Bundespatentgericht:
Beschluss vom 29. Mai 2006
Aktenzeichen: 25 W (pat) 145/04

(BPatG: Beschluss v. 29.05.2006, Az.: 25 W (pat) 145/04)

Tenor

Auf die Beschwerde wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 18. Mai 2004 aufgehoben.

Gründe

I.

Das farbige Zeichenfarbiges Zeichenist am 5. Juni 2003 für die Waren und Dienstleistungen

"Elektrische und physikalische Apparate und Instrumente, Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und Bild, Magnetaufzeichnungsträger, Datenverarbeitungsgeräte und Computer, Antennen, elektrische Akkumulatoren und Batterien, gedruckte Schaltungen, Lautsprecher, Kopfhörer, Projektionsgeräte, Radargeräte, Telekommunikationsgeräte und -anlagen,; Telekommunikation; Wissenschaftliche und technologische Dienstleistungen, industrielle Analyse- und Forschungsdienstleistungen, Entwurf und Entwicklung von Computerhardware und -software"

zur Eintragung in das Markenregister angemeldet worden.

Die Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts hat nach Beanstandung gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG die Anmeldung mit Beschluss vom 18. Mai 2004 durch eine Prüferin des höheren Dienstes gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG in vollem Umfang zurückgewiesen.

In den Gründen führt sie aus, dass die Zurückweisung der für die Waren "Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und Bild, Magnetaufzeichnungsträger, Datenverarbeitungsgeräte und Computer" angemeldeten Marke wegen fehlender Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1, 37 Abs. 1 MarkenG erfolge. Der Bestandteil "Sat" sei das auch in zahlreichen Verwendungen im Englischen, aber auch eingedeutscht bekannte Kürzel für "Satellit". Dieses Wort stehe für "Künstliches Objekt, welches sich in der Umlaufbahn der Erde oder eines anderen Himmelskörpers befinde (oder dazu geeignet sei), Flugkörper, der - auf eine Umlaufbahn gebracht - in elliptischer oder kreisförmiger Bahn die Erde (oder den Mond) umkreist und dazu bestimmte wissenschaftliche oder technische Aufgaben erfüllt". Das dem angeschlossene englische, aber auch eingedeutschte Wort "Vision" stehe in ohne weiteres verständlicher Weise für "das Sehen, Anblick, Erscheinung" bzw. im übertragenen Sinne auch "die Vorstellung betreffend etwas Zukünftiges". In ihrer sprachüblichen Kombination - man denke nur an andere Kombinationen wie "Television" oder "Eurovision" - stehe die angemeldete Wortkombination daher in ohne weiteres verständlicher Weise für einen mittels Satellit vermittelten Anblick (von etwas) und werde von den für die beanspruchten Waren angesprochenen allgemeinen Verkehrskreisen auch ohne weiteres in diesem Sinne verstanden. Daher würden diese Verkehrskreise sie betreffend die beanspruchten verschiedenen Geräte und Computer als beschreibende Angabe dahin verstehen, dass es sich bei diesen um solche handele, die derartige Anblicke via Satellit vermitteln könnten und daher ihrer Übermittlung dienten. Betreffend die Magnetaufzeichnungsträger besage sie lediglich, dass diese der Aufzeichnung oder Speicherung derartiger Anblicke dienten. Dass das Kürzel "Sat" daneben auch noch andere Bedeutungsfacetten aufweise, rechtfertige keine andere Bewertung, da Marken stets in ihrem Kontext mit den beanspruchten Produkten betrachtet und verstanden würden. Auch die graphische Ausgestaltung dergestalt, dass die beiden Buchstaben "TV" in Großbuchstaben dargestellt seien, vermittle der Marke nicht die erforderliche phantasievolle Eigenprägung. Binnengroßschreibungen seien mittlerweile grundsätzlich völlig werbeübliche Gestaltungen. Dass diese Buchstaben das Kürzel "TV" bildeten, das für Television stehe, begründe letztlich keine andere Wertung. Zum einen analysierten die Verkehrskreise Marken nicht. Für den Fall der Wahrnehmung aber unterstütze dieses Kürzel den beschreibenden Gehalt. Da der Anmeldung die Eintragung versagt bleiben müsse, komme es auf die Frage des Freihaltebedürfnisses nicht mehr an.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, die keinen Antrag gestellt hat.

Die angemeldete Wort-/Bildmarke stelle keine beschreibende Angabe dar. Der Begriff "sat" sei nicht nur eine Abkürzung für "Satellit" sondern auch für "stepped atomic time" (Atomzeitskala mit Standsprüngen), ferner die Vergangenheitsform von "sit" (sitzen). Andererseits habe das Wort "vision" die Bedeutung von "Sehvermögen", "Einsicht", "Seherblick", "Vision", "Erscheinung" und "Traum". Das ergebe insgesamt 18 verschiedene Bedeutungen für die angemeldete Marke, so dass schon aus diesem Grund nicht von einer beschreibenden Angabe gesprochen werden könne. Die dem Bescheid zugrunde liegende Erwägung, die Marke sei angesichts der angemeldeten Waren und Dienstleistungen lediglich ein Hinweis, dass diese zur Darstellung bzw. Übertragung visueller Inhalte mittels Satellit eingesetzt würden, erscheine zu kompliziert, als dass man sie mit dem Sinngehalt der hier in Alleinstellung angemeldeten Marke bei unbefangener Betrachtungsweise noch in Einklang bringen könnte. Außerdem wäre das nur eine von vielen Beschreibungsmöglichkeiten. Daher sei auch ein Freihaltebedürfnis nicht erkennbar. Die bei fehlendem Freihaltebedürfnis ohnehin nicht hoch anzusetzenden Anforderungen an die Unterscheidungskraft seien erfüllt. Der Verkehr werde in der angemeldeten Marke nicht lediglich einen Sachhinweis, sondern ein Betriebskennzeichen erblicken, zumal zwei der Buchstaben durch Großschreibung und Farbgestaltung auffallend und in fantasievoller Weise hervorgehoben seien, so dass weder eine beschreibende Angabe noch ein Freihaltungsbedürfnis zu erkennen sei. Insbesondere die farbig und in Großschreibung hervorgehobenen Buchstaben, die innerhalb des Wortes "satvision" ein anderes Wort bzw. eine Abkürzung mit anderer Bedeutung, nämlich "TV", sichtbar machten, verliehen dem angemeldeten Zeichen eine hinreichende Eigenprägung, die dessen Schutz begründe. Diese Auffassung vertrete auch das BPatG in seiner Entscheidung vom 22. April 2002 - 30 W (pat) 157/01 (FanTASTic).

Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Markeninhaberin ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

Die gesamte Anmeldung ist Beschwerdegegenstand. Auch wenn in den Gründen des angefochtenen Beschlusses lediglich ein Teil der angemeldeten Waren (Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und Bild, Magnetaufzeichnungsträger, Datenverarbeitungsgeräte und Computer) ausdrücklich erwähnt wurden, die Waren und Dienstleistungen "Elektrische und physikalische Apparate und Instrumente, Antennen, elektrische Akkumulatoren und Batterien, gedruckte Schaltungen, Lautsprecher, Kopfhörer, Projektionsgeräte, Radargeräte, Telekommunikationsgeräte und -anlagen; Telekommunikation; Wissenschaftliche und technologische Dienstleistungen, industrielle Analyse- und Forschungsdienstleistungen, Entwurf und Entwicklung von Computerhardware und -software" dagegen nicht, ist von einer vollständigen Zurückweisung der Anmeldung auszugehen. Die Marke ist nach dem Tenor insgesamt zurückgewiesen worden. Eine Aufzählung aller angemeldeten Waren und Dienstleistungen in der Begründung ist nicht notwendig, um von einer vollen Zurückweisung auszugehen. Nur wenn sich aus den Gründen des Beschlusses eindeutig ergäbe, dass es sich um eine Teilzurückweisung handelt, und der Tenor einen Schreibfehler, Rechenfehler oder eine ähnliche offenbare Unrichtigkeit enthielte, käme eine Berichtigung des Tenors in Betracht (vgl Thomas/Putzo, ZPO, 27. Aufl., § 319 Rd. 1).

In dem angefochtenen Beschluss ist jedoch ebenfalls ausgeführt, dass das Vorbringen der Anmelderin gegenüber dem Beanstandungsbescheid keine andere Beurteilung der Schutzfähigkeit der angemeldeten Marke erlaube. Dieser hatte Schutzhindernisse für das gesamte Waren/Dienstleistungsverzeichnis angeführt. Am Schluss des angefochtenen Beschlusses wird nochmals darauf hingewiesen, dass der Anmeldung die Eintragung versagt bleiben musste. In der Beschwerdebegründung geht im Übrigen selbst die Anmelderin davon aus, dass die gesamte Anmeldung zurückgewiesen wurde, und erwähnt nicht einmal die lückenhafte Aufzählung des Waren/Dienstleistungsverzeichnisses im angegriffenen Beschluss.

Der Eintragung des angemeldeten Zeichens steht ein Schutzhindernis im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG jedoch nicht entgegen.

Unterscheidungskraft im Sinne von des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist nach ständiger Rechtsprechung im Hinblick auf die Hauptfunktion der Marke, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten, die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden (vgl. zur st. Rspr. EuGH GRUR 2004, 674 - Postkantoor; BGH GRUR 2003, 1050 - Cityservice). Es sind insbesondere solche Zeichen nicht unterscheidungskräftig, bei denen es sich für den Verkehr in Bezug auf die beanspruchte Ware oder Dienstleistung ohne weiteres erkennbar um eine unmittelbar beschreibende Angabe handelt. Jedoch hat der EuGH auch darauf hingewiesen, dass eine unmittelbar beschreibende Bedeutung nicht Voraussetzung für die Annahme fehlender Unterscheidungskraft ist (vgl. EuGH GRUR 2004, 674 - Postkantoor; GRUR 2004, 680 - Biomild).

Eine fehlende Unterscheidungskraft kann sich nicht nur aus dem Bezug des Zeichens zu der Ware oder Dienstleistung selbst ergeben, sondern daraus, dass die angesprochenen Verkehrskreise im Hinblick auf den möglichen Inhalt oder Gegenstand der jeweiligen Waren und Dienstleistungen in dem beanspruchten Zeichen eine Sachinformation sehen (vgl. BGH MarkenR 2003, 148, 149 - Winnetou; BPatG MarkenR 2004, 148, 150 - beauty24.de).

Es kann hier letztlich dahingestellt bleiben, ob der Verkehr das Wort "SATVISION" im Zusammenhang mit den angemeldeten Waren und Dienstleistungen lediglich als Sachangabe im Sinne von "SATELIT VISION" versteht. Die nur theoretisch möglichen Kombinationen der verschiedenen Bedeutungsmöglichkeiten von "Sat" und "Vision", wie sie die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerdebegründung ausrechnet, reichen zwar nicht aus, die Schutzfähigkeit zu bejahen. Selbst wenn man jedoch unterstellt, dass das Wort "SATVISION" für die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen nicht schutzfähig ist, muss berücksichtigt werden, dass die angemeldete Marke durch ihre graphische Gestaltung sich von einer reinen Sachangabe deutlich unterscheidet.

Die konkrete Gestaltung des Zeichens verhindert, dass das Zeichen lediglich als die Angabe "SATVISION" verstanden wird. Vielmehr fallen die kursiv geschriebenen, roten Buchstaben "TV" auf, die von den gerade stehenden, blauen Buchstaben "sa" und "ision" umrahmt werden, wobei zwischen den Buchstaben "sa" und den folgenden Buchstaben "TVision" ein größerer Abstand als im Übrigen besteht. Eine Trennung in die Bestandteile "saT" und "Vision" ist durch die konkrete Gestaltung nicht nahe gelegt, insbesondere da der Verkehr auch das Kürzel "TV" kennt. Zwar ist die Binnengroßschreibung ein werbeübliches Gestaltungsmittel, das eine Schutzfähigkeit in der Regel nicht begründen kann, jedoch führt hier die Schreibweise zu einer anderen Aufteilung der Bestandteile, so dass der Verkehr die angemeldete Marke nicht mit der Angabe "Sat Vision" gleichsetzt. Auch wenn die angesprochenen Verkehrskreise den Begriff "Sat Vision" erkennen, insbesondere bei genauer Betrachtung und Überlegung, wird eine Reduzierung darauf dem besonderen Charakter der angemeldeten Marke nicht gerecht. Sieht man nämlich "TV" wegen seiner hervorgehobenen Darstellung als Kern der Gesamtgestaltung an, dann sind die ergänzenden Bestandteile für sich gesehen ohne Sinngehalt. Wenn man dagegen dem Bedürfnis nach einer sinnvollen Interpretation der angemeldeten Bezeichnung folgend diese als "Sat Vision" versteht, wird der Begriff jedoch gleich wieder durch die größenmäßig, typenmäßig und farbmäßig hervorgehobenen Buchstaben "TV" zerrissen, welcher die bekannte Kurzform für Television bildet. Eine besondere graphische Gestaltung eines Wortes kann geeignet sein, eine Unterscheidungskraft zu begründen (vgl. auch BPatG GRUR 2002, 889 - fanTASTic). Erweist sich der klangliche und begriffliche Gehalt der angemeldeten Marke nicht als schutzfähig, so hindert dies nicht die Eintragung, sofern das Zeichen aufgrund seiner Schreibweise als betrieblicher Herkunftshinweis geeignet und nicht als Sachangabe freizuhalten ist (BPatG GRUR 2004, 873 - FRISH). Gegenstand der Schutzgewährung ist dann die eingetragene Gestaltung des Zeichens.

Soweit die Markenstelle daran zweifelt, dass das Kürzel "TV" bei unbefangener Betrachtung wahrgenommen werde, und meint, im Übrigen unterstütze es nur den beschreibenden Gehalt, vermag sich der Senat dem nicht anzuschießen. Durch die farbliche Herausstellung des bekannten Kürzels "TV" für Television bzw. Fernsehen springt dieses dem unbefangenen Betrachter geradezu ins Auge. Die Abkürzung "TV" ist zwar für sich allein eine beschreibende bzw. nicht unterscheidungskräftige Angabe, jedoch bewirkt die konkrete Gestaltung nicht eine Verstärkung des beschreibenden Charakters, sondern verhindert, dass der Verkehr das Zeichen lediglich als beschreibende Angabe im Sinne von "SAT-VISION" versteht. Insgesamt ist die angemeldete Marke durch die besondere Gestaltung noch so stark verfremdet, dass ihr nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden kann.

Auch steht das Eintragungshindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, welches die Markenstelle im angefochtenen Beschluss dahingestellt bleiben ließ, der Eintragung nicht entgegen, denn das Zeichen besteht nicht ausschließlich aus beschreibenden Angaben, da jedenfalls die besondere graphische Gestaltung von einer reinen Sachangabe wegführt.

Die Beschwerde der Anmelderin hat somit Erfolg.






BPatG:
Beschluss v. 29.05.2006
Az: 25 W (pat) 145/04


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