Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 31. Mai 2011
Aktenzeichen: I-4 U 3/11

(OLG Hamm: Urteil v. 31.05.2011, Az.: I-4 U 3/11)

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 28. Oktober 2010 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Münster wird zurückgewiesen, soweit die Klage nicht zurückgenommen worden ist.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 35.000,- € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

A.

Die Klägerin macht gegen die Beklagte einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch sowie Ersatz vorgerichtlicher Abmahnkosten geltend. Die Klägerin betreibt in S ein Fachgeschäft für Hörgeräteakustik. Betriebsgegenstand der Beklagten ist ebenfalls die Hörgeräteakustik u.a. mit einer Filiale in S.

Die Beklagte warb für ihre Produkte mit dem im erstinstanzlichen Klageantrag abgebildeten Flyer, der Teil eines Gutscheinhefts war:

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, mit dieser Werbung verstoße die Beklagte gegen die Vorschriften des UWG, gegen die PreisAngV und auch gegen das HWG. Die Werbeaussage sei irreführend und auch objektiv unrichtig. Die Bezugsgröße des angeblich gewährten 50-%igen Rabatts sei für potentielle Kunden nicht zu erkennen, etwa ob sich dieser Rabatt auf den Eigenanteil oder den Endpreis beziehen solle. Nach der optischen Gestaltung sei auch der im Verhältnis zu klein gehaltene Sternchen-Hinweis nicht geeignet, die Blickfangwerbung hinreichend zu erläutern.

Die Klägerin hat beantragt,

1.

die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für Hörgeräte wie folgt zu werben:

2.

die Beklagte zu verurteilen, an sie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 911,80 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.07.2010 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, es fehle schon die Wiederholungsgefahr, da die Gültigkeitsdauer des beanstandeten Gutscheins bis zum 30.06.2010 befristet sei, sich die Werbung also erledigt habe. Außerdem habe sie weder gegen die nach ihrer Auffassung allein einschlägige Regelung in § 4 Nr. 4 UWG noch gegen § 5 UWG, die PreisAngV oder das HWG verstoßen.

Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt.

Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch stehe der Klägerin gemäß §§ 3, 4 Nr. 4, 8 UWG zu. Der Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten ergebe sich aus § 12 Abs. 1 S. 2 UWG.

Die Werbung der Beklagten sei unlauter im Sinne von §§ 3, 4 Nr. 4 UWG, wonach im Wettbewerb unlauter handele, wer bei Verkaufsförderungsmaßnahmen wie Preisnachlässen, Zugaben oder Geschenken die Bedingungen für ihre Inanspruchnahme nicht klar und eindeutig angebe. Die Werbeaussage der Beklagten lasse nicht klar und eindeutig erkennen, worauf der 50-prozentige Rabatt gewährt werden solle. Die Bezugsgröße für den Rabatt werde dem Verbraucher nicht hinreichend klar erläutert. Es werde nicht klar herausgestellt, ob etwa der Endpreis oder die Eigenbeteiligung des Patienten gemeint sein sollten. Der mit einem Sternchen versehene kleingedruckte Erläuterungshinweis trete gegenüber der Blickfang-Aussage graphisch derart in den Hintergrund, dass dadurch eine eindeutige Information über dem Inhalt des Rabatts nicht mehr erreicht werden könne. Zudem sei dieser kleingedruckte Sternchen-Hinweis auch inhaltlich missverständlich formuliert. So werde das mit einem Sternchen versehene Wort "Rabatt" mit dem Hinweis "zzgl. 10 € gesetzlicher Zuzahlung pro Hörgerät" beschrieben. Dabei bleibe offen, ob der Rabatt auch diese Zuzahlung - für ein oder für zwei Hörgeräte - mit umfassen solle oder nicht. Desweiteren sei durch den Sternchen-Hinweis die Rabattgewährung mit der Einschränkung versehen, dass sie sich - nur - auf Hörgeräte der "HörGut Spitzenklasse (z.B. SIEMENS Pure 700) beziehen solle, ohne dass für den Verbraucher klar und eindeutig ersichtlich sei, welche Geräte aus ihrem Angebot die Beklagte der "Spitzenklasse" zuordnen wolle.

Die Wiederholungsgefahr werde aufgrund dieses Wettbewerbsverstoßes indiziert und entfalle aufgrund der Kerntheorie nicht wegen der Gültigkeitsdauer des Gutscheins bis zum 30.06.2010.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, mit der sie weiterhin die Abweisung der Klage begehrt.

Ursprünglich hat die Beklagte in der Berufungsbegründung vorgetragen, dass die von der Werbung der Beklagten angesprochenen Verkehrskreise Mitglieder der gesetzlichen Krankenkasse seien und dass sich aus dem Sternchenhinweis ergebe, dass nur diese Verbraucher in den Genuss der Rabattgewährung kommen könnten.

In ihrem Schriftsatz vom 23.05.2011 trägt die Beklagte vor, dass der angesprochene Verkehrskreis nicht nur aus gesetzlich Versicherten bestehe. Soweit sich die Werbung an Privatversicherte gewandt habe, habe sie ohnehin keinen Anlass zu Beanstandungen gegeben.

Die angesprochenen Verkehrskreise seien an der Bewerbung von Rabatten mit Sternchenvermerken gewöhnt.

Die gesetzlich Versicherten seien auch daran gewöhnt, dass bei der Werbung zwischen dem privaten Eigenanteil, der vom gesetzlich Versicherten selbst zu zahlen sei und dessen Höhe individuell vom gewählten Hörgerät abhänge, und der gesetzlichen Zuzahlung von 10,- € unterschieden werde.

Schließlich seien die Verkehrskreise daran gewöhnt, dass eine Erläuterung der Preise in Form eines Sternchenvermerks erfolge. Dabei zeige sich, dass die Verbraucher wüssten, dass die hervorgehobenen Angaben sich auf den privaten Eigenanteil und damit die Zuzahlung bezögen. Die entsprechende Erläuterung befinde sich dann im Sternchenvermerk. Es habe sich im Markt ein entsprechender Standard für die Formulierung herausgebildet, von dem die Beklagte Gebrauch gemacht habe.

Der Unterlassungsanspruch bestehe schon deshalb nicht, weil es an einer Wiederholungsgefahr fehle. Streitgegenstand sei nur die Werbung mit einem konkreten Gutschein gewesen, der bis zum 30.06.2010 gültig gewesen sei. Da aber das genannte Datum abgelaufen sei, sei eine Wiederholungsgefahr ausgeschlossen. Der Hinweis des Landgerichts in diesem Zusammenhang auf die Kerntheorie sei unzutreffend.

Das Landgericht habe nicht aus eigener Sachkenntnis über die Auslegung und das Verständnis der angegriffenen Werbung entscheiden dürfen, weil die Mitglieder der Kammer nicht zum angesprochenen Verkehrskreis gehörten. Insbesondere der Vorsitzende Richter der Kammer sei als Beamter nicht gesetzlich krankenversichert. Die Kammer sei daher noch nie mit den Umständen der Bezahlung von Medizinprodukten und den Fragen der gesetzlichen Zuzahlung sowie des privaten Eigenanteils befasst gewesen.

Die Werbung der Beklagten sei auch zulässig im Sinne von § 4 Nr. 4 UWG. Die Beklagte habe über sämtliche Bedingungen aufgeklärt. Die Beklagte habe über die zeitliche Geltung, die persönliche Geltung, die Höhe des Rabatts, nämlich 50 % auf den privaten Eigenanteil des Versicherten beim Kauf des zweiten Hörgeräts, informiert. Es sei auch über die sachliche Geltung informiert worden, indem erläutert worden sei, dass der Rabatt beim Kauf von zwei Hörgeräten auf den privaten Anteil des zweiten Hörgeräts beim Kauf eines Geräts der Spitzenklasse gewährt werde. Die Klägerin selbst habe vorgetragen und belegt (Anlage K 5; GA 55), dass die Kategorie "Spitzenklasse" der Beklagten eindeutig definiert sei. Hierzu gehörten sämtliche Hörgeräte, bei denen der gesetzlich Krankenversicherte einen Betrag von mehr als 1.999,- € als privaten Eigenanteil zuzahlen müsse.

Es sei falsch, wenn das Landgericht meine, die Angabe, der Rabatt beziehe sich auf den privaten Eigenanteil, müsse sich bereits im Blickfang befinden. Auch sei der Sternchenvermerk nicht zu klein; er trete auch nicht in den Hintergrund.

Unzutreffend sei auch die Auffassung, dass die Werbung der Beklagten offen lasse, ob die Rabattgewährung auch die gesetzliche Zuzahlung erfasse.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Münster vom 28.10.2010 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin hat die Klage im Hinblick auf die vorgerichtlichen Abmahnkosten (Klageantrag zu 2.) zurückgenommen und im Übrigen beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Die erstmalig in der Berufungsbegründung aufgestellte und damit gemäß § 531 Abs. 2 ZPO präkludierte Behauptung der Beklagten, Adressaten der streitgegenständlichen Werbung seien nur gesetzlich krankenversicherte Personen, sei unrichtig. Es treffe auch nicht zu, dass die angesprochenen Verkehrskreise daran gewöhnt seien, dass bei der Werbung zwischen privaten Eigenanteilen und Zuzahlungen der gesetzlichen Krankenversicherung differenziert werde und darüber hinaus Erläuterungen erst in Sternchenvermerken erfolgen würden.

Die vorliegende Blickfangwerbung enthalte objektiv unrichtige Angaben. Schon die blickfangmäßig hervorgehobene Werbeaussage "50 % Rabatt" auf rotem Stern mit Schattenwurf sei objektiv falsch. Denn Rabattangaben bezögen sich, wenn nichts anderes angegeben werde, auf den Endpreis und würden vom Verbraucher so verstanden. Dies gelte vorliegend insbesondere vor dem Hintergrund, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für Brillen nur mit Endpreisen, also Selbstzahlerpreisen, nicht dagegen mit Eigenanteilen geworben werden dürfe. Für Hörgeräte gelte nichts anderes.

Auch die Aussage aus dem zweiten Blickfang, auf das zweite Hörgerät werde 50 % Rabatt gewährt, sei objektiv falsch. Denn diese Aussage könne nur in dem Sinne verstanden werden, dass auf das gesamte zweite Hörgerät 50 % Rabatt gewährt werde und nicht nur auf einen Teil desselben, nämlich auf den Eigenanteil.

Eine Richtigstellung in der Sternchenfußnote sei in der gebotenen Deutlichkeit nicht erfolgt. Dies ergebe sich daraus, dass es zwei blickfangmäßig herausgestellte Werbeaussagen gebe, in denen sich jeweils hinter dem Wort Rabatt ein Sternzeichen befinde. Damit sei nicht sichergestellt, dass die Sternchenfußnote am unteren Rand überhaupt noch wahrgenommen werde. Vielmehr werde der Blick des Lesers zunächst auf den größeren Blickfang fallen. Aufgrund des Sternchens werde er auf der Suche nach einer Erklärung auf das Sternchen in der zweiten Blickfangwerbung stoßen und weniger auf die Sternchenfußnote. Hinzu komme, dass die Sternchenfußnote in viel zu kleinen Lettern abgebildet sei. Die Schrift sei allenfalls in Punktgröße 3 gehalten.

Unabhängig davon fehle es hier aber schon an klaren und eindeutigen Angaben der Rabattbedingungen gemäß § 4 Nr. 4 UWG. Das ergebe sich insbesondere daraus, dass nicht erläutert werde, was unter einem Hörgerät aus der "HörGut Spitzenklasse" zu verstehen sei und welche Geräte hierzu zählen.

Die Werbung verstoße auch gegen §§ 5, 5a UWG. Sie sei darüber hinaus wettbewerbswidrig gemäß §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 7 HWG. Schließlich verstoße sie auch gegen §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 1 Abs. 1 PAngV.

Auch sei die Wiederholungsgefahr trotz der Gültigkeitsangabe in dem Gutschein gegeben.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

B.

Die zulässige Berufung ist, soweit die Klage nicht zurückgenommen worden ist, unbegründet.

I.

Der Klageantrag ist bestimmt genug im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. In dem Antrag ist der Gutschein, mit dem die Beklagte geworben hat, abgebildet und damit der Gegenstand des Wettbewerbsverstoßes genau beschrieben.

II.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Unterlassungsanspruch, wie sie ihn mit Ziffer 1. ihres Klageantrags beantragt hat, gemäß §§ 8 Abs. 1, 3, 4 Nr. 4 UWG.

1.

Die Klägerin ist klagebefugt und aktivlegitimiert gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG. Die beiden Parteien betreiben jeweils Handel mit Hörgeräten in ihren Geschäften in S und sind damit Mitbewerber auf demselben Markt.

2.

Die Beklagte hat mit der beanstandeten Werbung gegen § 4 Nr. 4 UWG verstoßen. Nach dieser Vorschrift handelt unlauter, wer bei Verkaufsförderungsmaßnahmen wie Preisnachlässen, Zugaben oder Geschenken die Bedingungen für ihre Inanspruchnahme nicht klar und eindeutig angibt.

a.

Maßgeblich für die Beurteilung ist zunächst, welcher Verkehrskreis mit der Werbung angesprochen wird. Angesprochene Verkehrskreise sind die Personen, die sich für ein Hörgerät interessieren. Dieser Personenkreis lässt sich allerdings noch einmal aufteilen in einerseits gesetzlich Krankenversicherte und andererseits Privatkrankenversicherte (incl. Beihilfeberechtigte).

Sowohl in erster Instanz als auch in der Berufungsbegründung hat die Beklagte vorgetragen, dass sich ihre Werbung an gesetzlich Krankenversicherte richte. Mit ihrer Replik im Berufungsverfahren hat sie allerdings behauptet, das Angebot in dem Gutschein würde sich auch an Privatversicherte richten. Natürlich schaut zunächst auch der Privatpatient auf den Blickfang der Werbung. Liest er dann aber den Sternchenhinweis, fällt ihm sofort auf, dass dort speziell die gesetzlich Krankenversicherten angesprochen werden ("bei gesetzlicher Krankenversicherung").

Im Rahmen dieses Verkehrskreises der gesetzlich Krankenversicherten ist auf das Leitbild des Durchschnittsverbrauchers abzustellen. Zwar sind in dem Kreis dieser Verbraucher auch ältere Menschen zu finden, die möglicherweise eine Sehschwäche aufweisen. Andererseits ist hierbei aber auch zu berücksichtigen, dass typischerweise die Menschen mit Sehschwächen diese durch geeignete Brillen ausgleichen.

Für den angesprochenen Verkehrskreis gilt, dass er die Werbung mit Aufmerksamkeit zur Kenntnis nimmt; denn die Anschaffung eines Hörgerätes stellt einen deutlichen Einschnitt dar. Es geht um das Eingeständnis einer körperlichen Unzulänglichkeit, mitunter um Eitelkeiten und auch eventuell nicht geringe Beträge, die man für ein Hörgerät zahlen oder zuzahlen muss.

b.

Die Mitglieder des Senats sind in der Lage, die Vorstellungen des Verkehrskreises aufgrund eigener Sachkunde oder jedenfalls der Lebenserfahrung selbst zu beurteilen. Selbst wenn Richter in der Regel nicht gesetzlich krankenversichert sind, dürften sich durchaus in ihrem Verwandten- und Bekanntenkreis zahlreiche gesetzlich krankenversicherte Personen befinden. Im Übrigen verfügt der Senat auf Grund seiner ständigen Befassung mit Wettbewerbssachen über die erforderliche Sachkunde, um eigenständig beurteilen zu können, wie die angesprochenen Kreise die Werbeaussagen verstehen (vgl. hierzu BGH GRUR 2004, 244 - Marktführerschaft). Hinzu kommt, dass die Beklagte nicht geltend macht, dass Begriffe in der Werbung einen Bedeutungsgehalt haben, der sich nur bestimmten Menschengruppen erschließt. Es ist vom normalen Wortsinn auszugehen. Dass der verständige Leser weiß, wie sich das Entgelt für ein Hörgerät zusammensetzt (Zahlung der Krankenkasse, Eigenleistung und 10,- €) kann unterstellt werden.

c.

Die Bedingungen für den Rabatt sind im Ergebnis nicht klar und eindeutig angegeben.

Zu beurteilen ist, ob die Angaben so gestaltet sind, dass der durchschnittlich informierte und verständige Verbraucher, der das Geschehen mit einer der Situation angemessenen Aufmerksamkeit verfolgt, erkennen kann, welche Bedingungen im Einzelfall gelten. Hierbei sind die Grundsätze der Blickfangwerbung zu berücksichtigen. Danach dürfen blickfangmäßig herausgestellte Angaben für sich genommen nicht unrichtig oder auch nur für den Verkehr missverständlich sein. Eine die erforderliche Eindeutigkeit der Aussage wiederherstellende Aufklärung kann in solchen Fällen nur durch einen klaren und unmissverständlichen Hinweis erfolgen, wenn dieser am Blickfang teil hat und dadurch eine Zuordnung zu den herausgestellten Angaben gewahrt bleibt (BGH GRUR 2003, 163 - Computerwerbung II; OLG Stuttg. WRP 2007, 1115). Dies kann auch durch einen klaren und unmissverständlichen Sternchen-Hinweis geschehen, wenn dadurch die Zuordnung der Angaben möglich ist (BGH GRUR 1999, 264 - Handy für 0,00,- DM). Eine besondere Behandlung erfährt nur die dreiste Lüge. Die Werbung mit einer "dreisten Lüge" kann nicht durch einen Sternchenhinweis gerettet werden (Köhler-Bornkamm, UWG 29. Aufl., § 5 Rn 2.97).

aa.

Der Sternchenhinweis ist der Form und Gestaltung nach ausreichend in die Blickfangwerbung einbezogen. Hier gibt es zwei Bezugspunkte für den Sternchen-Hinweis: zum einen den roten Stern, in dem der Text 50 % zu lesen ist, und zum anderen der Blickfang auf der linken Seite mit eben diesem Text. Die Befürchtung der Klägerin, dass der Verbraucher den Blickfang auf der linken Seite als Erklärung für den Blickfang auf der rechten Seite (roter Stern) ansieht, ist nicht berechtigt, weil das Verweisungssternchen im Blickfang auf der linken Seite wiederum hinter dem Wort "Rabatt" platziert ist. Regelmäßig nimmt der Verbraucher an, dass das Verweisungssternchen auf eine Erklärung des ihm vorangehenden Textes hinweist. Der Sternchenhinweis selbst befindet sich räumlich in einer solchen Nähe zu den beiden Blickfängen, dass man ihn mit diesen beiden in Verbindung bringt. Auch die Schriftgröße ist nicht zu klein gehalten. Schon gar nicht handelt es sich nicht um die Schriftgröße Punkt 3. Letztlich kann es aber dahinstehen, ob der Sternchenhinweis ausreichend in den Blickfang einbezogen ist, weil der Sternchenhinweis selbst letztlich nicht den Anforderungen des § 4 Nr. 4 UWG (dazu unter ee.) genügt.

bb.

Die Ansicht der Klägerin, bei der Angabe "50 % Rabatt*" handele es sich um eine Falschangabe, weil diese nur so verstanden werden könne, dass dieser Rabatt auf den Endpreis gewährt werde, trifft nicht zu. Denn durch das Sternchen wird dem Leser klar gemacht, dass noch eine Erläuterung folgt. Es ist letztlich nicht falsch, dass ein 50 %iger Rabatt gewährt wird. Es ist lediglich so, dass diese Angabe noch nicht vollständig ist, aber dies durch das Sternchen auch angezeigt ist. Objektiv falsch wäre nur eine Angabe "50 % Rabatt auf den Endpreis". Eine solche Angabe ist im Blickfang aber nicht gemacht. Damit liegt auch keine "dreiste Lüge" vor.

Auch die Tatsache, dass grundsätzlich nur mit dem Endpreis und nicht dagegen mit Eigenanteilen (BGH NJW 1989, 101 - Brillenpreise I; GRUR 1997, 767 - Brillenpreise II), führt hier nicht zu einer objektiven Unrichtigkeit. In der Werbung der Beklagten wird gerade nicht die Höhe konkreter Eigenanteile genannt. Es wird lediglich als Anknüpfungspunkt für den Rabatt auf den von dem gesetzlich Versicherten zu zahlenden Eigenanteil Bezug genommen.

cc.

Die Werbung der Beklagten stellt ausreichend klar, dass sich der Rabatt nur auf ein zweites Hörgerät bezieht. Damit ist für den Verbraucher klar, dass er nur dann in den Genuss des Rabatts kommt, wenn er zwei Hörgeräte kauft.

dd.

Als weitere Bedingungen sind dem Sternchenvermerk zu entnehmen, dass der Käufer gesetzlich Krankenversicherter sein muss, eine ohrenärztliche Verordnung vorliegen muss und dass 10,- € als gesetzliche Zuzahlung pro Hörgerät geleistet werden. Der Wortlaut lässt - anders als die Klägerin meint - nicht die Auslegung zu, dass der Rabatt auch die Zuzahlung von 10,- € erfasst. Denn der Satzteil des Sternchenhinweises "erhalten Sie 50 % Rabatt auf den privaten Eigenanteil für das zweite Hörgerät" stellt die Vergünstigung dar, die gewährt werden soll. Die Bedingungen für diese Vergünstigung befinden sich in den beiden Satzteilen "Beim Kauf von zwei Hörgeräten aus dem … (…)" und "bei gesetzlicher Krankenversicherung und Vorlage einer ohrenärztlichen Verordnung zzgl. 10,- € gesetzlicher Zuzahlung pro Hörgerät".

Damit ist klar, dass sich der Rabatt allein auf den privaten Eigenteil (und gerade nicht auch auf die gesetzliche Zuzahlung) bezieht, den jeder gesetzlich Versicherte für bestimmte Hörgeräte zu zahlen hat.

Überdies ergibt sich aus dieser Lesart auch, dass - anders als die Klägerin meint - sich die Formulierung "bei gesetzlicher Krankenversicherung" gerade nicht grammatikalisch auf den Begriff "Eigenanteil" bezieht, so dass nicht der Schluss gezogen werden kann, dass auch Privatpatienten den Rabatt - in Höhe von 50 % des Betrages, den ein Kassenpatient als Eigenteil zu leisten hätte - erhalten sollten. Das folgt zusätzlich auch schon daraus, dass die Höhe des Eigenanteils nicht allgemeingültig ist, sondern davon abhängt, in welcher gesetzlichen Krankenkasse der Kunde versichert ist.

ee.

Jedoch ist es nicht klar und eindeutig geregelt, welche Produkte bzw. welche Hörgeräte im Einzelnen von dem Rabatt betroffen sind. Da nicht alle Hörgeräte von der Rabattierung profitieren sollen, sondern nur diejenigen aus der HörGut Spitzenklasse, hätte die Beklagte klar machen müssen, welche Geräte unter dieser Kategorie fallen. Zwar ergibt sich aus einer Unterseite im Internetauftritt der Beklagten, dass es sich bei den Hörgeräten der HörGut Spitzenklasse um solche handelt, bei denen eine Zuzahlung ab 1.999,- € zu zahlen ist. Diese Information lässt sich aber in keiner Weise aus dem Gutschein entnehmen. Insbesondere findet sich auch kein Verweis auf eine Erklärung des Begriffes "HörGut Spitzenklasse" in dem Gutschein. Der Leser des Gutscheins hat damit keine Möglichkeit sich zu erschließen, welche Hörgeräte unter die Rabattregelung fallen.

ff.

Damit verstößt die Werbung der Beklagten in ihrer Ausgestaltung gegen § 4 Nr. 4 UWG.

d.

Dieser Wettbewerbsverstoß ist auch wettbewerblich relevant und überschreitet die Bagatellgrenze des § 3 UWG. Denn aufgrund dieser Formulierung könnten Verbraucher, die die Klassifizierung wie sie im Internet aufgeführt ist, nicht kennen, davon ausgehen, dass auch Hörgeräte mit einem niedrigeren privaten Eigenanteil als 1.999,- € in die Rabattaktion fallen und veranlasst werden, das Geschäftslokal der Beklagten aufzusuchen, dort in ein Verkaufsgespräch verwickelt werden und zum Abschluss eines Geschäfts bewegt werden, wodurch die Beklagte sich ebenfalls gewichtige Wettbewerbsvorteile im Vergleich zu anderen Mitbewerbern verschafft, die sich wettbewerbskonform verhalten.

3.

Aufgrund dieses Erstverstoßes besteht auch eine Wiederholungsgefahr. Auch der Umstand, dass der Rabattgutschein befristet war bis zum 30.06.2010 steht dem nicht entgegen. Hierbei handelt es sich gerade nicht um einen einzigartigen Umstand, der einen erneuten Wettbewerbsverstoß unmöglich werden lässt. Dem steht die Vermutung entgegen, dass solche Umstände erneut auftreten werden und sich der Verstoß wiederholen wird. Dabei ist zu beachten, dass die Wiederholungsgefahr auch dann zu bejahen ist, wenn in Zukunft zwar keine identischen, aber im Kern gleichartigen Verstöße zu erwarten sind (Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Aufl., § 8 Rn 1.41). So liegt der Fall auch hier. Denn es wäre für die Beklagte ein Einfaches, dieselbe Rabattaktion erneut zu starten, dabei aber lediglich ein neues Gültigkeitsdatum für den Gutschein zu bestimmen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.






OLG Hamm:
Urteil v. 31.05.2011
Az: I-4 U 3/11


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