Bundespatentgericht:
Beschluss vom 15. Mai 2002
Aktenzeichen: 26 W (pat) 152/01

(BPatG: Beschluss v. 15.05.2002, Az.: 26 W (pat) 152/01)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 37 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 23. Juni 1998 und 10. Mai 2000 aufgehoben.

Gründe

I.

Die Markenstelle für Klasse 37 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die für die Waren und Dienstleistungen 7: Elektrische Ventilbetätiger, Plasma-CVD-Geräte, Zerstäubungsgeräte, Vakuumverdampfer, Ionenimplantierer, Vakuumpumpen, Turbomolekularpumpen, Räderpumpen, Schmierapparate, Getriebemotore, Kolbenmotore, Hydraulikventile, Plungermotore; 9: Spektroskope, elektromagnetische Analysatoren, Chromomatographen, thermische Analysatoren, Umweltverschmutzungsanalysatoren, Waagen und Wägeapparate, Pulver- und Partikeleigenschaftsanalysatoren, Magnetometer, Feuchtigkeitsanalysatoren, Materialprüfgeräte, Strukturprüfgeräte, dynamische Wägeapparate, Apparate zur störungsfreien Prüfung, Verfahrenssteuerinstrumente, Gasanalysatoren, DNA Synthesisierer, DNA Sequenzierer, somatische Hybridisierer, Mikromanipulatoren, Eiweißsequenzierer, Wachstumskammern, Kolonienzähler, passive optische Geräte, gedruckte Schaltungen, optische Übertragungsgeräte, Gitter, Polarisatoren, Gitterpolarisatoren, Präzisions-Gitterplatten, Linsen, Spiegel, Headup-Anzeigesysteme; 10: Bildsysteme aufgrund magnetischer Resonanzen, Röntgenstrahl-CT-skanner, Röntgenstrahlgeräte für Diagnosezwecke, angiographische Systeme, nuklearmedizinische Apparate, Ultraschallgeräte für Diagnosezwecke, Radiotherpaiegeräte, chemische Analysatoren für klinische Zwecke; 37: Reparatur und Instandhaltung von Flugzeugen, Reparatur und Instandhaltung von medizinischen Apparaten/Instrumenten, Reparatur und Instandhaltung von chemischen Maschinen/Apparaten, Reparatur und Instandhaltung von Verbrennern/Kilne/Öfen für industrielle Zwecke, Reparatur und Instandhaltung von Meßapparaten/Instrumenten, Reparatur und Instandhaltung von Klimaanlagen, Reparatur und Instandhaltung von Brennern, Reparatur und Instandhaltung von Kochern, Reparatur und Instandhaltung von Pumpen, Reparatur und Instandhaltung von Gefrierapparaten/-einrichtungen, Reparatur und Instandhaltung von elektrischen Kommunikationsapparaten/-instrumenten (außer Telefonen, Radioempfängern und Fernsehempfängern), Reparatur und Instandhaltung von Computern (einschließlich Zentralprozessoren, elektronischer, programmierte datentragender Schaltungen/magnetische Platten und periphäre Geräte für Computer), Reparatur und Instandhaltung von elektrischen Verteilern und Steuermaschinen/Instrumenten, Reparatur und Instandhaltung von Stromgeneratoren, Reparatur und Instandhaltung von elektrischen Motoren, Reparatur und Instandhaltung von Apparaten zur Herstellung von Halbleitern, Reparatur und Instandhaltung von physikalischen und chemischen Apparaten/Instrumenten und Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Installation der obengenannten Maschinen/Instrumente/Apparate.

angemeldete Markevon der Eintragung in das Markenregister zurückgewiesen, weil ihr jegliche Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG fehle. Eine allgemeinverständliche, sloganartige Angabe wie die vorliegende sei nicht geeignet, als Kennzeichen eines bestimmten Unternehmens zu dienen. Abstrakt betrachtet sei die Angabe "Solutions for Science since 1875" ein allgemeiner, anpreisender Werbespruch ohne betrieblichen Herkunftshinweis. Die notwendige Unterscheidungskraft fehle auch einem aus mehreren Wörtern gebildeten Begriff, wenn ihm bezüglich der beanspruchten Waren und Dienstleistungen ein hinreichend bestimmter, im Vordergrund stehender beschreibender Bedeutungsgehalt zugeordnet werden könne. Das gelte für die konkret angemeldete Marke, die - wie auch die Anmelderin einräume - von den Verkehrskreisen ohne weiteres mit dem Sinngehalt erfaßt werde, daß unter dieser Marke Waren angeboten würden, die von (irgend)einem Unternehmen stammten, das sich seit 1875 mit Problemlösungen für die Wissenschaft befasse. Im Zeitalter der industriellen Revolution seien aber viele Unternehmen gegründet worden, die Anspruch auf die Verwendung "since 1875" hätten. Auch die graphische Ausgestaltung halte sich im Rahmen des heute Werbeüblichen und könne damit nicht schutzbegründend wirken. Je beschreibender nämlich die Sachangaben seien, desto größer seien die schutzrechtsbegründenden Anforderungen an die graphische Gestaltung. Zudem liege das Eintragungshindernis des § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG vor. Bei der angemeldeten Marke handle es sich um eine Angabe über im Verkehr wichtige oder für die umworbenen Abnehmer in irgendeiner Weise bedeutsame Umstände in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen. Zu solchen Umständen gehöre auch die Tatsache, daß die angebotenen Waren und Dienstleistungen von einem Unternehmen stammten, das sich seit Jahrzehnten mit Lösungen für die Wissenschaft beschäftige und entsprechende Marktangebote liefere.

Hiergegen wendet sich die Anmelderin mit der Beschwerde. Sie ist der Ansicht, daß die angemeldete Bezeichnung unterscheidungskräftig sei, weil bereits die Jahreszahlangabe darauf hinweise, daß der Anbieter der Waren seit diesem Zeitpunkt auf dem einschlägigen technischen Gebiet tätig sei. Die graphische Gestaltung der Marke sei eigentümlich und werde deshalb den maßgeblichen Verkehrskreisen auffallen. Die Marke habe keinen produktbeschreibenden Inhalt, sondern gebe lediglich einen Hinweis darauf, daß die damit gekennzeichneten Waren von einem Unternehmen stammten, das sich seit dem Jahr 1875 mit Problemlösungen für die Wissenschaft befasse. Sie sei auch nicht gemäß § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG von der Eintragung in das Markenregister ausgeschlossen, da sie keinerlei Angaben enthalte, die einen unmittelbar beschreibenden Bezug zu den beanspruchten Waren und Dienstleistungen aufwiesen. Jedenfalls aber fehle es an den erforderlichen, konkreten Feststellungen zum Vorliegen eines tatsächlichen Freihaltebedürfnisses. Ebenso wenig sei ein Freihaltebedürfnis im Hinblick auf mögliche zukünftige Entwicklungen ersichtlich.

Die Anmelderin beantragt sinngemäß, die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 37 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 23. Juni 1998 und 10. Mai 2000 aufzuheben.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Der Eintragung der angemeldeten Bezeichnung in das Markenregister stehen die Schutzhindernisse des § 8 Abs 2 Nr 1 und 2 MarkenG nicht entgegen.

Die angemeldete Marke ist keine Angabe, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der beanspruchten Waren und Dienstleistungen dienen kann (§ 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG). Zu den nach dieser Vorschrift vom Markenschutz ausgeschlossenen Angaben zählen allerdings nicht nur die dort ausdrücklich aufgeführten, sondern auch solche, die für den Waren- und Dienstleistungsverkehr wichtige und die umworbenen Abnehmerkreise irgendwie bedeutsame Umstände mit konkretem Bezug auf die betreffenden Waren und Dienstleistungen selbst beschreiben (BGH GRUR 1998, 813, 814 - CHANGE) und die überdies entweder bereits gegenwärtig als Sachaussage benutzt werden oder deren Benutzung auf Grund konkret feststellbarer tatsächlicher Umstände in Zukunft zu erwarten ist (BGH GRUR 1995, 408, 409 - PROTECH). Dabei ist der Beurteilung die angemeldete Bezeichnung in ihrer Gesamtheit zugrunde zu legen und keine zergliedernde Betrachtungsweise vorzunehmen (BGH MarkenR 2000, 420, 421 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION).

Die angemeldete Bezeichnung stammt aus der englischen Sprache und bedeutet im Deutschen soviel wie "Lösungen für die Wissenschaft seit 1875". Damit besteht zwischen der Bedeutung der angemeldeten Marke und den beanspruchten Waren und Dienstleistungen kein unmittelbar beschreibender Sachzusammenhang. Der Begriff "Lösungen" in diesem Sinn beinhaltet nämlich in erster Linie das Ergebnis eines geistigen Vorgangs, der als nächsten Schritt noch der Umsetzung in Waren oder Dienstleistungen bedarf. Außerdem ist die angemeldete Bezeichnung insgesamt so ungenau und verschwommen, daß ihr auch deshalb kein unmittelbarer und konkret beschreibender Sachbezug entnommen werden kann. Die genannte Formulierung gibt nämlich weder in der englischen Sprache noch in der deutschen Übersetzung konkret wieder, was mit diesen Lösungen gemeint ist und wie diese beschaffen sein sollen. Damit ist die angemeldete Bezeichnung in ihrer Sachaussage so diffus verschwommen und so vielen individuellen Interpretationen zugänglich, daß ihr kein konkreter und unmittelbar beschreibender Begriffsgehalt entnommen werden kann. Vielmehr erscheint die Marke in ihrer Gesamtheit - auch wegen der Angabe des Gründungsjahres des Geschäftsbetriebs - eher als Hinweis auf die Firma selbst (BGH GRUR 1999, 988 - HOUSE OF BLUES), nicht jedoch auf die damit bezeichneten Waren und Dienstleistungen. Zudem konnte weder eine gegenwärtige Verwendung der angemeldeten Bezeichnung als beschreibende Angabe für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen in Nachschlagewerken oder im Internet festgestellt werden noch bestehen hinreichende Anhaltspunkte für die Annahme einer solchen Verwendung in der Zukunft.

Der angemeldeten Marke fehlt auch nicht jegliche Unterscheidungskraft (§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG). Unterscheidungskraft im Sinne dieser Bestimmung ist die einer Marke innewohnende konkrete Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefaßt zu werden. Hierbei ist von einem großzügigen Maßstab auszugehen, da der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen keiner analysierenden Betrachtungsweise unterzieht. Kann demnach einer Wortmarke kein für die in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden und handelt es sich auch sonst nicht um eine gebräuchliche Wortfolge der deutschen Sprache oder einer bekannten Fremdsprache, die - etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, so gibt es keinen tatsächlichen Anhalt dafür, daß einem als Marke verwendeten Wortzeichen die Unterscheidungseignung und damit die Unterscheidungskraft fehlt (BGH BlPMZ 1999, 257, 258 - PREMIERE II). Dabei hat der BGH bereits im Herbst 1999 in mehreren Entscheidungen ausdrücklich dargelegt, daß auch an Werbeslogans keine strengeren Anforderungen an die Unterscheidungskraft zu stellen sind als an andere Wortmarken. So ist die Forderung nach einem selbständig kennzeichnenden Bestandteil oder einem so weitreichenden phantasievollen Überschuß in der Aussage oder in der sprachlichen Form, daß der angesprochene Verkehr mit dem Wiedererkennungseffekt einen Hinweis auf die betriebliche Herkunft verbindet, zurückgewiesen worden (BGH GRUR 2000, 321 - Radio von hier, Radio wie wir). Der Verkehr wird zwar bei Werbeslogans häufig eine Werbeaussage annehmen, die nicht in erster Linie der Identifizierung der Herkunft des Produktes, sondern ausschließlich seiner Beschreibung dient. Dies rechtfertigt es aber nicht, von unterschiedlichen Anforderungen an die Unterscheidungskraft von Werbeslogans gegenüber anderen Wortmarken auszugehen. Denn bei einer Marke schließen sich die Identifizierungsfunktion und die Werbewirkung nicht gegenseitig aus. Vielmehr ist in jedem Fall zu prüfen, ob der Werbeslogan einen ausschließlich produktbeschreibenden Inhalt hat oder ob ihm darüber hinaus eine, wenn auch noch so geringe Unterscheidungskraft für die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen zukommt. Von mangelnder Unterscheidungskraft ist deshalb auch bei Werbeslogans lediglich bei beschreibenden Angaben oder Anpreisungen und Werbeaussagen allgemeiner Art auszugehen. Indizien für die Eignung, die konkret angemeldeten Waren und Dienstleistungen eines bestimmten Anbieters von denen anderer zu unterscheiden, können Kürze und eine gewisse Originalität und Prägnanz einer Wortfolge sein. Auch die Mehrdeutigkeit und daher Interpretationsbedürftigkeit der Werbeaussage kann einen Anhalt für eine hinreichende Unterscheidungskraft bieten. Dabei dürfen die Anforderungen an die Eigenart im Rahmen der Bewertung der Unterscheidungskraft von Werbeslogans nicht überspannt werden. Auch einer für sich genommen eher einfachen Aussage kann nicht von vornherein die Eignung zur Produktidentifikation abgesprochen werden (BGH aaO; 2000, 323 - Partner with the best; 2001, 1042 - LOCAL PRESENCE, GLOBAL POWER).

Der angemeldeten Bezeichnung "Solutions for Science since 1875" fehlt ein für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehender konkreter Begriffsgehalt wie bereits oben ausgeführt worden ist, weil ihr eine gewisse Mehrdeutigkeit innewohnt, die zur Interpretationsbedürftigkeit führt. Ebenso wenig handelt es sich hierbei um einen gebräuchlichen Begriff der deutschen oder der englischen Sprache oder einen solchen Begriff, an den sich der Verkehr in Folge einer entsprechenden Verwendung in der Werbung als ausschließlich warenbeschreibende oder anpreisende Angabe hätte gewöhnen können. Entscheidend bleibt für das Verständnis des Verkehrs allein der Umstand, inwieweit der fraglichen Bezeichnung ein konkret und eindeutig beschreibender Inhalt in Bezug auf die beanspruchten Waren bzw. Dienstleistungen zu entnehmen ist oder inwieweit der Verkehr bereits an die konkret angemeldete Bezeichnung als beschreibende Angabe gewöhnt worden ist. Beides trifft im vorliegenden Fall nicht zu. Damit fehlt es an einem konkreten Anhaltspunkt dafür, daß die angemeldete Bezeichnung bei einer markenmäßigen Verwendung für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht mehr als Marke verstanden werden könnte, zumal der Markenbestandteil "since 1875" ohnehin üblicherweise auf das Gründungsjahr einer Firma hinweist.

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BPatG:
Beschluss v. 15.05.2002
Az: 26 W (pat) 152/01


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