Bundespatentgericht:
Beschluss vom 7. April 2006
Aktenzeichen: 14 W (pat) 47/03

(BPatG: Beschluss v. 07.04.2006, Az.: 14 W (pat) 47/03)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I Mit dem angefochtenen Beschluss vom 27. Mai 2003 hat die Patentabteilung 41 des Deutschen Patent- und Markenamts das Patent 44 32 947 mit der Bezeichnung

"Mittel zur Behandlung der Haut und seine Verwendung"

widerrufen.

Der Widerruf des Patents wurde im wesentlichen damit begründet, dass das Mittel gemäß dem seinerzeit geltenden Anspruch 1 gegenüber der Druckschrift

(1) Derwent Abstr. der JP-A 58 225 004; WPI-Acc.No.: 84-034 219/06 mangels Neuheit keinen Bestand haben könne. Aus (1) sei nämlich ein Hautbehandlungsmittel bekannt, das Isoflavone in Mengen von 0,005 - 0,1 % enthalte. Auch

(3) Derwent Abstr. der JP-A 62 145 016; WPI-Acc.No.:

87-218 322/31 beschreibe Hautbehandlungsmittel mit einem Gehalt an speziellen Isoflavonoiden im von der Patentinhaberin beanspruchten Bereich. Die Ansprüche 2 bis 15 müssten das Schicksal des Anspruchs 1 teilen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Patentinhaberin, mit der sie ihr Patentbegehren gemäß Hauptantrag mit den in der mündlichen Verhandlung überreichten Patentansprüchen 1 bis 8, hilfsweise auf der Grundlage eines der Anspruchssätze der Hilfsanträge 1 bis 4 jeweils übereicht in der mündlichen Verhandlung, verteidigt. Der Anspruch 1 nach Hauptantrag lautet:

Verwendung von Isoflavon oder substituierten Isoflavonderivaten in 0,1 - 0,005 Gew.% des Wirkstoffes mit Ausnahme von Ethern, aber einschließend Glykoside, zur medizinischen oder kosmetischen Behandlung der Haut gegen Couperose, Besenreiser, Alopecie, Akne, Fetthaut sowie als Haarwuchsmittel.

Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 lautet wie folgt:

Verwendung von Isoflavon oder substituierten Isoflavonderivaten in 0,1 - 0,005 Gew.% des Wirkstoffes zur medizinischen oder kosmetischen Behandlung der Haut gegen Couperose, Akne, Besenreiser, Alopecie, Fetthaut sowie als Haarwuchsmittel, dadurch gekennzeichnet, dass die Isoflavonderivate Glykoside oder Ester des Isoflavons oder vom Isoflavon abgeleitete Säuren sind.

Im Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 ist gegenüber dem Anspruch 1 des Hauptantrages lediglich die Verwendung als Haarwuchsmittel gestrichen. Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 3 lautet:

Mittel zur Behandlung der Haut, welches als Wirkstoff 0,1 bis 0,005 Gew.% Isoflavon oder Isoflavonderivate enthält, dadurch gekennzeichnet, dass es zusätzlich Sterole enthält.

Der Patentanspruch 1 des 4. Hilfsantrags hat folgenden Wortlaut:

Verwendung von Isoflavon oder substituierten Isoflavonderivaten in 0,1-0,005 Gew.% des Wirkstoffs, zur medizinischen oder kosmetischen Behandlung der Haut gegen Couperose, Besenreiser, Alopecie, Akne, Fetthaut sowie als Haarwuchsmittel, wobei der Wirkstoff noch Sterole enthält.

Zum Wortlaut der Patentansprüche 2 bis 8 nach Hauptantrag 2 bis 7 nach Hilfsantrag 1, 2 bis 8 nach Hilfsantrag 2, 2 bis 14 nach Hilfsantrag 3 und 2 bis 7 nach Hilfsantrag 4 wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Zur Begründung ihrer Beschwerde hat die Patentinhaberin im wesentlichen vorgetragen, dass die nunmehr beanspruchte Verwendung nach dem Hauptantrag gegenüber den Druckschriften (1) und (3) neu sei und auch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Zur Verdeutlichung, dass die gemäß Anspruch 1 verwendeten Isoflavone gegenüber dem bei (3) verwendeten Isoflavonether bei der Behandlung der Haut gegen Akne nicht antibakteriell wirkten, legt sie gutachtlich die nachveröffentlichte Druckschrift Br. J. Nutr. 2003, 90 (3): 635 - 42 (Abstract PMID: 13129470)

vor. Das Gleiche gelte für die Gegenstände der jeweiligen Hauptansprüche des 2. und 3. Hilfsantrags. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des 3. Hilfsantrags betreffe Mittel mit einem zusätzlichen Gehalt an Sterolen, was dem Fachmann auch durch die Druckschrift

(11) CA 100:108983 zu JP-Anm. 82/107775 nicht nahegelegt sei. Das Gleiche gelte für die nach Hilfsantrag 4 beanspruchten Verwendungen der Sterole enthaltenden Wirkstoffe.

Die Patentinhaberin beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent beschränkt aufrecht zu erhalten auf der Grundlage der Patentansprüche 1 bis 8 gemäß Hauptantrag, hilfsweise auf der Grundlage eines der Anspruchssätze der Hilfsanträge 1 bis 4 in der angegebenen Reihenfolge, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung, sowie mit noch anzupassender Beschreibung.

Die Patentinhaberin erklärt hilfsweise die Teilung des Patents.

Die Einsprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie widerspricht den Ausführungen der Patentinhaberin und vertritt die Auffassung, dass die Gegenstände der jeweiligen Ansprüche 1 des Hauptantrages und der Hilfsanträge nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhten. Im Übrigen sei der Anspruch 1 des Hauptantrags nicht zulässig.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II Die Beschwerde der Patentinhaberin ist zulässig, sie konnte jedoch nicht zum Erfolg führen.

1. Bezüglich der Zulässigkeit der Anspruchsfassungen gemäß Hauptantrag und den Hilfsanträgen bestehen keine Bedenken. Deren Merkmale sind sowohl aus den ursprünglichen Unterlagen als auch aus der Patentschrift ableitbar. Eine unzulässige Erweiterung, wie von der Einsprechenden bemängelt, liegt nicht vor. Der in der erteilten Fassung auf ein Mittel gerichtete Anspruch 1 wurde beim Anspruch 1 des Hauptantrages und der Hilfsanträge 1, 2 und 4 auf bestimmte Verwendungen des Erzeugnisses beschränkt, die in der Patentschrift und den ursprünglichen Unterlagen offenbart sind (vgl. BGH GRUR 1988, 287 - Abschlussblende). Auch die Ausnahme der im erteilten Anspruch 2 und Anspruch 3 der Erstunterlagen offenbarten Ether im Anspruch 1 des Hauptantrages und des Hilfsantrages 2 ist zulässig (vgl. Schulte PatG 7. Aufl. § 34 Rdn. 154, 155).

2. Die Neuheit des Patentgegenstandes gemäß Haupt- und Hilfsanträgen ist gegeben, da die patentgemäßen Verwendungen bzw. das patentgemäße Mittel nach Hilfsantrag 3 aus keiner dem Senat vorliegenden Entgegenhaltungen in allen Einzelheiten hervorgehen.

3. Die Verwendung von Isoflavon oder substituierten Isoflavonderivaten nach Anspruch 1 gemäß Hauptantrag beruht aber nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Dem Patent liegt sinngemäß die Aufgabe zu Grunde einen Wirkstoff für die Verwendung zur medizinischen oder kosmetischen Behandlung der Haut gegen Couperose, Besenreiser, Alopecie, Akne Fetthaut sowie als Haarwuchsmittel bereitzustellen (vgl. Streitpatent S. 2 Z. 48 bis 49). Die Aufgabe wird gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags durch die Verwendung von Isoflavon oder substituierten Isoflavonderivaten in 0,1 bis 0,005 Gew.% des Wirkstoffs mit Ausnahme von Ethern, aber einschließlich Glykosiden, gelöst.

Zur Lösung der Aufgabe konnte der Fachmann, ein Diplomchemiker oder Pharmazeut mit mehrjähriger Erfahrung in der Entwicklung von Haut- und Haarbehandlungsmitteln für dermatologische und kosmetische Zwecke, von (3) ausgehen. Daraus geht hervor, ein Isoflavonderivat in einem Gehalt von 0,01 - 1 Gew.% in einer Zusammensetzung zur Behandlung von Akne einzusetzen. Als Isoflavonderivat wird bei (3) zwar ein Methoxyisoflavon eingesetzt, das gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags von den zu verwendenden Isoflavonderivaten ausgenommen ist. Für den Fachmann war es aber zu erwarten, dass nicht nur bestimmte Isoflavonether sondern Isoflavonderivate allgemein zur Behandlung von Akne eingesetzt werden können. In (3) wird nämlich außer dem Methoxyisoflavon auch ein Tetrahydroxyflavanon, das keine Etherbindung aufweist und den Isoflavonen strukturell verwandt ist, zur Behandlung von Akne gleichwirkend verwendet. Außerdem war dem Fachmann unter anderem aus (1) der Einsatz von Isoflavonverbindungen, wie den von der Pateninhaberin bevorzugt verwendeten Daidzein, Genistein, Daidzin oder Genistin in einem Gehalt von 0,005 - 0,1 % in kosmetischen Hautbehandlungsmitteln bekannt. Die Auffassung der Patentinhaberin, dass die gemäß Streitpatent eingesetzten Isoflavone im Gegensatz zum antibakteriell wirkenden Isoflavon gemäß (3) das Bakterienwachstum fördern, und deshalb die Verwendung anderer Isoflavonderivate zur Behandlung der Haut gegen Akne nicht nahe lag, kann nicht durchgreifen. Denn die von der Patentinhaberin gutachtlich vorgelegte Veröffentlichung, Br. J. Nutr. 2003, 90 (3): 635 - 42, führt lediglich aus, dass ein Isoflavonglykosidderivat, wie Genistein, von bestimmten Bakterien der Darmflora abgebaut wird, wobei eine Wachstumsförderung nur dann beobachtet wurde, wenn Fructo-Oligosaccharid zugegeben wurde. Abgesehen davon, dass der Fachmann bei seinen Überlegungen zum Anmeldezeitpunkt diese Veröffentlichung nicht kennen konnte, kann daraus keine Aussage über die bei (3) beschriebene antibakterielle Wirkung gegen Staphylococcus epidermidis, einem die Haut besiedelnden Bakterium, getroffen werden. Es lag daher für den Fachmann auf der Hand, auch weitere bei Hautbehandlungsmitteln übliche Isoflavonderivate zur Behandlung der Haut gegen Akne in Betracht zu ziehen und deren Wirksamkeit zu prüfen. Die Verwendung von Isoflavon oder Isoflavonderivaten zur Behandlung der Haut gegen Akne nach Anspruch 1 des Hauptantrags war daher für den Fachmann durch (3) in Verbindung mit (1) nahegelegt. Der Anspruch 1 gemäß Hauptantrag hat deshalb mangels erfinderischer Tätigkeit keinen Bestand.

4. Auch die Verwendungen von Isoflavon oder substituierten Isoflavonderivaten nach den jeweiligen Ansprüchen 1 der Hilfsanträge 1 und 2 beruhen nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Der Anspruch 1 des 1. Hilfsantrags unterscheidet sich vom Anspruch 1 des Hauptantrags lediglich dadurch, dass anstelle der Ausnahmebestimmung die Isoflavonderivate Glykoside oder Ester des Isoflavons oder vom Isoflavon abgeleitete Säuren sind, und dass im Anspruch 1 des 2. Hilfsantrags gegenüber dem Anspruch 1 des Hauptantrags die Verwendung als Haarwuchsmittel weggelassen ist. Nach beiden Hilfsanträgen wird aber die Verwendung der genannten Wirkstoffe zur medizinischen oder kosmetischen Behandlung der Haut gegen Akne beansprucht. Die Gegenstände der jeweiligen Ansprüche 1 des 1. und des 2. Hilfsantrags sind daher entsprechend dem Gegenstand des Anspruch 1 des Hauptantrags zu beurteilen. Es wird auf die Darlegungen zum Hauptantrag verwiesen. Die Ansprüche 1 der Hilfsanträge 1 und 2 haben haben deshalb ebenfalls mangels erfinderischer Tätigkeit keinen Bestand.

5. Das Mittel zur Behandlung der Haut nach Anspruch 1 des 3. Hilfsantrags beruht ebenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des 3. Hilfsantrags betrifft ein Mittel zu Behandlung der Haut, welches als Wirkstoff 0,1 bis 0,005 Gew.-% Isoflavon oder Isoflavonderivate enthält, das dadurch gekennzeichnet ist, dass es zusätzlich Sterole enthält.

Zur Lösung der Aufgabe einen für die Behandlung der Haut wirksamen Wirkstoffkomplex zur Verfügung zu stellen (Streitpatentschrift S. 2 Z 48 bis 49) konnte der Fachmann von den aus (3) bekannten Kosmetika ausgehen. Denn aus (3) sind Kosmetika mit einem Gehalt an Isoflavonen im Bereich von 0,01 bis 1 Gew.-% bekannt. Dabei werden die eingesetzten Wirkstoffe aus Pflanzen gewonnen und ein Extrakt, der diese Wirkstoffe enthält, kann eingesetzt werden, was auch die Patentinhaberin bei den Beispielen des Streitpatents mit der Verwendung eines Sojaextrakts verwirklicht. (11) beschreibt Kosmetika mit einem Gehalt von z. B. 0,2 % an Isoflavonen sowie Phytosterolen, bei denen die Isoflavone und die sie in der Sojabohne begleitenden Phytosterole aus fermentierten Sojabohnen gewonnen werden. Es ist daher für den Fachmann nahe liegend, die gemeinsam in der Pflanze vorkommenden, auf der Haut wirksamen Isoflavone und Sterole auch in einem Mittel zur Behandlung der Haut gemeinsam in der von (3) vorgegebenen Konzentration an Isoflavonen einzusetzen. Der Gegenstand der Anspruchs 1 des Hilfsantrags 3 hat damit ebenfalls mangels erfinderischer Tätigkeit keinen Bestand.

6. Die Verwendung von Isoflavon oder substituierten Isoflavonderivaten zusammen mit Sterolen gemäß Anspruch 1 des 4. Hilfsantrags beruht ebenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Wie bereits beim Hauptantrag erläutert, ist es aus (3) bekannt Isoflavone in einer Konzentration von 0,01 - 1 Gew.-%, zur Behandlung der Haut gegen Akne einzusetzen, wobei auch ein aus Pflanzen gewonnener Extrakt, der diese Wirkstoffe enthält, verwendet werden kann. Ausgehend hiervon legt (11) dem Fachmann nahe, die Sterole als Begleitsubstanzen der Isoflavone nicht abzutrennen und deren hautpflegende Wirkung auch bei der Verwendung zur Behandlung der Haut gegen Akne zu nützen. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 4 hat deshalb ebenfalls mangels erfinderischer Tätigkeit keinen Bestand.

Die übrigen Patentansprüche gemäß Haupt- und Hilfsanträgen teilen jeweils das Schicksal des Hauptanspruches (vgl. BGH GRUR 1997, 120 - Elektrisches Speicherheizgerät).






BPatG:
Beschluss v. 07.04.2006
Az: 14 W (pat) 47/03


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