Bundespatentgericht:
Beschluss vom 26. März 2009
Aktenzeichen: 6 W (pat) 333/06
(BPatG: Beschluss v. 26.03.2009, Az.: 6 W (pat) 333/06)
Tenor
Das Patent 103 25 719 wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:
-Patentansprüche 1 bis 7 vom 15. Mai 2008 -Beschreibung und Zeichnungen wie erteilt.
Gründe
I.
Gegen das am 26. Januar 2006 veröffentlichte Patent 103 25 719 mit der Bezeichnung "Bearbeitungseinheit" ist am 18. April 2006 Einspruch erhoben worden. Der Einspruch ist mit Gründen versehen und auf die Behauptung gestützt, der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 sei nicht neu und beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
In der Einspruchsbegründung verweist die Einsprechende auf folgende Druckschriften:
1.
US4808047 2.
IT 000 253 802 3.
GB 868 803.
Die Einsprechende beantragt, das angegriffene Patent zu widerrufen.
Die Patentinhaberin hat mit Eingabe vom 15. Mai 2008 neue Ansprüche 1 bis 7 vorgelegt und beantragt, das Patent 103 25 719 mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrecht zu erhalten:
-neue Ansprüche 1 bis 7 vom 15. Mai 2008 -Beschreibung und Zeichnungen wie erteilt.
Sie ist der Auffassung, dass der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 sowohl neu als auch erfinderisch sei.
Der geltende Anspruch 1 lautet:
"Bearbeitungseinheit zum Einbau in eine Presse, Stanze oder dergleichen, mit wenigstens einer Spindel zur Aufnahme eines Werkzeugs, mit einem Elektromotor und einem Getriebe für den Rotationsantrieb der Spindel und mit einem Fluidaggregat, das für den steuerbaren Hubantrieb der Spindel einen doppelt wirkenden Kolben aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass die Spindel (16) koaxial, axial verschiebbar und unverdrehbar in einer Hauptwelle (14) geführt ist, dass die Hauptwelle (14) drehbar und axial unverschiebbar gelagert ist, dass die Spindel (16) mit dem Kolben (9) axial verschiebbar ist, dass der Elektromotor (25) ein Wechselstrom-Servomotor ist, der über das Getriebe und die Hauptwelle (14) die Spindel (16) drehend antreibt, und dass der Rotationsantrieb der Spindel (16) und der Hubantrieb des Kolbens (9) über eine speicherprogrammierbare Steuerung gesteuert werden."
Wegen der auf den Anspruch 1 rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 7 sowie wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Im Prüfungsverfahren vor dem Deutschen Patentund Markenamt wurde noch folgender Stand der Technik berücksichtigt:
DE 197 29 263 C2 DE 3536323C2 US 4761100 EP 1238737A1 IT 1311723B.
II.
1.
Das Bundespatentgericht ist für die Entscheidung über den vorliegenden Einspruch nach § 147 Abs. 3 PatG in der bis zum 30. Juni 2006 geltenden Fassung zuständig geworden und auch nach der ab 1. Juli 2006 in Kraft getretenen Fassung des § 147 Abs. 3 PatG gemäß dem Grundsatz der perpetuatio fori zuständig geblieben (vgl. hierzu BGH GRUR 2007, 859, 861 f. -Informationsübermittlungsverfahren I; BGH GRUR 2007, 862 f. -Informationsübermittlungsverfahren II; BGH GRUR 2009, 184 f. -Ventilsteuerung).
2.
Der fristund formgerecht erhobene Einspruch ist ausreichend substantiiert und auch im Übrigen zulässig.
Dies ist seitens der Patentinhaberin nicht bestritten worden.
3.
Die geltenden Ansprüche sind zulässig.
Der geltende Anspruch 1 ergibt sich aus dem erteilten Anspruch 1, aus der Streitpatentschrift, S. 3, re. Sp., Z. 7 bis 12 und 36 bis 38, aus dem erteilten Anspruch 5, aus Abs. [0032], Satz 4 der Streitpatentschrift und aus dem erteilten Anspruch 5 bzw. aus dem ursprünglichen Anspruch 1, aus S. 5, Abs. 1 und 2 der Anmeldungsunterlagen, aus dem ursprünglichen Anspruch 4, aus S. 7, Abs. 2 der Anmeldungsunterlagen und aus dem ursprünglichen Anspruch 5.
Die geltenden Ansprüche 2 bis 7 ergeben sich aus den erteilten bzw. ursprünglichen Ansprüchen 2, 3 und 6 bis 9.
Die Zulässigkeit der geltenden Ansprüche ist im Übrigen seitens der Einsprechenden nicht bestritten worden.
4. Der Gegenstand des angefochtenen Patents stellt eine patentfähige Erfindung im Sinne der §§ 1 bis 5 PatG dar.
a. Die Bearbeitungseinheit nach dem geltenden Anspruch 1 ist neu, da keine der genannten Druckschriften sämtliche nunmehr im Anspruch 1 enthaltenen Merkmale zeigt.
In der US 48 08 047 ist eine Bearbeitungseinheit mit den Merkmalen des Oberbegriffs des geltenden Anspruchs 1 offenbart.
Bei dieser bekannten Bearbeitungseinheit ist ein Bohrfutter 25 vorgesehen, welches über einen Zapfen mit einem Schlitten 22 verbunden ist. Der Schlitten 22 ist mit einem doppeltwirkenden Zylinder 30 verbunden, welcher den Schlitten 22 vorschieben und zurückziehen kann (vgl. Fig. 1 und 6 und Sp. 2, Z. 63 bis Sp. 3, Z. 12).
Dort wird somit der Schlitten 22 zusammen mit dem Bohrfutter 25 verschoben.
Eine Anordnung wie bei der Erfindung, bei der die Spindel koaxial, axial verschiebbar und unverdrehbar in einer Hauptwelle geführt und die Hauptwelle drehbar und axial unverschiebbar gelagert ist, kann dort jedoch schon allein deshalb nicht verwirklicht sein, weil dort keine Hauptwelle vorhanden ist. Darüber hinaus ist dort der Motor nicht -wie bei der Erfindung -als Wechselstrommotor, sondern als Gleichstrommotor ausgebildet (vgl. Sp. 3, Z. 14/15), und auch eine speicherprogrammierbare Steuerung ist dort nicht beschrieben.
Selbst wenn man in der US 48 08 047 -der Argumentation der Einsprechenden folgend -das Teil 22 als Hauptwelle und das Teil 40 als Spindel im Sinne der Erfindung ansehen würde, wäre dort weder die Spindel 40 koaxial, axial verschiebbar und unverdrehbar in einer Hauptwelle 22 geführt, noch wäre die Hauptwelle 22 drehbar und axial unverschiebbar gelagert ist. Vielmehr ist dort erkennbar die Hauptwelle 22 gemeinsam mit der Spindel 40 verschiebbar (vgl. Sp. 2, Z. 63 bis Sp. 3, Z. 22), wobei die Hauptwelle 40 unverdrehbar und die Spindel 16 drehbar gelagert ist. Erfindungsgemäß dagegen ist die Spindel verschiebbar sowie unverdrehbar und die Hauptwelle verdrehbar sowie unverschiebbar gelagert.
Auch der Hinweis der Einsprechenden, man könne alternativ das in Figur 1 der US 48 08 047 stirnseitig an die Spindel 40 anstoßende, nicht näher bezeichnete Element als Hauptwelle bezeichnen, welche konstruktionsbedingt drehfest, aber axial verschieblich mit der Spindel 40 verbunden sein müsse, und der Fachmann erhalte dadurch eine Anregung zu der beanspruchten Lehre, führt nicht weiter, da die seitens der Einsprechenden behauptete Ausgestaltung weder in der Zeichnung noch im Text eine Stütze findet.
Aber selbst wenn man diesem Hinweis der Einsprechenden folgen würde, wären die erfindungsgemäßen Merkmale, wonach einerseits die Spindel koaxial, axial verschiebbar und unverdrehbar in einer Hauptwelle geführt ist, und andererseits die Hauptwelle drehbar und axial unverschiebbar gelagert ist, dort nicht verwirklicht, da dort keine Führung der Spindel in der Hohlwelle, sondern allenfalls an der Hohlwelle realisiert wäre, wie der Figur 1 zu entnehmen ist.
Die IT 253 802 und die GB 868 803 offenbaren beide Bearbeitungseinheiten, die sich bereits gattungsgemäß vom Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 unterscheiden, da dort kein doppeltwirkender, sondern lediglich ein einfach wirkender Zylinder vorgesehen ist (vgl. IT 253 802: S. 5, Z. 10 bzw. GB 868 803: S. 2, Z. 114 bis S. 3, Z. 24). Darüber hinaus sind dort die Merkmale, wonach die Spindel koaxial, axial verschiebbar und unverdrehbar in einer Hauptwelle geführt ist und die Hauptwelle drehbar und axial unverschiebbar gelagert ist, schon allein deshalb nicht verwirklicht, da dort keine Hauptwelle vorhanden ist.
In der GB 868 803 ist allenfalls in kinematischer Umkehrung zu der erfindungsgemäßen Lehre die Spindel 3 koaxial, axial verschiebbar und verdrehbar in einer Hauptwelle 9 geführt, während die Hauptwelle 9 unverdrehbar und axial verschiebbar gelagert ist.
Weiterhin sind weder in der IT 253 802 noch in der GB 868 803 Aussagen über die Art des Elektromotors oder über eine speicherprogrammierbare Steuerung vorhanden.
Die Neuheit des Streitgegenstandes gegenüber den im Prüfungsverfahren berücksichtigten, im Einspruchsverfahren jedoch nicht weiter aufgegriffenen Entgegenhaltungen wurde seitens der Einsprechenden nicht angezweifelt, sie ist im Übrigen auch gegeben, wie eine Überprüfung durch den Senat im Rahmen der Amtsermittlung ergeben hat.
Der Gegenstand des geltenden Anspruch 1 ist somit neu.
b. Das zweifelsfrei gewerblich anwendbare Bearbeitungseinheit gemäß dem geltenden Anspruch 1 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Wie bereits beim Neuheitsvergleich ausgeführt, unterscheidet sich die erfindungsgemäße Ausgestaltung zumindest dadurch vom nachgewiesenen Stand der Technik, dass die Spindel koaxial, axial verschiebbar und unverdrehbar in einer Hauptwelle geführt ist, dass die Hauptwelle drehbar und axial unverschiebbar gelagert ist, dass der Elektromotor ein Wechselstrom-Servomotor ist und dass der Rotationsantrieb der Spindel und der Hubantrieb des Kolbens über eine speicherprogrammierbare Steuerung gesteuert werden.
Eine solche Ausgestaltung ist weder dem seitens der Einsprechenden genannten, noch dem im Prüfungsverfahren berücksichtigten Stand der Technik zu entnehmen. Somit kann auch von keiner dieser Druckschriften eine Anregung in diese Richtung ausgehen.
Folglich kann vom nachgewiesenen Stand der Technik weder einzeln noch in einer Zusammenschau eine Anregung zu der erfindungsgemäßen Ausgestaltung ausgehen.
Der geltende Anspruch 1 ist somit gewährbar.
c. Zusammen mit dem Anspruch 1 sind auch die rückbezogenen Unteransprüche gewährbar, da sie nicht platt selbstverständliche Ausgestaltungen des Patentgegenstandes betreffen.
Lischke Guth Schneider Küest Cl
BPatG:
Beschluss v. 26.03.2009
Az: 6 W (pat) 333/06
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