Bundespatentgericht:
Beschluss vom 8. November 2000
Aktenzeichen: 7 W (pat) 66/99
(BPatG: Beschluss v. 08.11.2000, Az.: 7 W (pat) 66/99)
Tenor
Die Beschwerde der Anmelderin gegen den Beschluß der Prüfungsstelle für Klasse F 02 N des Deutschen Patent- und Markenamts vom 19. September 1999 wird zurückgewiesen.
Gründe
I Die Patentanmeldung 199 12 137.0-15 ist am 18. März 1999 unter der Bezeichnung
"Brennkraftmaschinenanlage mit Sauerstoffanreicherung und Betriebsverfahren hierfür"
beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangen.
Durch Beschluß vom 19. September 1999 hat die Prüfungsstelle für Klasse F 02 N des Deutschen Patent- und Markenamts die Anmeldung mit der Begründung zurückgewiesen, der Anmeldungsgegenstand nach den (damals) geltenden Ansprüchen sei gegenüber dem aufgezeigten Stand der Technik gemäß den deutschen Offenlegungsschriften 197 10 842 und 195 43 884 nicht patentfähig.
Gegen diesen Beschluß hat die Anmelderin Beschwerde eingelegt. Sie hat der Beschlußbegründung widersprochen und zuletzt mit Schriftsatz vom 19. Juni 2000, eingegangen am 23. Juni 2000, neue Patentansprüche 1 bis 14 sowie überarbeitete Beschreibungsseiten eingereicht und beantragt, den Zurückweisungsbeschluß aufzuheben und das Patent unter Zugrundelegung der Ansprüche 1 bis 14 und der Beschreibungsseiten 1, 4, 5, 6, 6a vom 19. Juni 2000, der Beschreibungsseiten 2 und 3 gemäß Eingabe vom 13. September 1999, der ursprünglichen Beschreibungsseiten 7 bis 11 und der ursprünglichen Zeichnungen zu erteilen. Sie hat außerdem angeregt, bei Sachdienlichkeit die Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen.
Einen zunächst gestellten Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung hat sie zurückgenommen und um Entscheidung im schriftlichen Verfahren gebeten (Schriftsatz vom 25. Mai 2000).
Der geltende Patentanspruch 1 lautet:
"Verfahren zum Betrieb einer Brennkraftmaschinenanlage eines Kraftfahrzeuges, bei dem - einer Brennkraftmaschine wenigstens zeitweise ein gegenüber Luft sauerstoffangereichertes Gas zugeführt wird, das mittels einer Sauerstoffabtrenneinheit aus Luft erzeugt und in einem Gasspeicher gespeichert wird, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t, d a s s - der Brennkraftmaschine nur bei einem Kaltstart sauerstoffangereichertes Gas aus dem Gasspeicher, ab Erreichen eines vorgebbaren Warmlauf-Betriebszustandes derselben hingegen nur noch normale Luft zugeführt wird, und - sauerstoffangereichertes Gas aus dem Gasspeicher in einen Fahrzeuginnenraum einstellbar eingeleitet wird."
Der geltende Patentanspruch 8 lautet:
"Brennkraftmaschinenanlage eines Kraftfahrzeuges mit - Mitteln zur Erzeugung eines sauerstoffangereichertes Gases aus zugeführter Luft im warmgelaufenen Betrieb einer Brennkraftmaschine und - einem Gasspeicher zur Speicherung des erzeugten sauerstoffangereicherten Gases, g e k e n n z e i c h n e t d u r c h - Mittel zur Zufuhr von im Gasspeicher gespeicherten sauerstoffangereichertem Gas zur Brennkraftmaschine nur während einer jeweiligen Kaltstartphase bis zum Erreichen eines vorgebbaren Warmlauf-Betriebszustandes der Brennkraftmaschine und - Mittel zur einstellbaren Zufuhr von sauerstoffangereichertem Gas aus dem Gasspeicher in einen Fahrzeuginnenraum."
Durch die Merkmale in den Patentansprüchen 2 bis 7 soll das Verfahren gemäß Patentanspruch 1, durch die Merkmale in den Patentansprüchen 9 bis 14 die Vorrichtung gemäß Patentanspruch 8 weiter ausgestaltet werden.
In den ursprünglichen Unterlagen der Anmeldung ist zum Stand der Technik ua noch die europäische Patentschrift 0 312 910 gewürdigt worden.
Für weitere Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II Die zulässige Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
Der Anmeldungsgegenstand stellt keine patentfähige Erfindung im Sinne der §§ 1 bis 5 PatG dar.
1. Das Verfahren zum Betrieb einer Brennkraftmaschinenanlage eines Kraftfahrzeuges nach Patentanspruch 1 ist neu.
Aus der deutschen Offenlegungsschrift 195 43 884 ist ein Verfahren bekannt, nach welchem bei Lastzuständen der Brennkraftmaschine, während welchen mit unvollständigen Verbrennungen gerechnet werden muß, zB während Beschleunigungen aus niedrigen Drehzahlen heraus oder während der Kaltstartphase, aus einem Zwischenspeicher ein sauerstoffangereicherter Gasstrom, der in einer Sauerstoffabtrennanlage aus einem Luftstrom gewonnen wurde, zugeführt wird (Sp 1 Z 3 bis 10 u Sp 2 Z 31 bis 52). Das anmeldungsgemäße Verfahren nach Anspruch 1 unterscheidet sich von diesem bekannten Verfahren dadurch, daß das sauerstoffangereicherte Gas nur bei einem Kaltstart der Brennkraftmaschine zugeführt und zudem dieses Gas einstellbar in einen Fahrzeuginnenraum eingeleitet wird.
Die deutsche Offenlegungsschrift 197 10 842 beschreibt ein Verfahren zum Betrieb einer Brennkraftmaschine, das bereits die Zufuhr eines aus Luft abgetrennten, sauerstoffangereicherten Gases ua nur während einer Betriebsphase, beispielsweise während des Kaltstarts der Brennkraftmaschine vorsieht (Sp 1 Z 5 bis 12 u Z 58 bis 61). Dieses Verfahren macht jedoch nicht von einem Zwischenspeicher für das sauerstoffangereicherte Gas und auch nicht von der Einleitung dieses Gases in den Innenraum eines Fahrzeugs im Sinne der Lehre des Anspruchs 1 der vorliegenden Anmeldung Gebrauch.
Die europäische Patentschrift 0 312 910 offenbart ein Sauerstoffanreicherungsmodul zum Erzeugen von mit Sauerstoff angereicherter Luft aus Umgebungsluft (S 2 Z 3 u 4). Nach der Beschreibung ist es bekannt, die Methode der Sauerstoffanreicherung zum Zwecke der Verbesserung der Luftqualität in Häusern zu nutzen (S 2 Z 26,27). In vorteilhafter Weise soll das bekannte Modul als tragbares Gerät gestaltet sein, um es an verschiedenen Orten, ua in einem Kraftfahrzeug, einsetzen zu können (S 3 Z 1 bis 3). Im Vergleich mit dem Anmeldungsgegenstand nach Anspruch 1 besteht Übereinstimmung insoweit, als sauerstoffangereichertes Gas in einen Fahrzeuginnenraum eingeleitet wird.
2. Das zweifellos gewerblich anwendbare Verfahren nach Anspruch 1 beruht jedoch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Gemäß geltender Beschreibung (S 4 le Abs) liegt dem beanspruchten Verfahren ausgehend von dem Stand der Technik nach der deutschen Offenlegungsschrift 195 43 884 die Aufgabe zugrunde, einerseits eine gute Kaltstartfähigkeit der Brennkraftmaschine unter Verwendung von fahrzeugseitig erzeugtem, sauerstoffangereichertem Gas zu erzielen, andererseits (für den Brennkraftmaschinenbetrieb) nicht benötigtes sauerstoffangereichertes Gas zur Verbesserung des Fahrzeuginnenraumklimas zu nutzen.
Zur Lösung dieser Aufgabe ist im Anspruch 1 im wesentlichen angegeben, daß der Brennkraftmaschine nur bei einem Kaltstart sauerstoffangereichertes Gas aus einem Gasspeicher zugeführt wird, ansonsten dieses Gas im Speicher einstellbar in den Fahrzeuginnenraum eingeleitet wird.
Zu der diesbezüglichen Lehre findet der Fachmann - als hier zuständig wird ein Fachhochschul-Ingenieur des Allgemeinen Maschinenbaus angesehen, der mit dem Brennkraftmaschinenbetrieb in Fahrzeugen befaßt ist und sich mit dem Fachmann für die Fahrzeugklimatisierung bespricht - ohne erfinderische Tätigkeit, weil im aufgezeigten Stand der Technik hinreichend Anregung dazu vermittelt wird.
Wie beim Neuheitsvergleich schon festgestellt, erlaubt das dem Anmeldungsgegenstand am nächsten kommende Verfahren nach der deutschen Offenlegungsschrift 195 43 884 die Zuführung sauerstoffangereicherten Gases bei mehreren Lastzuständen der Brennkraftmaschine, ua bei der Kaltstartphase. Nach der deutschen Offenlegungsschrift 197 10 842 kann die erhöhte Sauerstoffzufuhr zwar ebenfalls immer erfolgen, wenn das erforderlich ist, vorteilhaft aber auch nur in einem Betriebsbereich (Sp 1 Z 53 bis 62), hier insbesondere in der Kaltstartphase, weil in dieser bekanntermaßen 80% der Gesamtemmission an Kohlenmonoxid und Kohlenwasserstoffen eines Benzinmotors gebildet wird (Sp 1 Z 31 bis 34) und eine erhöhte Sauerstoffzuführung hier folglich den größten Nutzen hinsichtlich der Minderung schädlicher Abgase verspricht (Sp 1 Z 34 bis Z 43). Eine diesbezügliche Abwandlung des Verfahrens nach der deutschen Offenlegungsschrift 195 43 884 führt zwangsläufig auch zu der weiteren Angabe im geltenden Anspruchs 1, nämlich der Brennkraftmaschine ab Erreichen eines vorgebbaren Warmlauf-Betriebszustandes nur noch normale Luft zuzuleiten. Schließlich erhält der Fachmann zu dem noch unterschiedlich verbleibenden Merkmal, wonach in einen Fahrzeuginnenraum sauerstoffangereichertes Gas einstellbar eingeleitet wird, Anregung aus der europäischen Patentschrift 0 312 910, denn diese offenbart schon den grundsätzlichen Gedanken, die Luftqualität in einem Fahrzeug durch Einleitung eines aus Luft erzeugten, sauerstoffangereicherten Gases zu verbessern. Daß hierfür eine für die Verbesserung der Kraftstoffverbrennung in einer Brennkraftmaschine bereits vorhandene Sauerstofftrennanlage mit Gasspeicher mitbenutzt und die Gaszufuhr in den Fahrzeuginnenraum einstellbar vorgesehen werden kann, erfordert vom Fachmann kein erfinderisches Zutun mehr, weil derartige Maßnahmen nicht den Bereich seines routinemäßigen Könnens und Gestaltens überschreiten.
Der geltende Patentanspruch 1 ist somit nicht gewährbar.
3. Der dem Patentanspruch 1 nebengeordnete Patentanspruch 8 gibt lediglich an, daß zur Durchführung der im Anspruch 1 angegebenen Verfahrensschritte Mittel, also geeignete Vorrichtungen, notwendig sind. Dies geht für den Fachmann nicht über Selbstverständliches hinaus. Weil nach Vorstehendem, das Verfahren durch den Stand der Technik nahegelegt ist, kann somit auch in der allgemeinen Angabe von Mitteln zur Durchführung der Verfahrensschritte nichts Erfinderisches mehr erkannt werden.
Der geltende Patentanspruch 8 ist daher ebenfalls nicht gewährbar.
4. Die auf den Patentanspruch 1 und auf den Patentanspruch 8 zumindest mittelbar rückbezogenen Ansprüche 2 bis 7 bzw 9 bis 14 enthalten Merkmale, die keine selbständige erfinderische Bedeutung erkennen lassen. Entgegenstehendes ist von der Anmelderin auch nicht geltend gemacht worden.
Auch die Patentansprüche 2 bis 7 und 9 bis 14 sind somit nicht gewährbar.
Da im vorliegenden Fall eine endgültige Sachentscheidung möglich war, schied eine Zurückverweisung an das Deutsche Patent- und Markenamt aus.
Dr. Schnegg Eberhard Köhn Frühauf Cl
BPatG:
Beschluss v. 08.11.2000
Az: 7 W (pat) 66/99
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