Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 10. September 1993
Aktenzeichen: 6 U 163/93
(OLG Köln: Urteil v. 10.09.1993, Az.: 6 U 163/93)
Die Bezeichnung"Ausstellungshandbuch" für eine Druckschrift ("Handbuch", das Kunstausstellungen zum Gegenstand hat) ist von Hause aus nicht unterscheidungskräftig; sie kann Schutzfähigkeit nur kraft Verkehrsgeltung erlangen. Die Anforderungen an den Nachweis bzw. die Glaubhaftmachung der Verkehrsgeltung sind bei einer Bezeichnung der vorliegenden Art, da praktisch rein beschreibend und gattungsbezogen, sehr hoch anzusetzen. Óberdies besteht wegen der glatten Bestimmungsangabe ein erhebliches Freihaltebedürfnis.
Tenor
Die Berufung der Antragstellerin gegen das am 17. Juni 1993 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln - 81 O 96/93 - wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Antragstellerin auferlegt.
Gründe
Die Berufung ist zulässig, sie hat aber
in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat den Antrag auf
Erlaß einer einstweiligen Verfügung zu Recht zurückgewiesen, denn
die tatsächlichen Voraussetzungen für das Bestehen eines
Verfügungsanspruchs sind nicht hinreichend glaubhaft gemacht.
Ein Anspruch der Antragstellerin ergibt
sich, soweit dessen tatsächliche Voraussetzungen im vorliegenden
summarischen Verfahren festgestellt werden können, nicht aus § 16
Abs. 1 UWG.
§ 16 Abs. 1 UWG verbietet, im
geschäftlichen Verkehr die besondere Bezeichnung einer
Druckschrift in einer Weise zu benutzen, die geeignet ist,
Verwechslungen mit der besonderen Bezeichnung hervorzurufen, deren
sich ein anderer befugtermaßen bedient. Wettbewerbsrechtlichen
Schutz nach dieser Regelung können grundsätzlich auch Untertitel
genießen (vgl. BGH GRUR 1990, 218, 219 - "Verschenktexte I"
m.w.N.; Baumbach/Hefermehl, 17. Aufl., Rdnr. 117 zu § 16 UWG).
Ein Titel oder Untertitel ist aber nur
dann eine "besondere Bezeichnung" im Sinne des § 16 Abs. 1 UWG,
wenn er hinreichende Unterscheidungskraft besitzt. Dies ist zum
einen dann der Fall, wenn der (Unter-)Titel von Natur aus
unterscheidungskräftig ist, zum anderen dann, wenn er kraft
Verkehrsgeltung Unterscheidungskraft erlangt hat. Die erste
alternative Möglichkeit hat die Antragstellerin nicht dargetan, die
zweite ist nicht hinreichend glaubhaft gemacht.
Die Bezeichnung "Ausstellungshandbuch"
ist nicht von Natur aus unterscheidungskräftig.
Unterscheidungskraft setzt voraus, daß der Begriff bzw. der Titel
nicht nur den Inhalt des Werkes bezeichnet, sondern daß er geeignet
und bestimmt ist, das Werk von anderen Werken zu unterscheiden
(vgl. BGH GRUR 1959, 45 - "D. Illustrierte"; GRUR 1963, 377 - D.
Zeitung"). Die Bezeichnung "Ausstellungshandbuch" erfüllt diese
Voraussetzung nicht. Sie setzt sich aus zwei rein beschreibenden
Angaben zusammen - "Ausstellung" und "Handbuch" -, die für sich
betrachtet nicht unterscheidungskräftig sind.
Auch der hier gewählten Wortverbindung
- "Ausstellungshandbuch" - fehlt es aber an der hinreichenden
Unterscheidungskraft. Diese wäre nur anzunehmen, wenn es sich um
eine eigenartige, phantasievolle Zusammensetzung der beiden Wörter
handelte, die der Verkehr bei der Verwendung als Untertitel eines
Buches als geeignet ansieht, dieses Werk von anderen Büchern zu
unterscheiden (vgl. BGH GRUR 1993, 488, 490 - "Verschenktexte II").
Hiervon kann im Streitfall nicht ausgegangen werden. Auch die
Wortzusammenfügung ergibt vielmehr eine sprachliche Bezeichnung
rein beschreibenden Inhalts. In ihrer Kombination werden die beiden
umgangssprachlichen Wörter lediglich entsprechend ihrem
ursprünglichen, rein beschreibenden Wortsinn verwendet: Es handelt
sich um ein Handbuch der (Kunst-)Ausstellungen. Tatsächlich werden
in dem Werk denn auch Galerien und Kunstvereine als Trä-ger von
Kunstausstellungen aufgelistet. Die Wortverbindung ist damit weder
ungewöhnlich noch gewinnt sie eine über den bloßen Begriffsinhalt
hinausgehende Eigenart. Wenn die Antragstellerin in ihrer
Berufungsbegründung selbst hervorhebt, der Untertitel kläre über
den Inhalt des Buches auf, so unterstreicht dies, daß die
Bezeichnung rein beschreibende Angaben enthält, und spricht dafür,
daß sie für den Verkehr beschreibend - möglicherweise auch
gattungsbestimmend -, nicht aber kennzeichnend wirkt.
Ohne Erfolg macht die Antragstellerin
in diesem Zusammenhang geltend, es existiere kein Handbuch zur
Ausstellungspraxis im Kunstmarkt, der Begriff
"Ausstellungshandbuch" komme sonst auf dem Markt der Druckwerke
nicht vor. Auch wenn dies zutreffen sollte, läßt dies die rein
beschreibenden und im umgangssprachlichen Verständnis gebrauchten
Begriffe sowie deren Kombination nicht als so ungewöhnlich
erscheinen, daß von originärer Unterscheidungskraft ausgegangen
werden könnte.
Mit ihrer Behauptung, die Bezeichnung
"Ausstellungshandbuch" habe sich als Herkunftshinweis auf das von
ihr verlegte und vertriebene Druckwerk durchgesetzt, legt die
Antragstellerin dar, daß die Bezeichnung, deren Schutz sie begehrt,
die nach § 16 Abs. 1 erforderliche Unterscheidungkraft aufgrund von
Verkehrsgeltung besitze. Diese Sachdarstellung hat sie aber nicht
mit dem für den Erlaß einer einstweiligen Verfügung erforderlichen
Grad von Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht.
Der Bekanntheitsgrad einer Bezeichnung,
insbesondere der dafür maßgebliche "nicht unbeträchtliche Teil des
Verkehrs", stellt im Rahmen der Prüfung des § 16 Abs. 1 keine
konstante Größe dar. Er hängt vielmehr zum einen davon ab, ob und
inwieweit der Bezeichnung ihrer Art nach wenigstens eine gewisse
Unterscheidungsfähigkeit zukommt und ob die Möglichkeit, ihr eine
kennzeichnende Wirkung beizumessen, ganz fern oder näher liegt.
Zum anderen ist von Bedeutung, ob und in welchem Maße ein
Freihaltebedürfnis der Allgemeinheit besteht. Je weniger mithin ein
Wort oder Begriff zur Kennzeichnung überhaupt geeignet erscheint,
d. h. je beschreibender es sich darstellt, desto höher sind die
Anforderungen an seine Bekanntheit zu stellen (vgl. BGHZ 21, 182,
193 - "Funkberater" -; Groß-kommentar/Teplitzky, Rdnr. 217, 218 zu
§ 16 UWG m.w.N.). Óberdies sind um so strengere Maßstäbe an die
Bekanntheit eines Begriffs als Kennzeichnung anzulegen, je
wichtiger seine Freihaltung für den allgemeinen Gebrauch oder den
Gebrauch der in Betracht stehenden Verkehrskreise ist (vgl. BGHZ
34, 299, 305, "Almglocke/Almquell"; Großkommentar/Teplitzky, Rdnr.
219 zu § 16 UWG).
Der im Streitfall zu beurteilende
Begriff "Ausstellungshandbuch" stellt sich als praktisch
ausnahmslos beschreibende und gattungsbezogene Bezeichnung dar,
bei der die Möglichkeit, ihr eine individuell kennzeichnende
Wirkung beizumessen, sehr fern liegt. Schon deswegen sind die
Anforderungen, die an den Nachweis bzw. die Glaubhaftmachung der
Verkehrsgeltung zu stellen sind, sehr hoch anzusetzen. Da es sich
um eine glatte Bestimmungsangabe handelt - es geht um ein
"Handbuch", das (Kunst)"Ausstellungen" zum Gegenstand hat - besteht
an der Freihaltung des Begriffs zudem ein erhebliches
Bedürfnis.
Den danach aus zweifachem Grund zu
stellenden hohen Anforderungen an den Grad von Wahrscheinlichkeit,
die im Rahmen der Glaubhaftmachung an die Verkehrsgeltung zu
stellen sind, genügen die von der Antragstellerin angeführten
Belege und Indiztatsachen weder je für sich noch bei einer
Gesamtbetrachtung. Insoweit reicht es nicht aus, daß einige
Buchhandlungen - offensichtlich ausnahmslos in K. bzw. im Großraum
K. - auf die Frage nach einem Buch mit dem Titel oder Untertitel
"Ausstellungshandbuch" das Werk der Antragstellerin genannt
haben. Die vorgelegten Bestellungen einzelner Käufer als
"Endverbraucher" sind abgesehen von ihrer geringen Zahl schon
deswegen wenig aussagekräftig, weil sie großenteils entweder den
vorgelegten Bestellcoupon benutzen, der vereinfachend von
"Ausstellungshandbuch" spricht, oder zumindest nicht ausschließen
lassen, daß sie sich schlicht an der dort vorgegebenen Formulierung
orientieren. Lediglich zwei der überreichten Bestellungen von
"Endverbrauchern" beschränken sich auf die Angabe des Begriffs
"Ausstellungshandbuch", um damit das Werk der Antragstellerin zu
individualisieren.
Die vorgetragene Auflagenhöhe ist für
sich ohne deutliche Aussagekraft im Hinblick auf die Durchsetzung
der Bezeichnung "Ausstellungshandbuch" als Titelbestandteil.
Dasselbe gilt für die Eintragung des Werkes in der Deutschen
Bibliothek und die Angabe der - zusätzlichen - Bezeichnung
"Ausstellungshandbuch" in einem Presseartikel.
Auch bei einer Gesamtbetrachtung sind
die vorgenannten Umstände nicht geeignet, eine Verkehrsgeltung
des Begriffs "Ausstellungshandbuch" als Untertitel für das Werk der
Antragstellerin als hinreichend wahrscheinlich anzusehen. Dem steht
angesichts der aus den oben genannten Gründen zu stellenden hohen
Anforderungen schon die geringe Zahl der befragten Buchhändler und
der vorgelegten Bestellungen entgegen, die nicht annähernd als
repräsentativ bezeichnet werden können.
Was den von der Antragstellerin neben §
16 Abs. UWG angesprochenen Wettbewerbsschutz nach § 1 UWG vor
Herkunftstäuschung angeht, ist zu berücksichtigen, daß die
sonderrechtlichen Tatbestände, zu denen auch § 16 UWG gehört, eine
abschließende Regelung enthalten, die hinsichtlich einer
wettbewerbsrechtlichen Herkunftstäuschung keine anderen
Voraussetzungen kennen, als das allgemeine Wettbewerbsrecht.
Deswegen kann ein Wettbewerbsschutz vor Herkunftstäuschung im
Streitfall nur dann in Betracht kommen, wenn besondere weitere
Umstände den Vorwurf der Sittenwidrigkeit begründen (vgl. BGH NJW
RR 1990, 1194, 1196 = GRUR 1990, 681 - "S."). Solche zusätzlichen
Umstände sind hier im Zusammenhang mit der behaupteten
Herkunftstäuschung nicht dargetan.
Die Antragstellerin stützt ihr Begehren
außerdem auf § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt der Rufausnutzung
bzw. Rufausbeutung. Nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofes kommt eine Verletzungshandlung im Sinne des §
1 UWG auch dann in Betracht, wenn der Ruf der Kennzeichnung eines
anderen für die eigene Werbung ausgenutzt wird (vgl. BGH GRUR
1985, 550 - "D."; GRUR 1991, 465, 466 - "S.").
Die Voraussetzungen des § 1 UWG unter
dem Gesichtspunkt der Rufausbeutung sind aber ebenfalls nicht
glaubhaft gemacht. Voraussetzung für einen derartigen Anspruch ist,
daß besondere Umstände den Vorwurf eines Verstoßes gegen die guten
Sitten im Sinne des § 1 UWG rechtfertigen. Erforderlich ist danach,
daß die Bezeichnung, auf die sich der Anspruchsteller beruft, im
Verkehr einen gewissen Ruf erlangt hat, also bekannt geworden ist
(BGH a.a.O., 466). Gefordert wird ein hoher Grad der Bekanntheit
und vor allem ein solches Ansehen der Kennzeichnung, daß deren
Ausnutzung durch Anlehnung einerseits für den Konkurreten lohnend
und andererseits - wegen des mit der Kennzeichnung durch besondere
Leistungen des Inhabers geschaffenen Wertes - objektiv unlauter
erscheint (vgl. BGH GRUR 1991, 609, 612 "S." = BGHZ 113, 115).
Die Antragstellerin trägt sowohl im
Hinblick auf das konkrete Werk mit der Bezeichnung
"Ausstellungshandbuch" als auch im Hinblick auf die Reihe
"Handbücher für Künstler" lediglich vor, die Antragsgegnerin hänge
sich an den guten Ruf und die hohen Verkaufserfolge an und
profitiere so von dem eingeführten Titel. Dies reicht für die
Darlegung und Glaubhaftmachung eines hohen Grades von Bekanntheit
und des erforderlichen Ansehens nicht aus. Auch die angegebenen
Verkaufszahlen genügen für sich noch nicht, um die vorgenannten
Anforderungen an den wettbewerbsrechtlichen Schutz einer
Kennzeichnung gegen eine ihren Ruf ausnutzende Benutzung zu
erfüllen. Abgesehen davon, daß zweifelhaft ist, ob angesichts der
vorgetragenen Auflagenzahlen von "hohen Verkaufserfolgen" die Rede
sein kann, ist zum Ansehen der Kennzeichnung im Verkehr nichts
substantiiert dargelegt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97
Abs. 1 ZPO.
Das Urteil wird mit seiner Verkündung
rechtskräftig, § 545 Abs. 2 ZPO.
OLG Köln:
Urteil v. 10.09.1993
Az: 6 U 163/93
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