Bundespatentgericht:
Beschluss vom 7. März 2006
Aktenzeichen: 14 W (pat) 307/04
(BPatG: Beschluss v. 07.03.2006, Az.: 14 W (pat) 307/04)
Tenor
1. Das Patent 101 33 209 wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:
Patentansprüche 1 und 15, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 7. März 2006 Patentansprüche 2 bis 14 und 16 bis 19 gemäß Patentschrift Beschreibung Spalten 1 bis 4 gemäß Patentschrift mit den in der mündlichen Verhandlung vom 7. März 2006 überreichten geänderten Absätzen [0014], [0022] und [0027].
2. Der Antrag auf Rückzahlung der Einspruchsgebühr wird zurückgewiesen.
Gründe
I Die Erteilung des Patents 101 33 209 mit der Bezeichnung
"Nichtoxidisches keramisches Beschichtungspulver und daraus hergestellte Schichten"
ist am 16. Oktober 2003 veröffentlicht worden.
Gegen dieses Patent ist am 23. Dezember 2003 Einspruch erhoben worden. Dieser ist auf die Behauptung gestützt, der Gegenstand des Streitpatents sei gegenüber dem durch die Entgegenhaltungen
(1) DE 197 27 115 A1
(2) H. Salmang, H. Scholze: Keramik, Teil 2: Keramische Werkstoffe, 6. Aufl. (1983), Seiten 215 bis 217
(3a) JP 63-169 371 A
(3b) CA 110: 80 408 s (1989)
(3c) PAJ 63-169 371 A
(4) US 4 829 027
(5) DE 35 30 103 A1
(6) Dissertation Jazek Drozak: Teilcheneigenschaften und Haftung beim thermischen Spritzen von Metall und Keramik, Univ. Dortmund 1992, Seiten 93 bis 96
(7) DE 35 11 734 C2
(8) EP 0 609 864 A2 belegten Stand der Technik nicht patentfähig. Insbesondere fehle der Schicht nach dem erteilten Anspruch die Neuheit gegenüber dem Inhalt der Entgegenhaltung (1) und dem Beschichtungspulver nach dem erteilten Anspruch 1 die erfinderische Tätigkeit gegenüber einer Zusammenschau von (3a), (3b) und (3c) mit (2), (4) oder (8). Die Rückzahlung der Einspruchsgebühr sei geboten, weil der nebengeordnete Anspruch 15 im Prüfungsverfahren nicht berücksichtigt worden sei.
Der Patentinhaber verfolgt sein Patentbegehren im eingeschränkten Umfang mit den in der mündlichen Verhandlung überreichten Patentansprüchen 1 und 15 sowie den erteilten Patentansprüchen 2 bis 14 und 16 bis 19. Die geltenden Ansprüche 1 und 15 lauten:
"1. Nichtoxidisches keramisches Beschichtungspulver einer Korngröße von 5-250 µm, enthaltend als Hauptbestandteil ein Carbid oder Mischungen und/oder Verbindungen von Carbiden und als Nebenbestandteile Verbindungen aus Aluminium- und Seltenerdoxiden.
15. Thermisch gespritzte, nichtoxidische keramische Schicht, bei der Carbide oder Mischungen und/oder Verbindungen von Carbiden mit im Wesentlichen kristallinen Aluminium-Seltenerdoxid-Verbindungen als Sekundärphasen versintert sind."
Zum Wortlaut der auf Anspruch 1 rückbezogenen Ansprüche 2 bis 14 sowie der auf Anspruch 15 rückbezogenen Ansprüche 16 bis 19 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.
Der Patentinhaber beantragt, das Patent 101 33 209 mit den im Tenor genannten Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten.
Der ordnungsgemäß geladene Einsprechende ist - wie angekündigt - zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen. Er hat schriftsätzlich beantragt, 1. das Streitpatent zu widerrufen und 2. die Einspruchsgebühr zurückzuzahlen.
Wegen weiterer Einzelheiten des schriftsätzlichen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II 1. Der Einspruch ist frist- und formgerecht erhoben und mit Gründen versehen. Er ist somit zulässig und führt zu dem aus dem Tenor ersichtlichen Ergebnis.
2. Die geltenden Ansprüche sind zulässig.
Der geltende Anspruch 1 geht inhaltlich auf den erteilten Anspruch 1 i. V. m. Sp. 3 Z. 22 bis 25 der Streitpatentschrift bzw. den ursprünglichen Anspruch 1 i. V. m. Seite 4 vorletzter Absatz der ursprünglichen Beschreibung zurück und der geltende Anspruch 15 auf den erteilten Anspruch 15 i. V. m. Sp. 3 Z. 43 bis 46 der Streitpatentschrift bzw. den ursprünglichen Anspruch 15 i. V. m. Seite 5 Zeilen 11 bis 13 der ursprünglichen Beschreibung.
Die unverändert geltenden erteilten Patentansprüche 2 bis 14 und 16 bis 19 entsprechen den ursprünglich eingereichten Ansprüchen gleicher Nummerierung.
3. Das Beschichtungspulver nach dem geltenden Patentanspruch 1 und die thermisch gespritzte Schicht gemäß dem geltenden Patentanspruch 15 sind neu.
Aus der Entgegenhaltung (1), Ansprüche 5 und 6 i. V. m. Beispiel 2 ist eine Schicht abzuleiten, die in ihrer Zusammensetzung - mit Aluminium-Selteneroxid-Verbindungen versinterte Carbide - derjenigen der Schicht nach Anspruch 15 entsprechen. Es handelt sich aber nicht um eine thermisch gespritzte Schicht, sondern um eine durch Aufgießen eines Schlickers, Trocknen und Sintern gebildete Schicht. Die Schicht mit den Merkmalen des geltenden Anspruchs 15 ist somit dem gegenüber neu.
In Entgegenhaltung (8) Beispiel 1 sind keramische, d. h. gesinterte Pulver mit dem Hauptbestandteil Siliciumcarbid und dem Nebenbestandteil Aluminiumoxid-Yttriumoxid-Verbindung beschrieben (vgl. auch Streitpatentschrift [0020]). Beschichtungspulver einer Korngröße von 5 bis 250 µm sind jedoch in (8) nicht offenbart; die angegebene P-36 Körnung entspricht einem Sieb mit 36 Maschen/Zoll, d. h. einer lichten Maschenweite von 0,422 mm = 422 µm. Das Pulver nach dem geltenden Anspruch 1 zählt somit nicht zum Offenbarungsgehalt der Entgegenhaltung (8).
Die weiteren dem Senat vorliegenden Druckschriften liegen ferner und können weder die Neuheit des beanspruchten Beschichtungspulvers noch die Neuheit der Schicht gemäß Anspruch 15 in Frage stellen.
4. Sowohl das beanspruchte Beschichtungspulver als auch die beanspruchte keramische Schicht beruhen auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Der vom Einsprechenden vorgetragenen Auffassung, das Beschichtungspulver nach Anspruch 1 ergebe sich in nahe liegender Weise durch Ersatz des aus (3a), (3b) und (3c) mit Siliciumcarbid versinterten Spinells MgO Al2O3 durch Yttriumaluminiumgranat, vermag sich der Senat nicht anzuschließen.
Zu einem derartigen Austausch kann nämlich keine der angezogenen Druckschriften anregen.
In (2) Seite 217 Absatz 2/3 werden als Sinterhilfsmittel für Siliciumnitrid und Siliciumcarbid MgO, Y2O3, Al2O3, CeO2 und BeSiN2 genannt, für den Zusatz von MgO (zu Siliciumnitrid) ist ein Nachteil beschrieben. Weder MgAl2O4 noch Aluminium-Seltenerdoxid-Verbindungen sind als Sinterzusätze erwähnt; demgemäß sind sie auch nicht miteinander verglichen.
(4) betrifft das Herstellen von Siliciumcarbid-Keramikkörpern durch Sintern mit Aluminiumoxid und Seltenerdoxid (Anspruch 1), dabei ist auch das Y2O3 - Al2O3- Phasendiagramm aufgeführt (Fig. 4). Ein Hinweis auf Beschichtungspulver oder Schichten aus Siliciumcarbid und Verbindungen aus Aluminium- und Seltenerdoxiden geht aus (4) nicht hervor.
(7) offenbart u. a. verschleißfeste Schichten von Nitriden, Oxynitriden, Oxiden, Boriden, Carbiden, Carbonitriden oder Oxycarbiden der Übergangselemente aus den Gruppen III bis VI und/oder von Aluminium (Anspruch 1), die nach dem PVD- oder CVD-Verfahren aufgebracht werden können (S. 4 Z. 43/44). Beschichtungspulver nach Anspruch 1 des Streitpatents oder Schichten nach Anspruch 15 sind an keiner Stelle erwähnt.
(8) führt vom Gegenstand des beschränkten Patentbegehrens weg, da diese Entgegenhaltung sich auf Schleifkörner bezieht und keinen Bezug zu Beschichtungspulvern und/oder thermisch gespritzten Schichten erkennen läßt.
Der Fachmann wird auch für die in (1) u. a. erwähnte - wie ausgeführt durch Schlickergießen, Trocknen und Sintern erzeugte - Schicht eine Herstellung durch thermisches Spritzen nicht in Betracht ziehen, denn die Lehre der (1) ist auf die Herstellung von Keramikformkörpern gerichtet, welche - im Falle des Beispiels 2 - auch zweischichtig aufgebaut sein können.
Die weiteren dem Senat vorliegenden Druckschriften weisen in Bezug auf das eingeschränkte Patentbegehren keine Gesichtspunkte auf, die zu einer anderen Beurteilung führen könnten.
6. Das Beschichtungspulver nach Anspruch 1 und die thermisch gespritzte Schicht nach Anspruch 15 weisen somit alle Kriterien der Patentfähigkeit auf, diese Ansprüche sind daher rechtsbeständig. Mit ihnen haben die auf besondere Ausgestaltungen des Beschichtungspulvers nach Anspruch 1 gerichteten Ansprüche 2 bis 14 sowie die besondere Ausführungsformen der Schicht nach Anspruch 15 betreffenden Ansprüche 16 bis 19 Bestand.
7. Eine Rückzahlung der Einspruchsgebühr entspricht nicht der Billigkeit (PatG § 62 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. § 147 Abs. 3 Satz 2).
Selbst wenn man den Erstbescheid wie der Einsprechende so interpretieren würde, dass keine Prüfung des nebengeordneten Anspruchs 15 stattgefunden hat, läge keine rechtswidrige Patenterteilung vor. Es würde sich nämlich auch in diesem Fall weder um einen schweren Verfahrensfehler, bei dessen Vermeidung das Patent nicht erteilt worden wäre, noch um eine Erteilung offensichtlich ohne jegliche Sachprüfung des Anmeldungsgegenstandes handeln (Schulte PatG 7. Aufl. § 62 Rdn 22 bis 25).
BPatG:
Beschluss v. 07.03.2006
Az: 14 W (pat) 307/04
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