durch Interessenabwägung zu berücksichtigen. Im Einzelfall muß sich aus der Interessenabwägung zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht einerseits und der Presse- und Rundfunkfreiheit andererseits ein Vorrang zugunsten des Persönlichkeitsrechts des Abgebildeten ergeben. Dabei ist zu berücksichtigen, daß sich durch ein weitgehendes Verbot der Anfertigung von Filmaufnahmen, die an sich durch ein allgemeines Informationsinteresse an Gegenständen der Zeitgeschichte veranlaßt sind, eine unverhältnismäßige Einschränkung der Presse- und Rundfunkfreiheit ergeben kann, die ein journalistisches Arbeiten weitgehend unmöglich machen könnte (dazu OLG Hamburg a.a.O. sowie AfP 1992, 279 f, 280).
Im Streitfall ist bei der Interessenabwägung zunächst davon auszugehen, daß angesichts der von den Parteien vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen nicht glaubhaft gemacht ist, daß die Antragsgegner bei den ursprünglichen Aufnahmen von Einrichtungen der Glaubensgemeinschaft (Krankenhaus, Kindergarten etc.) in einer Weise gefilmt hätten, bei der zu befürchten stand, daß die Antragsteller gefilmt und ihre Bildnisse durch die Sendung verbreitet würden. Das Filmen der Gebäude und Einrichtungen der Glaubensgemeinschaft erfolgte vom öffentlichen Straßenraum aus und stellte daher weder die Verletzung von Rechten der Antragsteller noch solcher der Glaubensgemeinschaft dar (vgl. BGH NJW 1989, 2251 f, 2252 - Friesenhaus; Wenzel, a.a.O. Rdn. 7.47). Die von den Antragsgegnern ursprünglich gemachten Aufnahmen waren daher weder per se rechtswidrig noch war erkennbar, daß durch diese Aufnahmen Persönlichkeitsrechte der Antragsteller verletzt werden könnten. Soweit der Antragsteller zu 7 geltend gemacht hat, er sei auf der Terrasse seiner Wohnung gefilmt worden, ist weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht, daß er auf den fraglichen Aufnahmen nicht lediglich als Beiwerk der Örtlichkeit (§ 23 Abs. 1 Nr. 2 KUG) dargestellt worden ist. Es ist daher nicht erkennbar, daß durch diese - im übrigen nicht gesendeten - Aufnahmen in seine Persönlichkeitsrechte eingegriffen worden wäre.
Die Antragsteller haben auch nicht vorgetragen oder glaubhaft gemacht, daß sie von den Antragsgegnern im weiteren Verlaufe der Filmaufnahmen in einer Weise gefilmt worden seien, die rechtswidrig in ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht eingegriffen habe. Die von den Antragstellern als besonders gravierende Rechtsverletzungen angeführten Sequenzen des gesendeten Beitrags haben keine Anhaltspunkte für eine Verletzung der Persönlichkeitsrechte bei den Aufnahmen oder deren Sendung ergeben. Es mag daher sein, daß die Antragsgegner Einrichtungen der Glaubensgemeinschaft ausgiebig und in penetranter Weise gefilmt haben; der beiderseitige Sachvortrag legt die Annahme nahe, daß sich die Mitglieder der Glaubensgemeinschaft und insbesondere die Antragsteller über Art und Umfang der Filmaufnahmen ihrer Einrichtungen an sich verständlich erregt haben mögen. Sowohl aus den vom Senat in Augenschein genommenen Aufzeichnung der Sendung als auch aus den von den Antragstellern selbst vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen sowie aus der vorgelegten Fotodokumentation der Antragsteller ergibt sich aber, daß es zu Filmaufnahmen der Antragsteller nur deshalb gekommen ist, weil diese entweder zur Behinderung der Berichterstattung dem Aufnahmeteam entgegengetreten sind oder dem Team der Antragsgegner ihrerseits gefolgt sind. Bei dieser Sachlage fehlt es an jedem Anhaltspunkt für die Annahme, das von den Antragsgegnern archivierte und bislang nicht gesendete weitere Filmmaterial könne Aufnahmen der Antragsteller enthalten, die außerhalb des Informationszwecks der allgemeinen Sektenproblematik, der wirtschaftlichen Betätigung von Glaubensgemeinschaften und deren Tendenz, zwar in die Öffentlichkeit hineinzuwirken, sich aber gegenüber dem allgemeinen Informationsinteresse abzuschotten, lägen und deshalb rechtswidrig seien.
Damit fehlt es an jedem Anhaltspunkt für die Annahme, die Antragsgegner könnten bei den bislang nicht gesendeten weiteren Filmaufnahmen das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Antragsteller verletzt haben. Das Begehren der Antragsteller geht deshalb in der Sache dahin, den Antragsgegnern ein generelles Filmverbot aufzuerlegen, und zwar unabhängig davon, ob es sich um Filmaufnahmen handelt, die die Antragsteller als Beteiligte eines zeitgeschichtlichen Ereignisses hinzunehmen haben oder nicht. Da für die Vergangenheit kein Fall der Verletzung der Persönlichkeitsrechte der Antragsteller glaubhaft gemacht ist und da ferner keinerlei Anhaltspunkte für eine unmittelbar bevorstehende Gefahr erkennbar sind, die Antragsgegner könnten die Antragsteller auch außerhalb einer solchen gerechtfertigten Berichterstattung ablichten und damit in ihren Persönlichkeitsrechten verletzten, liegen die Voraussetzungen für einen Unterlassungsanspruch der vorliegenden Art weder unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungs- noch unter dem Gesichtspunkt der Erstbegehungsgefahr vor. Das Begehren ist vielmehr darauf gerichtet, die Antragsgegner in einer eventuellen künftigen Recherchearbeit für die Berichterstattung über die Glaubensgemeinschaft zu beschränken, ohne daß ernsthafte Anhaltspunkte dafür vorlägen, die Antragsgegner könnten in der Vergangenheit oder in der Zukunft in einer Weise über die Glaubensgemeinschaft berichtet haben oder berichten, bei der Rechte der Antragsteller verletzt werden. Die sich in diesem Begehren dokumentierenden Interessen überwiegen das Interesse der Antragsgegner an einer zulässigen Berichterstattung und der in diesem Rahmen gebotenen zulässigen Recherchen (Art. 5 GG) nicht.
Das Landgericht hat die einstweilige Verfügung daher auch im übrigen zu Recht aufgehoben und den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.
3.) Die Berufung war daher mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.
OLG Frankfurt am Main:
Urteil v. 25.08.1994
Az: 6 U 296/93
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/776e32816f8e/OLG-Frankfurt-am-Main_Urteil_vom_25-August-1994_Az_6-U-296-93