Landgericht Berlin:
Urteil vom 25. September 2007
Aktenzeichen: 16 O 115/06

(LG Berlin: Urteil v. 25.09.2007, Az.: 16 O 115/06)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages zuzüglich 10 % vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger macht gegen die Beklagte einen Auskunftsanspruch sowie einen Anspruch auf Gewinnabschöpfung wegen Verstoßes gegen das Wettbewerbsrecht im Zusammenhang mit der Gestaltung einer Internetseite geltend.

Der Kläger ist in die beim Bundesverwaltungsamt gemäß § 4 UklaG geführte Liste eingetragen. Die Beklagte betreibt die Internetseite www. ...

Der Kläger mahnte die Beklagte mit den als Anlagen K 12 und K 14 vorgelegten Schreiben wegen vermeintlicher, hier nicht streitgegenständlicher Wettbewerbsverstöße ab. Wegen der Einzelheiten wird ergänzend auf die Anlagen Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 26. Juli 2005 mahnte der Kläger die Beklagte wegen der Gestaltung ihrer Internetseite ab. Die Beklagte gab daraufhin am 12. August 2005 eine Unterlassungserklärung ab. Die Einzelheiten dieser Schreiben sind den Anlagen K 3 und 5 zu entnehmen, die ergänzend in Bezug genommen werden.

Der Kläger behauptet, dass die Internetseite der Beklagten in der Zeit vom 1. Januar bis zum 21. August 2005 die folgende Gestaltung aufgewiesen habe: Über eine Eingangsseite (Anlage K 7) gelange der Nutzer unter der Überschrift "..." über den Link "holen" auf eine Seite, die der Anlage K 4 a entspreche. Dort werde der Nutzer aufgefordert, entweder seine Handy-Nummer einzugeben oder ein ihm bereits bekanntes Passwort. Am unteren rechten Rand befänden sich die Links "Einzelkauf" und "Einem Freund empfehlen". Nach Eintrag der Handy-Nummer und Betätigung des Links "weiter" werde der Nutzer auf die Unterseite gemäß Anlage K 4 b geleitet. An dem dort befindlichen Textfeld "Jetzt aufs Handy" befinde sich ein Sternchenhinweis, der auf folgenden, hier auszugsweise wiedergegebenen Text verweise: "Ja ich will sparen und erhalte 3 Klingeltöne + (...) für insgesamt nur Euro 4,99/Monat als Guthaben (Credits) (...) im Bronze-Paket/Sparabo. Mit dem Klick aktivierst du das Sparabo und kannst sofort alle Vorteile nutzen (...)". Am rechten unteren Rand befinde sich erneut der Link "Einzelkauf". Nach Eingabe der Mobilfunknummer erhalte der Nutzer auf sein Handy eine SMS mit der Nachricht: "Gib Dein Passwort (...) im Web ein! Credits: 3 Real Töne, 15 Logos, Musicnews im Sparabo (EUR 4,99/Monat) Stop: Sende StopWebGold an 33333. Viel Spaß mit ... ". Wegen der Einzelheiten dieser Darstellung wird ergänzend auf die genannten Anlagen verwiesen.

Der Kläger meint, die Eingangsseite in Verbindung mit den Bestellformularen verstoße gegen §§ 3, 5 Abs. 2, 4 Nr. 2 UWG. Auf der Eingangsseite werde ein bestimmter Titel vorgestellt, den der Nutzer herunterladen könne. Der Hinweis auf einen Einzelkauf sei auf den späteren Seiten völlig untergeordnet. Auch durch den späteren Sternchenhinweis könne der Verbraucher nicht erkennen, dass er im Begriff sei, ein Dauerschuldverhältnis einzugehen. Auch die Textnachricht auf das Mobiltelefon sei nicht geeignet, dem Nutzer deutlich zu machen, dass er eine Verpflichtung mit Dauerwirkung eingehe. Die Gestaltung der Internetseite sei vorsätzlich darauf angelegt, den Besteller über den Inhalt seiner Erklärung irrezuführen. Zudem sei die Beklagte bereits zuvor mehrfach vorgewarnt worden, indem sie wegen irreführender Werbung abgemahnt worden sei. Auch aus anderen Publikationen ergäben sich ähnliche Beanstandungen gegenüber der Beklagten.

Der Kläger ist der Ansicht, ihm stehe daher gemäß § 10 UWG ein Anspruch auf Abschöpfung des gemäß § 287 ZPO zu ermittelnden Gewinns zu. Der Auskunftsanspruch diene der Vorbereitung dieses Anspruchs.

Der Kläger beantragt,

I. 1. die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft über nachfolgende Tatsachen zu erteilen:

a) Die Anzahl der zustande gekommenen Abonnementsverträge über den Bezug von Klingeltönen mit einem monatlichen Kontingent von drei Klingeltönen in der Zeit vom 1. Januar 2005 bis zum 21. August 2005 über die Internetplattform mit der Adresse www. ... .

b) Die Höhe der Einnahmen (Umsätze), die auf die Vertragsabschlüsse gem. Ziff. 1 a) entfallen.

c) Die regelmäßig für die Unterhaltung der Internetseite www. ... entstehenden Kosten (Personalkosten, Materialkosten etc.) sowie die Kosten für die Abwicklung der unter Ziff. 1 a) anzugebenden Verträge (Personalkosten, Materialkosten und sonstige Gemeinkosten).

d) Anzahl der unter Ziff. 1 a) genannten Abonnementsverträge, die innerhalb eines Zeitraums von 2 Monaten nach Vertragsschluss gekündigt worden sind.

2. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger eine geschlossene Aufstellung über die unter Ziff. 1 genannten Angaben vorzulegen.

II. Die Beklagte wird verurteilt, den nach Erledigung des Antrags zu Ziff. I) zu errechnenden Gewinn aus Verträgen, die über die Internetseite mit der Adresse www. ... geschlossen wurden und bei denen den Verbrauchern durch die irreführende Gestaltung der Internetseite nicht bewusst war, dass sie einen Abonnementsvertrag abschließen, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an das Bundesverwaltungsamt Ref. II B 5 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte meint, ein Verstoß gegen §§ 3, 5 UWG liege nicht vor, weil der Besteller im Zuge des Bestellvorgangs mehrfach darauf hingewiesen werde, dass er ein Dauerschuldverhältnis eingehe. Bei der Übersendung des Passwortes per SMS handle es sich zudem um das sog. Handshake-Verfahren, das dem Verbraucherschutz diene und von der Beklagten schon angewendet werde, obwohl es noch nicht gesetzliche Verpflichtung sei.

Ferner habe sie nicht vorsätzlich Wettbewerbsverstöße begangen, weil sie € wie sie behauptet € das Internetbestellformular im Zusammenarbeit mit der Rechtsabteilung entwickelt habe.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Gewinnabschöpfung gemäß § 10 Abs. 1 UWG.

Offen bleiben kann, ob die beanstandete Gestaltung der Internetseite wettbewerbswidrig gemäß §§ 5 Abs. 2 und 4 Nr. 2 UWG gewesen ist. Zugunsten des Klägers kann dies hier unterstellt werden.

Die Beklagte handelte aber nicht vorsätzlich, weshalb ein Anspruch auf Gewinnabschöpfung gemäß § 10 Abs. 1 UWG ausscheidet.

§ 10 Abs. 1 S. 1 UWG setzt ein vorsätzliches Zuwiderhandeln gegen § 3 UWG voraus. Vorsatz liegt vor, wenn der Täter weiß, dass er den Tatbestand des § 3 verwirklicht und dies auch will. Es genügt auch, dass er die Verwirklichung für möglich hält und billigend in Kauf nimmt. Der Vorsatz umfasst zudem das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit, wobei eine sog. Parallelwertung in der Laiensphäre genügt, wenn sich so dem Handelnden auf Grund der Kenntnis der Tatsachen die Rechtswidrigkeit seines Tuns geradezu aufdrängt. Fahrlässigkeit, auch grobe, reicht nicht aus (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 25. Auflage, § 10 UWG, Rn. 6, zitiert nach Beck-online).

Danach kann hier nicht von einem vorsätzlichen Verstoß der Beklagten ausgegangen werden. Denn es ist nicht erkennbar, dass die Beklagte in Kenntnis aller Tatumstände gehandelt hat und diese auch in ihren Willen aufgenommen hatte. Dies gilt hier besonders für die Eignung ihrer Internetseite zur Irreführung bzw. zur Ausnutzung der geschäftlichen Unerfahrenheit von Jugendlichen.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass der beanstandete Bestellvorgang mehrstufig abläuft. Der Kläger rügt nicht ein einzelnes Element dieser Bestellroutine, sondern wirft der Beklagten insgesamt eine intransparente Gestaltung vor. Die Berechtigung dieses Vorwurfes lässt sich nur unter Berücksichtigung aller Umstände beurteilen. Jedes einzelne Gestaltungselement der Bestellung erhält bei der rechtlichen Würdigung eine Bedeutung. Nur das Zusammenwirken aller Elemente kann letztlich den Vorwurf der unlauteren Intransparenz begründen. Die - hier unterstellte - Unlauterkeit ist nicht evident. Es bleibt Raum für unterschiedliche Beurteilungen.

Angesichts dessen kann der Beklagten nicht unterstellt werden, dass sie um die Eignung zur Irreführung bzw. Ausnutzung im o. g. Sinne wusste bzw. sie für möglich hielt und diese auch wollte bzw. zumindest in Kauf nahm. Es erscheint genau so möglich, dass die Beklagte davon ausging, dass durch die unstreitig vorhandenen Hinweise darauf, dass der Nutzer ein Abonnement und nicht nur einen einzelnen Klingelton erwirbt, eine Irreführung bzw. Ausnutzung ausgeschlossen wird.

Keine andere Beurteilung ergibt sich unter Berücksichtigung der Vorabmahnungen. Diese betrafen andere Sachverhalte. Allein aus dem Umstand, dass dort rechtlich derselbe Vorwurf erhoben wurde, lässt sich hier nicht auf ein vorsätzliches Verhalten schließen. Denn die Annahme des Vorsatzes scheitert hier nicht an fehlender Rechtskenntnis, sondern daran, dass nicht festgestellt werden kann, dass die Beklagte alle Tatbestandsmerkmale kannte und wollte. Daher kann Vorsatz regelmäßig nur nach Vorabmahnung in der selben Sache angenommen werden (vgl. Hefermehl/Köhler/Bornkamm, a. a. O.). Die Vorabmahnungen in anderen Fällen führen allenfalls dazu, dass die Beklagte auch vorliegend damit rechnen musste, dass ihr Verhalten von anderen rechtlich abweichend beurteilt und für unzulässig gehalten werden würde. Dies begründet aber regelmäßig nur den Vorwurf der Fahrlässigkeit (vgl. BGH, GRUR 1999, 1011, 1014 - Werbebeilage, zitiert nach Beck-online), der den Anspruch gemäß § 10 UWG nicht entstehen lässt.

Die Klage war daher abzuweisen.

Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus § 91 Abs. 1 ZPO und §§ 708, 709 ZPO.






LG Berlin:
Urteil v. 25.09.2007
Az: 16 O 115/06


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