Bundespatentgericht:
Beschluss vom 14. März 2011
Aktenzeichen: 11 W (pat) 363/05

(BPatG: Beschluss v. 14.03.2011, Az.: 11 W (pat) 363/05)

Tenor

Auf den Einspruch wird das Patent DE 199 19 447 widerrufen.

Gründe

I.

Auf die am 29. April 1999 beim Deutschen Patentamt (jetzt: Deutsches Patentund Markenamt) eingereichte Patentanmeldung ist die Erteilung des Patents 199 19 447 mit der Bezeichnung

"Vorrichtung zum Zuführen von Fasern"

am 2. Juni 2005 veröffentlicht worden.

Gegen das Patent ist Einspruch erhoben worden.

Die Einsprechende macht sinngemäß geltend, dass das Patent die Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbare, dass ein Fachmann sie ausführen könne, außerdem seien die Gegenstände des Anspruchs 1 und des nebengeordneten Anspruchs 2 gegenüber der Druckschrift D5 nicht neu und beruhten gegenüber der behaupteten Vorbenutzung und der Druckschrift D3 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Sie stützt ihr Vorbringen u. a. auf folgende Druckschriften:

(D1) DE 33 15 909 C2

(D2) DE 39 04 853 A1

(D3) DE 29 39 968 A1

(D4) DE 87 13 616 U1

(D5) DE 31 41 537 A1 sowie auf eine Vorbenutzung entsprechend (D6) Zeichnung "Freudenberg"

Sie beantragt, das angegriffene Patent in vollem Umfang zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt, nach Lage der Akten zu entscheiden.

Der erteilte Anspruch 1 lautet in gegliederter Fassung:

1 Vorrichtung zum Zuführen von Fasern zu einer Textilmaschine, wie einer Krempel, wobei 2 die Vorrichtung eine Einfüllkammer für die Fasern aufweist, 3 sowie einen der Einfüllkammer nachgeschalteten Füllschacht, 4 sowie eine dem Füllschacht nachgeschaltete Abzugseinrichtung, 5 wobei die Abzugseinrichtung mit einer Messeinrichtung zur Kontrolle einer aus den Fasern gebildeten Matte versehen ist, 6 und wobei die Messeinrichtung wenigstens zwei quer zur Förderrichtung der Matte voneinander beabstandet angeordnete Sensoren aufweist, 7 und wobei dem Füllschacht vorgeschaltet eine Einrichtung zur Beeinflussung der Faserverteilung vorgesehen ist, welche quer über die Breite der zu bildenden Matte verlaufend angeordnet ist, 8 wobei diese Einrichtung in wenigstens zwei Abschnitte aufgeteilt ist, 9 in welchen jeweils die Packungsdichte der Fasern beeinflussende Organe vorgesehen sind, 10 und wobei eine Steuerung vorgesehen ist, die in Abhängigkeit von den Signalen der Messeinrichtung die Organe der Einrichtung unabhängig voneinander zugunsten einer gleichmäßigen Ausgestaltung der Matte ansteuert, dadurch gekennzeichnet, dass 11 die Einrichtung zur Beeinflussung der Faserverteilung als einteilige Regulierwalze (16) ausgestaltet ist, deren Abstand zu der Fasermatte an ihren beiden Walzenenden unabhängig voneinander einstellbar ist.

Der erteilte nebengeordnete Anspruch 2 lautet in gegliederter Fassung:

1 Vorrichtung zum Zuführen von Fasern zu einer Textilmaschine, wie einer Krempel, wobei 2 die Vorrichtung eine Einfüllkammer für die Fasern aufweist, 3 sowie einen der Einfüllkammer nachgeschalteten Füllschacht, 4 sowie eine dem Füllschacht nachgeschaltete Abzugseinrichtung, 5 wobei die Abzugseinrichtung mit einer Messeinrichtung zur Kontrolle einer aus den Fasern gebildeten Matte versehen ist, 6 und wobei die Messeinrichtung wenigstens zwei quer zur Förderrichtung der Matte voneinander beabstandet angeordnete Sensoren aufweist, 7 und wobei dem Füllschacht vorgeschaltet eine Einrichtung zur Beeinflussung der Faserverteilung vorgesehen ist, welche quer über die Breite der zu bildenden Matte verlaufend angeordnet ist, 8 wobei diese Einrichtung in wenigstens zwei Abschnitte aufgeteilt ist, 9 in welchen jeweils die Packungsdichte der Fasern beeinflussende Organe vorgesehen sind, 10 und wobei eine Steuerung vorgesehen ist, die in Abhängigkeit von den Signalen der Messeinrichtung die Organe der Einrichtung unabhängig voneinander zugunsten einer gleichmäßigen Ausgestaltung der Matte ansteuert, dadurch gekennzeichnet, dass 12 dass die Einrichtung zur Beeinflussung der Faserverteilung als mehrteilige Regulierwalze ausgestaltet ist, wobei der Abstand jedes Walzenteils zu der Fasermatte unabhängig von den anderen Walzenteilen einstellbar ist.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akte verwiesen.

II.

Der zulässige Einspruch ist begründet.

Die Erfindung betrifft eine Vorrichtung zum Zuführen von Fasern zu einer Textilmaschine, wie einer Krempel (Merkmal 1 der Ansprüche 1 und 2).

Wie in der Beschreibungseinleitung ausgeführt ist, sei eine derartige Vorrichtung aus der DE 39 04 853 A1 (D2) bekannt. Ventile ermöglichten je nach Öffnungszustand unterschiedliche Verdichtungen der zugeführten Fasern in einzelnen Schachtabschnitten. Hierzu seien, den eigentlichen Schachtquerschnitt erweiternd, zusätzliche vorgesetzte Gehäuse vorgesehen, in denen jeweils ein Ventil angeordnet sei. Die zusätzlichen Gehäuse schlössen luftdurchlässig an die Schachtwandung an. Mit dieser Vorrichtung solle die Dichteverteilung der Fasern vergleichmäßigt werden. Durch Betätigung der Ventile und die dementsprechende Änderung der Luftströmungsverhältnisse im Schacht sei die Querverteilung der Fasern, also eine Umverteilung der Fasern über die Arbeitsbreite der Vorrichtung, innerhalb des Füllschachtes jedoch nur eingeschränkt möglich. (Abs. [0002] der Patentschrift).

Aus der DE 33 15 909 C2 (D1) sei eine Vorrichtung bekannt, bei der über Beeinflussung der Verhältnisse im Füllschacht ebenfalls die Dichteverteilung der Fasern vergleichmäßigt werden solle. Die Fasermasse werde üblicherweise quer zur Förderrichtung der zu bildenden Matte in die Einfüllkammer eingeblasen. Aus dieser Quereinblasung der Fasern in die Einfüllkammer ergebe sich häufig eine ungleichmäßige Packungsdichte der Fasern bereits innerhalb der Einfüllkammer, wobei diese Ungleichmäßigkeiten im Bereich des Füllschachtes nur zu einem geringen Maß ausgeglichen werden könnten (Abs. [0003] der Patentschrift).

Aus der DE 87 13 616 U1 (D4) sei ein Kastenspeiser zur Herstellung einer Mischung aus Fasergut bekannt, bei dem eine einteilige Walze höhenverstellbar sei, um durch unterschiedlichen Abstand zu einer Fasermatte eine Fasergutsäule beim Abarbeiten derselben niederhalten zu können. Bei ungleichmäßiger Verteilung der Fasern innerhalb der Fasergutsäule bewirke der gleichmäßige Druck durch die Walze eine ungleichmäßige Ausbildung der aus den Fasern erstellten Fasermatte (Abs. [0005] der Patentschrift).

Die Aufgabe soll darin bestehen deshalb darin, eine gattungsgemäße Vorrichtung dahingehend zu verbessern, dass diese eine möglichst gleichmäßig dicke Ausbildung der Fasermatte ermöglicht (Abs. [0006] der Patentschrift).

Als maßgeblicher Fachmann ist hierbei ein Fachhochschulingenieur der Fachrichtung Maschinenbau mit langjähriger Erfahrung in Konstruktion und Herstellung von Faservorbereitungsmaschinen anzusehen.

1. Die Erfindung gemäß Anspruch 1 ist nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann (§ 21 Abs. 1 Nr. 2 PatG).

An der Ausführbarkeit eines Patents fehlt es, wenn der Fachmann durch die Patentschrift nicht in die Lage versetzt wird, die Lehre des Patents unter Zuhilfenahme seines Fachwissens praktisch zu verwirklichen (vgl. Busse/Keukenschrijver, PatG, 6. Aufl., § 34 Rdn. 282).

Dies ist hier bezüglich des Merkmals 11 der Fall, wonach die Einrichtung zur Beeinflussung der Faserverteilung als einteilige Regulierwalze ausgestaltet ist, deren Abstand zu der Fasermatte an ihren beiden Walzenenden unabhängig voneinander einstellbar ist.

Nach dem Oberbegriff des Anspruchs ist vorgesehen, dass dem Füllschacht vorgeschaltet eine Einrichtung zur Beeinflussung der Faserverteilung vorgesehen ist, welche quer über die Breite der zu bildenden Matte verlaufend angeordnet ist, wobei diese Einrichtung in wenigstens zwei Abschnitte aufgeteilt ist, in welchen jeweils die Packungsdichte der Fasern beeinflussende Organe vorgesehen sind (Merkmale 7 -9). Das Merkmal 11 ist demgegenüber dadurch gekennzeichnet, dass die Einrichtung zur Beeinflussung der Faserverteilung als einteilige Regulierwalze ausgestaltet ist, deren Abstand zu der Fasermatte an ihren beiden Walzenenden unabhängig voneinander einstellbar ist.

Für den genannten Fachmann ist bereits nicht ersichtlich, wie bei einer einteiligen Walze der Abstand zu einer Fasermatte an ihren beiden Walzenenden unabhängig voneinander so eingestellt werden kann, dass letztlich bei einer Korrektureinstellung des einen Abschnitts der andere Abschnitt unbeeinflusst bleibt. Bei der Einstellung des Abstands einer einteiligen Walze gegenüber einer Bezugsfläche werden nämlich immer beide Abschnitte der Walze beeinflusst, da durch eine Abstandsverstellung an einer Seite einer einteiligen Walze eine Schrägstellung der gesamten Walze resultiert und somit auch der Abschnitt zum gegenüberliegende Ende der Walze hin beeinflusst wird. Überdies ist für den Fachmann nicht offenbart, wie die einteilige Walze aufgebaut sein muss, um sie in zwei Abschnitte aufteilen (nicht einteilen) zu können, in welchen jeweils die Packungsdichte der Fasern beeinflussende Organe vorgesehen sind, da eine einteilige Walze nur aus einem einzigen Walzenkörper bestehen kann. Da auch in der Beschreibung diesbezügliche Angaben fehlen, ist letztlich nicht feststellbar, welche Ausgestaltung das patentgemäße Merkmal 11 haben soll. Eine Nacharbeitung der Erfindung ist demnach nicht möglich.

Das Patent offenbart die Erfindung somit nicht so deutlich und vollständig, dass ein Fachmann sie ausführen kann. Anspruch 1 in der erteilten Fassung hat daher keinen Bestand. Im Rahmen der Antragsgesamtheit hat auch der dem Anspruch 1 nebengeordnete Anspruch 2 keinen Bestand (BGH, GRUR 1997, 20 -Elektrisches Speicherheizgerät). Doch auch in sachlicher Hinsicht hat auch der nebengeordnete Anspruch 2 keinen Bestand.

2. Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 2 ist nicht patentfähig (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG).

Aus der Druckschrift D5 (DE 31 41 537 A1) geht der dem Gegenstand des Anspruchs 2 am nächsten kommende Stand der Technik hervor. Dort ist eine Vorrichtung zur Regelung der Zuführung von Spinngut, z. B. Baumwolle u. dgl., zu einer Verarbeitungsmaschine, z. B. Karde (Anspruch 1) beschrieben, wobei die Vorrichtung einen Einzugschacht 3 aufweist (Fig. 1 i. V. m. S. 9, le. Abs), der der patentgemäßen Einfüllkammer entspricht. Insoweit sind die Merkmale 1 und 2 des Anspruchs 2 erfüllt.

Figur 1 zeigt weiterhin einen der Einfüllkammer nachgeschalteten Füllschacht (Rüttelfüllschacht 15) sowie eine dem Rüttelfüllschacht 15 nachgeschaltete Abzugseinrichtung (Förderband 16). Demnach sind auch die Merkmale 3 und 4 aus D5 vorbekannt.

Vom Füllschacht der D5 führt das Förderband 16 über einen Muldenregler 17 zu Schlagwalzen 18 (vgl. Fig. 1 i. V. m. S. 10, 1. Abs.), wobei der Muldenregler 17 als abschnittsweise unterteilter Pedalmuldenregler 17a, 17b, 17c ausgeführt ist, der Abweichung an dem zugeführten Vlies in der Menge und/oder Dicke gegenüber dem vorbestimmten Normalwert feststellt (vgl. Fig. 2 i. V. m. S. 11, 1. Abs.). Diese sind gem. Fig. 2 als quer zur Förderrichtung der Matte voneinander beabstandet angeordnete Sensoren (17a, 17b, 17c) offenbart. Demzufolge ergeben sich hieraus auch die Merkmale 5 und 6, wonach die Abzugseinrichtung mit einer Messeinrichtung zur Kontrolle einer aus den Fasern gebildeten Matte versehen ist und die Messeinrichtung wenigstens zwei quer zur Förderrichtung der Matte voneinander beabstandet angeordnete Sensoren aufweist.

Dem Rüttelfüllschacht 15 gemäß D5 ist eine Abstreifwalze 11 vorgeschaltet (Fig. 1), die mit Nadelleisten versehen ist, welche mehr oder weniger herausgefahren werden können, so dass in dem betreffenden Abschnitt mehr oder weniger Material in den Rüttelfüllschacht zugeführt wird (vgl. Fig. 2 i. V. m. S. 11, Z. 9 -15). Dies entspricht dem Merkmal 7 des Anspruchs 2.

Die Abstreifwalze 11, die sich über die Arbeitsbreite 23 der Maschine erstreckt, weist entsprechend den Abschnitten 24, 25, 26 unterteilte Nadelleisten 28, 29, 30 auf, die in entsprechenden nutenförmigen Ausnehmungen 31, 32, 33 radial verschiebbar angeordnet sind (vgl. Fig. 2 und S. 10, Z. 23 - 27), um mehr oder weniger herausgefahren zu werden, so dass in dem betreffenden Abschnitt mehr oder weniger Material in den Rüttelfüllschacht zugeführt wird (S. 11, Z. 9 -15). Somit ist die Abstreifwalze 11 in wenigstens zwei Abschnitte aufgeteilt (Merkmal 8), in welchen jeweils die Packungsdichte der Fasern beeinflussende Organe vorgesehen sind (Merkmal 9).

Von den abschnittsweise vorgesehenen Pedalmuldenreglern 17a, 17b, 17c führen Steuerleitungen 41, 42, 43 über Schaltund Steuervorrichtungen 45 zu den korrespondierenden Nadelleisten 28, 29 und 30 in den entsprechenden Abschnitten 24, 25 und 26 (vgl. Fig. 2). Sobald ein Pedalmuldenregler eines Abschnittes eine Abweichung an dem zugeführten Vlies in der Menge und/oder Dicke gegenüber dem vorbestimmten Normalwert feststellt, werden die Nadelleisten der zugehörigen Abschnitte mehr oder weniger herausgefahren (S. 11, Z. 5 -14), weshalb sich auch das Merkmal 10 aus dieser Druckschrift ergibt.

Das einzige diesem Stand der Technik nicht unmittelbar zu entnehmende Merkmal -sofern die Nadelleisten nicht schon als Walzenteil aufzufassen sind -ist das Merkmal 12 gemäß Anspruch 2, wonach die Einrichtung zur Beeinflussung der Faserverteilung als mehrteilige Regulierwalze ausgestaltet ist, wobei der Abstand jedes Walzenteils zu der Fasermatte unabhängig von den anderen Walzenteilen einstellbar ist. Aus D5 ist es bekannt, den Spalt zwischen der Fasermatte und der Walze an verschiedenen Walzenteilen unabhängig von den anderen Walzenteilen einzustellen. Hierzu werden die an der Walze befestigten Nadelleisten mehr oder weniger herausgefahren (vgl. Fig. 3 i. V. m. S. 11, Z. 9 -15). Dass zur Einstellung dieses Spalts auch der Abstand der Walze selbst bzw. der Abstand der Walzenteile gegenüber der Fasermatte eingestellt werden kann, liegt ausgehend von diesem Stand der Technik als einfache konstruktive Maßnahme nahe.

Der nebengeordnete Anspruch 2 ergibt sich folglich in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik und hat somit ebenfalls keinen Bestand.

Es kann somit dahingestellt bleiben, ob die geltend gemachte Vorbenutzung nach D6 ausreichend substantiiert ist und gegebenenfalls ebenfalls patenthindernd entgegensteht.

Das Patent ist daher zu widerrufen.

Dr. W. Maier v. Zglinitzki Rothe Hubert Bb






BPatG:
Beschluss v. 14.03.2011
Az: 11 W (pat) 363/05


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