Bundespatentgericht:
Beschluss vom 18. Mai 2004
Aktenzeichen: 27 W (pat) 106/03
(BPatG: Beschluss v. 18.05.2004, Az.: 27 W (pat) 106/03)
Tenor
Auf die Beschwerde wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 15. Januar 2003 aufgehoben.
Gründe
I.
Die Markenstelle des Patentamts hat durch den angegriffenen Beschluss die für zahlreiche Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 38 und 41, unter anderem auch für
"Datenträger aller Art mit Daten; Computersoftware, multimediale Computerprogramme; alle Magnetaufzeichnungsträger; Verkaufsautomaten; Videocassetten, Schallplatten, CD-ROMs, CD-Is, DVDs; belichtete Filme; Online-Computersysteme, bestehend aus Software und Interfaces zum interaktiven Abruf und Austausch von Daten; magnetische und faseroptische Datenträger; Videos; Dialog-Computersysteme; Telekommunikation; Bereitstellung von Informationen und Daten mit Hilfe der Telekommunikation; Erbringung der damit in Zusammenhang stehenden Dienstleistungen in Form der Übertragung und Bearbeitung von Sprache, Daten, Bildern, Symbolen, Signalen und sonstigen akustischen und optischen Zeichen; Bearbeitung und Übertragung von Fernsehprogrammen, Videosignalen und Ton- und Datensignalen; Ausstrahlung und Übermittlung von Rundfunk- und Fernsehprogrammen, insbesondere auch in Form des Videoondemand, des Nearvideoondemand oder in sonstiger Online-Form; Übermittlung und Ausstrahlung von interaktiven Fernseh- und Computerdiensten (soweit in Klasse 38 enthalten); Sammeln, Bereithalten, Liefern und Übermitteln von Daten und sonstigen Inhalten über Telekommunikationsnetze, das Internet und sonstige Online-Netze; Dienste für die Übertragung, Speicherung und Verarbeitung von Informationen und Daten mittels Elektronik, Kabel, Radio, Computer, Telebrief, Fernsehen, Laserstrahl, Funkruf, Fernschreiber oder Nachrichten-Satellit (soweit in Klasse 38 enthalten); Ausbildung; Unterhaltung; Erziehung; kulturelle Aktivitäten; Zusammenstellung von multimedialen und audiovisuellen Programmen aller Art, auch Rundfunk- und Fernsehprogramme, Herstellung von audiovisuellen Produktionen aller Art, auch Film und Videofilm in und außerhalb von Studios; Betrieb von Foren, Communities, Chat- und sonstigen Plattformen, Ausstellungen, auch in Online-Form, für kulturelle und unterhaltende Zwecke; Veranstaltung von Wettbewerben zu kulturellen und unterhaltenden Zwecken; Sammeln, Bereithalten und Liefern von Inhalten, insbesondere auch über das Internet und Online-Netzen; Organisation und Durchführung von Konferenzen, Kongressen, Seminaren, Symposien, auch in virtueller Form; Dienstleistungen bezüglich Freizeitgestaltung; Organisation von Live-Veranstaltungen; Produktion von Shows"
erfolgte Anmeldung der Marke Le Parfumteilweise, nämlich für die letztgenannten Waren und Dienstleistungen, zurückgewiesen. Zur Begründung der Teilzurückweisung hat sie ausgeführt, das Anmeldezeichen sei insoweit nicht unterscheidungskräftig, weil es einen ausschließlich auf die beanspruchten Waren bezogenen, beschreibenden Inhalt aufweise. Die französische Bezeichnung "Le Parfum" werde von den angesprochenen Verkehrskreisen ohne weiteres im Sinne von "Das Parfum" verstanden, was die Bedeutung "Parfum, Duft" habe. Das Zeichen stelle daher für die angemeldeten Waren und Dienstleistungen eine schlagwortartige und beschreibende Inhalts- und Zweckangabe dar, dass die mit ihm gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen das Gebiet und die Herstellung von Parfum beträfen. Der Gedanke an einen Hinweis auf den Hersteller der Waren bzw. Anbieter von Dienstleistungen trete demgegenüber völlig zurück. Beispielsweise könnten die genannten "Datenträger" und "Software" einen inhaltlichen und thematischen Schwerpunkt auf dem Gebiet des "Parfums" aufweisen und Informationen und Fakten für Interessierte oder Sammler, aber auch für den Fachverkehr bzw. die Parfumproduktion beinhalten. Dasselbe gelte für Computersysteme, die für dieses Gebiet oder für Händler oder Kunden Daten und Informationen zugänglich machen könnten, und auch für die Dienstleistungen der Klasse 38 und 41, die sich ebenfalls allein mit der Thematik der "Parfums" auseinandersetzen könnten. Ähnlich wie bei Buchtiteln könne auch die Inhaltsbezeichnung von Medienträgern zurückgewiesen werden, wenn sie den Inhalt, wie vorliegend treffend und erschöpfend beschreibe. Ob ein Freihaltungsbedürfnis bestehe, könne danach dahinstehen.
Hiergegen hat die Anmelderin Beschwerde eingelegt. Sie macht geltend, der als Marke angemeldete Begriff beschreibe nicht die angemeldeten Waren, sondern wecke in diesem Zusammenhang allenfalls Assoziationen zu dem bekannten Roman Patrick Süskinds "Das Parfum". Allein in diesem Zusammenhang werde die Verwendung des Zeichens von der Anmelderin auch ins Auge gefasst. Wegen der zutreffenden Vermutung des Hinweises auf den genannten Roman verstehe der Verkehr daher das angemeldete Zeichen als Herkunftshinweis. Ein Freihaltungsbedürfnis stehe der Eintragung schon wegen der Verwendung des bestimmten Artikels "Le" nicht entgegen.
Die Anmelderin hat auf die Erörterungen in der mündlichen Verhandlung ein neues, eingeschränktes Warenverzeichnis vorgelegt, in dem sie nunmehr nur noch Schutz für
"Datenträger aller Art mit Daten literarischfiktionalen Inhalts; Computersoftware; Belichtete Filme literarischfiktionalen Inhalts; Online-Computersysteme, bestehend aus Software und Interfaces zum interaktiven Abruf und Austausch von Daten literarischfiktionalen Inhalts; Dialog-Computersysteme; Telekommunikation; Bereitstellung von Informationen und Daten literarischfiktionalen Inhalts mit Hilfe der Telekommunikation; Ausstrahlung und Übermittlung von Rundfunk- und Fernsehprogrammen mit literarischfiktionalem Inhalt, insbesondere auch in Online-Form; Sammeln, Bereithalten, Liefern und Übermitteln von literarischfiktionalen Inhalten über Telekommunikationsnetze; Ausbildung; Erziehung; Zusammenstellung von multimedialen und audiovisuellen Programmen aller Art mit literarischfiktionalem Inhalt, auch Rundfunk- und Fernsehprogrammen; Herstellung von audiovisuellen Produktionen aller Art mit literarischfiktionalem Inhalt, auch Film und Videofilm; Betrieb von Foren, Communities, Chat- und sonstigen Plattformen; Kulturelle Aktivitäten; Organisation und Durchführung von Konferenzen, Kongressen, Seminaren, Symposien, auch in virtueller Form; Unterhaltung; Dienstleistungen bezüglich Freizeitgestaltung; Organisation von Life-Veranstaltungen; Produktion von Shows"
begehrt.
Sie beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und der Entscheidung das neue Warenverzeichnis zugrunde zu legen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist im Umfang des zuletzt gestellten Antrags begründet. Für die nach der Beschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses noch beanspruchten Waren und Dienstleistungen entbehrt die angemeldete Marke weder jeglicher Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) noch stellt sie eine unter das Eintragungsverbot des § 8 Abs. 2 Nr. 2 fallende beschreibende Angabe dar.
Unterscheidungskraft im Sinne der in Frage stehenden Vorschrift ist die einer Marke innewohnende Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden (BGH GRUR 2000, 502, 503 - St. Pauli Girl; GRUR 2000, 720, 721 - Unter Uns). Dabei ist grundsätzlich von einem großzügigen Maßstab auszugehen, d.h. jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um das Schutzhindernis zu überwinden.
Die Unterscheidungskraft einer Marke ist zu bejahen, wenn ihr für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie in Anspruch genommen wird, kein im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden kann und es sich auch sonst nicht um ein Wort der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache handelt, das vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird (st. Rspr., BGH GRUR 2002, 64, 65 - INDIVIDUELLE; 2002, 816, 817 - Bonus II); Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl., § 8 Rn. 70 m.w.N.).
Nachdem die im Medienbereich anzusiedelnden Waren und Dienstleistungen, nämlich "Datenträger aller Art mit Daten literarischfiktionalen Inhalts; Computersoftware; Belichtete Filme literarischfiktionalen Inhalts; Online-Computersysteme, bestehend aus Software und Interfaces zum interaktiven Abruf und Austausch von Daten literarischfiktionalen Inhalts; Dialog-Computersysteme; Telekommunikation; Bereitstellung von Informationen und Daten literarischfiktionalen Inhalts mit Hilfe der Telekommunikation; Ausstrahlung und Übermittlung von Rundfunk- und Fernsehprogrammen mit literarischfiktionalem Inhalt, insbesondere auch in Online-Form; Sammeln, Bereithalten, Liefern und Übermitteln von literarischfiktionalen Inhalten über Telekommunikationsnetze; Zusammenstellung von multimedialen und audiovisuellen Programmen aller Art mit literarischfiktionalem Inhalt, auch Rundfunk- und Fernsehprogrammen; Herstellung von audiovisuellen Produktionen aller Art mit literarischfiktionalem Inhalt, auch Film und Videofilm" nunmehr auf solche literarischfiktionalen Inhalts beschränkt worden sind, stellt die angemeldete Marke keine Angabe (mehr) dar, die sich in der Beschreibung des Inhalts dieser Waren oder des Gegenstands der Dienstleistungen erschöpft. In literarischfiktionalen Werken können zwar Parfüme eine Rolle spielen oder ein Parfum sogar im Mittelpunkt der Handlung stehen, wie etwa in dem bekannten Roman "Das Parfum" von Patrick Süskind, dessen Titel hier als Marke geschützt werden soll. Daraus folgt aber nicht, dass Parfüme einen üblichen und naheliegenden (Haupt-) Inhalt literarischfiktionaler Werke und Filme, literarischer Rundfunk- und Fernsehprogramme oder literarischer Online-Kommunikation bilden, der durch die Bezeichnung "Le Parfum" eindeutig beschrieben wird und von den angesprochenen Verkehrskreisen auch nur als bloßer Sachtitel verstanden wird (vgl auch Ströbele/Hacker, Markengesetz. 7. Aufl., § 8 Rdn 159 und 304). Ein solches Verständnis liegt im wesentlichen nur bei Fachwerken, Sachprogrammen oder Online-Kommunikation über Sachthemen nahe, die - wie die Markenstelle zutreffend ausgeführt hat - geeignet sind, das Publikum oder Fachleute über ein bestimmtes Gebiet - hier Parfüme - zu informieren. Diese Gattung von Waren und Dienstleistungen des Medienbereichs ist aber nunmehr ausdrücklich vom Schutz ausgenommen.
Hinsichtlich der weiterhin beanspruchten Dienstleistungen "Ausbildung; Erziehung; Betrieb von Foren, Communities, Chat- und sonstigen Plattformen; Kulturelle Aktivitäten; Organisation und Durchführung von Konferenzen, Kongressen, Seminaren, Symposien, auch in virtueller Form; Unterhaltung; Dienstleistungen bezüglich Freizeitgestaltung; Organisation von Life-Veranstaltungen; Produktion von Shows" vermag der Senat der Ansicht der Markenstelle, sie würden durch die angemeldete Bezeichnung nach Art und Inhalt ohne weiteres verständlich beschrieben, dagegen nicht zu folgen. Es bestehen keine konkreten Anhaltspunkte für die Annahme, dass diese überwiegend auf eine große Themenvielfalt ausgerichteten Dienstleistungen unter der engen Beschränkung auf das Gebiet der Parfüme erbracht werden oder sich nur an Parfümeure wenden (vgl auch BGH GRUR 2001, 1042 - REICH UND SCHÖN; GRUR 2001, 1043 - Gute Zeiten - schlechte Zeiten). Der Senat konnte insbesondere nicht ermitteln, dass gerade die konkrete Bezeichnung "Le Parfum" ernsthaft zur Beschreibung des Themas von Kongressen, Schulungen oder sonstigen Veranstaltungen für den sehr kleinen Fachkreis von Parfümeuren benötigt wird.
Für die Annahme eines Freihaltungsbedürfnisses im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG liegen keine Anhaltspunkte vor. Auch die Entscheidung des EuGH vom 23. Oktober 2003 (GRUR 2004, 146 - DOUBLEMINT) steht der Entscheidung nicht entgegen. Das begehrte Zeichen ist im Hinblick auf die nunmehr beanspruchten Waren und Dienstleistungen wie erörtert in keiner Weise beschreibend.
Dr. Schermer Dr. van Raden Prietzel-Funk Ko
BPatG:
Beschluss v. 18.05.2004
Az: 27 W (pat) 106/03
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