Bundespatentgericht:
Urteil vom 25. Oktober 2007
Aktenzeichen: 2 Ni 71/05
(BPatG: Urteil v. 25.10.2007, Az.: 2 Ni 71/05)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtstreits.
3. Die Entscheidung ist im Kostenpunkt für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Beklagte ist Inhaberin des unter Inanspruchnahme einer deutschen Priorität vom 18. April 1992 (Az.: DE 42 12 948) am 5. April 1993 in der Verfahrenssprache Deutsch angemeldeten und mit der Entscheidung vom 3. Oktober 1996 erteilten europäischen Patents EP 0 566 921 (Streitpatent) mit der Bezeichnung "Halbleiterbaugruppe, insbesondere Fernsteuer-Empfangsmodul". Es beinhaltet 10 Patentansprüche.
Der Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:
"1. Halbleiterbaugruppe mit Streifenaufbau mit - einem mit Masse zu verbindenden Massestreifenteil (M) als einem von mindestens zwei Streifenteilen (M; P; P1 - P5);
- mindestens einem Halbleiterbauteil (HL; D, IC), das auf dem Masse-Streifenteil in dessen mittleren Bereich auf einem Trägerabschnitt (T) des Masse-Streifenteils befestigt ist;
- einem Verlängerungsabschnitt (V), mit dem das Masse-Streifenteil über den Trägerabschnitt hinaus verlängert ist; und - einem den mittleren Bereich der Streifenteile einschließenden Verguss (VG);
dadurch gekennzeichnet,
- dass der Verlängerungsabschnitt (V) gegenüber dem Trägerabschnitt so umgeklappt ist und eine solche Länge aufweist, dass er das Halbleiterbauteil überdeckt, um dieses elektromagnetisch abzuschirmen, und - dass der umgeklappte Verlängerungsabschnitt vom Verguss eingeschlossen ist."
Wegen des Wortlauts der unmittelbar oder mittelbar auf Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 10 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.
Zur Begründung macht die Klägerin geltend, Patentanspruch 1 sei im Prüfungsverfahren unzulässig geändert worden. Außerdem rügt sie die mangelnde Offenbarung, weil das Patent die Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbare, dass ein Fachmann sie ausführen könne; insbesondere sei das Ausführungsbeispiel nach den Figuren 3 und 4 nicht ausführbar. Darüber hinaus sei das Streitpatent nicht patentfähig, weil es weder neu sei noch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
Zum Beleg der mangelnden Neuheit und der mangelnden erfinderischen Tätigkeit des Gegenstandes des Patentanspruchs 1 stützt sich die Klägerin auf nachfolgende Druckschriften:
D1 JP 4-267549 A (Abstract nicht vorveröffentlicht), D2 EP 0 409 196 A2, D3 DE 1 564 563 A, D4 JP 59-72748 A (Abstract), D5 JP 61-252652 A (Abstract), D6 JP 1-278052 A (Abstract), D7 US 4 177 480, D8 EP 0 465 084 A2, D9 US 4 446 375, D9* DE 32 36 567 C2, D10 US 4 047 045, D11 DE 692 27 557 T2 (entsprechend dem europäischen Patent EP 0 529 412 B1, nicht vorveröffentlicht) und D12 DE 1 139 560 B (Auslegeschrift).
Mit Schriftsatz vom 7. Februar 2006, per FAX am selben Tag beim Bundespatentgericht eingegangen, hat die Patentinhaberin der Nichtigkeitsklage widersprochen und mit dem Schriftsatz vom 20. Februar 2006 hat sie ihren Widerspruch begründet.
Die Beklagte reichte mit ihrer Widerspruchbegründung das parallele US-Patent B1 US 5 350 943 und mit dem Schriftsatz vom 14. Juni 2006 das in der Beschreibungseinleitung des Streitpatents genannte Datenblatt B2 "Selection Guide Transistrors and Diodes" Edition 1990/91 der Telefunkenelectronic mit Deckblatt und Seiten 19 und 23 ein.
Die Klägerin beantragt, das europäische Patent 0 566 921 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen und hält das Streitpatent für patentfähig.
Gründe
Die zulässige Klage erweist sich nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung vom 25. Oktober 2007 als unbegründet, weil weder der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund der unzulässigen Änderung (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 lit c EPÜ), noch der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund der mangelnden Offenbarung (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 2 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 lit b EPÜ), noch der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund der fehlenden Patentfähigkeit (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 lit a EPÜ) begründet sind.
I.
1) Ausweislich der Beschreibung des Streitpatents betrifft die Erfindung eine Halbleiterbaugruppe, insbesondere Fernsteuer-Empfangsmodul (vgl. die Beschreibung des Streitpatents Spalte 1, Zeilen 5 bis 23).
Nach dem Stand der Technik umfassen die Hauptkomponenten einer Halbleiterbaugruppe einen Träger und die darauf befestigten Halbleiterbauteile sowie ein Gehäuse in Form eines Vergusses.
Bei Halbleiterbaugruppen mit Bauteilen mit größerem Gesamtvolumen ist der Träger in der Regel aus einer Platine (Leiterplatte), die meistens aus einem mit Leiterbahnen versehenen Isolator besteht. Halbleiterbaugruppen mit Bauteilen mit kleineren Gesamtvolumen weisen dagegen einen Streifenaufbau (Leiterrahmen) auf, bei dem mindestens ein Halbleiterbauteil an leitenden Streifen, wie Masse-Streifenteil, befestigt ist.
Bei zahlreichen Halbleiterbaugruppen ist es erforderlich, mindestens eines der Halbleiterbauteile, die es enthält, gegen elektromagnetische Störstrahlung abzuschirmen. Dies gilt vor allem für alle Arten von Detektoren für elektromagnetische Strahlung. Die Abschirmung besteht z. B. aus einem Gehäuse aus einem elektrisch leitenden Kunststoff, aus Blech oder einem Drahtgitter (vgl. die Beschreibung des Streitpatents Spalte 2, Zeilen 2 bis 12).
Auch eine optische Abschirmung ist erforderlich, weil Fernsteuer-Empfangsmodule modulierte IR-Strahlung in einem Wellenlängenbereich empfangen, in dem auch Störstrahler Infrarotstrahlung emittieren. Daher wird der Empfangsbereich des Detektors auf die Wellenlängen zwischen 800 nm und 1100 nm beschränkt (vgl. Beschreibung des Streitpatents Spalte 2, Zeilen 13 bis 39).
Damit der Detektor diese IR-Strahlung empfangen kann, muss in der elektromagnetischen Abschirmung eine Öffnung für die IR-Strahlung vorgesehen werden, wobei diese Öffnung durch andere Maßnahmen gegen elektromagnetische Störstrahlung abgeschirmt werden muss, wie für die zu empfangende IR-Strahlung transparente, elektrisch leitende Folie, ein Lochblech, Drahtgitter oder eine Vorderseitenkontaktierung des Detektors mit einer gut leitenden Oberseiten-Halbleiterschicht mit Masse (vgl. die Beschreibung des Streitpatents Spalte 2, Zeilen 30 bis 39 i. V. m. Patentanspruch 9).
Die bekannten Halbleiterbaugruppen mit mindestens einem gegen elektromagnetische Strahlung abzuschirmenden Halbleiterbauteil sind wegen der gesondert zu montierenden Abschirmung platzaufwendig und teuer in der Herstellung; sie erfordern auch eine zuverlässige elektrische Verbindung zwischen der Abschirmung und einem Masseanschluss (vgl. das Streitpatent Spalte 2, Zeilen 40 bis 46).
Daher liegt der Erfindung als technisches Problem die Aufgabe zugrunde, eine Halbleiterbaugruppe mit mindestens einem elektromagnetisch abgeschirmten Bauteil anzugeben, die kompakt gebaut, billig herstellbar ist und einen zuverlässigen Masseanschluss der Abschirmung gewährleistet (vgl. das Streitpatent Spalte 2, Zeilen 47 bis 51).
Die Lösung dieses Problems ist für beliebige Halbleiterbauteile im Patentanspruch 1 explizit angegeben und für Detektoren in den Patentansprüchen 8 bis 10 spezifiziert.
Der Patentanspruch 1 hat nach Merkmalen gegliedert folgenden Wortlaut:
"1. Halbleiterbaugruppe mit Streifenaufbau mit 2. einem mit Masse zu verbindenden Massestreifenteil (M) als einem von mindestens zwei Streifenteilen (M; P; P1 - P5);
3. mindestens einem Halbleiterbauteil (HL; D, IC), das auf dem Masse-Streifenteil in dessen mittleren Bereich auf einem Trägerabschnitt (T) des Masse-Streifenteils befestigt ist;
4. einem Verlängerungsabschnitt (V), mit dem das Masse-Streifenteil über den Trägerabschnitt hinaus verlängert ist; und 5. einem den mittleren Bereich der Streifenteile einschließenden Verguss (VG);
dadurch gekennzeichnet, 6. dass der Verlängerungsabschnitt (V) gegenüber dem Trägerabschnitt so umgeklappt ist und eine solche Länge aufweist, dass er das Halbleiterbauteil überdeckt, um dieses elektromagnetisch abzuschirmen, und 7. dass der umgeklappte Verlängerungsabschnitt vom Verguss eingeschlossen ist."
Bei der Lehre nach Patentanspruch 1 kommt es wesentlich darauf an, dass bei der Halbleiterbaugruppe mit Streifenaufbau, d. h. mit einem elektrisch leitenden Leiterrahmen (vgl. Streitpatentschrift Spalte 1, Zeilen 17 bis 21), das mindestens eine Halbleiterbauteil auf dem Masse-Streifenteil in dessen mittleren Bereich auf einem Trägerabschnitt (T) befestigt ist und dass der Verlängerungsabschnitt gegenüber dem Trägerabschnitt so umgeklappt ist und eine solche Länge aufweist, dass er das Halbleiterbauteil überdeckt und somit dieses abschirmt und dass der Verguss sowohl den Trägerabschnitt als auch den Verlängerungsabschnitt einschließt.
Bei der Lehre des Patentanspruchs 8 kommt es wesentlich darauf an, dass im Verlängerungsabschnitt ein Ausschnitt (F) über der Empfangsfläche des Detektors vorgesehen ist, wobei dieser Ausschnitt optisch durch ein Kantenfilter bei 800 nm und elektromagnetisch durch die Maßnahme gemäß Patentanspruch 9 abgeschirmt wird.
2) Die von der Klägerin geltend gemachte unzulässige Änderung im erteilten Patentanspruch 1 liegt nicht vor.
Die ursprünglichen Patentansprüche stellen nur einen unverbindlichen Formulierungsversuch dar, an den der Anmelder nicht gebunden ist. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist eine Erweiterung von Patentansprüchen im Prüfungsverfahren zulässig, wenn sie durch die ursprüngliche Offenbarung gedeckt ist (vgl. BGH BlPMZ 1988, 213, Leitsatz - "Runderneuern"). Dies ist hier der Fall.
Soweit im ursprünglichen Patentanspruch 1 davon die Rede ist, dass mindestens ein Halbleiterbauteil (HL; D, IC) auf dem Masse-Streifenteil in dessen oberem Bereich auf einem Trägerabschnitt (T) des Masse-Streifenteils befestigt ist, ist damit ersichtlich der in Figur 2 der Streitpatentschrift dargestellte Zustand gemeint, bei dem der Verlängerungsabschnitt (V) bereits umgeklappt ist und der Trägerabschnitt (T) daher - zusammen mit dem umgeklappten Verlängerungsabschnitt (V) - den oberen Bereich des Masse-Streifenteils bildet (Dementsprechend ist auch in dem nachfolgenden Merkmal des ursprünglichen Patentanspruchs 1 von einem den oberen Bereich der Streifenteile einschließenden Verguss (VG; vgl. Figur 2) die Rede).
Soweit gemäß dem erteilten Patentanspruch 1 demgegenüber mindestens ein Halbleiterbauteil (HL; D, IC) auf dem Masse-Streifenteil in dessen mittlerem Bereich auf einem Trägerabschnitt (T) des Masse-Streifenteils befestigt ist, entspricht dies offensichtlich dem anhand der Figur 1 erläuterten Zustand vor dem Umklappen des Verlängerungsabschnitts (V), bei dem der Trägerabschnitt (T) den mittleren Bereich des Masse-Streifenteils bildet.
Damit gehört aber auch die im erteilten Patentanspruch 1 enthaltene Fassung des betreffenden Merkmals zum Offenbarungsgehalt der ursprünglichen Anmeldungsunterlagen, zumal sowohl für die Prüfung auf Patentfähigkeit als auch für die Bestimmung des Schutzbereichs Begriffe in den Patentansprüchen so zu deuten sind, wie sie der angesprochene Fachmann nach dem Gesamtinhalt der Anmeldungsunterlagen unter Berücksichtigung der darin objektiv offenbarten Lösung versteht (vgl. BGH GRUR 2001, 232 Leitsatz i. V. m. 233 re. Sp. le. Abs. - "Brieflocher"), wobei nicht die sprachliche oder logisch wissenschaftliche Bestimmung der verwendeten Begriffe, sondern das Verständnis des unbefangenen Fachmanns, d. h. letztlich nur der sich aus den Anmeldungsunterlagen ergebende Begriffsinhalt maßgebend ist (vgl. BGH Mitt. 1999, 304, Leitsätze 1 und 2 - "Spannschraube").
Die erteilten Unteransprüche 2 bis 10 sind identisch mit den ursprünglichen Ansprüchen 2 bis 10. Daher sind diese Ansprüche zusammen mit dem erteilten Patentanspruch 1 ursprünglich offenbart und somit zulässig.
3) Die von der Klägerin geltend gemachte mangelnde Offenbarung der Lehre des Streitpatents liegt nicht vor.
Die Angaben, die der Fachmann zur Ausführung der geschützten Erfindung benötigt, müssen nicht in den Patentansprüchen enthalten sein, vielmehr genügt es, wenn sie sich aus dem Inhalt der Patentunterlagen insgesamt ergeben (vgl. hierzu BGH GRUR 2003, 223 Leitsatz, 225 li. Sp. - "Kupplungsvorrichtung II" m. w. Nachw.; BGH GRUR 2004, 47, 48 re. Sp. - "blasenfreie Gummibahn I" m. w. Nachw.).
Für die Ausführbarkeit der geschützten Lehre genügt im vorliegenden Fall aber bereits die Angabe im Patentanspruch 1, wonach das mindestens eine Halbleiterbauteil (HL; D, IC) auf einem Trägerabschnitt (T) des Masse-Streifens befestigt ist. Damit weiß der Fachmann bereits, wo er das mindestens eine Halbleiterbauteil (HL; D, IC) zu befestigen hat, zumal sich aus sämtlichen Ausführungsbeispielen ergibt, dass - wie bereits dargelegt - der Trägerabschnitt (T) vor dem Umklappen des Verlängerungsabschnitts (V) den mittleren Bereich des Masse-Streifens, nach dem Umklappen des Verlängerungsabschnitts (V) hingegen den oberen Bereich des Masse-Streifenteils bildet.
Auch steht die Lehre des Patentanspruchs 8 trotz des darin vorgesehenen Ausschnitts (F) in dem Verlängerungsabschnitt (V) (vgl. hierzu die Figuren 3 und 4 des Streitpatents.) insofern nicht im Widerspruch zur Lehre des Patentanspruchs 1, als diese dem Wortlaut des Patentanspruchs 1 nach einen solchen Ausschnitt (F) nicht ausschließt. Dieser Ausschnitt beeinträchtigt zwar teilweise die Abschirmwirkung, jedoch brauchen die im Patentanspruch angegebenen Mittel die gestellte Aufgabe hinsichtlich der Abschirmwirkung nicht sogleich in einer vollkommenen Weise zu lösen (vgl. BGH GRUR 1994, 357, 359 li. Sp. oben - "Muffelofen"; BGH GRUR 1992, 839, 842 li. Sp. - "Linsenschleifmaschine"), zumal im auf den Patentanspruch 8 rückbezogenen Patentanspruch 9 und in der Beschreibung hinreichende Gegenmaßnahmen offenbart sind (vgl. Streitpatentschrift, Spalte 2, Abs. 3, Spalte 3, vorl. Abs., Spalte 6, Abs. 2 und Spalte 7, Zeilen 8 bis 15). So ist die optische Abschirmung durch die Verwendung einer Siliziumpin-Diode, die die Strahlung bis etwa 1100 nm absorbiert, und mittels eines Kantenfilters bei 800 nm, der die kurzwelligere Strahlung ausfiltert, realisiert, während die elektromagnetische Störstrahlung durch für die zu empfangende IR-Strahlung transparente, elektrisch leitende Folie, oder ein Lochblech, oder ein Drahtgitter oder eine Vorderseitenkontaktierung des Detektors mit einer gut leitenden Oberseiten-Halbleiterschicht mit Masse abgeschirmt wird.
4) Die von der Klägerin geltend gemachte fehlende Patentfähigkeit der Lehre des Patentanspruchs 1 ist ebenfalls nicht begründet, weil der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gegenüber dem von der Klägerin genannten Stand der Technik neu (§ 3 PatG) ist und auf einer erfinderischen Tätigkeit (§ 4 PatG) des zuständigen Fachmanns beruht, der hier als ein berufserfahrener, mit der Entwicklung von Abschirmungen für Halbleiterbaugruppen betrauter Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Elektrotechnik mit Fachhochschulabschluss zu definieren ist.
4a) Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist schon allein deshalb neu, weil in dem von der Klägerin herangezogenen Stand der Technik keine Halbleiterbaugruppe mit Streifenaufbau offenbart ist, die einen elektrisch leitenden Leiterrahmen mit einem Trägerabschnitt für ein Halbleiterbauteil aufweist, der mit einem Verlängerungsabschnitt über diesen hinaus verlängert und gegenüber dem Trägerabschnitt umgeklappt ist, um das dort befestigte Halbleiterbauteil abzuschirmen.
Die Halbleiterbaugruppe gemäß der Druckschrift D3 weist ein auf dem abzuschirmenden Streifenteil (elektrische Zuführung für den Kollektor, metallischer Suppor 2 / Seite 3, le. Abs. i. V. m. den Figuren 1 bis 5) befestigtes Halbleiterbauteil (Hochfrequenz-Transistor 1) auf, so dass sich der Trägerabschnitt auf dem Streifenteil (2) befindet, der jedoch offensichtlich keinen umklappbaren Verlängerungsabschnitt aufweist.
Daher ist die Halbleiterbaugruppe gemäß Patentanspruch 1 gegenüber derjenigen gemäß der Druckschrift D3 neu.
Die Halbleiterbaugruppe nach Patentanspruch 1 des Streitpatents ist auch neu gegenüber derjenigen gemäß der Druckschrift D9.
Die Druckschrift D9 offenbart eine Halbleiterbaugruppe (semiconductor optocoupler 10) mit Streifenaufbau (lead frame 40), die von einem Verguss (opaque encapsulant 12) eingeschlossen ist.
Von einer Abschirmung gegen elektromagnetische Störstrahlung ist dort keine Rede, so dass diese Druckschrift auch keine konkreten Abschirmungsmaßnahmen offenbart.
Weiter ist das Halbleiterbauteil (detector 20 may be a photo transistor and may have the collector thereof directly bonded to lead 16) nicht auf einem Trägerabschnitt des Masse-Streifenteils befestigt, sondern es ist auf dem Trägerabschnitt (end portion 36 of the lead 16) des Kollektoranschlusses befestigt.
Schließlich weist der Trägerabschnitt (36) als Endteil auch keinen Verlängerungsabschnitt auf, der auch nicht über das auf dem Trägerabschnitt (36) befestigte Halbleiterbauteil (20) umgeklappt ist, um das Halbleiterbauteil (20) elektromagnetisch abzuschirmen.
Auch der Trägerabschnitt (recess 26) für das weitere Halbleiterbauteil (emitter 18, P-N semicoductor diode) weist keinen Verlängerungsabschnitt auf, der über das auf dem Trägerabschnitt (26) befestigte Halbleiterbauteil (20) umgeklappt sein könnte, um das Halbleiterbauteil (18) elektromagnetisch abzuschirmen.
Somit ist die Halbleiterbaugruppe gemäß Patentanspruch 1 neu gegenüber derjenigen gemäß der Druckschrift D9.
Für die in der Druckschrift D10 offenbarte Halbleiterbaugruppe (optical coupler apparatus) gilt Analoges (vgl. dort die Figuren 1 bis 4 mit dem Photo-Emissions-Bauteil 10 und dem Photo-Emfangs-Bauteil 12).
Daher ist die Halbleiterbaugruppe gemäß Patentanspruch 1 gegenüber derjenigen gemäß der Druckschrift D10 neu.
Die Halbleiterbaugruppe nach Patentanspruch 1 des Streitpatents ist neu gegenüber derjenigen gemäß der nicht vorveröffentlichten Druckschrift D11, die einen wegwerfbaren Pulsoximeter betrifft, und einen Streifenaufbau aus einem Polyestersubstrat (10) aufweist, auf dem die Halbleiterbauteile (photodetector 20, photoemitter 18) direkt montiert sind (vgl. dort die Figuren 1 und 2 mit zugehöriger Beschreibung).
Damit offenbart diese Druckschrift keinen Streifenaufbau mit einem leitfähigen Leiterrahmen im Sinne des Streitpatents.
Somit ist die Halbleiterbaugruppe gemäß Patentanspruch 1 neu gegenüber derjenigen gemäß der Druckschrift D11.
Die Druckschrift D12 offenbart lediglich eine Metallfolie (1), mit der ein Halbleiterbauteil (Kondensatoren oder andere elektrische Bauelemente) umhüllt wird, die mit einem Streifenaufbau mit einem Leiterrahmen nichts zu tun hat.
Daher ist Halbleiterbaugruppe gemäß Patentanspruch 1 auch neu gegenüber derjenigen gemäß Druckschrift D12.
Die Halbleiterbaugruppe nach der Druckschrift B2 offenbart einen Streifenaufbau mit einem Leiterrahmen, der einen Trägerabschnitt und einen Verlängerungsabschnitt aufweist, wobei der letztgenannte über den Trägerabschnitt hinaus verlängert ist. Dieser nicht umgeklappte Verlängerungsabschnitt dient der Befestigung und Kühlung der Halbleiterbaugruppe und nicht der Abschirmung des auf dem Trägerabschnitt angebrachten Halbleiterbauteils (vgl. dort Seite 23 oben).
Somit ist die Halbleiterbaugruppe gemäß Patentanspruch 1 neu gegenüber derjenigen gemäß der Druckschrift B2.
Auch die übrigen Druckschriften - sofern diese zum Stand der Technik zählen (vgl. die nachveröffentlichte japanische Druckschrift D1) - betreffen Halbleiterbaugruppen mit einem Streifenaufbau, die jedoch nicht die Merkmale eines Leiterrahmens im Sinne des Streitpatents aufweisen.
Daher ist die Halbleiterbaugruppe gemäß Patentanspruch 1 gegenüber dem von der Klägerin herangezogenen Stand der Technik neu.
4b) Die Halbleiterbaugruppe nach Patentanspruch 1 beruht im Hinblick auf den von der Klägerin herangezogenen, vorveröffentlichten Stand der Technik auch auf einer erfinderischen Tätigkeit des vorstehend definierten zuständigen Fachmanns.
Nachdem die Druckschrift B2 - wie vorstehend ausgeführt - eine Halbleiterbaugruppe mit einen Streifenaufbau mit einem Leiterrahmen offenbart, der einen Trägerabschnitt und einen Verlängerungsabschnitt aufweist, wobei der letztgenannte über den Trägerabschnitt hinaus verlängert ist und dieser der Befestigung und Kühlung der Halbleiterbaugruppe und nicht der Abschirmung des auf dem Trägerabschnitt angebrachten Halbleiterbauteils dient, erhält der Fachmann hieraus keine Anregung, den am Trägerabschnitt des Streifenaufbaus bzw Leiterrahmens einteilig ausgebildeten Verlängerungsabschnitt so umzuklappen, dass dieser nach seinem Umklappen das auf dem Trägerabschnitt befestigte Halbleiterbauteil überdeckt, um dieses elektromagnetisch abzuschirmen, wie es Patentanspruch 1 des Streitpatents lehrt.
Alle weiteren vorveröffentlichten Druckschriften, die sich mit der Abschirmung von Halbleiterbaugruppen gegen äußere elektromagnetische Störstrahlung befassen - wie die Druckschriften D4, D5, D6 und D7 - sehen für die Abschirmung weitere in das Gehäuse aus Verguss einzubringende Abschirmungsteile vor (vgl. in D4 conductive protecting cover 1; in D5 two conducting plates 7 and 8 are provided in parallel with the mounting plate; in D6 shielding mesh 6; in D7, Figur 4 electricaly conductive coating 6 comprises a metal plate, a metal film, silver bronze and is connected to earth / Beschreibung Spalte 3 le. Abs. und Spalte 5, Abs. 2 und 3), so dass der Fachmann hieraus keine Anregung erhält, am Trägerabschnitt des Streifenaufbaus bzw Leiterrahmens einen mit dem Trägerabschnitt einteilig ausgebildeten Verlängerungsabschnitt einer solchen Länge vorzusehen, dass dieser nach seinem Umklappen das auf dem Trägerabschnitt befestigte Halbleiterbauteil überdeckt, um dieses elektromagnetisch abzuschirmen, wie es Patentanspruch 1 des Streitpatents lehrt.
Auch die Druckschriften D3, D9, D10 und D12 betreffen Halbleiterbaugruppen mit einem Streifenaufbau, deren Leiterrahmen am Trägerabschnitt keinen Verlängerungsabschnitt vorsehen, so dass der Fachmann hieraus keine Anregung erhält, am Trägerabschnitt des Streifenaufbaus bzw. Leiterrahmens einen mit dem Trägerabschnitt einteilig ausgebildeten Verlängerungsabschnitt einer solchen Länge vorzusehen, dass dieser nach seinem Umklappen das auf dem Trägerabschnitt befestigte Halbleiterbauteil überdeckt, um dieses elektromagnetisch abzuschirmen, wie es Patentanspruch 1 des Streitpatents lehrt.
Die Druckschriften D2 und D8 betreffen Halbleiterbaugruppen mit einem Streifenaufbau, die jedoch jeweils in keinem Zusammenhang mit Abschirmungslösungen mittels Teilen des Streifenaufbaus stehen.
Somit beruht die Halbleiterbaugruppe gemäß Patentanspruch 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit des zuständigen Fachmanns.
5) Die Patentansprüche 2 bis 10, insbesondere die Patentansprüche 8 bis 10, betreffen vorteilhafte, nicht selbstverständliche Ausgestaltungen der Halbleiterbaugruppe nach Patentanspruch 1, so dass deren Patentfähigkeit von derjenigen des Patentanspruchs 1 mitgetragen wird.
6) Die Beschreibung erfüllt die an sie zu stellenden Anforderungen, da darin der Stand der Technik angegeben ist, von dem die Erfindung ausgeht, und die Erfindung anhand der Ausführungsbeispiele derart hinreichend erläutert ist, dass ein Fachmann die Lehre des Streitpatents ausführen kann.
Daher ist das Streitpatent rechtsbeständig.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 i. V. m. § 709 ZPO.
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BPatG:
Urteil v. 25.10.2007
Az: 2 Ni 71/05
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