Landesarbeitsgericht Hamm:
Urteil vom 25. Oktober 2005
Aktenzeichen: 4 Sa 55/05
(LAG Hamm: Urteil v. 25.10.2005, Az.: 4 Sa 55/05)
1. Der Ausdruck ,,Besserungsschein-''stammt aus der Insolvenzpraxis und hat dort seinen festen Sinn: Er bedeutet, dass die Gläubiger, die im Rahmen eines gerichtlichen oder außergerichtlichen Vergleichs zum Zweck der Erhaltung der Liquidität des Schuldners auf einen Teil ihrer Forderung verzichtet haben, Nachzahlungen erhalten, wenn und soweit sich die Vermögensverhältnisse des Schuldners bessern (Eintritt des Besserungsfalles).
2. Je nach seiner Ausgestaltung handelt es sich bei dem Besserungsschein entweder
- um einen unbedingten Forderungsverzicht mit aufschiebend bedingter Neuverpflichtung,
- um einen unbedingten Forderungsverzicht mit auflösend bedingtem Wiederaufleben der
Altverpflichtung,
- um ein aufschiebend bedingtes Schuldanerkenntnis, oder
- um eine Stundung mit aufschiebend bedingter Fälligkeit.
3. Ist von den Parteien der Besserungsvereinbarung gewollt, dass die Forderung nur im Besserungsfall wiederauflebt, dann stellt sie keine Insolvenzforderung dar, denn bis zu dem völlig unwahrscheinlichen Bedingungseintritt bleiben die Forderungen der Arbeitnehmer infolge des Forderungsverzichts erlassen (§ 397 BGB). Gleiches gilt, wenn für den Besserungsfall das Entstehen einer Neuverpflichtung vereinbart wird, denn bis zu dem völlig unwahrscheinlichen Bedingungseintritt sind für die infolge des Forderungsverzichts erlassenen (§ 397 BGB) Forderungen der Arbeitnehmer nicht einmal Hoffnungsschimmer gegeben.
4. Haben die Tarifvertragsparteien eines Flächentarifvertrages Zum Erhalt des Unternehmens und der Arbeitsplätze in Ergänzungstarifverträgen mit einem Arbeitgeber Jahr für Jahr den Verzicht auf die Zahlung von Weihnachts- und Urlaubsgeld gegen Gewährung von Prämienzahlungen aus jährlich fortgeschriebenen Besserungsscheinen vereinbart und desweiteren für den Fall der Stellung eines Insolvenzantrages durch die Geschäftsführung fest
-gelegt:
LS Berichtigungsbeschluss
1. Schreibfehler, Rechnungsfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die in einem Urteil vorkommen, sind entweder auf Antrag oder jederzeit von dem Gericht auch von Amts wegen zu berichtigen (§ 319 Abs. 1 ZPO). Gleiches gilt für offensichtliche Auslassungen, Übertragungsfehler sowie unrichtige oder unvollständige Verlautbarungen des vom Gericht Gewollten.
2. Letzteres ist der Fall, wenn die Erklärung des richterlichen Willens hinsichtlich der
Entscheidung von der bei der Urteilsfällung vorhandenen Willensbildung abweicht. Es darf sich nur um eine Unstimmigkeit zwischen Willen und Erklärung des Gerichts handeln, denn mit Hilfe der Vorschrift des § 319 Abs. 1 ZPO kann das bei der Urteilsfällung Gewollte nicht geändert, darf also eine falsche Willensbildung nicht korrigiert werden.
Tenor
Die Berufung des beklagten Insolvenzverwalters gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 25.11.2004 - 1 (3) Ca 1808/04 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Der Wert des Streitgegenstandes beträgt unverändert 8.273,78 €.
Tatbestand
Die Parteien streiten um das Bestehen einer Insolvenzforderung aus einem Besserungsschein.
Der Beklagte ist der durch Beschluss des Amtsgerichts Ludwigsburg vom 01.04.2004 (4 IN 54/04) über das Vermögen der Firma W1xxxxxx GmbH (Insolvenzschuldnerin) bestellte Insolvenzverwalter. Die Insolvenzschuldnerin, ein Unternehmen der Polstermöbelindustrie hatte an den Standorten P3xxxxxxxxxx (Hauptverwaltung) und P2xxxxxxx von insgesamt ca. 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Polsterbetten, Polsterliegen, Matratzen, Lattenroste und Accessoires produzieren lassen. In der Niederlassung P2xxxxxxx war der Kläger langjährig bis 30.06.2004 als Arbeitnehmer beschäftigt. Auf sein Arbeitsverhältnis fanden der Manteltarifvertrag für die Polstermöbel und Matratzenindustrie Nordrhein-Westfalen (MTV) vom 10.03.1997 in der Fassung der Änderungsvereinbarung vom 25.06.1999 und die ihn ergänzenden Tarifverträge Anwendung.
Die Insolvenzschuldnerin geriet 2001 in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Zur Lösung ihrer Schwierigkeiten sollten auch die Arbeitnehmer O1xxx bringen. Deshalb wurde zwischen der Insolvenzschuldnerin sowie dem Verband der Holzindustrie und Kunststoffverarbeitung Baden-Württemberg e.V. (Stuttgart) und dem Verband der Deutschen Polstermöbelindustrie e.V. (Herford) einerseits und der IG Metall, Bezirksleitung Stuttgart, vertreten durch die IG Metall Verwaltungsstelle Ludwigsburg, sowie der IG Metall, Bezirksleitung NRW, vertreten durch die IG Metall Verwaltungsstelle Paderborn, andererseits zur Sicherung der Standorte und der Erhaltung der Arbeitsplätze am 13.12.2001 eine Änderung der in den beiden Tarifbezirken jeweils geltenden, unterschiedlichen tariflichen Regelungen über das 13. Monatseinkommen vereinbart, sog. 1. Ergänzungstarifvertrag (1. ErgTV), der folgenden Wortlaut hat:
§ 1 - Geltungsbereich
Dieser Ergänzungstarifvertrag gilt für die Arbeitnehmer/innen der Standorte Pleidelsheim und Paderborn des oben genannten Unternehmens.
§ 2 - Betriebliche Sonderzahlungen für das Kalenderjahr 2001
Die Vertragsparteien sind sich darüber einig, dass in Abweichung des Tarifvertrags Sonderzahlungen zur stufenweisen Einführung eines Teiles eines 13. Monatsverdienstes für die Polstermöbelindustrie des Landes Nordrhein-Westfalen v. 10.03.1997 und des Tarifvertrags über betriebliche Sonderzahlungen (13. Monatseinkommen) für Baden-Württemberg v. 23.11.1998 kein Anspruch auf Zahlung dieser Sonderzahlungen für das Kalenderjahr 2001 besteht.
§ 3 - Prämienzahlungen
1. Die Fa. W1xxxxxx GmbH, 72xxx P3xxxxxxxxxx, verpflichtet sich, mit der Lohn- und Gehaltsabrechnung für den Monat Dezember 2001 eine Prämie in Höhe von 20 % und mit der Lohn- und Gehaltsabrechnung für den Monat Februar 2002 eine weitere Prämie in Höhe von 10 % der ursprünglichen Sonderzahlung nach § 2 dieser Vereinbarung zu zahlen.
2. Soweit das handelsrechtliche Halbjahresergebnis nach Steuern zum 30.06.2002 den Betrag von EUR 200.000 übersteigt, verpflichtet sich die Fa. W1xxxxxx GmbH, 72xxx P3xxxxxxxxxx, den übersteigenden Betrag in Form einer weiteren Prämie an die Mitarbeiter/innen gemäß § 1 zu zahlen, bis der Betrag, den die Mitarbeiter/innen an Sonderzahlungen nach den Tarifverträgen gemäß § 2 dieses Vertrags für das Kalenderjahr 2001 hätten beanspruchen können, erreicht ist. Die Auszahlung ist durch Betriebsvereinbarung zu regeln und erfolgt mit der Lohn- und Gehaltsabrechnung für den Monat August 2002.
3. Sollte das handelsrechtliche Halbjahresergebnis nach Steuern zum 30.06.2002 den Betrag von EUR 200.000 nicht übersteigen und damit aufgrund der Ertragslage des Unternehmens der Arbeitgeber die genannte Prämienzahlung nicht, oder nicht vollständig zu leisten vermag, so verpflichten sich bereits jetzt die Tarifvertragspartner die entfallene Prämienzahlung in einen Besserungsschein umzuwandeln. Dieser Besserungsschein wird wirksam, sofern und soweit das handelsrechtliche Jahresergebnis nach Steuern in den Kalenderjahren 2002 oder 2003 oder 2004 EUR 400.000 übersteigt.
4. Prämienberechtigt sind nur die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen die unter den Geltungsbereich dieses Ergänzungstarifvertrages fallen und zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Prämienzahlungen nach § 3 Abs. 2 oder Abs. 3 beim Arbeitgeber noch beschäftigt sind.
5. Arbeitnehmer/innen, die im Werk P2xxxxxxx der Fa. W1xxxxxx GmbH durch den Interessenausgleich vom 19.11.2001 beschriebenen Maßnahmen aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden, sind von den vorgenannten Prämienzahlungen im Jahre 2001 und 2002 nicht betroffen. Ihre Nachteile sind abschließend durch den Sozialplan vom 19.11.2001 ausgeglichen und geregelt.
§ 4 - Laufzeit
Dieser Ergänzungstarifvertrag tritt mit dem Tag der Unterzeichnung in Kraft und endet ohne Nachwirkung mit Erledigung der in § 3 vorgesehenen Regelungen.
Am 20.11.2002 wurde ein 2. Ergänzungstarifvertrag (2. ErgTV) vereinbart, der für die Arbeitnehmer/innen der Standorte P3xxxxxxxxxx und P2xxxxxxx des Unternehmens der Insolvenzschuldnerin gilt (§ 1.1 2. ErgTV) und den "Vorgänger"-Ergänzungstarifvertrag v. 13.12.2001 "ersetzt" (§ 1.2 2. ErgTV). Neben einer Anhebung der Tariflöhne und Tarifgehälter der Arbeitnehmer/innen statt zum 01.05.2002 erst mit Wirkung ab 01.11.2002 um 3 % und statt zum 01.05.2003 erst zum 01.12.2003 um weitere 2,5 % (§ 2 2. ErgTV) ist weiter bestimmt:
§ 3 - Betriebliche Sonderzahlungen; Urlaubsentgelte
3.1 Für das Kalenderjahr 2002 sind die Tarifbestimmungen über die Betrieblichen Sonderzahlungen und die Zahlung eines zusätzlichen Urlaubsgeldes in den Flächentarifverträgen der oben genannten Tarifparteien ausgesetzt. Ein tariflicher Rechtsanspruch hierauf entfällt.
3.2 Für das Kalenderjahr 2003 garantiert die Firma W1xxxxxx GmbH ausdrücklich - selbständige Garantieerklärung - eine Erfüllung der Tarifansprüche der Arbeitnehmer/innen auf Zahlung der betrieblichen Sonderzahlungen gemäß den einschlägigen Tarifverträgen.
3.3 In dem Kalenderjahr 2003 wird das zusätzliche Urlaubsgeld zeitnah, jeweils im Zusammenhang mit und für Urlaubstage bezahlt. Bei den Löhnen erfolgt die Zahlung mit der jeweiligen monatlichen Lohnabrechnung, bei den Gehältern im Folgemonat der Urlaubsnahme.
§ 4 - Prämienzahlung
4.1 Arbeitnehmer/innen des Unternehmens, die am 1. Dezember 2002 in einem Arbeitsverhältnis stehen, erhalten mit der Entgeltabrechnung für den Monat November 2002 eine einmalige Sonderzahlung (Prämie) in Höhe von 20 % ihres durchschnittlichen Monatslohnes/-gehaltes der letzten 3 Monate. Mehrarbeitsstunden und Zuschläge jeglicher Art werden nicht berücksichtigt. Die Höhe der Auszahlung richtet sich nach den Grundsätzen des Tarifvertrages über die betrieblichen Sonderzahlungen für die Holzindustrie und Kunststoffverarbeitung Baden-Württemberg bzw. des Tarifvertrages über die stufenweise Einführung eines Teiles eines 13. Monatsverdienstes für die Polstermöbelindustrie des Landes Nordrhein-Westfalen in der jeweils aktuellen Fassung.
§ 5 - Besserungsschein
5.1 Zwischen den Vertragsparteien ist zum Ausgleich des Wegfalles der Einmalzahlungen gemäß § 3.1 dieses Vertrages, des zeitlichen Versatzes der Tarifentgeltanhebungen gemäß § 2 dieses Vertrages zu den Tarifentgeltanhebungen der einschlägigen Flächentarifverträge, sowie unter Einbeziehung des vereinbarten Besserungsscheines im Ergänzungstarifvertrag vom 13.12.2001 ein erneuter Besserungsschein vereinbart. Die einzelnen Beträge werden ermittelt und festgeschrieben, wobei die Prämienzahlung nach § 4 dieser Vereinbarung auf das Gesamtvolumen des Besserungsscheines angerechnet wird.
5.2 Die Vertragsparteien vereinbaren vor Ablauf des Geschäftsjahres der Firma W1xxxxxx GmbH einen Prüfungstermin, zu welchem die Geschäftsführung die wirtschaftliche Lage offen legt und die voraussichtliche Möglichkeit einer Auszahlung des Besserungsscheines erläutert. Dabei dürfen für W1xxxxxx keine zusätzlichen Fremdkosten entstehen.
5.3 Die gesamte oder teilweise Einlösung dieses Besserungsscheines setzt voraus, dass entsprechende Zahlungen/Teilzahlungen die allgemeine Liquidität des Unternehmens nicht gefährden, eingeschlossen dabei ist die Finanzierungsgarantie des Unternehmens gemäß § 3.2 dieses Vertrages. Auszahlungen aus dem Besserungsschein erfolgen in Form einer Prämie. Diese kommt zur Auszahlung, soweit die handelsrechtlichen Jahresergebnisse nach Steuern jeweils den Betrag von EUR 400.000 (Auszahlungsschwelle) übersteigen. Zur Auszahlung kommt dann jeweils das die Auszahlungsschwelle übersteigende Jahresergebnis, bis der Betrag, den die Mitarbeiter aus dem Besserungsschein beanspruchen können, erreicht ist. Die Auszahlung erfolgt bis zu einem Gesamtauszahlungsbetrag von 50.000 Euro in gleichmäßigen Beträgen an alle anspruchsberechtigten Mitarbeiter; darüber hinaus erfolgt die Auszahlung in Relation zu den nach Punkt 5.1 ermittelten Beträgen.
5.4 Bei der jeweiligen Einlösung des Besserungsscheines werden alle Arbeitnehmer/innen mit einbezogen, die unter den Geltungsbereich dieses Ergänzungstarifvertrages fallen und die bei der Ermittlung der Höhe des Besserungsscheines berücksichtigt wurden.
§ 6 - Arbeitsplatzsicherung
6.1 In den Werken P3xxxxxxxxxx und P2xxxxxxx des Unternehmens ist gemäß § 102 Abs. 6 BetrVG vereinbart, dass betriebsbedingte Beendigungskündigungen bis 31.12.2003 der Zustimmung der jeweils betroffenen Betriebsräte bedürfen.
§ 7 - Laufzeit
Dieser 2. Ergänzungstarifvertrag tritt mit seiner Ausfertigung in Kraft und endet ohne Nachwirkung durch Erledigung.
Schließlich wurde am 26.03.2003 wurde ein 3. Ergänzungstarifvertrag (3. ErgTV) vereinbart, der für die Arbeitnehmer/innen der Standorte P3xxxxxxxxxx und P2xxxxxxx des Unternehmens der Insolvenzschuldnerin gilt (§ 1.1 3. ErgTV) und in § 1.2 3. ErgTV bestimmt:
Er ergänzt den Vorgängerergänzungstarifvertrag vom 20.11.2002. D.h. dieser bleibt vollinhaltlich bestehen, sofern nicht in dieser Vereinbarung eine ausdrückliche Abänderung vorgenommen wird.
Desweiteren enthält dieser Ergänzungstarifvertrag zur Sicherung der Standorte und Arbeitsplätze neben Regelungen zur Tarifbindung (§ 5 3. ErgTV) der Firma W1xxxxxx I1xxxxx GmbH, einem seinerzeit noch im Stadium der Gründung befindlichen Tochterunternehmen der Insolvenzschuldnerin, zum Sanierungsbeitrag der Führungskräfte (§ 6 3. ErgTV), die von der Insolvenzschuldnerin zu einem Gehaltsverzicht von 10% bewogen werden sollen, zur Beschäftigungssicherung (§ 7 3. ErgTV) bis zum 31.12.2004, folgende weitere Bestimmungen enthält:
§ 2 - Betriebliche Sonderzahlungen; Urlaubsentgelte
2.1 Für das Kalenderjahr 2003 sind die Tarifbestimmungen über betriebliche Sonderzahlungen und die Zahlung eines zusätzlichen Urlaubsgeldes in den Flächentarifverträgen der oben genannten Tarifparteien ausgesetzt. Ein tariflicher Rechtsanspruch hierauf entfällt.
2.2. Damit sind die Bestimmungen des § 3 Ziffern 3.2 und 3.3 des Ergänzungstarifvertrages vom 20.11.2002 aufgehoben.
§ 3 - Besserungsschein
3.1 Zwischen den Vertragsparteien ist zum Ausgleich des Wegfalles der Einmalzahlungen gemäß § 2.1 dieses Vertrages sowie unter Einbeziehung des vereinbarten Besserungsscheines in den Ergänzungstarifverträgen vom 13.12.2001 und 20.11.2002 ein erneuter Besserungsschein vereinbart. In diesen Besserungsschein werden die Beträge eingestellt, auf die gemäß § 2 Punkt 1 verzichtet worden ist. Jeder Arbeitnehmer erhält bis zum 30.06.2003 eine schriftliche Aufstellung, aus der sich das Volumen seines Besserungsscheines im einzelnen ergibt (betrifft die Beträge, die bis zum 31.12.2002 aufgelaufen sind). Zum 30.11.2003 erhält jeder Arbeitnehmer eine erneute Aufstellung, in der nunmehr auch die Beträge aus 2003 enthalten und aufgeschlüsselt sind.
3.2 Die Vertragsparteien vereinbaren vor Ablauf des Geschäftsjahres der Fa. W1xxxxxx GmbH einen Prüfungstermin, in dem die Geschäftsführung die wirtschaftliche Lage offenlegt und die voraussichtliche Möglichkeit einer Auszahlung des Besserungsscheines erläutert. Dabei dürfen bei W1xxxxxx keine zusätzlichen Fremdkosten entstehen. Diese Verpflichtung gilt so lange, bis die Besserungsscheine insgesamt eingelöst und die sich daraus ergebenden Forderungen erfüllt sind.
3.3 Die gesamte oder teilweise Einlösung dieses Besserungsscheines setzt voraus, dass entsprechende Zahlungen /Teilzahlungen die allgemeine Liquidität des Unternehmens nicht gefährden. Auszahlungen aus dem Besserungsschein erfolgen in Form einer Prämie. Diese kommt zur Auszahlung, soweit die handelsrechtlichen Jahresergebnisse nach Steuern jeweils den Betrag von € 400.000,00 (Auszahlungsschwelle) übersteigen. Hierbei werden aber Ergebnisverbesserungen durch einen möglichen Verzicht des Pensionssicherungsvereins nicht mit eingerechnet. Zur Auszahlung kommt dann jeweils das die Auszahlungsschwelle übersteigende Jahresergebnis, bis der Betrag, denn die Mitarbeiter aus dem Besserungsschein beanspruchen können, erreicht ist.
3.4 Die Auszahlung erfolgt bis zu einem Gesamtauszahlungsbetrag von € 50.000,00 in gleichen Beträgen je anspruchsberechtigten Mitarbeiter. Übersteigt der zu verteilende Betrag € 50.000,00, ist dieser übersteigende Betrag an die anspruchsberechtigten Mitarbeiter im Verhältnis der Höhe ihrer Forderungen, wie sie nach Ziffer 3.1 ermittelt worden sind, zu verteilen.
3.5 Bei der jeweiligen Einlösung des Besserungsscheines werden alle Arbeitnehmer/innen miteinbezogen, die für den Geltungsbereiches dieses Ergänzungstarifvetrages fallen und die bei der Ermittlung der Höhe des Besserungsscheines berücksichtigt wurden.
§ 4 - Arbeitszeit
4.1 Die einschlägigen Bestimmungen in den Flächentarifverträge und deren einschlägigen Bestimmungen werden insoweit abgeändert, als die Arbeitzeitkonten bis zu 150 Stunden Zeitschuld beinhalten dürfen.
4.2 Diese Bestimmung ist nur gültig bis zum 31.03.2004. Zu diesem Zeitpunkt tritt diese Bestimmung außer Kraft, eine Nachwirkung ist ausgeschlossen. …
§ 8 - Inkrafttreten, Laufzeit, Beendigungsgründe
8.1 Dieser 3. Ergänzungstarifvertrag tritt mit seiner Unterzeichnung in Kraft und endet ohne Nachwirkung durch seine Erledigung.
Er ist auflösend bedingt für den Fall, dass die Geschäftsführung einen Insolvenzantrag beim zuständigen Amtsgericht stellt. Mit diesem Zeitpunkt tritt dieser Tarifvertrag rückwirkend außer Kraft, mit der Folge, dass die gesamten Verzichtserklärungen unwirksam werden und durchgängig die einschlägigen Flächentarifverträge Geltung gehabt hätten. Die sich daraus ergebenden Forderungen werden sofort fällig.
Auch über die Vermögen der beide Tochterfirmen, der Firma W1xxxxxx I1xxxxx GmbH und Firma W1xxxxxx I2xxxxxxxxxx GmbH, hat das Amtsgericht Ludwigsburg durch Beschlüsse vom 01.04.2004 (4 IN 62/04 bzw. 4 IN 64/04) das Insolvenzverfahren eröffnet und jeweils den Beklagten zum Insolvenzverwalter bestellt.
Mit Klageschrift vom 01.09.2004, bei dem Arbeitsgericht am 06.09.2004 eingegangen, hat der Kläger die Anerkennung von Ansprüchen aus einem Besserungsschein vom 30.06.2003 in einer Gesamthöhe von 7.725,33 € als Insolvenzforderungen gerichtlich geltend gemacht, die sich wie folgt zusammensetzen:
Volumen des Besserungsscheins zum 31. Dezember 2002 für Nachname Vorname Personalnummer W2xxx F2xxx-J1xxx 91xx Kalenderjahr 2001 a) Weihnachtsgeld 2001 2728,10 € ./. Teilzahlung im Nov. 2001 545,62 € ./. Teilzahlung im Feb. 2002 272,81 € Verbleibende Summe im Besserungsschein 1909,67 € Kalenderjahr 2002 a) verschobener Tarifabschluss Mai bis Okt 413,45 € Verbleibende Summe im Besserungsschein 413,45 € b) Urlaubsgeld 2002 3357,13 € Verbleibende Summe im Besserungsschein 3357,13 € c) Weihnachtgeld 2002 2897,61 € ./. Teilauszahlung im Nov. 2002 852,53 € Verbleibende Summe im Besserungsschein 2045,08 € Gesamtsumme Besserungsschein zum 7725,33 € Stichtag 31. Dezember 2002 Hinweis: Diese Mitteilung erfolgt auf Grund der Vereinbarung des 3. Ergänzungstarifvertrages vom 26. März 2005. Bei dieser Mitteilung handelt es sich um eine Information, die selbst keine eigenständige Rechtswirksamkeit entfaltet. Eine Korrektur der mitgeteilten Werte z.B. auf Grund Ermittlungsfehler bleibt ausdrücklich vorbehalten. P3xxxxxxxxxx. den 30. Juni 2003 W1xxxxxx GmbH Personalbereich G2xxxxx-G3xxxxxx-S5x. 14 72xxx P3xxxxxxxxxx
Zusammen mit der Forderungsanmeldung vom 27.05.2004 haben die Prozessbevollmächtigten des Klägers ihre Kostennote in Höhe von 548,45 € zur Insolvenztabelle angemeldet. Unter Vorlage einer Kopie des Tabellenauszuges des Amtsgerichts Ludwigsburg vom 28.06.2004 (4 IN 54/04) hat der Kläger zur Begründung im Wesentlichen vorgetragen: Gemäß § 3.1 des 3. Ergänzungstarifvertrages sei die Insolvenzschuldnerin verpflichtet gewesen, allen Mitarbeitern das Volumen der bis zum 31.12.2002 aufgelaufenen Beträge, die nicht zur Auszahlung gelangt seien, in dem besagten Besserungsschein mitzuteilen. Dies sei am 30.06.2003 auch ordnungsgemäß geschehen. Danach stünden ihm zum Stichtag des 31.12.2002 sämtliche Forderungen aus dem Besserungsschein vom 30.06.2003 in einer Gesamthöhe von 7.725,33 € ungekürzt zu. Der beklagte Insolvenzverwalter habe jedoch lediglich die Forderungen aus dem Besserungsschein für das Jahr 2003 in einer Gesamthöhe von 6.227,57 € anerkannt, so das Klageerhebung geboten sei.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, die zur Insolvenztabelle angemeldete Forderung gegen die Firma W1xxxxxx GmbH des Klägers in Höhe eines weiteren Betrages von 8.273,78 € anzuerkennen.
Der beklagte Insolvenzverwalter hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat vorgetragen, nach § 2 1. ErgTV habe für das Jahr 2001 kein Anspruch auf die Sonderzahlungen bestanden. Desweiteren seien Prämienzahlungen ausgeschlossen worden. Die Wirksamkeit des Besserungsscheines sei unter die Voraussetzung gestellt worden, dass das Betriebsergebnis in den Kalenderjahren 2002 oder 2003 oder 2004 positiv sei und den Betrag von 400.000,00 € nach Steuern übersteigen würde. Tatsächlich sei im Jahre 2002 ein Verlust von 3,8 Mio. € erwirtschaftet worden, im Jahre 2003 ein Verlust von 10,29 Mio. €. Anfang 2004 seien ebenfalls Verluste erwirtschaftet worden. Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch aus dem Jahre 2001 werde daher endgültig bestritten. Auch aus dem Besserungsschein für das Jahr 2002 könne der Kläger keine Ansprüche geltend machen. Die angemeldeten Ansprüche seien auch bezüglich des Jahres 2002 endgültig zu bestreiten.
Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 25.11.2004 (1 [3] Ca 1808/04), auf welches zur weiteren Darstellung des erstinstanzlichen Sachverhalts gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG vollinhaltlich Bezug genommen wird, antragsgemäß der Feststellungsklage stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, die der Höhe nach unstreitigen, im Besserungsschein vom 30.06.2003 ausgewiesenen Forderungen seien, da die Insolvenzschuldnerin beim Amtsgericht Ludwigsburg am 03.02.2004 Insolvenzantrag gestellt habe, gemäß § 8.1 S. 4 3. ErgTV sofort fällig geworden, denn wegen des Eigenantrags seien alle Verzichtserklärungen und alle Erklärungen über eine evtl. Stundung hinfällig geworden.
Gegen das ihm am 16.12.2004 zugestellte Urteil hat der beklagte Insolvenzverwalter am 11.01.2005 Berufung eingelegt und diese am 28.01.2004 begründet.
Er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen zu den erwirtschafteten Verlusten und schließt daraus, dass die von den Tarifvertragsparteien sowohl im 1. als auch im 2. Ergänzungstarifvertrag vereinbarten wirtschaftlichen Vorgaben für das Entstehen des Anspruchs aus dem Besserungsschein weder für das Jahr 2001 noch für das Jahr 2002 erreicht worden seien, so dass der Besserungsschein nicht einmal mit der Insolvenzquote aus der Insolvenzmasse zu bedienen sei.
Unabhängig davon habe das Arbeitsgericht den am 26.03.2003 abgeschlossenen 3. Ergänzungstarifvertrag rechtsfehlerhaft ausgelegt. In § 1.2 3. ErgTV sei - in Abweichung zu den entsprechenden Regelungen des 2. Ergänzungstarifvertrages - vereinbart worden, dass der 3. Ergänzungstarifvertrag den 2. Ergänzungstarifvertrag vom 20.11.2002 nur ergänzen, nicht jedoch ersetzen solle. Hierin liege, was in dem erstinstanzlichen Urteil des Arbeitsgerichts nicht berücksichtigt worden sei, der wesentliche Unterschied zum 2. Ergänzungstarifvertrag. Das Schicksal bezüglich der Wirksamkeit des 3. Ergänzungstarifvertrages sei durch die Verhandlungspartner bewusst nicht mit dem des 2. Ergänzungstarifvertrages verknüpft worden. Dies erhelle sich aus § 3.1 3. ErgTV, in dem es wie folgt heiße:
"… zum Ausgleich des Wegfalles der Einmalzahlungen gemäß § 2.1 dieses Vertrages sowie unter Einbeziehung des vereinbarten Besserungsscheines in den Ergänzungstarifverträgen vom 13.12.2001 und 20.11.2002 ein erneuter Besserungsschein vereinbart. …"
Diese Formulierung besage ebenfalls nur die Zusammenfassung der Ansprüche aus dem Besserungsschein und weise darauf hin, dass dies zum Ausgleich des Wegfalls der Einmalzahlungen gemäß § 2 3. ErgTV erfolge. Auch hier sei von den Verzichtserklärungen der früheren Ergänzungstarifverträge nicht die Rede. Im Rahmen der Verhandlungen sei der IG Metall und den Betriebsräten von der Geschäftsleitung sehr deutlich vor Augen geführt worden, dass bei einem Scheitern der Gespräche ein Insolvenzantrag gestellt werden müsse. In diesem Falle habe die Gefahr bestanden, dass die Arbeitnehmer im Falle einer dadurch bedingten Entlassung aufgrund der Vereinbarung des 3. Ergänzungstarifvertrages ein geringeres Arbeitslosengeld erhalten würden, eben weil wegen der Verzichtserklärung auf die tariflichen Sonderzahlungen gemäß § 2 3. ErgTV diese nicht in die Arbeitgeberbescheinigung für die Berechnung des Arbeitslosengeldes hätten mit aufgenommen werden können. Dieses Risiko einer Insolvenz hätten auch die Arbeitnehmervertretungen vor Augen gehabt. Ausschließlich um diese Nachteile beim Bezug von Arbeitslosengeld auszugleichen, sei auf Veranlassung der Betriebsräte vereinbart worden, die auflösende Bedingung unter § 8.1 in den 3. Ergänzungstarifvertrag mit aufzunehmen. Dies habe zur Folge, dass im Falle einer Insolvenz die Arbeitgeberbescheinigungen für die Berechnung des Arbeitslosengeldes auch die tariflichen Sonderzahlungen aus dem Jahr 2003 beinhalten würden und damit das Arbeitslosengeld höher, nämlich in Höhe der ursprünglich vereinbarten vertraglichen Bezüge ausfallen würde. Zumindest sei so seitens der Betriebsräte und der IG Metall argumentiert worden. Gleichzeitig habe unter den Beteiligten Einigkeit darüber bestanden, dass im Falle einer Insolvenz die tariflichen Ansprüche aus dem Jahr 2003, auf die nach § 2 3. ErgTV verzichtet worden sei, wieder aufleben würden und gegenüber einem Insolvenzverwalter als Insolvenzforderung geltend gemacht werden könnten. Zu keinem Zeitpunkt sei aber diskutiert worden, dass damit auch die Verzichtserklärungen des 2. Ergänzungstarifvertrages und/oder des 1. Ergänzungstarifvertrages wieder aufleben sollten (Beweis: Zeugnis des ehemaligen Personalleiters M3xxxxx H5xxxxx und des ehemaligen Betriebsleiters C2xxxxxxx H6xxxxx). Die daraufhin im 3. Ergänzungstarifvertrag vereinbarte Auflösungsbedingung laute - konsequenterweise - daher wie folgt (§ 8.1 3. ErgTV):
"Dieser 3. Ergänzungstarifvertrag tritt mit seiner Unterzeichnung in Kraft und endet ohne Nachwirkung durch seine Erledigung.
Er ist auflösend bedingt für den Fall, dass die Geschäftsführung einen Insolvenzantrag beim zuständigen Amtsgericht stellt. Mit diesem Zeitpunkt tritt dieser Tarifvertrag rückwirkend außer Kraft, mit der Folge, dass die gesamten Verzichtserklärungen unwirksam werden und die einschlägigen Flächentarifverträge Geltung gehabt hätten. Die sich daraus ergebenden Forderungen werden sofort fällig."
In dieser Formulierung ist ausschließlich von dem 3. Ergänzungstarifvertrag die Rede, ausdrücklich nicht vom 2. Ergänzungstarifvertrag und vom 1. Ergänzungstarifvertrag. Dies sei konsequent und folgerichtig, denn der 3. Ergänzungstarifvertrag solle (vgl. § 1.2 3. ErgTV) den 2. Ergänzungstarifvertrag und den 1. Ergänzungstarifvertrag eben nur ergänzen. Die Formulierungen seien eindeutig. Wenn die Vertragsparteien etwas anderes gewollt hätten, hätten sie dies anders formulieren können, wollen und müssen. Dann hätte vereinbart werden müssen, dass die gesamten Verzichtserklärungen dieses und des 2. Ergänzungstarifvertrages unwirksam werden sollten. Genau dies sei jedoch bewusst (!) nicht vereinbart worden. Die in § 8.1 3. ErgTV gewählte Formulierung verfolge ausschließlich den Zweck, die Ansprüche des 3. Ergänzungstarifvertrages zu regeln und die Auswirkungen auf einen Bezug von Arbeitslosengeld zu berücksichtigen. Zur Klarstellung sei noch darauf hingewiesen, dass fälschlicherweise von "den einschlägigen Flächentarifverträgen" gesprochen werde, denn - bezogen auf die beiden Standorte P2xxxxxxx und P3xxxxxxxxxx - würden aufgrund der räumlichen Lage der Tarifgebiete (Nordrhein Westfalen bzw. Baden Württemberg) unterschiedliche Flächentarifverträge gelten. Das Arbeitsgericht habe jedoch sämtliche Ergänzungstarifverträge "über einen Kamm geschert". Die werde einer rechtlichen Überprüfung nicht standhalten, dass das Arbeitsgericht sämtliche Verzichtserklärungen und sämtliche Erklärungen über eine Stundung oder einem Verzicht als hinfällig ansehe. Das Arbeitsgericht habe hier schlicht und einfach übersehen, das insoweit zwischen dem 3. Ergänzungstarifvertrag und den früheren Ergänzungstarifverträgen zu differenzieren sei. Nur der 3. Ergänzungstarifvertrag falle bei der Stellung eines Insolvenzantrages weg bzw. sei mit einer auflösenden Bedingung versehen worden. Demnach hätten - entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts - der 2. Ergänzungstarifvertrag und der 1. Ergänzungstarifvertrag weiterhin Geltung. "Nur" die Verzichtserklärungen aus dem 3. Ergänzungstarifvertrag seien nachträglich weggefallen. Demnach hätten die Regelungen aus dem 2. Ergänzungstarifvertrag auch weiterhin Bestand. Da das geforderte positive Betriebsergebnis von mehr als 400.000,00 € erzielt worden sei, könnten auch dem Besserungsschein weder für das Jahr 2002 und erst Recht nicht für das Jahr 2001 irgendwelche Ansprüche des Klägers erwachsen.
Der beklagten Insolvenzverwalter beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn, Geschäfts-Nr.: 1 Ca 1808/04, aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen und den Wert des Streitgegenstands festzusetzen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil und trägt im Hinblick auf das Berufungsvorbringen vor, die Gegenseite gehe zwar richtigerweise davon aus, in § 1.2 3. ErgTV sei geregelt worden, dass der 3. Ergänzungstarifvertrag den Vorgängerergänzungstarifvertrag vom 20.11.2002 "nur" ergänzen und nicht vollständig ersetzen sollte. Es sei jedoch desweiteren, dass der 2. Ergänzungstarifvertrag vollinhaltlich bestehen bleiben sollte, sofern nicht die Vereinbarungen im 3. Ergänzungstarifvertrag eine "ausdrückliche Abänderung" vorsähen. Soweit der beklagte Insolvenzverwalter vorliegend auf dem Standpunkt steht, die Regelung in § 8.1 3. ErgTV betreffe ausschließlich die Ansprüche der Sonderzahlungen für das Jahr 2003, geht mit seiner Auslegung völlig fehl. Diese Auslegung widerspreche den getroffenen schriftlichen Vereinbarungen im 3. Ergänzungstarifvertrag sowie den im Zusammenhang mit dessen Errichtung getroffenen Abreden und den Regelungen der Vorgängertarifverträge, welche im Rahmen einer Gesamtschau in die Auslegung mit einzubeziehen seien. Im 3. Ergänzungstarifvertrag sei vereinbart worden, dass für das Kalenderjahr 2003 die Tarifbestimmungen über betriebliche Sonderzahlungen und die Zahlung eines zusätzlichen Urlaubsgeldes ausgesetzt würden. Die Garantieübernahme der Insolvenzschuldnerin im 2. Ergänzungstarifvertrag sei dementsprechend aufgehoben worden. Die Verhandlungsführer hätten in § 3.1 3. ErgTV ganz bewusst die Ansprüche aus den Besserungsscheinen der Arbeitnehmer für die Jahre 2001 und 2002 miteinbezogen (Beweis: Zeugnis des W5xxxxxx N1xxx, Bezirksleitung der IG Metall, und des V1xxxx K2xxxx, Verwaltungsstelle P2xxxxxxx). Die getroffene Regelung unter § 3.1 3. ErgTV lasse sich nur so verstehen, dass in den Besserungsschein 2003 sämtliche aufgelaufenen Ansprüche der Arbeitnehmer, auch aus den Jahren 2001 und 2002, miteinbezogen werden sollten, denn es heiße in dieser Tarifnorm insoweit wörtlich, dass
"… unter Einbeziehung des vereinbarten Besserungsscheins in den Ergänzungstarifverträgen vom 13.12.2001 und 20.11.2002 ein erneuter Besserungsschein vereinbart"
werde. Die durch den beklagten Insolvenzverwalter vorgenommene Auslegung widerspreche mithin dem eindeutigen Wortlaut der getroffenen Regelung in § 3.1. 3. ErgTV. Diese Regelung sei eindeutige Regelung, eine Regelungslücke bestehe nicht, die Verhandlungsführer des 3. Ergänzungstarifvertrages hätten vielmehr alles ausdrücklich und schriftlich geregelt, was zu regeln gewesen sei. Sämtliche Ansprüche der Arbeitnehmer aus allen Besserungsscheinen für 2001, 2002 und 2003 sollten in dem neuen, "umfassenden" Besserungsschein für 2003 miteinbezogen sein (Beweis: Zeugnis des W5xxxxxx N1xxx, Bezirksleitung der IG Metall, und des V1xxxx K2xxxx, Verwaltungsstelle P2xxxxxxx). Die in § 3.1 3. ErgTV getroffene Regelung spiegele sich in der Regelung des § 8.1 3. ErgTV wider, wo bestimmt sei, dass die gesamten Verzichtserklärungen im Falle des Stellens eines Insolvenzantrages durch die Arbeitgeberin unwirksam würden.
Die Regelungen in sämtlichen Ergänzungstarifverträgen, insbesondere aber im 3. Ergänzungstarifvertrag, sollten nicht dazu führen, dass die Arbeitnehmer der Höhe nach auf Sonderzahlungen oder Tariferhöhungen verzichten sollten. Auch habe die Höhe der tarifvertraglich zustehenden Sonderzahlungen und des erhöhten Tarifgehaltenes nicht angetastet werden sollen, es sei zur Erleichterung der Arbeitgeberin lediglich eine Modifikation der Auszahlung, nämlich eine Stundung auf eine gewisse Zeit vorgenommen worden. Gerade für den Fall der Insolvenz sollten die Arbeitnehmer abgesicherten werden und "sämtliche" bestehenden, in den Besserungsscheinen gesicherten Ansprüche, sofort fällig werden. Die Arbeitnehmer, welche sich bereits in den vergangenen Jahren solidarisch mit der Schuldnerin gezeigt hätten, sollten betreffend ihre Ansprüche aus den Besserungsscheinen für 2001 bis 2003 geschützt werden. Sie sollten nicht verzichten, sondern gegenüber den anderen Gläubigern mit ihren Vergütungsansprüchen auf keinen Fall schlechter gestellt werden, sondern vorrangig befriedigt werden. Deshalb seien ihre Ansprüche durch die Regelung in § 8.1 S. 4 ErgTV sofort fällig gestellt worden (Beweis: Zeugnis des W5xxxxxx N1xxx, Bezirksleitung der IG Metall, und des V1xxxx K2xxxx, Verwaltungsstelle P2xxxxxxx). Dagegen widerspreche die durch den beklagten Insolvenzverwalter vorgenommene Auslegung den ausdrücklich und schriftlich getroffenen Vereinbarungen in den Ergänzungstarifverträgen, die im Rahmen einer Gesamtschau auszulegen seien. Daher habe das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt, dass durch die Regelung in § 8.1 die Stundungsvereinbarung betreffend die Ansprüche der Arbeitnehmer aus den Besserungsscheinen 2001, 2002 und 2003 durch auflösende Bedingung rückwirkend außer Kraft getreten sei, so dass die Forderungen sofort fällig geworden seien, mithin die Ansprüche gegenüber der Arbeitgeberin zu Recht bestünden. Das Bestreiten der Forderungen betreffend die Ansprüche 2001 und 2002 aus dem Besserungsschein vom 30.06.2003 sei somit unzulässig.
Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie auf die zu den Gerichtsakten gereichten Urkunden Bezug genommen.
Gründe
Die aufgrund entsprechender Beschwer statthafte, form- und fristgerecht eingelegte sowie rechtzeitig ordnungsgemäß begründete Berufung des beklagten Insolvenzverwalters hat teilweise Erfolg und führt unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen zu einer entsprechenden Abänderung des angefochtenen Urteils.
Das Arbeitsgericht hat der Insolvenzfeststellungsklage mit der kurzen, knappen Begründung stattgegeben, dass alle Verzichtserklärungen und alle Erklärungen über eine evtl. Stundung - da die Insolvenzschuldnerin beim Amtsgericht Ludwigsburg am 03.02.2004 Insolvenzantrag gestellt hat - hinfällig und dass damit die der Höhe nach unstreitigen, im Besserungsschein vom 30.06.2003 ausgewiesenen Forderungen gemäß § 8.1 S. 4 3. ErgTV sofort fällig geworden sind. Die Berufungskammer macht sich diesen Kernsatz der erstinstanzlichen Entscheidungsgründen zu eigen. Mit Blick auf das zweitinstanzliche Vorbringen des beklagten Insolvenzverwalters sind die Erwägungen des Arbeitsgerichts noch um folgendes zu ergänzen:
1.Die Klage ist als sog. Insolvenzfeststellungsklage zulässig. Im Falle der Insolvenzeröffnung (§ 27 InsO) haftet der Insolvenzverwalter für die Arbeitnehmerforderungen mit der Insolvenzmasse. Wenn es sich - wie hier - um rückständige Forderungen aus der Zeit vor Verfahrenseröffnung handelt, ist der Arbeitnehmer "nur" Insolvenzgläubiger (§§ 108 Abs. 2, 38 InsO). Er muss daher zunächst seine Forderung nach §§ 174, 28 InsO beim Insolvenzverwalter zur Insolvenztabelle anmelden. Eine Leistungsklage ist generell unzulässig, vielmehr ist im Falle des Bestreitens der (untitulierten) Forderung durch den Insolvenzverwalter (oder einen Insolvenzgläubiger) die Insolvenzfeststellungsklage gemäß § 179 Abs. 1 InsO der richtige Rechtsbehelf. Die Insolvenzfeststellungsklage darf vom Arbeitnehmer allerdings erst nach endgültigem Bestreiten durch den Insolvenzverwalter erhoben werden, ansonsten droht ihm die Kostentragungspflicht (vgl. LAG Hamm, Bes. v. 06.03.2001 - 11 Sa 1968/99, MDR 2001, 1379 = ZinsO 2001, 528; LAG Hamm, Bes. v. 06.03.2001 - 11 Sa 1969/99, AE 2001, 139; LAG Hamm, Bes. v. 06.03.2001 - 11 Sa 1970/99, BuW 2002, 308; LAG Hamm, Bes. v. 14.03.2002 - 4 Sa 1366/97, DZWIR 2002, 240 = LAGReport 2002, 121). Die vorausgegangene Anmeldung nach §§ 174, 28 InsO ist notwendige Prozessvoraussetzung für eine Feststellungsklage gegen den Insolvenzverwalter nach § 179 Abs. 1 InsO, denn sie ist nur unter der Voraussetzung statthaft, dass die Klageforderung im Verfahren angemeldet, geprüft und bestritten worden ist (BGH, Urt. v. 21.02.2000 - II ZR 231/98, ZInsO 2000, 295; BAG, Urt. v. 16.06.2004 - 5 AZR 521/03, NZA 2004, 1274 = ZIP 2004, 1867). War die streitgegenständliche Forderung im Zeitpunkt der nach § 179 KO erhobenen Feststellungsklage noch nicht beim Insolvenzverwalter angemeldet und von diesem geprüft worden, so kann dieser Mangel noch nach Rechtshängigkeit behoben werden, und zwar bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung (LAG Hamm, Urt. v. 23.09.2004 - 4 Sa 2037/03, ZInsO 2005, 1120) bzw. bis zur evtl. Abgabe übereinstimmender Erledigterklärungen (LAG Hamm, Bes. v. 22.11.1999 - 4 Sa 1414/99, ZInsO 2000, 55). Vorliegend hat der Kläger die richtige Reihenfolge eingehalten, denn er hat zunächst mit anwaltlichem Schreiben vom 27.05.2004 die Forderungen aus dem Besserungsschein 2002 vom 30.06.2003 bei dem beklagten Insolvenzverwalter zur Insolvenztabelle angemeldet, und zwar zusammen mit den Forderungen für 2003, allerdings unter gleichzeitiger Überreichung einer anwaltlichen Kostennote über 548,45 €. Danach erst hat er mit Klageschrift vom 01.09.2004, bei dem Arbeitsgericht am 06.09.2004 eingegangen, die Anerkennung der Forderungen aus dem Besserungsschein 2002 vom 30.06.2003 als Insolvenzforderungen gerichtlich geltend gemacht. Unter Vorlage einer Kopie des Tabellenauszuges des Amtsgerichts Ludwigsburg vom 28.06.2004 (4 IN 54/04) hat er darlegen und nachweisen können, dass der beklagte Insolvenzverwalter nur die offenen Forderungen für 2003 in Höhe von 6.227,57 € anerkannt, die weiteren angemeldeten Forderungen in Höhe von 8.273,78 €, nämlich die im Besserungsschein 2002 im einzelnen aufgeschlüsselten Forderungen in Höhe von insgesamt 7.725,33 € und die Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von über 548,45 €, "vorläufig" und schließlich mit Schriftsatz vom 16.09.2004 "endgültig" bestritten hat. Damit ist die Insolvenzfeststellungsklage - trotz des etwas ungewöhnlichen Antrags, der allerdings auslegungsfähig ist - zulässig.
2.Die Insolvenzfeststellungsklage ist - bis auf die Anwaltsgebühren - auch begründet, denn seit dem 03.02.2004, dem Tag der Stellung des Insolvenzantrags, ist der 3. Ergänzungstarifvertrag rückwirkend mit der Folge außer Kraft getreten, dass die "gesamten Verzichtserklärungen" unwirksam geworden sind und die sich daraus ergebenden Forderungen so zu behandeln sind, als ob durchgängig die einschlägigen Flächentarifverträge Geltung gehabt hätten (§ 8.1 S. 3 3. ErgTV), jedoch mit der Maßgabe, dass sie im Augenblick der Stellung des Eigenantrags zwar "sofort fällig" geworden sind (§ 8.1. S. 4 3. ErgTV), aber eben erst ab 03.02.2004. Dies hat Bedeutung für die von Amts wegen zu prüfende Frage, ob die geltend gemachten Forderungen aus den Jahren 2001 und 2002 nach § 12.2 MTV verwirkt sind oder nicht, denn erst von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens an richtet sich die Geltendmachung von Entgeltansprüchen nicht mehr nach tariflichen Ausschlussfristen, sondern ausschließlich nach den Vorschriften der Insolvenzordnung, wenn es sich um Insolvenzforderungen i.S.d. § 38 InsO handelt (BAG, Urt. v. 18.12.1984 - 1 AZR 588/82, NZA 1985, 396 = ZIP 1985, 754; LAG Hamm, Urt. v. 20.03.1998 - 10 Sa 1737/97, NZA-RR 1999, 370, LAG Hamm, Urt. v. 06.09.2001 - 4 Sa 466/01, KTS 2002, 301 = ZInsO 2001, 1072); allerdings dürfen diese Forderungen zur Zeit der Verfahrenseröffnung noch nicht verfallen sein, ansonsten kann der Insolvenzverwalter sie unter Berufung auf die tarifliche Ausschlussfrist bestreiten (LAG Hamm, Urt. v. 18.05.2000 - 4 Sa 1963/99, BuW 2001, 440 = ZInsO 2000, 570; LAG Hamm, Urt. v. 06.09.2001 - 4 Sa 466/01, KTS 2002, 301 = ZInsO 2001, 1072; LAG Hamm, Urt. v. 23.09.2004 - 4 Sa 2037/03, ZinsO 2005, 1120).
2.1.Im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung am 01.04.2004 waren die hier streitigen Forderungen noch nicht verfallen. Zwischen dem Eintritt der Fälligkeit (03.02.2004) und der Insolvenzeröffnung (01.04.2004) liegen nämlich nicht einmal zwei Monate, so dass die "Ausschlussfrist von drei Monaten nach Fälligkeit" (§ 12.2 MTV) mithin zu diesem Zeitpunkt unterbrochen worden ist (vgl. BAG, Urt. v. 12.06.2002 - 10 AZR 199/01, KTS 2003, 315 = NZA 2002, 1175 = ZInsO 2002, 1156). Die ursprünglichen tariflichen Fälligkeitstermine sind durch die drei Ergänzungstarifverträge vom 13.12.2001 (1. ErgTV), vom 20.11.2002 (2. ErgTV) und vom 26.03.2003 (3. ErgTV) außer Kraft gesetzt worden. Die drei Ergänzungstarifverträge verdrängen in den beiden Tarifbezirken Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen, in die die Standorte Pleidelsheim und Paderborn fallen, als Firmentarifverträge die einschlägigen Flächentarifverträge (BAG, Urt. v. 24.01.2001 - 5 AZR 655/99, NZA 2001, 788 = ZIP 2001, 980), soweit es um Weihnachtsgeld 2001-2003, Tariferhöhung 2002+2003, Urlaubsgeld 2002+2003 und Erhöhung der Arbeitszeitkonten 2003 geht. Die Vertragsschließenden, nämlich die beiden Arbeitgeberverbände, die Gewerkschaft IG Metall und die Insolvenzschuldnerin als Arbeitgeberin, sind tariffähig (§ 2 Abs. 1 TVG). Die Vorschrift des § 2 Abs. 1 TVG verleiht dem Arbeitgeber die Tariffähigkeit unabhängig von der Zugehörigkeit zu einer Arbeitgebervereinigung. Der Arbeitgeber kann trotz Verbandszugehörigkeit und trotz eines für ihn gültigen Verbandstarifvertrages einen konkurrierenden oder ergänzenden Firmentarifvertrag abschließen. Die dadurch entstehende Tarifkonkurrenz ist zugunsten der Firmentarifverträge zu lösen, denn diese stellen gegenüber Verbandstarifverträgen stets die speziellere Regelung dar (BAG, Urt. v. 24.01.2001 - 5 AZR 655/99, a.a.O., m.w.N.). Ein Firmentarifvertrag geht, selbst wenn er Regelungen des Flächentarifvertrages zu Lasten der Arbeitnehmer verdrängt, diesem jedenfalls dann vor, wenn die Vertragsschließenden des Flächentarifvertrages neben der tariffähigen Arbeitgeberin an dem Firmentarifvertrag ebenfalls als Vertragsschließende beteiligt sind. In einem solchen Fall ist es auch ohne Bedeutung, ob der Flächentarifvertrag eine Öffnungsklausel für Firmentarifverträge vorsieht oder nicht (BAG, Urt. v. 24.01.2001 - 5 AZR 655/99, a.a.O.). Ob die Ergänzungstarifverträge zwischen dem Kläger und der Insolvenzschuldnerin kraft Tarifbindung (§ 3 Abs. 1 TVG) oder kraft Inbezugnahme im Arbeitsvertrag (§ 4 Abs. 1 TVG) gelten, bedarf vorliegen keiner Aufklärung, da die Frage der Tarifbindung zwischen den Parteien unstreitig ist, sie jedenfalls nicht problematisiert worden.
2.2. Während es bei der Nichtzahlung von Weihnachtsgeld für 2001 bis 2003, der Nichtzahlung des Urlaubsgeldes 2003 und der Erhöhung der Arbeitszeitkonten 2003 jeweils um zukunftsbezogene Ansprüche geht, da der Tarifabschluss hier jeweils vor der Fälligkeit lag, geht es bei der "Verschiebung" der Tariferhöhung für Mai bis Oktober 2002 und der Nichtzahlung des Urlaubsgeldes 2002 wegen des späten Zeitpunktes der Vereinbarung des 2. Ergänzungstarifvertrages (20.11.2002) um fällige tarifbegründete Ansprüche, also um einen Verzicht auf bereits entstandene tarifliche Rechte, für dessen Wirksamkeit die Billigung der Tarifvertragsparteien erforderlich ist (§ 4 Abs. 4 S. 1 TVG). Diese liegt vor, da die Parteien der Flächentarifverträge - zusammen mit der Insolvenzschuldnerin - auch die Vertragsschließenden der drei (Firmen)Ergänzungstarifverträge sind. Soweit für das Tarifgebiet Nordrhein-Westfalen von Interesse ist durch die drei Ergänzungstarifverträge auf folgende tarifliche Ansprüche verzichtet worden:
Flächentarifvertrag Tarifliche Leistung Ergänzungstarifvertrag II.1 i.V.m. II.6 TV-13. Monatsverdienst v. 10.03.1997 Weihnachtsgeld 2001 (= 65% Bruttomonatsverdienst) § 2 1. ErgTV Anlage1 zu § 4.1 LTV v. 19.06.2002 bzw. Anlage 2 zu § 4 GTV v. 19.06.2002 Versatz der Tariferhöhung 2002 § 2 2. ErgTV § 6.20 MTV v. 10.03.1997 Urlaubsgeld 2002 (= 56% Urlaubsentgelt) § 3.1 S. 1 2. ErgTV II.1 i.V.m. II.6 TV-13. Monatsverdienst v. 10.03.1997 Weihnachtsgeld 2002 (= 65% Bruttomonatsverdienst) § 3.1 S. 1 2. ErgTV Anlage1 zu § 4.1 LTV v. 19.06.2002 bzw. Anlage 2 zu § 4 GTV v. 19.06.2002 Versatz der Tariferhöhung 2003 § 2 2. ErgTV § 6.20 MTV v. 10.03.1997 Urlaubsgeld 2003 (= 56% Urlaubsentgelt) § 2.1 S. 1 3. ErgTV II.1 i.V.m. II.6 TV-13. Monatsverdienst v. 10.03.1997 Weihnachtsgeld 2003 (= 65% Bruttomonatsverdienst) § 2.1 S. 1 3. ErgTV § 3.1b Abs. 2+5 ÄndTV v. 25.06.1999 Erhöhung des Zeitguthabens (Vorleistung) von 100 auf 150 Stunden § 4 S. 1 3. ErgTV
Anstelle des Weihnachtsgeldes 2001 und 2002 haben die Arbeitnehmer, darunter der Kläger, zunächst Prämienzahlungen von 20% (Dezember 2001) und 10% (Februar 2002) bzw. 20% (November 2002) erhalten (§ 3.1 1. ErgTV bzw. § 4.1 S. 1 2. ErgTV). Auch anstelle des Weihnachtsgeldes 2003 muss wohl eine Prämie gezahlt worden sein, da der Kläger zur Insolvenztabelle nur einen Teilbetrag angemeldet hat. Für die Differenz bis zur vollen Anspruchshöhe der Weihnachtsgelder 2001 bis 2003 sowie für die nicht ausgezahlten Urlaubsgelder 2002 und 2003 und für den zeitlichen Versatz der Tarifentgelterhöhung 2002 und 2003 sind in "Besserungsscheinen" weitere Prämienansprüche vereinbart worden (vgl. § 3.2 1. ErgTV, § 5.1 2. ErgTV und § 3.1 i.V.m. § 3.2 3. ErgTV).
2.3. Der von den Vertragsparteien der Ergänzungstarifverträge verwendete Ausdruck "Besserungsschein" stammt aus der Insolvenzpraxis und hat dort seinen festen Sinn: Er bedeutet, dass die Gläubiger, die im Rahmen eines gerichtlichen oder außergerichtlichen Vergleichs zum Zweck der Erhaltung der Liquidität des Schuldners auf einen Teil ihrer Forderung verzichtet haben, Nachzahlungen erhalten, wenn und soweit sich die Vermögensverhältnisse des Schuldners bessern (BGH, Urt. v. 13.06.1984 - IVa ZR 196/82, MDR 1985, 212 = NJW 1984, 2762 = ZIP 1984, 1405). Die Rechtsnatur des gesetzlich nicht näher geregelten "Besserungsscheins", der auch Besserungsvereinbarung, Besserungsabrede oder Besserungsversprechen genannt, in Verträgen auch als Besserungsklausel oder - unscharf - als Besserungsvorbehalt bezeichnet wird, ist umstritten (siehe wegen Einzelheiten Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, 6. Aufl., Teil 1, Rn. 1010 bis 1030; ferner Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, 1997, S. 151; Gottwald/Uhlenbruck, Insolvenzrechts-Handbuch, 1. Aufl., § 72 Rn. 35; Limmer, Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, 2. Aufl., S. 1219, 1234; Uhlenbruck, in Karsten Schmidt/Uhlenbruck [Hrsg.] Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, 1996, Rn. 291; Wittig, ebda., Rn. 335); je nach Ausgestaltung des Besserungsscheins kommen in Betracht:
- ein unbedingter Forderungsverzicht mit aufschiebend bedingter Neuverpflichtung,
- ein unbedingter Forderungsverzicht mit auflösend bedingtem Wiederaufleben der Altverpflichtung,
- ein aufschiebend bedingtes Schuldanerkenntnis,
- eine Stundung mit aufschiebend bedingter Fälligkeit.
2.3.1. Die beiden letzten Alternativen scheiden vorliegend aus, weil jeweils ein unbedingter Forderungsverzicht erklärt worden ist. So heißt es in § 2 1. ErgTV, dass "kein Anspruch auf Zahlung dieser Sonderzahlungen für das Kalenderjahr 2001 besteht". Für die Kalenderjahre 2002 und 2003 sind die Tarifbestimmungen über die Sonderzahlung (das Weihnachtsgeld) und die Zahlung eines zusätzlichen Urlaubsgeldes mit der Maßgabe "ausgesetzt", dass "ein tariflicher Rechtsanspruch hierauf entfällt" (§ 3.1 S. 2 2. ErgTV bzw. § 2.1 S. 2 3. ErgTV). In den beiden ersten Varianten handelt es sich um einen Forderungsverzicht durch Erlassvertrag im Sinne des § 397 BGB, der jedoch aufgrund des Besserungsscheins (Besserungsabrede) unter einer auflösenden (§ 158 Abs. 2 BGB) bzw. aufschiebenden (§ 158 Abs. 1 BGB) Bedingung steht, dass bei Bedingungseintritt, also bei Besserung der Vermögensverhältnisse, Nachzahlungen erfolgen, und zwar in der ersten Variante durch Wiederaufleben der Altverpflichtung (§ 159 BGB) und in der zweiten Variante durch Entstehen einer Neuverpflichtung. Vorliegend sollten im Besserungsfall weitere Prämienzahlungen erfolgen, "bis der Betrag, den die Mitarbeiter/innen … hätten beanspruchen können, erreicht ist", wie es in der Ausgangsvereinbarung des § 3.2 1. ErgTV heißt. Diese Formulierung spricht eher für das Wiederaufleben der Altverpflichtung als für das Entstehen einer Neuverpflichtung.
2.3.2.Letztlich braucht diese Frage nicht endgültig entschieden werden. Zutreffend weist nämlich der beklagte Insolvenzverwalter daraufhin, dass die von den Tarifvertragsparteien allen drei Ergänzungstarifverträgen vereinbarten wirtschaftlichen Vorgaben für die Auszahlungen der Prämien aus den Besserungsscheinen weder 2002 noch 2003 erreicht worden sind, denn die handelsrechtlichen Jahresergebnisse nach Steuern übersteigen jeweils nicht nur nicht den Betrag von 400.000 €, die Auszahlungsschwelle gemäß § 3.3 S. 2 1. ErgTV bzw. § 5.3 S. 3 2. ErgTV bzw. § 3.3 S. 3 3. ErgTV, sondern die Insolvenzschuldnerin hat sogar weitere Verluste erwirtschaftet, nämlich im Jahre 2002 in Höhe von 3,8 Mio. € und im Jahre 2003 in Höhe von 10,29 Mio. €. Damit ist der Besserungsfall nicht eingetreten. Damit würden die Arbeitnehmer im Insolvenzfall mit ihren Prämienansprüchen völlig ausfallen, denn die Fälle der Fortführungssanierung in der Insolvenz kommen nur äußerst selten vor. Mangels Eintritt des Besserungsfalles fielen die Arbeitnehmer mit ihren Prämienansprüchen aus den Besserungsscheinen vollständig aus und erhielten hierauf nicht einmal eine noch so geringe Insolvenzquote. Ist von den Parteien der Besserungsvereinbarung gewollt, dass die Forderung nur im Besserungsfall wiederauflebt, dann stellt sie keine Insolvenzforderung dar (Uhlenbruck/Uhlenbruck, 12. Aufl., § 38 InsO Rn. 25), denn bis zu dem völlig unwahrscheinlichen Bedingungseintritt bleiben die Forderungen der Arbeitnehmer infolge des Forderungsverzichts erlassen (§ 397 BGB). Gleiches gilt, wenn für den Besserungsfall das Entstehen einer Neuverpflichtung vereinbart wird, denn bis zu dem völlig unwahrscheinlichen Bedingungseintritt sind für die infolge des Forderungsverzichts erlassenen (§ 397 BGB) Forderungen der Arbeitnehmer nicht einmal Hoffnungsschimmer gegeben.
2.4. Dies haben die Vertragsschließenden der Ergänzungstarifverträge wohl auch so gesehen, denn ansonsten hätten sie nicht die Regelungen des § 8.1 3. ErgTV geschaffen. Allerdings differiert das Vorbringen der Prozessparteien sowohl hinsichtlich der Motivation für die Schaffung dieser Regelungen als auch in Bezug auf ihre Tragweite. So beruft sich der beklagte Insolvenzverwalter, ausschließlich um mögliche Nachteile beim Bezug von Arbeitslosengeld für den Insolvenzfall auszugleichen, weil wegen der Verzichtserklärung auf die tariflichen Sonderzahlungen gemäß § 2 3. ErgTV diese nicht in die Arbeitgeberbescheinigung für die Berechnung des Arbeitslosengeldes hätten mit aufgenommen werden können, sei auf Veranlassung der Arbeitnehmervertretungen vereinbart worden, die auflösende Bedingung unter § 8.1 in den 3. Ergänzungstarifvertrag mit aufzunehmen. Gleichzeitig habe unter den Beteiligten Einigkeit darüber bestanden, dass im Falle einer Insolvenz die tariflichen Ansprüche aus dem Jahr 2003, auf die nach § 2 3. ErgTV verzichtet worden sei, wieder aufleben würden und gegenüber einem Insolvenzverwalter als Insolvenzforderung geltend gemacht werden könnten. Diesen Ausführungen hält der Kläger entgegen, Hintergrund der gesamten Ergänzungstarifverträge sei der Funke Hoffnung gewesen, dass sich durch die Verzichtserklärungen der Arbeitnehmerschaft eine Insolvenz vermeiden ließe. Für den Fall, dass es trotz dieses Arbeitnehmerbeitrages zu einer Insolvenz käme, sollten die Arbeitnehmer nicht schlechter gestellt sein, als wenn die Arbeitnehmerschaft keine Verzichtserklärung abgegeben hätte. Sie sollten die Möglichkeit erhalten, ihre aufgelaufenen Lohnforderungen wie jeder andere Insolvenzgläubiger als Insolvenzforderungen zur Insolvenztabelle anzumelden. Soweit in diesem Zusammenhang der beklagte Insolvenzverwalter seine Behauptung, zu keinem Zeitpunkt sei diskutiert worden, dass mit den Regelungen des § 8.1 S. 2 3. ErgTV auch die Verzichtserklärungen des 2. Ergänzungstarifvertrages und/oder des 1. Ergänzungstarifvertrages wieder aufleben sollten unter das Zeugnis des ehemaligen Personalleiters M3xxxxx H5xxxxx und des ehemaligen Betriebsleiters C2xxxxxxx H6xxxxx stellt, und der Kläger sich gegenbeweislich auf das Zeugnis des Bezirksleiters D2xxxx W7xxxx und des 1. Bevollmächtigten V1xxxx K2xxxx beruft, bedarf es wegen des Wortlauts und des Kontextes der hier einschlägigen und damit maßgeblichen Vorschriften keiner Beweisaufnahme. Die Auslegung ergibt, dass die Regelungen über die Geltungsdauer und über die Besserungsscheine in den drei Ergänzungstarifverträgen in einem inneren Zusammenhang stehen.
2.5. Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist zunächst vom Tarifwortlaut. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften (§ 133 BGB). Dabei ist jedoch über den reinen Tarifwortlaut hinaus der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und der damit von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnormen mitzuberücksichtigen, sofern und soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Hierzu ist auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang abzustellen, der häufig schon deswegen mitberücksichtigt werden muss, weil nur daraus und nicht aus der einzelnen Tarifnorm auf den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien geschlossen und so nur bei Mitberücksichtigung des tariflichen Gesamtzusammenhanges der Sinn und Zweck der Tarifnormen zutreffend ermittelt werden kann (BAG, Urt. v. 12.09.1984 - 4 AZR 336/82, MDR 1985, 258 = NZA 1985, 160 = SAE 1986, 169 [Fabricius]).
2.5.1. Bei Anwendung dieser Grundsätze ist zunächst festzustellen, dass die drei Ergänzungstarifverträge und hier insbesondere die Regelungen über den Besserungsschein aufeinander aufbauen. Dies wiederum hat Bedeutung für die Antwort auf die alles entscheidende Frage, ob gemäß § 8.1 3. ErgTV für den Fall der Stellung eines Insolvenzantrages alle Verzichtserklärungen - auch aus dem 1. und 2. Ergänzungstarifvertrag - hinfällig werden und alle Tarifansprüche wiederaufleben sollten oder nicht. Auszugehen ist von § 3.3 S. 1 1. ErgTV, der die Verpflichtung der Tarifvertragsparteien enthält, "die entfallene Prämienzahlung in einen Besserungsschein umzuwandeln", falls "das handelsrechtliche Halbjahresergebnis nach Steuern zum 30.06.2002 den Betrag von EUR 200.000 nicht übersteigen und damit aufgrund der Ertragslage des Unternehmens der Arbeitgeber die genannte Prämienzahlung nicht, oder nicht vollständig zu leisten vermag" (§ 3.3 S. 1 1. ErgTV). Die weiteren Regelungen über die Auszahlungsschwelle, wonach der Besserungsschein nur wirksam wird, "sofern und soweit das handelsrechtliche Jahresergebnis nach Steuern in den Kalenderjahren 2002 oder 2003 oder 2004 EUR 400.000 übersteigt", zeigt, dass die Tarifvertragsparteien bereits bei Abschluss des 1. Ergänzungstarifvertrages nicht von einer einmaligen Aktion, sondern von mehrjährigen Operation ausgegangen sind. Die Regelungen über die Auszahlungsschwelle werden durch § 5.3. S. 3 2. ErgTV und § 3.3 S. 3 3. ErgTV fortgeschrieben. Gleiches gilt für die Prämienzahlung als Ausgleich für den Verzicht auf die diversen tariflichen Ansprüche. So heißt es in der Ausgangsnorm des § 3.2. S. 1 1. ErgTV, dass die Prämienzahlung solange erfolge, "bis der Betrag, den die Mitarbeiter/innen … nach den Tarifverträgen … hätten beanspruchen können, erreicht ist", mithin der Besserungsschein erfüllt ist. Folgerichtig heißt es in § 5.3 S. 4 2. ErgTV und § 3.3 S. 5 3. ErgTV jeweils, dass für die Prämien aus dem Besserungsschein "dann jeweils das die Auszahlungsschwelle übersteigende Jahresergebnis [zur Auszahlung kommt], bis der Betrag, den die Mitarbeiter aus dem Besserungsschein beanspruchen können, erreicht ist".
2.5.2.Die Prämienzahlungen sind infolge der schlechten Jahresergebnisse hinter den Erwartungen zurückgeblieben, deshalb wurden die Inhalte der Besserungsscheine fortgeschrieben. Da die Tarifvertragsparteien im 1. Ergänzungstarifvertrag in Abweichung von in den beiden Tarifgebieten Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg geltenden Flächentarifverträgen lediglich auf die betrieblichen Sonderzahlungen für das Kalenderjahr 2001 verzichtet haben (§ 2 1. ErgTV), haben die Prämienzahlungen im Besserungsschein 2001 auch nur das für dieses Kalenderjahr entfallene Weihnachtsgeld, wie die Sonderzahlung bei der Insolvenzschuldnerin genannt wurde, erfassen können (§ 3.2 S. 1 i.V.m. § 3.3 S. 1 1. ErgTV). Dagegen umfasst der Besserungsschein 2002 unter Anrechnung der Prämienzahlung nach § 4 2. ErgTV auf das Gesamtvolumen nicht nur die tariflichen Leistungen, auf deren Auszahlung die Tarifvertragsparteien verzichtet haben, sondern es ist zum Ausgleich des Wegfalles der Einmalzahlungen (Weihnachts und Urlaubsgeld) gemäß § 3.1 2. ErgTV und des zeitlichen Versatzes der Tarifentgeltanhebungen gemäß § 2 2. ErgTV ein erneuter Besserungsschein für der Kalenderjahr 2002 vereinbart worden, und zwar "unter Einbeziehung des vereinbarten Besserungsscheines im Ergänzungstarifvertrag vom 13.12.2001", der noch nicht vollständig erfüllt war. Mithin ist der Besserungsschein 2001 im Besserungsschein 2002 fortgeschrieben worden. Weitere Fortschreibungen des Besserungsscheines haben die Tarifvertragsparteien in § 3.1 3. ErgTV vereinbart. Im Kalenderjahr 2003 ist von den Tarifvertragsparteien zum Ausgleich des Wegfalles der Einmalzahlungen (Weihnachts und Urlaubsgeld) gemäß § 2.1 S. 1 3. ErgTV ein erneuter Besserungsschein vereinbart, und zwar diesmal "unter Einbeziehung des vereinbarten Besserungsscheines in den Ergänzungstarifverträgen vom 13.12.2001 und 20.11.2002". Desweiteren ist bestimmt worden, dass jeder Arbeitnehmer zunächst "bis zum 30.06.2003 eine schriftliche Aufstellung [erhält], aus der sich das Volumen seines Besserungsscheines im einzelnen ergibt (betrifft die Beträge, die bis zum 31.12.2002 aufgelaufen sind)", wie es in § 3.1 S. 3 3. ErgTV wörtlich heißt. Dieser Verpflichtung ist die Insolvenzschuldnerin nachgekommen, es handelt sich nämlich um den oben im Tatbestand wiedergegebenen Besserungsschein. Es ist jedoch in § 3.1 S. 4 3. ErgTV darüber hinaus festgelegt worden, jeder Arbeitnehmer zum 30.11.2003 abermals "eine erneute Aufstellung [erhält], in der nunmehr auch die Beträge aus 2003 enthalten und aufgeschlüsselt sind". Ob die Insolvenzschuldnerin dieser Verpflichtung nachgekommen ist, ergibt sich nicht aus dem Akteninhalt. Die Forderungsanmeldung zur Insolvenztabelle vom 27.05.2004 - für 2003 im einzelnen aufgeschlüsselten, für 2002 durch Bezugnahme auf den Besserungsschein vom 30.06.2003 - spricht eher für das Gegenteil. Letztlich kommt es nicht darauf an, ob die Insolvenzschuldnerin zum 30.11.2003 einen weiteren Besserungsschein tatsächlich ausgestellt hat oder nicht, entscheidend ist vielmehr, dass mit dem Wörtchen "auch" die Klammer zwischen dem Besserungsschein vom 30.06.2003 zum Stand per 31.12.2002 und dem Besserungsschein vom 30.11.2003, in dem "nunmehr auch die Beträge aus 2003 enthalten" sind, hergestellt worden ist. Mit anderen Worten, alle zum Stand per 30.11.2003 noch offenen Forderungen sollten quasi in einem einzigen (wenn auch aufgeschlüsselten) Forderungspaket in den Besserungsschein vom 30.11.2003 eingestellt werden.
2.5.3.Bereits damit ist die Einlassung des beklagten Insolvenzverwalters widerlegt, das Schicksal bezüglich der Wirksamkeit des 3. Ergänzungstarifvertrages sei durch die Verhandlungspartner bewusst nicht mit dem des 2. Ergänzungstarifvertrages verknüpft worden. Soweit er dieser Auslegung entgegenhält, in § 1.2 3. ErgTV sei - in Abweichung zu den entsprechenden Regelungen des 2. Ergänzungstarifvertrages - vereinbart worden, dass der 3. Ergänzungstarifvertrag den 2. Ergänzungstarifvertrag vom 20.11.2002 nur "ergänzen", nicht jedoch "ersetzen" solle, vermag das Berufungsgericht diese Ansicht nicht zu teilen. Denn der von dem beklagten Insolvenzverwalter zitierte S. 1 des § 1.2 3. ErgTV ist durch S. 2 derselben Vorschrift dahingehend eingeschränkt worden, dass "dieser" - gemeint ist der Vorgängerergänzungstarifvertrag [2. Ergänzungstarifvertrag] - inhaltlich nur insoweit bestehen bleiben soll, als "nicht in dieser Vereinbarung [3. Ergänzungstarifvertrag] eine ausdrückliche Abänderung vorgenommen wird". Sofern dies der Fall ist, verdrängen die Regelungen des 3. Ergänzungstarifvertrages die Bestimmungen des 2. Ergänzungstarifvertrages. Dies ist hinsichtlich der Besserungsscheine der Fall, denn § 3.1 3. ErgTV enthält insoweit eine eigenständige und abschließende Regelung. Soweit der beklagte Insolvenzverwalter glaubt, das Schicksal bezüglich der Wirksamkeit des 3. Ergänzungstarifvertrages sei auch deshalb durch die Verhandlungspartner bewusst nicht mit dem des 2. Ergänzungstarifvertrages verknüpft worden, weil es in § 3.1 S. 1 3. ErgTV heiße, es sei "… zum Ausgleich des Wegfalles der Einmalzahlungen gemäß § 2.1 dieses Vertrages [3. Ergänzungstarifvertrag] sowie unter Einbeziehung des vereinbarten Besserungsscheines in den Ergänzungstarifverträgen vom 13.12.2001 und 20.11.2002 ein erneuter Besserungsschein vereinbart …", vermag das Berufungsgericht die aufgrund der isolierten Betrachtungsweise gezogene Schlussfolgerung nicht zu teilen:
"Diese Formulierung besagt ebenfalls nur die Zusammenfassung der Ansprüche aus dem Besserungsschein und weist darauf hin, dass dies zum Ausgleich des Wegfalls der Einmalzahlungen gemäß § 2 des 3. Ergänzungstarifvertrages erfolgt.",
Durch die Verwendung des Wörtchens "sowie" in § 3.1 S. 1 3. ErgTV wird nämlich das Schicksal der neuerlichen Verzichtsforderungen (Weihnachts und Urlaubsgeld 2003) gemäß § 2.1 3. ErgTV mit den bisher bereits erlassen Forderungen miteinander "verknüpft", zumal die Vereinbarung des erneuten Besserungsscheines" unter Einbeziehung des vereinbarten Besserungsscheines" erfolgt. Mit dieser Formulierung in § 3.1 S. 1 3. ErgTV wird nicht bloß eine lose Verbindung zu dem früheren Besserungsschein hergestellt, denn "einbeziehen" bedeutet im vorliegenden Kontext soviel wie "hinzunehmen", "hinzurechnen", "dazuzählen" und "einkalkulieren", was wiederum auf eine enge Verknüpfung der Forderungen und darauf rückschließen lässt, dass diese künftig das gleiche Schicksal teilen sollen. Mit anderen Worten, für den Besserungsschein sind ab dem 26.03.2003, dem Tag des Tarifabschlusses, mithin nur noch die Regelungen des § 3 3. ErgTV maßgeblich.
2.6.Der beklagte Insolvenzverwalter versucht, durch eine Wortauslegung des § 8.1 3. ErgTV die darin vereinbarte Auflösungsbedingung auf die Regelungen des 3. Ergänzungstarifvertrages zu beschränken. Dazu hebt er zunächst durch Fettdruck drucktechnisch hervor, dass "dieser 3. Ergänzungstarifvertrag … mit seiner Unterzeichnung in Kraft [tritt] und … ohne Nachwirkung durch seine Erledigung" endet. "Er [der 3. Ergänzungstarifvertrag] ist auflösend bedingt für den Fall, dass die Geschäftsführung einen Insolvenzantrag beim zuständigen Amtsgericht stellt. Mit diesem Zeitpunkt tritt dieser Tarifvertrag rückwirkend außer Kraft …". Er hält die Formulierungen für eindeutig und meint, dass in § 8.1 3. ErgTV ausschließlich von dem 3. Ergänzungstarifvertrag und ausdrücklich nicht vom 2. Ergänzungstarifvertrag und vom 1. Ergänzungstarifvertrag die Rede sei, sei konsequent und folgerichtig, denn der 3. Ergänzungstarifvertrag solle (vgl. § 1.2 3. ErgTV) den 2. Ergänzungstarifvertrag und den 1. Ergänzungstarifvertrag eben nur ergänzen. Wenn die Vertragsparteien etwas anderes gewollt hätten, hätten sie dies anders formulieren können, wollen und müssen. Dann hätte vereinbart werden müssen, dass die "gesamten" Verzichtserklärungen "dieses und des 2. Ergänzungstarifvertrages unwirksam werden sollten". Genau dies zu vereinbaren, ist nach Auffassung des Berufungsgerichts nicht erforderlich gewesen, denn der zitierte Tariftext des § 8.1 S. 3 ErgTV entspricht genau der Forderung des beklagten Insolvenzverwalters: Dort ist nämlich formuliert, "dass die gesamten Verzichtserklärungen unwirksam werden". Soweit der beklagte Insolvenzverwalter hier den Zusatz für notwendig hält, dass die gesamten Verzichtserklärungen "dieses und des 2. Ergänzungstarifvertrags" unwirksam werden sollten, bedarf es eines solchen Zusatzes nicht, denn dies wäre "doppelt" und damit überflüssig: Die Formulierung "die gesamten Verzichtserklärungen" umfasst eben ihrem Wortsinn nach die Verzichtserklärungen "ausnahmslos", "lückenlos", "hundertprozentig", "umfassend", "vollständig" oder schlicht und einfach "alle" Verzichtserklärungen und damit auch die hier streitigen. Lediglich dann, wenn die Tarifvertragsparteien wegen der (möglichen/vermeintlichen) Auswirkungen auf einen Bezug von Arbeitslosengeld (was vorliegend nicht zu prüfen war und nicht geprüft worden ist) die hier streitigen Verzichtserklärungen auf das Jahr 2003 hätten beschränken wollen, hätten sie eine entsprechende, eingeschränkte Formulierung aufnehmen müssen. Genau dies ist nicht geschehen.
2.7.Sämtliche tariflichen Ansprüche der Arbeitnehmer, auf deren Auszahlung gemäß § 2 1. ErgTV, § 2 2. ErgTV, § 3.1 2. ErgTV und § 2.1 3. ErgTV verzichtet worden ist und für die im Falle der Erwirtschaftung eines die Auszahlungsschwelle von 400.000 € übersteigenden handelsrechtlichen Jahresergebnis nach Steuern in den Besserungsscheinen Prämienzahlungen vorgesehen waren (§ 3.3 S. 2 1. ErgTV bzw. § 5.3 S. 3 2. ErgTV bzw. § 3.3 S. 3 3. ErgTV), sollten - soweit die Insolvenzschuldnerin die Prämienzahlungen überhaupt nicht oder nicht vollständig erbracht hatte - "aufgeschlüsselt" aus allen Besserungsscheinen für 2001, 2002 und 2003 in einem "erneuten", "umfassenden" Besserungsschein zum Stand per 30.11.2003 miteinbezogen werden (§ 3.1 S. 4 3. ErgTV). Die in § 3.1 3. ErgTV getroffene Regelung spiegelt sich in der Regelungen des § 8.1 3. ErgTV wider, wo bestimmt ist, dass die gesamten Verzichtserklärungen im Falle des Stellens eines Insolvenzantrages durch die Arbeitgeberin unwirksam würden.
2.7.1.Die Regelungen des § 8.1 3. ErgTV, nach der die gesamten Verzichtserklärungen im Falle des Stellens eines Insolvenzantrages durch die Arbeitgeberin unwirksam werden, verstoßen nicht gegen die Vorschrift des § 119 InsO, wonach "Vereinbarungen", durch die im Voraus die Anwendung der §§ 103 bis118 InsO ausgeschlossen oder beschränkt wird, unwirksam sind. § 119 InsO ordnet die Nichtigkeit vertraglicher Vereinbarungen an, die die Verwaltungsausübung beschränken oder Wahl, Kündigungs und Rücktrittsrechte ausschließen oder erschweren, und erfasst insolvenzabhängige Lösungsklauseln, die dann rechtsunwirksam sind. Die Vorschrift erfasst angesichts der unterschiedlichen Zwecke, die mit den Regelungen der §§ 103-118 InsO verfolgt werden, und der Bedeutung der Aktiv wie Passivseite für den Haftungswert des Schuldnervermögens eine große Bandbreite von Vereinbarungen. Die Vorschrift des § 119 InsO geht auf die Vorarbeiten der Kommission für Insolvenzrecht zurück. Diese hielt vertragliche Vereinbarungen, die dem Vertragspartner eine Beendigung bestehender Verträge in der Krise ermöglichen, für einen unzulässigen Eingriff in die vertraglich gesicherte Position des Schuldnerunternehmens und sah in LS 2.4.1.11 EB vor, dass Lösungsklauseln, die ein außerordentliches Kündigungsrecht wegen des Insolvenzfalles einräumen, oder Vereinbarungen, die wegen des Insolvenzfalles die Auflösung des Vertrages bewirken, unwirksam sein sollten (EB 1985 S. 226). Diesem Regelungsvorschlag folgten ohne wesentliche inhaltliche Abweichungen die verschiedenen Entwürfe (vgl. § 127 DiskE, § 127 RefE, § 137 RegE). § 137 Abs. 1 RegE stellte klar, dass es sich bei den Vorschriften über die gegenseitigen Verträge um zwingendes Recht handelt; die Vorschrift wurde in unveränderter Form als § 119 in die Insolvenzordnung übernommen (BT-Drs. 12/7302, S. 50). Der Begriff der "Vereinbarung" ist weit auszulegen und der Schutz des § 119 InsO für die gesetzlichen Anordnungen in §§ 103 bis 118 InsO ist weit zu fassen (BAG, Urt. v. 23.02.2005 - 10 AZR 600/03, AP Nr. 1 zu § 108 InsO = EzA § 55 InsO Nr. 7, m.w.N.). Insbesondere ist es unzulässig, den Rang von Forderungen wegen vor Verfahrenseröffnung erbrachter Leistungen (§ 105 S. 1, § 108 Abs. 2 InsO) zu Lasten der übrigen Gläubiger zu verbessern. Da es um allgemeine insolvenzrechtliche Verteilungsgrundsätze und um den Schutz der übrigen Gläubiger geht, dürfte auch in einer Betriebsvereinbarung keine Zuordnung von Entgeltansprüchen für die Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens und damit zu den Masseverbindlichkeiten vorgesehen werden können, wenn diese Ansprüche ansonsten der Zeit vor Verfahrenseröffnung zuzuordnen wären (BAG, Urt. v. 23.02.2005 - 10 AZR 600/03, a.a.O., m.w.N.). Gleiches dürfte für Tarifverträge gelten, da die Insolvenzordnung insoweit keine Öffnungsklausel enthält. Wie oben bereits dargelegt, fallen die Arbeitnehmer mit ihren Prämienansprüchen aus den Besserungsscheinen mangels Eintritt des Besserungsfalles vollständig aus. Infolge des Forderungsverzichts sind die zugrunde liegenden Forderungen erlassen (§ 397 BGB) und würden erst in dem wegen der Insolvenzeröffnung völlig unwahrscheinlichen Besserungsfall wiederaufleben. Ohne die Regelungen des § 8.1 3. ErgTV wären die Arbeitnehmer nicht einmal im Besitz einer Insolvenzforderung (Uhlenbruck/Uhlenbruck, 12. Aufl., § 38 InsO Rn. 25). Daher stellt sich wegen der geringfügigen Verbesserung der Situation der Arbeitnehmer, die über die Regelungen des § 8.1 3. ErgTV auf eine - wenn auch nur eine geringe - Insolvenzquote kommen sollen, wegen § 119 InsO die Frage der Wirksamkeit der tariflichen Regelung.
2.7.2.Vorliegend kann man wegen der Vorleistung der Arbeitnehmer allenfalls eine Umgehung der Regelungen des § 105 S. 2 InsO denken. Diese Vorschrift enthält ein Rückforderungsverbot des Inhalts aus, dass der zur Vorlistung verpflichtete Vertragspartner des Schuldners die ihm durch § 105 S. 1 InsO auferlegte Einschränkung seiner Rechtsstellung nicht dadurch ausgleichen kann, dass er die Rückgabe der von ihm erbrachten Teilleistung aus der Insolvenzmasse verlangt. Der Standort dieser Vorschrift ist systematisch verunglückt, den die gesetzliche Regelung ist nicht auf den Fall der vorgeleisteten Teilleistung beschränkt (Nerlich/Römermann/Balthasar, Lsbl.-Ausg., § 105 InsO Rn. 6; ebenso HK-Marotzke, § 105 InsO Rn. 21; Kübler/Prütting/Tintelnot, Lsbl.-Ausg., § 105 InsO Rn. 1; Uhlenbruck/Berscheid, 12. Aufl., § 105 InsO Rn. 43), sondern gilt in allen Fällen einer Vorleistung des Vertragspartners, und zwar unabhängig davon, ob diese wegen Teilbarkeit § 105 S. 1 InsO oder mangels Teilbarkeit § 103 Abs. 2 InsO unterfällt (Nerlich/Römermann/Balthasar, Lsbl.-Ausg., § 105 InsO Rn. 11; Uhlenbruck/Berscheid, 12. Aufl., § 105 InsO Rn. 43). Vereinbarungen, die das Rückforderungsverbot des § 105 S. 2 InsO durch die Vereinbarung einer auflösenden Bedingung zu umgehen versuchen, sind rechtsunwirksam, wenn als Bedingung die Verfahrenseröffnung oder die infolge der Insolvenzeröffnung eintretende Nichtzahlung vereinbart ist (Kübler/Prütting/Tintelnot, Lsbl.-Ausg., § 105 InsO Rn. 20; Uhlenbruck/Berscheid, 12. Aufl., § 119 InsO Rn. 13 und § 105 InsO Rn. 48; str. a.A. HK-Marotzke, 2. Aufl., § 105 InsO Rn. 23, der die Unterscheidung zwischen aufschiebend bedingter Übereignung und auflösend bedingter Übereignung für wenig überzeugend hält). Der Erlassvertrag (§ 397 BGB) ist ein gegenseitiger Vertrag, der Forderungsverzicht ist ein Vermögenswert. Man könnte daher geneigt sein, vorliegend anzunehmen, der Forderungsverzicht sei vor der Eröffnung des Verfahrens als Vorleistung in das Vermögen der Insolvenzschuldnerin geflossen, also im Sinne des § 105 S. 2 InsO als Teilleistung "übergegangenen". Damit würde die Klausel des § 8.1 3. ErgTV, mit der die tariflichen Ansprüche auf deren Auszahlung in den drei Ergänzungstarifverträgen im Hinblick auf die Vereinbarung von Besserungsscheinen Ausstellung verzichtet worden ist, wegen Umgehung von § 105 S. 2 InsO gemäß § 119 InsO nichtig sein.
2.7.3.Eine solche rein insolvenzrechtliche Sichtweise würde jedoch den Besonderheiten des Arbeitsrechts nicht gerecht. Während Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft mit der Herabsetzung ihrer Bezüge rechnen müssen, wenn eine so wesentliche Verschlechterung in den Verhältnissen der Gesellschaft eingetreten ist, dass die Weitergewährung der bisherigen Gesamtbezüge im Sinne des § 87 Abs. 1 S. 1 AktG eine schwere Unbilligkeit für die Aktiengesellschaft darstellen würde (§ 87 Abs. 2 S. 1 AktG), und auch ein GmbH-Geschäftsführer bei einer wesentlichen Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse der GmbH aufgrund der von ihm als Organmitglied geschuldeten Treuepflicht verpflichtet sein kann, einer Herabsetzung seiner Bezüge zuzustimmen (BGH, Urt. v. 15.06.1992 - II ZR 88/91, MDR 1992, 1039 = NJW 1992, 2894 = ZIP 1992, 1152), ist dem deutschen Arbeitsrecht ein Anspruch des Arbeitgebers auf Entgeltminderung sowohl bei Schlechtleistung der Arbeitnehmer als auch in der Krise des Unternehmens unbekannt. Das Betriebsrisiko trägt - von den Fällen der Mitarbeiterbeteiligung am Unternehmen abgesehen - der Arbeitgeber allein, die Arbeitnehmer haben für die Firmenverluste nicht einzustehen. Allerdings gibt es tarifvertragliche Regelungen zur Beschäftigungssicherung, bei denen mit dem Arbeitgeber durch einen Entgeltverzicht in auszuhandelnder Höhe entweder für einen bestimmten Zeitraum der Ausschluss des Rechts zum Ausspruch betriebsbedingter Beendigungskündigungen überhaupt oder - wie hier in § 6.1 2. ErgTV bzw. § 7.1 3. ErgTV - vereinbart wird, dass betriebsbedingte Beendigungskündigungen bis zu einem bestimmten Termin (hier: 31.12.2003 bzw. 31.12.2004) der Zustimmung des zuständigen Betriebsrats bedarf (§ 102 Abs. 6 BetrVG). Auch wenn die Betriebsräte vielfach ermächtigt werden, vor Ort mit dem Arbeitgeber die Beschäftigungssicherung auszuhandeln, ist desweiteren zu beachten, dass zur Wirksamkeit eines Verzichts auf bereits entstandene tarifliche Rechte die Billigung der Tarifvertragsparteien erforderlich ist (§ 4 Abs. 4 S. 1 TVG). Letzteres gilt auch in der Insolvenz des Arbeitgebers. Wenn die Tarifvertragsparteien zur Erhaltung des Betriebes und zur Sicherung der Arbeitsplätze Ansprüche auf tarifliche Leistungen zu Lasten der Arbeitnehmer völlig streichen oder - wie hier - durch Prämienzahlungen aus einem Besserungsschein ersetzen können, dann müssen sie - wenn sich abzeichnet, dass sich das angestrebte Ziel nicht erreichen lässt - die Möglichkeit der Korrektur haben, also das "Opfer" rückgängig machen können. § 137 Abs 3 RegE sollte klarstellen, dass Kündigungsrechte wegen Verzuges des Schuldners oder anderer Vertragsverletzungen unberührt blieben. Der Rechtsausschuss hielt diese Vorschrift für entbehrlich weil die Wirksamkeit einer solchen Vereinbarung sich auch ohne ausdrückliche Regelung im Gesetz ergebe (vgl. Beschl.-Empf. des RechtsA zu § 137 RegE, BT-Drs. 12/7302, S. 170). Gleiches muss auch für Vereinbarungen gelten, die einen Forderungsverzicht mit Besserungsschein rückgängig machen und die ursprünglichen Ansprüche wiederaufleben lassen, wenn bspw. die Sanierung nicht bis zu einem bestimmten Termin erreicht wird oder ein bestimmtes Ereignis eintritt, dass das Scheitern der Sanierungsbemühungen belegt. Insolvenzschädlich sind Vereinbarungen, die ein Vertragsaufhebungsrecht bei Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung oder im Falle eines Antrags auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens vorsehen, weil in solchen Fällen der Insolvenzmasse Mittel entzogen werden sollen, die für eine Betriebsfortführung und/oder eine gleichmäßige Befriedigung der Gläubiger benötigt werden. Die Regelungen des § 8.1 3. ErgTV zielen dagegen lediglich darauf ab, den durch den Forderungsverzicht mit Besserungsschein untergegangen tariflichen Ansprüchen (wieder) den Rang einer Insolvenzforderung einzuräumen und damit den Zustand wiederherzustellen, der ohne die Besserungsvereinbarung bestanden hätte.
2.8.Damit kann als Zwischenergebnis festgehalten werden, dass die Regelungen des § 8.1 3. ErgTV nicht gegen § 119 InsO verstoßen. Hieraus folgt, dass die Insolvenzschuldnerin mit der Stellung ihres Eigenantrags auf Insolvenzeröffnung am 03.02.2004 die Bedingung zur Auflösung des 3. Ergänzungstarifvertrages mit der Folge ausgelöst (§ 8.1 S. 2 3. ErgTV), dass der in dem Forderungsverzicht liegende Erlassvertrag aufgehoben worden ist, und zwar rückwirkend, weil die Tarifvertragsparteien dies so ausdrücklich vereinbart haben, denn sie haben bestimmt dass der "Tarifvertrag rückwirkend außer Kraft" tritt.
2.8.1. Die Auflösung des 3. Ergänzungstarifvertrages allein würde nur Aufhebung des letzten Erlassvertrages, der in dem Forderungsverzicht gemäß § 2.1 3. ErgTV liegt, führen. Dies entspricht aber - wie oben dargelegt - nicht dem im Tariftext zum Ausdruck gebrachten Willen der Tarifvertragsparteien. Denn die rückwirkende Außerkraftsetzung des 3. Ergänzungstarifvertrages hat nach dem Willen der Tarifvertragspartien zur "Folge, dass die ‚gesamten’ Verzichtserklärungen unwirksam werden" (§ 8.1 S. 3 3. ErgTV). Wie oben bereits dargelegt, werden mit dieser Formulierung "alle" Verzichtserklärungen, also aus allen drei Ergänzungstarifverträgen, erfasst. Dies wiederum führt zum Wiederaufleben "sämtlicher Verzichtsforderungen", also nicht bloß der vom Kläger für 2003 angemeldeten und von dem beklagten Insolvenzverwalter anerkannten tariflichen Ansprüche für 2003 (Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld, Tariferhöhung Arbeitszeitguthaben), sondern auch der Forderungen aus dem Besserungsschein vom 30.06.2003 (Weihnachtsgeld 2001+2002, Tariferhöhung 2002, Urlaubsgeld 2002). Wenn nach den tarifvertraglichen Vereinbarungen gemäß § 8.1 S. 3 3. ErgTV "die gesamten Verzichtserklärungen unwirksam werden" sollen, müssen auch "die gesamten Verzichtsforderungen" wiederaufleben, ansonsten ergibt die Klausel keinen vernünftigen Sinn. Soweit der beklagte Insolvenzverwalter den gegenteiligen Rechtsstandpunkt eingenommen hat, muss er sich entgegenhalten lassen, die Regelungen des § 8.1 S. 3 3. ErgTV nicht vollständig in seine eigenen Überlegungen einbezogen zu haben. Die rückwirkende Außerkraftsetzung des 3. Ergänzungstarifvertrages führt nicht nur zur Unwirksamkeit der "gesamten Verzichtserklärungen", sondern hat nach dem Willen der Tarifvertragspartien darüber hinaus zur "Folge, dass … ‚durchgängig’ die einschlägigen Flächentarifverträge Geltung gehabt hätten" (§ 8.1 S. 3 3. ErgTV a.E.). Das Wort "durchgängig" bedeutet soviel wie "durchgehend", "ausnahmslos", "ohne Unterbrechung" oder "ununterbrochen" und zeigt, dass die Tarifvertragsparteien "sämtliche" tariflichen Ansprüche wieder haben so aufleben lassen wollen, als wäre der Forderungsverzicht mit Besserungsschein überhaupt nicht vereinbart worden.
2.8.2. Im Übrigen muss sich der beklagte Insolvenzverwalter widersprüchliches Verhalten entgegen halten lassen. Er hat nämlich den Differenzbetrag, der durch die spätere Weitergabe der Tariferhöhung 2003 - erst ab Dezember 2003 statt ab Mai 2003 - entstanden, zur Insolvenztabelle anerkannt. Die Vertragsparteien der Flächentarifverträge im Tarifgebiet Nordhein-Westfalen haben im Jahre 2002 eine zweistufige Erhöhung der Löhne und Gehälter vereinbart (vgl. Anlage1 zu § 4.1 LTV v. 19.06.2002 bzw. Anlage 2 zu § 4 GTV v. 19.06.2002), nämlich zum 01.05.2002 und 01.05.2003, die gemäß § 2 2. ErgTV zeitlich auf den 01.11.2002 bzw. 01.12.2003 verschoben worden ist, wobei die Arbeitnehmer "zum Ausgleich … des zeitlichen Versatzes der Tarifentgeltanhebungen gemäß § 2 dieses Vertrages zu den Tarifentgeltanhebungen der einschlägigen Flächentarifverträge …" über den Besserungsschein wiederum Prämienzahlung erhalten sollten (vgl. § 5.1 S. 1 2. ErgTV). Wenn nun nach seinen Behauptungen unter den Beteiligten der Verhandlungen über den 3. Ergänzungstarifvertrag am 26.03.2003 Einigkeit darüber bestand sollte, dass im Falle einer Insolvenz "nur" die tariflichen Ansprüche aus dem Jahr 2003, auf die nach § 2.1 3. ErgTV verzichtet worden sei, also Weihnachtsgeld 2003 und Urlaubsgeld 2003, wieder aufleben würden und gegenüber einem Insolvenzverwalter als Insolvenzforderung geltend gemacht werden könnten, die vereinbarte Auflösungsbedingung des § 8.1 3. ErgTV so zu lesen und verstehen sein sollte, dann hätte der beklagte Insolvenzverwalter den als "Ansprüche aus Tariferhöhung 2003" bezeichneten und für 2003 angemeldeten Differenzbetrag nicht zur Insolvenztabelle anerkennen dürfen, sondern bestreiten müssen, eben weil nach seiner Ansicht nur Ansprüche wieder aufleben, auf die im 3. Ergänzungstarifvertrag verzichtet worden ist, hingegen Ansprüche aus "Verzichtserklärungen des 2. Ergänzungstarifvertrages und/oder des 1. Ergänzungstarifvertrages [nicht] wieder aufleben sollten". Da dies so nicht geschehen ist, setzt sich der beklagte Insolvenzverwalter mit seiner Berufungsbegründung zu seinem vorangegangen Tun in Widerspruch.
2.8.3. Die ursprünglichen tariflichen Fälligkeitstermine sind durch die drei Ergänzungstarifverträge vom 13.12.2001 (1. ErgTV), vom 20.11.2002 (2. ErgTV) und vom 26.03.2003 (3. ErgTV) zunächst zwar außer Kraft gesetzt worden, sie sind aber durch die Regelungen des § 8.1 S. 3 3. ErgTV nicht wieder in Kraft gesetzt worden, denn die Tarifvertragsparteien haben in § 8.1 S. 4 3. ErgTV einen neuen Fälligkeitstermin festgelegt. Dies ist zwar nicht ausdrücklich terminlich bestimmt, jedoch aus dem Kontext der Gesamtregelung bestimmbar, denn es heißt in § 8.1 S. 4 3. ErgTV, dass die sich daraus ergebenden Forderungen (gemeint sind damit - wie soeben dargelegt - die infolge der Insolvenzantragstellung "wieder aufgelebten" tariflichen Ansprüche aus den Jahren 2001-2003) "sofort fällig". Der neue Fälligkeitstermin damit der Zeitpunkt der Insolvenzantragstellung, so dass die wieder aufgelebten tariflichen Ansprüche im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung (01.04.2004) noch nicht nach § 12.2 MTV waren und von dann an - wie oben dargelegt - nur noch nach den insolvenzrechtlichen Vorschriften anzumelden waren (§§ 28, 174 InsO). Die hier eingeklagten, im Besserungsschein 2002 vom 30.06.2003 noch von der Insolvenzschuldner aufgeschlüsselten Forderungen sind der Höhe nach vom beklagten Insolvenzverwalter nicht bestritten worden, so dass das Arbeitsgericht sie zurecht antragsgemäß zur Insolvenztabelle festgestellt hat.
2.9. Im Übrigen hat die Berufung Erfolg, denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der Rechtsanwaltskosten. § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG schränkt nicht nur den prozessualen Kostenerstattungsanspruch ein, sondern entfaltet zugleich materiellrechtliche Wirkungen. In Höhe der Kosten für die Zuziehung eines Prozessbevollmächtigten steht der Annahme eines nach materiellrechtlichen Normen ersatzfähigen Schadens § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG entgegen, denn diese Vorschrift schließt jeden "Anspruch der obsiegenden Partei" "auf Erstattung der Kosten für die Zuziehung eines Prozessbevollmächtigten" aus (BAG, Urt. v. 30.04.1992 - 8 AZR 288/01, MDR 1994, 179 = NZA 1992, 1101). Damit ist bereits dem Wortlaut nach jeder Kostenerstattungsanspruch unabhängig von seiner Anspruchsgrundlage und folglich auch ein materiellrechtlich begründeter Kostenerstattungsanspruch entsprechend gemindert. Mit anderen Worten, § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG schließt selbst einen materiellrechtlichen Kostenerstattungsanspruch aus, der als Schadensersatzanspruch entstanden ist, gleichgültig, worauf er gestützt wird (BAG, Urt. v. 27.10.2005 - 8 AZR 546/03, DB 2006, 284, 285). Daher kann der Kläger unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt für die Anmeldung seiner Forderungen zur Insolvenztabelle die Rechtsanwaltskosten ersetzt bekommen. Seine Klage war daher unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils insoweit abzuweisen.
3. Mithin hat die Berufung überwiegend zurückgewiesen werden müssen. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO. Die Kostenquotelung ergibt sich aus der Held´schen Kostenteilungstabelle (DRiZ 1984, 317, 319, 320) und orientiert sich an dem anteiligen Obsiegen und Unterliegen der Parteien. Der Wert des Streitgegenstandes war für die gerichtliche Entscheidung nach § 63 Abs. 1 GKG n.F. i.V.m. § 32 Abs. 1 RVG sowie § 42 Abs. 4 S. 1 GKG n.F. und §§ 3 ff. ZPO auf den bestrittenen Betrag festzusetzen. Der Streitwertbeschluss hat mit der Urteilsformel verbunden werden können. Die Revision war nach § 72 Abs. 1 ArbGG zuzulassen.
Berscheid Herrmann Schlotböller
Berichtigungsbeschluss
Der Tenor des am 25.10.2005 verkündeten Urteils wird wegen offensichtlicher Unrichtigkeit berichtigt und zur Titelklarstellung wie folgt neu gefasst:
Auf die Berufung des beklagten Insolvenzverwalters wird das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 25.11.2004 - 1 (3) Ca 1808/04 - teilweise abgeändert:
Es wird festgestellt, dass dem Kläger in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Firma W1xxxxxx GmbH - über einen bereits zur Insolvenztabelle anerkannten Betrag von 6.227,57 € - ein weitere nicht nachrangige Forderung von (nur) 7.725,33 € zusteht.
Im Übrigen werden die weitergehende Berufung zurückgewiesen und die weitergehende Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 1/15 und der beklagte Insolvenzverwalter zu 14/15 zu tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes beträgt unverändert 8.273,78 €.
Die Revision wird zugelassen.
LAG Hamm:
Urteil v. 25.10.2005
Az: 4 Sa 55/05
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/78885f27be65/LAG-Hamm_Urteil_vom_25-Oktober-2005_Az_4-Sa-55-05