Landgericht Mannheim:
Urteil vom 29. Januar 2016
Aktenzeichen: 7 O 66/15
(LG Mannheim: Urteil v. 29.01.2016, Az.: 7 O 66/15)
1. Den Anforderungen des Europäischen Gerichtshofes in Sachen Huawei Technologies ./. ZTE (Urteil vom 16. Juli 2015 - C-170/13, ECLI:EU:C:2015:477 idF des Berichtigungsbeschlusses vom 15. Dezember 2015, ECLI:EU:C:2015:817), dass der Inhaber eines standardessentiellen Patents einen (angeblichen) Verletzer auf die ihm vorgeworfene Patentverletzung hinweisen und dabei das Patent bezeichnen sowie angeben soll, auf welche Weise es verletzt sein soll, kann jedenfalls durch die Übersendung sog. "Claim-Charts", also einer Gegenüberstellung der Merkmale des Klagepatents und des Standards, genügt werden, wenn die darin enthaltenen Informationen den Benutzer des Standards in die Lage versetzen, den Verletzungsvorwurf intern oder durch Hinzuziehung externen Sachverstandes zu beurteilen.
2. Soweit der Gerichtshof ausführt, dass der Patentinhaber ein konkretes schriftliches Lizenz-Angebot zu FRAND-Bedingungen zu unterbreiten hat, bedeutet dies nicht, dass das Verletzungsgericht für den Fall, dass der (angebliche) Patentverletzer - wie regelmäßig - in Abrede stellt, dass dieses Angebot FRAND-Kriterien entspricht, gehalten ist, nunmehr nach objektiven Gesichtspunkten zu entscheiden, ob das Angebot des SEP-Inhabers tatsächlich FRAND ist oder nicht. Vielmehr ist es ausreichend, wenn der Patentinhaber substantiiert darlegt, weshalb sein Angebot seiner Auffassung nach FRAND-Kriterien genügt und der (angebliche) Verletzer keine Gesichtspunkte aufzeigt, die das Angebot des Patentinhabers evident als nicht den FRAND-Kriterien entsprechend erscheinen lassen.
3. Der (angebliche) Verletzer muss dann auf dieses Angebot reagieren, selbst wenn es seiner Auffassung nach - wie regelmäßig - nicht den FRAND-Kriterien entspricht.
Tenor
I. Die Beklagte wird verurteilt,1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00 € ersatzweise Ordnungshaft € oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an den gesetzlichen Vertretern der Beklagten zu vollziehen ist, zu unterlassen,
a) Mobilstationen in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen, die in einem Mobilkommunikationssystem verwendet werden, das konfiguriert ist, eine Übertragungsrate von Benutzerdaten, die von einer Mobilstation (UE) an eine Basisstation (Knoten B) übertragen werden sollen, über einen Uplink-Übertragungsratenallokations-geteilten, physikalischen Steuerkanal (E-AGCH) unter Verwendung von Übertragungsrahmen zu steuern und Benutzerdaten von der Funkbasisstation (Knoten B) an die zumindest eine Mobilstation (UE) über einen Downlink-geteilten, physikalischen Datenkanal (HS-PDSCH) unter Verwendung von Übertragungsrahmen zu übertragen,dadurch gekennzeichnet,dass die Mobilstation (UE) konfiguriert ist, sowohl den Uplink-Übertragungsratenallokations-geteilten, physikalischen Steuerkanal (EAGCH) als auch den Downlink-geteilten, physikalischen Datenkanal (HS-PDSCH) unter der Annahme zu empfangen, dass sowohl eine Übertragungsrahmenzeitsteuerung des Downlink-geteilten, physikalischen Datenkanals (HS-PDSCH) als auch eine Übertragungsrahmenzeitsteuerung des Uplink-Übertragungsratenallokations-geteilten, physikalischen Steuerkanals (E-AGCH) zwei Schlitze später als eine Übertragungsrahmenzeitsteuerung eines Hochgeschwindigkeits-geteilten Steuerkanals (HS-SCCH) ist;[Anspruch 3]und/oder
b) anderen als zur Benutzung der Erfindung berechtigten Personen in der Bundesrepublik Deutschland Mobilstationen zur Benutzung der Erfindung im Inland anzubieten oder zu liefern, die dazu geeignet sind, in einem Mobilkommunikationssystem verwendet zu werden, das konfiguriert ist, eine Übertragungsrate von Benutzerdaten, die von einer Mobilstation (UE) an eine Funkbasisstation (Knoten B) übertragen werden sollen, über einen Uplink-Übertragungsratenallokations-geteilten, physikalischen Steuerkanal (E-AGCH) unter Verwendung von Übertragungsrahmen zu steuern und Benutzerdaten von der Funkbasisstation (Knoten B) an die zumindest eine Mobilstation (UE) über einen Downlink-geteilten, physikalischen Datenkanal (HS-PDSCH) unter Verwendung von Übertragungsrahmen zu übertragen;dadurch gekennzeichnet,dass sowohl eine Übertragungsrahmenzeitsteuerung des Downlink-geteilten, physikalischen Datenkanals (HS-PDSCH) als auch eine Übertragungsrahmenzeitsteuerung des Uplink-Übertragungsratenallokations-geteilten, physikalischen Steuerkanals (E-AGCH) zwei Schlitze später als eine Übertragungsrahmenzeitsteuerung eines Hochgeschwindigkeits-geteilten Steuerkanals (HS-SCCH) ist.[Anspruch 1]
2. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie (die Beklagte) die zu Ziffer 1 bezeichneten Handlungen seit dem 30. Dezember 2009 begangen hat, und zwar unter Angabe
a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
c) der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden;wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
3. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie (die Beklagte) die zu Ziffer 1) bezeichneten Handlung seit dem 30. Januar 2010 begangen haben und zwar unter Angabe:
a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen, und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, -preisen, und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
4. die im unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder Eigentum der Beklagten befindlichen, unter Ziffer 1. a) bezeichneten Erzeugnisse an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf ihre - der Beklagten - Kosten herauszugeben;
5. die unter Ziffer 1. a) bezeichneten, seit dem 30. Dezember 2009 in die Vertriebswege gelangten Erzeugnisse gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den gerichtlich (Urteil des Landgerichts Mannheim vom 29. Januar 2016 € 7 O 66/15) festgestellten patentverletzenden Zustand der Sache und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und die Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen.II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzten, der ihr durch die zu Ziffer I. 1. bezeichneten, seit dem 30. Januar 2010 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
III. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von jeweils EUR 3.000.000 hinsichtlich Ziffern I. 1. a) und b) (Unterlassung), I. 4. (Vernichtung) und I. 5. (Entfernung aus den Vertriebswegen/Rückruf) und in Höhe von EUR 50.000 hinsichtlich Ziffern I. 2. und I. 3. (Auskunft/Rechnungslegung) sowie in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags hinsichtlich III. (Kosten).
Tatbestand
Die Klägerin macht gegen die Beklagte Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung, Vernichtung, Rückruf aus den Vertriebswegen sowie Feststellung der Schadensersatzverpflichtung aufgrund einer behaupteten Verletzung des europäischen Patents EP 1 914 945 geltend.
Die Klägerin ist Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents EP 1 914 945, das ein mobiles Kommunikationssystem, eine Funkbasisstation, eine Mobilstation und ein mobiles Kommunikationsverfahren betrifft (im Folgenden: Klagepatent). Die Erteilung des in Kraft stehenden Klagepatents wurde am 30. Dezember 2009 veröffentlicht. Das Klagepatent wurde am 2. Februar 2006 angemeldet und nimmt die Priorität der japanischen Schrift JP 2005027102 in Anspruch, die ihrerseits als Zeitrang den 2. Februar 2005 für sich beansprucht.
Die Klägerin ist die größte Mobilfunknetzbetreiberin in [...] und Inhaberin zahlreicher Schutzrechte auf dem Gebiet der mobilen Telekommunikation und hat sich in die Standardisierung in diesem Sektor eingebracht. Über die konzernverbundene Gesellschaft [...] ist sie Mitglied bei der europäischen Standardisierungsorganisation ETSI (European Telecommunications Standards Institute) und hat dort Schutzrechte, hierunter das Klagepatent, als für den UMTS-Standard essentiell deklariert. Der UMTS-Standard beruht auf Mobilfunkstandards des 3GPP (3rd Generation Partnership Project), dessen technische Spezifikationen durch ETSI übernommen wurden.
Die Beklagte ist die deutsche Vertriebsniederlassung der [...] mit Sitz in [...]. Sie bewirbt und vertreibt im Inland u.a. Mobiltelefone und Tablet-Computer, die gemäß dem UMTS-Standard und hier insbesondere gemäß der darin niedergelegten HSUPA (High Speed Uplink Packet Access)-Technologie, die im Kontext von UMTS auch als EUL (Enhanced Uplink Technologie) bezeichnet wird, arbeiten können (im Folgenden: angegriffene Ausführungsformen).
Die Klägerin macht die Ansprüche 3 und 1 des Klagepatents geltend, die in der Verfahrenssprache des Patents den nachfolgenden Wortlaut haben:
A mobile station UE used in a mobile communication system configured to control a transmission rate of user data to be transmitted from a mobile station UE to a radio base station Node B via an uplink transmission rate allocation shared physical control channel E-AGCH using transmission frames, and to transmit user data from the radio base station Node B to the mobile station UE via a downlink shared physical data channel HS-PDSCH using transmission frames;characterized in thatthe mobile station UE is configured to receive the uplink transmission rate allocation shared physical control channel E-AGCH and the downlink shared physical data channel HS-PDSCH on the assumption that both of a transmission frame timing of the downlink shared physical data channel HS-PDSCH and a transmission frame timing of the uplink transmission rate allocation shared physical control channel E-AGCH are two slots later than a transmission frame timing of a high speed shared control channel HS-SCCH.[Anspruch 3]
A mobile communication system configured to control a transmission rate of user data to be transmitted from a mobile station UE to a radio base station Node B via an uplink transmission rate allocation shared physical control channel E-AGCH using transmission frames, and to transmit user data from the radio base station Node B to the mobile station UE via a downlink shared physical data channel HS-PDSCH using transmission frames;characterized in thatboth of a transmission frame timing of the downlink shared physical data channel HS-PDSCH and a transmission frame timing of the uplink transmission rate allocation shared physical control channel E-AGCH are two slots later than a transmission frame timing of a high speed shared control channel HS-SCCH.[Anspruch 1]
Hinsichtlich der Einzelheiten des Klagepatents, insbesondere der Beschreibung und der Figuren, wird auf die Klagepatentschrift (Anlage [...] A 1) verwiesen.
Die HSUPA (High Speed Uplink Packet Access)-Technologie, anhand dessen die Klägerin den Verletzungssachverhalt erläutert und die sie als zur Nutzung des Standards essentiell vorstellt, wird im UMTS-Standards näher durch Technische Spezifikationen (TS) erläutert, die seit dem Release 6 des UMTS-Standards verpflichtend vorgeschrieben sind. Zu diesen Spezifikationen zählen die TS 125 211, Version 6.9.0 (Januar 2008) (= Anlage [...] A 7), die TS 125 309 Version 6.6.0 (März 2006) (= Anlage [...] A 8) und TS 125 321, Version 6.8.0 (März 2006) (= Anlage [...] A 9), die verschiedene physikalische Kanäle einführen, über die Steuer- und Nutzerinformationen sowohl im Downlink von der Basisstation zur Mobilstation als auch im Uplink in umgekehrter Richtung eingesetzt werden. Zu diesen in den Standarddokumenten vorgestellten Kanälen zählen der HS-PDSCH (High Speed Physical Downlink Shared Channel), der E-AGCH (E-DCH Absolute Grant Channel) und der HS-SCCH (High Speed Shared Control Channel). Die Standarddokumente beschreiben insbesondere, in welchem zeitlichen Verhältnis diese Datenkanäle zueinander für die Übertragung von Daten nach dem UMTS-Standard genutzt werden.
Nach dem UMTS-Standard wird im Downlink von der Basisstation zur Mobilstation der HS-PDSCH als geteilter physikalischer Kanal genutzt, dessen Ressourcen dynamisch geteilt von mehreren Nutzern in Anspruch genommen werden. Dieser Kanal ist in Unterrahmen (Sub-frames) von jeweils zwei Millisekunden Zeitdauer geteilt, wobei jeder sub-frame seinerseits drei slots mit jeweils 2560 Chips aufweist. Dieser Kanal wird durch den HS-SCCH als Steuerkanal gesteuert, über den etwa Kontrollinformationen von der Basisstation zur Mobilstation übertragen werden können, die der Mobilstation den korrekten Empfang der über den HS-PDSCH übertragenen Nutzerdaten ermöglichen. Auch dieser Steuerkanal weist die gleiche Untergliederung in Sub-frames von zwei Millisekunden Zeitdauer auf, wobei sich jeder Unterrahmen des Steuerkanals HS-SCCH auf einen definierten Unterrahmen des HS-PDSCH bezieht. Damit die Nutzerdaten von der Mobilstation zugeordnet und korrekt empfangen werden können, wird der HS-SCCH zeitlich vor dem HS-PDSCH übertragen. Gemeinsam teilen sich diese beiden Kanäle, HS-SCCH als Steuerkanal und HS-PDSCH als der die Nutzerdaten übertragende Kanal, die Ressourcen im Downlink zur Mobilstation.
Im Uplink werden die Nutzerdaten nach dem UMTS-Standard über einen als E-DPDCH (Enhanced Dedicated Physical Data Channel) bezeichneten Kanal übertragen. Die Sendeleistung dieses Kanals wird von der Basisstation kontrolliert. Zu diesem Zweck übermittelt die Basisstation der Mobilstation eine absolute Bewilligung (absolute grant) der Sendeleistung über den E-AGCH-Kanal, damit jene weiß, welche Ressourcen ihr zur Übertragung der Nutzerdaten an die Basisstation zur Verfügung stehen. Der E-AGCH ist gleichfalls in Sub-frames von zwei Millisekunden Zeitdauer untergliedert. Neben dem HS-SCCH und dem HS-PDSCH nutzt mithin als dritter Kanal der E-AGCH die zur Verfügung stehenden Ressourcen im Downlink.
Standardgemäß überträgt der HS-PDSCH mit einem Offset von 5120 chips, also zwei Schlitze (2560 chips x2 = 5120 chips), zum HS-SCCH, wie sich aus Figur 35 der TS 125.211 Ziffer 7.8 (Anlage [...] A 7) ergibt:
Nach dem Standard ist der HS-SCCH wiederum mit dem P-CCPCH Primary Common Control Physical Chanel) synchronisiert, wie sich aus der nachstehenden Figur der TS 125 211, dort Ziffer 7.1 ergibt:
Im Nachgang zu dieser Figur führt der Standard aus, dass der Beginn des HS-SCCH Unterrahmens #0 mit dem Beginn der P-CCPCH Rahmen übereinstimmt:
Weiter wird standardgemäß der erste Unterrahmen des E-AGCH 5120 chips und somit zwei Schlitze nach dem P-CCPCH übertragen, wie die nachfolgende Figur aus Ziffer 7.12 der TS 125 211 zeigt:
Die Klägerin übersendete der Konzernmutter der Beklagten am 7. April 2014 Claim-charts (Anlage [...] A12E) sowie am 15. Juli 2014 ergänzte Claim-charts (Anlage [...] A12I), die eine Gegenüberstellung der Merkmale der Ansprüche 3 und 4 des Klagepatents und des ETSI-Standards enthalten und erläuterte diese am 8. Juli 2014 nochmals in einer Präsentation (Anlage [...] A12H). Die Klägerin übersendete am 19. März 2014 einen ausformulierten Lizenzvertrag als Angebot an die Konzernmutter der Beklagten (Anlage [...] A13) und erläuterte die Bedingungen und insbesondere die Berechnung der Lizenz mehrfach noch vor Klageerhebung im April 2015 (Powerpoint-Präsentation Anlage [...] A12D, Emails nach Anlagen [...] A12 E und [...] A 12Q). Die Beklagte unterbreitete der Klägerin erstmals am 30. Oktober 2015 ein Lizenzvertragsangebot (Anlage [...] A 37), das unter anderem eine Laufzeit von drei Jahren und eine Zahlung von Lizenzgebühren nur für einige Länder, in denen die Beklagte ihre Produkte vertreibt, vorsieht. Dieses Angebot lehnte die Klägerin durch Email vom 12. November 2015 ab (Anlage [...] 39). Die Beklagte leistete keine Sicherheit, sondern stellte eine solche lediglich in Aussicht, wobei sie die Sicherheit ausschließlich auf der Grundlage der in der Bundesrepublik Deutschland verkauften Endgeräte berechnete. Dieses Angebot wies die Klägerin zurück und bestand auf einer Sicherheit, die sich auf die weltweiten Verkäufe von 3G und LTE kompatiblen Endgeräten durch [...] bezieht.
Die Klägerin ist der Auffassung,dass neben den zwischen den Parteien außer Streit stehenden Merkmalen des Anspruchs 3 bzw. 1 auch das (jeweilige) Merkmal 4 durch den Standard verwirklicht werde. Insoweit sei allein entscheidend, dass neben dem HS-PDSCH auch der E-AGCH zwei Zeitschlitze später als der Steuerkanal HS-SCCH übertragen werde. Dass der Standard diesen zeitlichen Zusammenhang in seiner Darstellung der zeitlichen Verhältnisse der Kanäle zueinander dadurch zum Ausdruck bringe, dass zunächst der entsprechende zeitliche Zusammenhang zwischen dem E-AGCH mit dem P-CCPCH dargestellt werde, der seinerseits aber gleichlaufend mit dem HS-SCCH sei und sich damit der von Merkmal 4 geforderte zeitliche Zusammenhang über die Synchronisierung des P-CCPCH mit dem HS-SCCH ergebe, sei patentrechtlich ohne Belang. Insbesondere verfange aus diesem Grund nicht das Argument der Beklagten, ihre Endgeräte seien allein auf den P-CCPCH synchronisiert und würden mithin nicht unter der von Merkmal 4 vorgesehenen Erwartungshaltung empfangen.
Eine Aussetzung des Rechtsstreits mit Blick auf die beim Bundespatentgericht erhobene Nichtigkeitsklage sei nicht angezeigt, da sich das Klagepatent als rechtsbeständig erweisen werde. Der Fachmann entnehme der D1a den von Merkmal 4 geforderten zeitlichen Zusammenhang nicht eindeutig und unmittelbar als zur dortigen Erfindung offenbart.
Zudem treffe auch die D2 den Gegenstand des Klagepatents nicht neuheitsschädlich. Das Dokument sei nachveröffentlicht und daher unbeachtlich, weil das Klagepatent die von ihm beanspruchte Priorität zurecht in Anspruch nehme.
Schließlich verfange auch der von der Beklagten erhobene kartellrechtliche Zwangslizenzeinwand nicht. Die Klägerin habe sämtliche der ihr nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs obliegenden Pflichten bereits im Vorfeld der Klageerhebung erfüllt, wohingegen die Beklagte eine Verzögerungstaktik verfolge. Hinsichtlich der der Inhaberin eines SEPs obliegenden Pflicht, den vermeintlichen Verletzer vor Klageerhebung über die Verletzung zu informieren, müsse gesehen werden, dass ein herstellenden Unternehmen nach wie vor gehalten sei, vor Aufnahme einer Benutzungshandlungen die Schutzrechtslage zu prüfen. Die vom Gerichshof statuierte Hinweisobliegenheit des Patentinhabers solle nur gewährleisten, dass der Inanspruchgenommene angesichts der großen Anzahl von SEPs, aus denen ein Standard bestehe, nicht sicher sein könne, dass jener über die Benutzung eines standardessentiellen Patents wisse. Der Hinweis habe mithin allein der Funktion, den Verletzer auf die Relevanz des jeweiligen Patents hinzuweisen, ohne dass hieraus abzuleiten sei, dass der Patentinhaber nunmehr demjenigen, der unter dem Standard produziere, jede Prüfobliegenheit abnehmen müsse. Diese Pflicht habe die Klägerin überobligatorisch durch Übersendung von Claim-charts erfüllt. Zudem habe die Klägerin frühzeitig vor Klageerhebung ein Lizenzvertragsangebot übersendet und dieses im Nachgang erläutert und somit auch die diesbezüglich vom Gerichtshof formulierte Obliegenheit erfüllt.
Die Klägerin b e a n t r a g t:
wie erkannt.
Die Beklagte b e a n t r a g t,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise: Den Rechtsstreit bis zur Entscheidung des Bundespatentgerichts im Nichtigkeitsverfahren über den Rechtsbestand des deutschen Teils des europäischen Patents EP 1 914 945 B1 auszusetzen.
Die Beklagte ist der Auffassung,dass eine dem (jeweiligen) Merkmal 4 entsprechende Konfiguration bei den angegriffenen Ausführungsformen nicht vorliege und damit eine Verletzung des Klagepatents ausscheide. Diese empfingen den E-AGCH und HS-PDSCH nicht in der Erwartung, dass diese Kanäle zeitlich um zwei Slots zum HS-SCCH versetzt empfangen würden. Denn jene seien nach dem Standard ausschließlich auf den P-CCPCH synchronisiert.
Zudem werde sich das Klagepatent auch nicht als rechtsbeständig erweisen, weshalb der Rechtsstreit jedenfalls gem. § 148 ZPO zur Entscheidung über die von ihr beim Bundespatentgericht angebrachte Nichtigkeitsklage auszusetzen sei. Denn zum einen fehle es dem Klagepatent gegenüber der D1a (ERICSSON) an der Neuheit. In diesem Dokument werde insbesondere auch der nach Merkmal 4 erforderliche zeitliche Zusammenhang zwischen der Übertragung der Kanäle gezeigt, wie sich der Figur 1 entnehmen lasse.
Neuheitsschädlich sei zum anderen auch das Dokument D2a. In diesem Dokument wird vorgeschlagen, den E-AGCH zwei Schlitze später als den P-CCPCH, als auch zwei Schlitze später als den HS-SCCH, zu senden (D2a, Kap. 7.12, S. 12). Die Schrift sei zwar nachveröffentlicht, aber gleichwohl neuheitsschädlich, weil das Klagepatent die beanspruchte Priorität zu Unrecht in Anspruch nehme. Das Prioritätsdokument (Anlage MN 3) lehre nämlich allein eine Synchronität von E-AGCH und HS-PDSCH und eine Übermittlung des HS-PDSCH zwei Schlitze später als der HS-SCCH. Das Dokument erkläre sich nur zur Synchronisierung von E-AGCH und HS-PDSCH, thematisiere aber nicht die zeitliche Verschiebung des E-AGCH gegenüber dem HS-SCCH.
Die Beklagte könne der Klägerin zudem den kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwand entgegenhalten. Sie sei Adressatin des Art 102 AEUV, da sie eine marktbeherrschende Stellung innehabe und sie missbrauche diese auch. Sie habe die Beklagte nicht ausreichend über den Verletzungstatbestand informiert. Hierfür bedürfe es einer Unterrichtung, die jedenfalls so detailliert sein müssen, wie es für eine schlüssige Unterlassungsklage erforderlich sei. Die übersendeten Claim-charts seien nicht ausreichend gewesen und bezögen sich lediglich auf die Ansprüche 3 und 4, wohingegen mit der Klage nunmehr die Ansprüche 1 und 3 geltend gemacht würden. Zudem sei in den Claim-charts nicht ersichtlich, dass die zur Darlegung des Verletzungsvorwurfs in Bezug genommenen Standardstellen obligatorisch umzusetzen und nicht bloß optional seien. Überdies sei die Berechnungsgrundlage des der Konzernmutter der Beklagten unterbreiteten Lizenzangebots nicht transparent genug gemacht worden. Weder habe die Klägerin ihre angeblichen Anteile am WCDMA- und LTE-Lizenzpool nachgewiesen, noch bewiesen, dass tatsächlich Dritte die Poollizenz für die jeweiligen Lizenzpoolprogramme bezahlen würden. Ferner sei als kleinste handelbare Einheit nicht das mobile Endgerät, sondern lediglich der darin verwendte Chipsatz in den Blick zu nehmen, weil nur dieser die Erfindung € angeblich - ausführe. Das Angebot entspreche damit nicht FRAND-Bedingungen und löse damit schon keine Verpflichtung der Beklagten aus, hierauf mit einem Gegenangebot und ggf. einer Sicherheitsleistung zu reagieren. Allerdings habe die Beklagte dennoch ein solches, FRAND-Bedingungen entsprechendes Gegenangebot unterbreitet und eine vernünftige Sicherheitsleistung in Aussicht gestellt.
Schließlich stelle die klageweise Durchsetzung des Klagepatents auch einen Verstoß gegen Art. 101 AEUV dar, weshalb die Klägerin die Durchsetzung desselben nach § 33 GWB zu unterlassen habe.
Hinsichtlich der Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und das Protokoll über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.
Gründe
Die nach § 32 ZPO und Art. 5 Nr. 3 EuGVVO aF i.V.m. § 14 ZuVOJu zulässige Klage ist begründet, weshalb die Beklagte wie beantragt wegen der Verletzung des Klagepatents zu verurteilen war. Die Beklagte macht durch den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsformen von der Lehre des Klagepatents Gebrauch (I.). Die Beklagte kann den von der Klägerin geltend gemachten Ansprüchen keine kartellrechtlichen Einwendungen entgegenhalten (II.). Der Rechtsstreit ist auch nicht mit Blick auf die von der Beklagten erhobene Nichtigkeitsklage auszusetzen, weil keine überwiegende Wahrscheinlichkeit besteht, dass das Klagepatent sich nicht als rechtsbeständig erweisen wird (III.).
I. Die Beklagte macht durch den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsformen von der Lehre des Klagepatents Gebrauch. Die Beklagte verletzt daher Anspruch 3 unmittelbar wortsinngemäß und Anspruch 1 mittelbar.
1. Das Klagepatent betrifft die Nutzung von Übertragungsressourcen in einem Mobilfunkkommunikationssystem, welches aus einer Basisstation und einer Mobilstation besteht. Das Klagepatent beschreibt, dass die Erfindung sich mit der möglichst effizienten Nutzung der für den Uplink und Downlink zur Verfügung stehenden Ressourcen beschäftigt. Hintergrund des Klagepatents sind dabei die Funktionalitäten des UMTS (Universal Mobile Telecommunications System)-Standards der dritten Generation (€3GPP€), weshalb das Klagepatent in der Beschreibung die nach diesem Standard vorgesehenen verschiedenen Nutzdaten- und Steuerkanäle und ihre Bezeichnung im UMTS-Standard anspricht. Das Klagepatent beschäftigt sich dabei insbesondere mit dem Downlink, d.h. der Kommunikation von der Basisstation zur Mobilstation. Diese Kommunikation erfolgt über drei Kanäle, die sich die für den Downlink zur Verfügung stehenden Ressourcen teilen. Zum einen sieht der UMTS-Standard den HS-PDSCH (High Speed Physical Downlink Shared Channel)-Kanal vor, der als geteilter Kanal von mehreren Nutzern dynamisch genutzt wird. Über diesen Kanal werden Nutzdaten übertragen, wobei die Übertragung in Unterrahmen (Sub-frames) erfolgt, in die der Kanal gegliedert ist und die jeweils 2 Millisekunden Zeitumfang haben, wobei jeder Unterrahmen 3 Slots aufweist. Die Unterrahmen sind individuellen Nutzern zugeordnet und enthalten Informationen für den jeweiligen Nutzer. Die Menge der Nutzdaten, die über den HS-PDSCH gesendet werden können, hängt von der Qualität der Downlinkverbindung und der verfügbaren Übertragungskapazität der Basisstation ab und ändert sich ständig, sodass sich auch die Datenmenge, die an Nutzdaten über den HS-PDSCH übertragen werden, kann ständig in Abhängigkeit dieser Parameter verändert. Der HS-PDSCH wird durch den HS-SCCH (High Speed Shared Control Channel)-Kanal gesteuert. Über diesen Kanal werden gleichsam die Metadaten übertragen, die wie Kontrollinformationen und Steuerinformationen, die der Mobilstation überhaupt erst den korrekten Empfang der über den HS-PDSCH gesendeten Nutzdaten ermöglichen. Somit stehen diese beiden Kanäle in einer inhaltlichen Beziehung zueinander. Der HS-SCCH-Kanal ist in gleicher Weise wie der HS-PDSCH gegliedert. Um seine steuernde Funktion erfüllen zu können, wird er zeitlich zwei Slots vor dem HS-PDSCH übertragen, wobei sich jeder Unterrahmen des HS-SCCH auf einen solchen des HS-PDSCH bezieht. Die Basisstation verteilt die Ressourcen zwischen den beiden Kanälen, wobei die Ressourcen zunächst dem Steuerkanal HS-SCCH zugewiesen werden und der Rest des verfügbaren Volumens sodann für den HS-PDSCH zur Verfügung steht. Das Klagepatent hebt hervor, dass die insgesamt zur Verfügung stehenden Ressourcen aufgrund des Zeitversatzes zwischen den beiden Kanälen nicht optimal genutzt werden können. Denn wenn sich der Ressourcenbedarf für den Steuerkanal HS-SCCH reduziert, werden zwar eigentlich diese Ressourcen frei und stünden für die Übertragung von Nutzdaten zur Verfügung. Indes ist die Nutzung dieser frei gewordenen Ressourcen im Stand der Technik aufgrund der Überlappung der versetzt gesendeten Rahmen nicht möglich. Für den Uplink von der Mobilstation zur Basisstation nutzt der UMTS-Standard die Enhanced Uplink Technology (HSUPA). Die Nutzdaten werden über den E-DPDCH (Enhanced Dedicated Physical Data Channel)-Kanal übertragen, dessen Sendeleistung von der Basisstation kontrolliert wird. Hierzu übermittelt die Basisstation im Downlink über einen weiteren Kanal Informationen, insbesondere die Sendeleistung über den sog. E-AGCH (Enhanced Absolute Grant Channel)-Kanal, der ebenso wie der HS-PDSCH und der HS-SCCH gegliedert ist. Da dieser Kanal gleichfalls im Downlink genutzt wird, mindert er auch die für die Nutzdaten im Downlink zur Verfügung stehenden Ressourcen. Das Klagepatent erklärt es sich zur Aufgabe, die Ressourcen im Downlink zwischen den drei Kanälen HS-SCCH, HS-PDSCH und E-AGCH möglichst effizient so zu verteilen, dass möglichst viele Nutzdaten im Downlink im HS-PDSCH-Kanal übertragen werden können. Hierzu schlägt das Klagepatent vor, nicht die beiden Steuerkanäle HS-SCCH und E-AGCH synchron mit Versatz zum Nutzdatenkanal HS-PDSCH zu übertragen, wie dies in Figur 10 mit den daraus resultierenden negativen Folgen für die Ressourcenallokation grafisch dargestellt ist:
sondern den HS-SCCH mit zeitlichem Versatz zu den synchron gesendeten Kanälen E-AGCH und HS-PDSCH zu übertragen wie in Figur 11 mit den entsprechenden positiven Auswirkungen für das für den HS-PDSCH zur Verfügung stehenden Datenvolumen gezeigt:
2. Diese als Erfindung beanspruchte Lösung beansprucht das Klagepatent mit den Ansprüchen 1 und 3, die sich wie folgt gliedern lassen:
Anspruch 3:
E1 Mobilstation, die in einem Mobilkommunikationssystem verwendet wird,E2 das konfiguriert ist, eine Übertragungsrate von Benutzerdaten, die von einer Mobilstation (UE) an eine Basisstation (Knoten B) übertragen werden sollen, zu steuern,E2.1 über einen Uplink-Übertragungsratenallokations-geteilten, physikalischen Steuerkanal (E-AGCH)E2.2 unter Verwendung von ÜbertragungsrahmeE3 und Benutzerdaten von der Funkbasisstation (Knoten B) an die zumindest eine Mobilstation (UE) zu übertragenE3.1 über einen Downlink-geteilten, physikalischen Datenkanal (HS-PDSCH)E3.2 unter Verwendung von Übertragungsrahmen,E4 dadurch gekennzeichnet, dass die Mobilstation (UE) konfiguriert ist, sowohl den Uplink-Übertragungsratenallokations-geteilten, physikalischen Steuerkanal (E-AGCH) als auch den Downlink-geteilten, physikalischen Datenkanal (HS-PDSCH) unter der Annahme zu empfangen, dass sowohl eine Übertragungsrahmenzeitsteuerung des Downlink-geteilten, physikalischen Datenkanals (FIS-PDSCH) als auch eine Übertragungsrahmenzeitsteuerung des Uplink-Übertragungsratenallokations-geteilten, physikalischen Steuerkanals (E-AGCH) zwei Schlitze später als eine Übertragungsrahmenzeitsteuerung eines Hochgeschwindigkeitsgeteilten Steuerkanals (HS-SCCH) ist.
Anspruch 1:
S1 Mobilkommunikationssystem,S2 das konfiguriert ist, eine Übertragungsrate von Benutzerdaten, die von einer Mobilstation (UE) an eine Funkbasisstation (Knoten B) übertragen werden sollen, zu steuernS2.1 über einen Uplink-Übertragungsratenallokations-geteilten, physikalischen Steuerkanal (E-AGCH)S2.2 unter Verwendung von ÜbertragungsrahmenS3 und Benutzerdaten von der Funkbasisstation (Knoten B) an die zumindest eine Mobilstation (UE) zu übertragenS3.1 über einen Downlink-geteilten, physikalischen Datenkanal (HS-PDSCH)S3.2 unter Verwendung von Übertragungsrahmen;S4 dadurch gekennzeichnet, dass sowohl eine Übertragungsrahmenzeitsteuerung des Downlink-geteilten, physikalischen Datenkanals (HS-PDSCH) als auch eine Übertragungsrahmenzeitsteuerung des Uplink-Übertragungsratenallokations-geteilten, physikalischen Steuerkanals (E-AGCH) zwei Schlitze später als eine Übertragungsrahmenzeitsteuerung eines Hochgeschwindigkeitsgeteilten Steuerkanals (HS-SCCH) ist.
3. Zwischen den Parteien steht zurecht bis auf das Merkmal E4 bzw. S4 außer Streit, dass die angegriffenen Ausführungsformen von den übrigen Merkmalen der geltend gemachten Ansprüche 1 und 3 Gebrauch machen. Zudem machen die angegriffenen Ausführungsformen aber auch von Merkmal E4 bzw. S4 Gebrauch.
a) Das Merkmal erfordert nach seinem Wortlaut, dass der E-AGCH und der HS-PDSCH über ihre jeweilige Übertragungsrahmenzeitsteuerung zwei Schlitze später gesendet werden als der HS-SCCH nach seiner Übertragungsrahmenzeitsteuerung gesendet wird. Soweit der Vorrichtungsanspruch 3 betroffen ist, muss die Mobilstation konfiguriert sein, diese Kanäle dieser Annahme entsprechend zu empfangen. Das Merkmal beschreibt damit nicht etwa ein Übertragungszeitintervall, sondern gibt den zeitlichen Versatz der angesprochenen Kanäle zueinander an (vgl. Abschnitt 68, Sp. 8 Z. 15 ff.: €...to transmit HS-SCCH subframes at predetermined time framing (i.e., at the timing two slots earlier than the frame timing of the HS-PDSCH€). Dies ergibt sich auch aus der Figur 11, der einen entsprechenden zeitlichen Versatz grafisch darstellt. Der Fachmann erkennt dabei, dass es zur Realisierung der vom Klagepatent vorgeschlagenen Lösung allein darauf ankommt, dass der so beschriebene zeitliche Versatz tatsächlich besteht, weil dann frei gewordenen Ressourcen für die Übertragung der Nutzdaten im HS-PDSCH eingesetzt werden können. Ob dies durch eine technische Festlegung erfolgt, die unmittelbar dieses zeitliche Verhältnis der Übertragung von HS-SCCH zu E-AGCH und HS-PDSCH beschreibt oder ob die tatsächliche Taktung sich in der technischen Festlegung daraus ergibt, dass die drei angesprochenen Kanäle zu anderen, im Patent nicht angesprochenen Kanäle synchronisiert werden, aber gleichfalls der von Merkmal 4 geforderte Versatz von zwei Schlitzen zwischen HS-SCCH einerseits und HS-PDSCH sowie E-AGCH andererseits erzielt wird, ist aus fachmännischer Sicht bedeutungslos.
b) Das Verteidigungsargument der Beklagten, eine Konfiguration, derzufolge die angegriffenen Ausführungsformen den E-AGCH unter der Annahme empfangen, dass er zwei Schlitze später als der HS-SCCH übertragen werde, sei in selbigen nicht implementiert, kann die Kammer nicht überzeugen. Denn im Kern erschöpft sich die Beanstandung der Beklagten darin, dass im Standard nicht expressis verbis steht, dass der E-AGCH zwei Schlitze später als der HS-SCCH gesendet wird. Dieses zeitliche Verhältnis ergibt sich vielmehr über einen bei der Lektüre des Standards zu leistenden gedanklichen Zwischenschritt aus den Erläuterungen des TS 125.211. Denn dieser beschreibt zum einen, der E-AGCH werde zwei Schlitze nach dem weiteren Kanal P-CCPCH übertragen (TS 125 211 Ziffer 7.12 Figur 39), und zum anderen wird an anderer Stelle vom Standard erläutert (vgl. Figur 29 Abschnitt 7.1 der TS 125 211), dass der HS-SCCH und der P-CCPCH zeitgleich übertragen werden. Damit steht fest, dass auch der E-AGCH zwei Schlitze später als der HS-SCCH übertragen wird. Dass ferner auch der HS-PDSCH zwei Schlitze später als der HS-SCCH übertragen wird, ist unmittelbar aus Figur 35, Abschnitt 7.8 der TS 125 211 ersichtlich. Damit ergibt sich aus dem Standard, dass genau wie von Merkmal 4 gefordert der E-AGCH und der HS-PDSCH zwei Schlitze später als der HS-SCCH übertragen werden. Da die angegriffenen Ausführungsformen nach dem LTE-Standard arbeiten und somit auch ausgebildet sind, die Kanäle wie im Standard vorgesehen zu empfangen, sind sie auch ausgebildet, die Kanäle unter der Annahme des in Merkmal beschriebenen zeitlichen Verhältnisses zu empfangen. Dass dabei der Versatz zwei Schlitze beträgt, steht zwischen den Parteien zurecht außer Streit, da standardgemäß jeder Schlitz 2.560 Chips umfasst und in den angesprochenen Figuren der Versatz zwischen den relevanten Kanälen jeweils das doppelte, mithin 5.120 chips beträgt.
4. Die angegriffenen Ausführungsformen verletzen damit Anspruch 3 unmittelbar wortsinngemäß nach § 9 Nr. 1 PatG und Anspruch 1 mittelbar gem. § 10 PatG.
a) Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung außer Streit gestellt, dass sie die ihr von der Klägerin vorgeworfenen Benutzungshandlungen begeht.
b) Dabei sind auch die weiteren Voraussetzungen des § 10 PatG gegeben, da die angegriffenen Ausführungsformen Mittel sind, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen, indem sie ausgebildet sind, die im Anspruch adressierten Kanäle unter der Annahme des dort unter Schutz gestellten vorteilhaften Zeitversatzes zu empfangen, und sie von der Beklagten zur Benutzung in einem patentgemäßen Mobilfunkkommunikationssystem gemäß Anspruch 1 in der Bundesrepublik Deutschland anderen als zur Benutzung der Erfindung berechtigten Personen angeboten und geliefert wurden. Zudem war es jedenfalls aufgrund der Umstände offensichtlich, dass diese Mittel dazu bestimmt und geeignet sind, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden.
c) Damit rechtfertigt die Feststellung der Verletzung die von der Klägerin mit ihren Anträgen begehrten Rechtsfolgen.
aa) Der Unterlassungsanspruch ergibt sich aus Art. 2 Abs. 2, 64 EPÜ, § 139 Abs. 1 PatG. Die Lieferung und das Anbieten der angegriffenen Ausführungsformen in der Vergangenheit rechtfertigt die Verurteilung zur Unterlassung, da eine Wiederholungsgefahr gegeben ist. Soweit die Klägerin ihre Ansprüche aus der mittelbaren Verletzung des Anspruchs 1 herleitet, ist aufgrund der Standardessentialität des Klagepatents ein Schlechthinverbot gerechtfertigt (vgl. LG Mannheim, Urteil vom 9. Dezember 2011 € 7 O 122/11, Rn. 76 € veröffentlicht bei juris).
bb) Der Klägerin steht auch nach Art. 2 Abs. 2, 64 EPÜ, § 139 Abs. 2 PatG für den Zeitraum ab dem 30. Januar 2010 ein Schadensersatzanspruch zu, da die Beklagte das Klagepatent schuldhaft verletzt, indem sie die ihr obliegenden Sorgfaltspflichten bei der Prüfung der Schutzrechtslage nicht beachtet hat. Da die Klägerin keine genaue Kenntnis vom Umfang der Verletzungshandlungen der Beklagten hat, hat sie das erforderliche Interesse an der Feststellung der Schadensersatzverpflichtung i.S.d § 256 Abs. 1 ZPO.
cc) Die Verurteilung zur Erteilung der beanspruchten Auskünfte und Rechnungslegung rechtfertigt sich zum einen als Annexanspruch zur Vorbereitung der Bezifferung des Schadensersatzanspruchs aus einer gewohnheitsrechtlich erstarkten Anwendung des § 242 BGB sowie zudem aus Art. 2 Abs. 2, 64 EPÜ i.V.m. § 140b PatG.
dd) Die Ansprüche auf Vernichtung und Rückruf finden ihre Grundlage in Art. 2 Abs. 2, 64 EPÜ i.V.m. §§ 140a Abs. 3 Satz 1 PatG.
II. Die Beklagte kann den von der Klägerin geltend gemachten Ansprüchen keine kartellrechtlichen Einwendungen entgegenhalten. Die Klägerin hat die Beklagte vor Klageerhebung ausreichend über den Verletzungssachverhalt informiert und ihr zudem ein Lizenzvertragsangebot zu Konditionen unterbreitet, die es erfordert hätten, dass die Beklagte umgehend mit einem Gegenangebot reagiert, das ihrer Auffassung nach den FRAND-Kriterien genügt. Dies hat die Beklagte nicht getan, sondern hiermit mehr als eineinhalb Jahre nach Übersendung des Lizenzvertragsangebots durch die Klägerin und ein halbes Jahr nach Klageerhebung zugewartet. Auf die Ablehnung dieses Gegenangebots hin hätte die Beklagte zudem umgehend Sicherheit leisten müssen, was sie gleichfalls nicht getan hat. Daher ist die Durchsetzung der von der Klägerin verfolgten Ansprüche nicht aus kartellrechtlichen Gründen suspendiert.
1. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in seinem Urteil in der Sache Huawei Technologies/ZTE (Urteil vom 16. Juli 2015 € C-170/13, GRUR 2015, 764 = ECLI:EU:C:2015:477 idF des Berichtigungsbeschlusses vom 15. Dezember 2015, ECLI:EU:C:2015:817) entschieden, dass Art. 102 AEUV dahin auszulegen ist, dass der Inhaber eines für einen von einer Standardisierungsorganisation normierten standardessentiellen Patents (SEP), der sich gegenüber dieser Organisation unwiderruflich verpflichtet hat, jedem Dritten eine Lizenz zu fairen, zumutbaren und diskriminierungsfreien Bedingungen (sog. FRAND-Bedingungen) zu erteilen, seine marktbeherrschende Stellung nicht im Sinne von Art 102 AEUV dadurch missbraucht, dass er eine Patentverletzungsklage auf Unterlassung der Beeinträchtigung seines Patentrechts oder auf Rückruf der Produkte, für deren Herstellung dieses Patent benutzt wurde, erhebt, wenn er bestimmte in der Entscheidung entwickelte Obliegenheiten erfüllt. So muss der Inhaber des SEP vor Erhebung der Klage zum einen den angeblichen Verletzer auf die Patentverletzung, die ihm vorgeworfen wird, hingewiesen haben und dabei das fragliche SEP bezeichnet und angegeben haben, auf welche Weise es verletzt worden sein soll, und zum anderen € nachdem und soweit der angebliche Patentverletzer seinen Willen zum Ausdruck gebracht hat, einen Lizenzvertrag zu FRAND-Bedingungen zu schließen € dem Patentverletzer ein konkretes schriftliches Lizenzangebot zu diesen Bedingungen unterbreiten und insbesondere die Lizenzgebühr sowie die Art und Weise ihrer Berechnung angegeben haben. Zudem muss der Patentverletzer, während er das betreffende Patent weiter benutzt, auf dieses Angebot € sofern er es nicht annimmt € mit Sorgfalt, gemäß den in dem betreffenden Bereich anerkannten geschäftlichen Gepflogenheiten und nach Treu und Glauben reagiert haben, was auf der Grundlage objektiver Gesichtspunkte zu bestimmen ist und unter anderem impliziert, dass keine Verzögerungstaktik verfolgt wird. Der Gerichtshof führt aus (ebenda Rn. 46), dass die Ausübung des aus einem Patent fließenden Ausschließlichkeitsrechts € mithin auch die Erhebung einer hierauf basierenden Verletzungsklage € zu den Vorrechten des Inhabers eines Rechts des geistigen Eigentums gehört und daher als solche selbst dann keinen Missbrauch einer beherrschenden Stellung impliziert, wenn sie von einem Unternehmen in beherrschender Stellung ausgeht. Jedoch kann diese im Grundsatz zulässige Rechtsausübung unter außergewöhnlichen Umständen ein missbräuchliches Verhalten nach Art. 102 AEUV sein. Aus Sicht der Kammer betont der Gerichtshof damit, dass das aus einem Patent fließende Ausschließlichkeitsrecht nur unter ganz besonderen Umständen nicht mit der Verletzungsklage durchsetzbar ist. Daraus folgt, dass die entsprechenden tatsächlichen Umstände, aus denen sich die Suspendierung des Patentrechts ergeben soll, von dem in Anspruch genommenen (angeblichen) Verletzer vorzutragen und wenn die Umstände im Streit stehen, auch zu beweisen sind.
Der Gerichtshof führt aus, dass im Falle von SEPs die besondere Situation darin begründet liegt, dass jeder Wettbewerber, der standardgemäße Produkte herzustellen beabsichtigt, von dem fraglichen Patent zwangsläufig Gebrauch macht und diese Benutzung unerlässlich ist. Damit könne der Patentnutzer gerade nicht den ihm sonst offenstehende Weg beschreiten, ein konkurrierendes Produkt herzustellen, dessen Ausgestaltung von dem Patent abweicht, ohne dass es deshalb nicht geeignet wäre, die nämlichen grundlegenden Funktionen des fraglichen Produkts zu erreichen. Zudem habe das SEP seine so beschriebene Stellung nur im Gegenzug zu einer unwiderruflichen Verpflichtungszusage des Inhabers gegenüber der Standardisierungsorganisation erhalten, jeden lizenzwilligen Dritten zu FRAND-Bedingungen eine Lizenz einzuräumen. Hierdurch erwecke der Inhaber des SEPs bei Dritten die berechtigte Erwartung, eine entsprechende Lizenz zu erhalten. Weigere er sich gleichwohl, eine Lizenz zu erteilen, so könne dies als Missbrauch nach Art. 102 AEUV zu bewerten sein. Der nämliche Makel hafte ggf. auch einer auf Unterlassung und Rückruf gerichteten Verletzungsklage an.
Der Gerichtshof adressiert in seiner Entscheidung solche Situationen als problematisch, die nach der Auffassung der Kammer und ihrer Beobachtung der bei ihr in den vergangenen Jahren erhobenen Patentverletzungsklagen, die auf ein SEP gestützt waren, den Regelfall bilden: Beide Seiten zeigen sich zwar im Grunde willens, einen Lizenzvertrag abzuschließen, der FRAND-Bedingungen entspricht, indes gehen die Meinungen darüber, welche konkreten Vertragsbedingungen und insbesondere welche Lizenzhöhe diese Voraussetzungen erfüllen, auseinander. Müsste in dieser Situation das Gericht entscheiden, welche Bedingungen tatsächlich den FRAND-Kriterien entsprechen und ob das Angebot des SEP-Inhabers mithin dergestalt war, dass es ihm eine klageweise Durchsetzung seines Patentrechts erlaubt, würde der Verletzungsprozess aber mit erheblichen Problemen, insbesondere mit der Ermittlung der Höhe der FRAND-Lizenz, die regelmäßig nur mit sachverständiger Hilfe zu ermitteln sein wird, belastet, für die eine befriedigende Lösung auch nach vielen Jahren, in denen diese Thematik den patentrechtlichen Bereich beschäftigt, noch nicht gefunden ist.
Mit guten Gründen war es daher das Anliegen des Bundesgerichtshofs in seiner Entscheidung Orange-Book-Standard, den Verletzungsprozess von dieser Problematik zu entlasten (BGH, Urteil vom 06. Mai 2009, Az. KZR 39/06, BGHZ 180,312 bei II.2.c) - Orange-Book-Standard). Der Gerichtshof entwickelt aus Sicht der Kammer im folgenden gleichfalls ein Konzept, dass es dem zur Entscheidung berufenen Gericht ermöglichen soll, anhand des Verhaltens des Inhabers des SEP auf der einen Seite sowie des angeblichen Verletzers auf der anderen Seite daraufhin zu bewerten, ob sich die Durchsetzung der auf das SEP gestützten Unterlassungs- und Rückrufanträge als ungerechtfertigter Marktmissbrauch und Aufbau eines insoweit zu unterbindenden Drucks in der Verhandlungssituation zu bewerten ist oder als gerechtfertigte Reaktion auf eine vom (angeblichen) Verletzer verfolgte Verzögerungstaktik. Die Entscheidung des Gerichtshofs verfolgt nach dem Verständnis der Kammer mithin ebenso wie schon der Bundesgerichtshof das Ziel, den Verletzungsprozess von der Bestimmung zu entlasten, welche Bedingungen - insbesondere hinsichtlich der Formulierung einzelner Vertragsklauseln und besonders hinsichtlich der Höhe des Lizenzsatzes - in der konkreten Situation FRAND sind. Aus diesem Grund befasst sich die Entscheidung folgerichtig auch nicht näher damit, den Gerichten der Mitgliedsstaaten Kriterien an die Hand zu geben, um zu bestimmen, wann Lizenzvertragsbedingungen FRAND sind, sondern beschränkt sich darauf, den Parteien Pflichten aufzuerlegen, die sie zu erfüllen haben, wenn sie ein SEP durchsetzen wollen, ohne sich dem Vorwurf der Kartellrechtswidrigkeit ausgesetzt zu sehen, bzw. die Durchsetzung der zukunftsorientierten Ansprüche aus dem SEP abwenden wollen. Der Gerichtshof entwickelt dabei nach dem Verständnis der Kammer mithin ein Programm an Verhandlungspflichten, die die Parteien erfüllen müssen. Hingegen zielt die Entscheidung des Gerichtshof nach der Überzeugung der Kammer nicht darauf ab, die Verletzungsgerichte mit der Bestimmung der FRAND-Bedingungen zu belasten, wenn im Verfahren der Unterlassungs- und Rückrufanspruch durchgesetzt werden soll, und es nicht gerade um die Zahlung einer FRAND-Lizenzgebühr im Betragsverfahren geht. Diese Konzeption erscheint der Kammer vom Gerichtshof mit Bedacht gewählt, weil er sich € ebenso wie es den Erfahrungen der Kammer entspricht € darüber bewusst war, dass wirtschaftlich denkende Parteien am Ende höchst selten den Versuch unternehmen, tatsächlich Gerichte entscheiden zu lassen, welche Lizenzgebühr und welche Lizenzvertragsbedingungen FRAND-gemäß sind, sondern sich den vom Gerichtshof mehrfach in den Mittelpunkt seiner Ausführungen gerückten, anerkannten geschäftlichen Gepflogenheiten folgend im Verhandlungswege auf eine für beide Seiten wirtschaftlich akzeptable Lösung verständigen, die auf der einen Seite dem SEP-Inhaber eine angemessene Belohnung für seine Erfindungsleistung zufließen lässt und es auf der anderen Seite dem Benutzer erlaubt, unter den gegeben Marktbedingungen preislich konkurrenzfähige Produkte auch dann noch anbieten zu können, wenn diese Produkte von einer Vielzahl von Patenten, die in einen Standard aufgenommen worden sind, Gebrauch machen, und er sich daher mit einer Vielzahl von Patentinhabern konfrontiert sieht, die von ihm Lizenzgebühren verlangen.
Zu diesem Zweck hält es der Gerichtshof für erforderlich, dass der Patentinhaber in einem ersten Schritt vor der Erhebung einer auf Rückruf und Unterlassung gerichteten Klage, die für den angeblichen Verletzer einen erheblichen Verhandlungsdruck aufbaut, einen angeblichen Verletzer auf die ihm vorgeworfene Patentverletzung hinweist und dabei das SEP bezeichnet sowie angibt, auf welche Weise es verletzt sein soll. Der Gerichtshof konkretisiert dabei nicht näher, auf welche Weise dieser Hinweis zu erfolgen hat. Jedenfalls wird der Patentinhaber das mit der Klage geltend gemachte und von ihm standardessentiell deklarierte Patent mit seiner Patentnummer bezeichnen und angeben müssen, dass dieses Patent bei der betreffenden Standardisierungsorganisation als standardessentiell deklariert wurde. Soweit der Patentinhaber zudem angeben soll, auf welche Weise das Patent verletzt sein soll, enthält das Urteil des Gerichtshofs keine näheren Vorgaben, sodass diese aus dem oben formulierten Telos der Entscheidung zu entwickeln sind. So führt der Gerichtshof aus, dass der Verletzer des SEP aufgrund der Vielzahl von SEPs, die in einen Standard inkorporiert sind, nicht sicher weiß, dass er ein solches Patent benutzt. Daher muss der Hinweis dem Verletzer jedenfalls deutlich machen, für welchen Standard das Patent essentiell ist und aufgrund welcher Umstände der Patentinhaber davon ausgeht, dass der angebliche Patentverletzter von der Lehre des Patents Gebrauch macht. Jedenfalls ist dafür erforderlich, dass der Patentinhaber benennt, welche technische Funktionalität der angegriffenen Ausführungsform vom Standard Gebrauch macht. Der angebliche Verletzer wird regelmäßig nämlich im Bilde darüber sein, dass sein Produkt einem Standard gemäß ausgebildet ist. Daher dürfte ein bloßer Hinweis, der angebliche Verletzer stelle nach dem Standard arbeitende Produkte her oder vertreibe diese und verletze deshalb das Patent, nicht ausreichend sein. Vielmehr muss der angebliche Verletzer durch den Hinweis in die Situation versetzt werden, die Schutzrechtslage selbständig prüfen (lassen) zu können. Aufgrund der Vielzahl der technischen Funktionalitäten, die regelmäßig in einem Standard enthalten sind und die gerade die vom Gerichtshof angesprochene Unübersichtlichkeit bei der Beurteilung der Schutzrechtslage begründet, wird es erforderlich sein, dass der SEP-Inhaber jedenfalls die Kategorie der technischen Funktionalität des Standards in einer solchen Weise benennt, dass der vermeintliche Verletzer nun wieder der grundsätzlich ihm obliegenden Pflicht, die Schutzrechtslage zur prüfen, gerecht werden kann. Wie detailliert dieser Hinweis zu erfolgen hat, kann nur nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls entschieden werden. Hierbei wird insbesondere einzustellen sein, welche Technologiekenntnisse beim Patentverletzer vorhanden sind bzw. inwieweit er sich solche Kenntnisse in zumutbarer Weise durch professionellen Rat zu verschaffen hat. Aus Sicht der Kammer sind zur Darlegung des Verletzungssachverhalts in einer den Anforderungen des Gerichtshofs entsprechenden Weise grundsätzlich jedenfalls die auch im Rahmen von Lizenzvertragsverhandlungen nach den geschäftlichen Gepflogenheiten sonst üblichen Claim Charts ausreichend, die den geltend gemachten oder einen ihm verwandten Anspruch des Klagepatents, der gleichfalls die entscheidenden Merkmale aufweist, gegliedert nach Anspruchsmerkmalen den entsprechenden Stellen im Standard gegenüberstellt, ohne dass hierbei die Anforderungen der Schlüssigkeitsprüfung einer Verletzungsklage erfüllt werden müssen. Insoweit ist in der Regel ausreichend, dass der angebliche Verletzer den vom SEP-Inhaber erhobenen Vorwurf jedenfalls bei Hinzuziehung externen oder internen technischen Sachverstandes nachvollziehen kann. Gleichfalls offen kann bleiben, ob der vom Gerichtshof geforderte Hinweis nach nationalem Rechtsverständnis die Anforderungen einer Abmahnung zu erfüllen hat (in diesem Sinne möglicherweise LG Mannheim, Urteil vom 27. November 2015 € 2 O 106/14, S. 47, 2. Absatz).
Entsprechendes gilt für die weitere Obliegenheit des SEP-Inhabers, der zudem vor Klageerhebung dem angeblichen Patentverletzer € sofern dieser im Grundsatz seinen Willen zum Ausdruck gebracht hat, überhaupt Lizenz nehmen zu wollen € ein konkretes schriftliches Lizenzangebot zu FRAND-Bedingungen zu unterbreiten hat und insbesondere die Lizenzgebühr und die Art und Weise ihrer Berechnung anzugeben hat. Vor dem Hintergrund des zuvor geschilderten Verständnisses, das die Kammer zu der Entscheidung des Gerichtshofs entwickelt hat, ist hierfür erforderlich, dass es sich um ein annahmefähiges Vertragsangebot handelt, das die vertragswesentlichen Bedingungen enthält. Soweit der Gerichtshof ausführt, dass der Patentinhaber ein konkretes schriftliches Lizenz-Angebot zu FRAND-Bedingungen unterbreiten hat, bedeutet dies nicht, dass das Verletzungsgericht für den Fall, dass der (angebliche) Patentverletzer € wie regelmäßig € in Abrede stellt, dass dieses Angebot FRAND-Kriterien entspricht, gehalten ist, nunmehr nach objektiven Gesichtspunkten zu entscheiden, ob das Angebot des SEP-Inhabers tatsächlich FRAND ist oder nicht. Denn hierdurch würde der Verletzungsprozess gerade wieder mit der Bestimmung belastet, welche Lizenzhöhe exakt und sonstigen Vertragsbedingungen ganz genau diesen Kriterien entsprechen, was aus Sicht der Kammer nicht das Anliegen des Gerichtshofs war. Vielmehr ist nur erforderlich, dass das Angebot des SEP-Inhabers bei summarischer Prüfung jedenfalls nicht evident keine FRAND-Bedingungen enthält. Insoweit ist die Kammer der Auffassung, dass die Bestimmung, ob das vom SEP-Inhaber unterbreitete Angebot tatsächlich FRAND ist oder nicht, deshalb entbehrlich ist, weil die Parteien naturgemäß gerade über diesen Punkt im Streit stehen, werden wie es der Gerichtshof in Rn. 54 seiner Entscheidung auch für den ihm vorgelegten Fall festhält. Um die Frage zu beurteilen, ob sich der SEP-Inhaber mit der Erhebung seiner auch auf Unterlassung und Rückruf gerichteten Verletzungsklage kartellrechtswidrig verhält, ist es auch nicht erforderlich, im Verletzungsprozess exakt € sofern dies überhaupt möglich ist € zu bestimmen, ob sein unterbreitetes Angebot FRAND ist. Denn naturgemäß wird das Vertragsangebot des SEP-Inhabers mit Blick auf die geforderte Lizenzgebühr höher liegen als dasjenige des angeblichen Verletzers. Dies indes entspricht dem kartellrechtlich nicht zu beanstandenden Gang von Geschäftsverhandlungen. Kartellrechtswidrig wird die sich auf dem SEP gründende Verhandlungsmacht erst dann durch Erhebung einer auf Rückruf und Unterlassung gerichteten Klage ausgeübt, wenn die Art und Weise der Verhandlungsführung sich als Missbrauch der beherrschenden Stellung darstellt. Dies ist aber nicht bereits dann der Fall, wenn das Angebot des SEP-Inhabers nicht exakt FRAND ist, sondern sich darüber bewegt. Kartellrechtswidrig und ersichtlich nicht FRAND ist ein Angebot erst dann, wenn es unter Berücksichtigung der konkreten Verhandlungssituation und insbesondere der Marktgegebenheit als Ausdruck von Ausbeutungsmissbrauch darstellt. Dies wäre nach Auffassung der Kammer etwa der Fall, wenn der SEP-Inhaber, der eine FRAND-Erklärung abgeben hat, von dem lizenzwilligen Patentverletzer Bedingungen fordert, die in erheblicher Weise und ohne dass hierfür rechtfertigende Gründe ersichtlich wären, wirtschaftlich für den angeblichen Verletzer weit ungünstiger sind als anderen Lizenznehmern gewährte Bedingungen. Für diese Sichtweise spricht nach der Überzeugung der Kammer, dass der Gerichtshof bei Rn. 68 seiner Entscheidung ausführt, dass die Parteien im Falle des Dissenses über die Einzelheiten der FRAND-Bedingungen die Möglichkeit hätten, im gegenseitigen Einvernehmen zu beantragen, dass die Lizenzgebühren durch einen unabhängigen Dritten festgelegt werden. Dessen bedürfte es ersichtlich nicht, wenn schon das Angebot des SEP-Inhabers im objektiv verstandenen Sinne FRAND sein müsste. Diese Überlegungen sprechen aus Sicht der Kammer daher gegen die Auffassung, die zwei als Referenten tätige Richter des Oberlandesgerichts Düsseldorf nach dem Vortrag der Parteien kürzlich geäußert haben sollen, wonach der angebliche Patentverletzter auf das Angebot des Patentinhabers nur dann mit einem Gegenangebot und der Sicherheitsleistung soll reagieren müssen, wenn das Angebot des SEP-Inhabers vollständig FRAND-Kriterien entspreche. Soweit jene das daraus ableiten wollen, dass der Gerichtshof in der Randnummer 78 seiner Entscheidung das Demonstrativpronomen €dieses€ verwendet und somit ersichtlich allein ein tatsächlich (bei objektiver Bestimmung) FRAND-Kriterien entsprechendes Angebot meine, kann dieses bloße Wortlautargument aus den geschilderten systematischen Gründen die Kammer nicht überzeugen.
Der Patentinhaber hat dabei die Art und Weise der Berechnung der Lizenzgebühr anzugeben, weil er als Inhaber des SEP jedenfalls dann, wenn weder ein Standardlizenzvertrag existiere noch die mit anderen Lizenznehmern geschlossenen Lizenzverträge veröffentlicht seien, besser in der Lage sei zu prüfen, ob sein Angebot die Voraussetzung der Gleichbehandlung wahre, als der Verletzer. An dieser Stelle betont der Gerichtshof aus Sicht der Kammer mithin, dass er den Missbrauch gerade in der Ungleichbehandlung des mit der Verletzungsklage überzogenen Verletzers gegenüber sonstigen Lizenznehmern und Lizenzsuchern sieht. Dazu, wie detailliert die Darlegungen des SEP-Inhabers sein müssen, verhält sich der Gerichtshof in seinem Urteil nicht. Nach Auffassung der Kammer wird der SEP-Inhaber den angeblichen Verletzer in die Lage versetzen müssen, anhand objektiver Kriterien nachzuvollziehen, warum der SEP-Inhaber zu der Überzeugung gelangt, dass das von ihm unterbreitete Angebot FRAND-Kriterien entspricht.
Der Verletzer muss auf dieses Angebot reagieren, selbst wenn es seiner Auffassung € wie regelmäßig € nicht den FRAND-Kriterien entspricht (ebenso im Ergebnis LG Mannheim, Urteil vom 27.11.2015 - 2 O 106/14 Seite 51 bei (bb) und LG Düsseldorf, Urteil vom 3. November 2015 - 4a O 144/14). Eine Ausnahme hiervon ist nach der Auffassung der Kammer allein in solchen Fällen zu machen, in denen sich das Angebot des SEP-Inhabers bereits bei summarischer Prüfung evident als nicht FRAND und mithin als Missbrauch einer beherrschenden Stellung des SEP-Inhabers darstellt. Denn selbst wenn ein Angebot eines SEP-Inhabers aus der Sicht eines lizenzwilligen Patentbenutzers nicht FRAND entspricht, kann von ihm mit Ausnahme solcher evident gelagerten Fälle verlangt werden, seine Redlichkeit und Lizenzwilligkeit dadurch zu demonstrieren, dass er ein Gegenangebot unterbreitet, das seiner Auffassung nach FRAND ist. Dieses Gegenangebot ist alsbald zu unterbreiten, da der Gerichtshof dem angeblichen Patentverletzer keine Verzögerungstaktik zugestehen will. Mithin muss vom angeblichen Verletzter auf das konkrete schriftliche Angebot des SEP-Inhabers so schnell reagiert werden, wie dies nach den Umständen des Einzelfalls bei Anwendungen der in dem Bereich anerkannten geschäftlichen Gepflogenheiten und des Grundsatzes von Treu und Glauben von ihm erwartet werden kann.
Schlägt der SEP-Inhaber dieses Angebot aus und hat der angebliche Verletzer das SEP bereits benutzt, bevor ein Lizenzvertrag geschlossen wurde, verlangt der Gerichtshof, dass er ab dem Zeitpunkt der Ablehnung des Gegenangebots eine angemessene Sicherheit etwa durch Beibringung einer Bankgarantie oder durch Hinterlegung leistet. Die Berechnung der Sicherheit muss unter anderem die Zahl der vergangenen Benutzungshandlungen in Bezug auf das SEP umfassen, für die der angebliche Verletzer eine Abrechnung vorlegen können muss. Diese Sicherheit muss zudem den in dem betreffenden Bereich anerkannten Gepflogenheiten entsprechen.
Soweit mit der Verletzungsklage hingegen auf Rechnungslegung und Schadensersatz bezogene Ansprüche wegen vergangenen Benutzungshandlungen verfolgt werden, kann der SEP-Inhaber diese ohne Weiteres verfolgen und muss nicht die zuvor geschilderten Pflichten erfüllen.
2. Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist die Klägerin nicht aus kartellrechtlichen Gründen gehindert, die mit der Klage verfolgten Ansprüche durchzusetzen.
a) Inwieweit die angesprochenen Obliegenheiten, die der Gerichtshof entwickelt hat, auf eine Patentverletzungsklage Anwendung finden, die wie vorliegend noch vor der Entscheidung des Gerichtshofs erhoben worden ist, kann vorliegend offen bleiben. Denn die Klägerin ist den ihr obliegenden Verpflichtungen vorliegend bereits vor Erhebung der Klage nachgekommen. Soweit sich hieran die Beklagte treffende Obliegenheiten knüpfen, die sie zu erfüllen hat, um der Klägerin den kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwand entgegenhalten zu können, hat sie diese jedenfalls auch nach Veröffentlichung der Entscheidung des Gerichtshofs bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht erfüllt.
b) Die Klägerin hat die Beklagte in ausreichendem Maße lange vor Erhebung der Klage auf die Verletzung des Klagepatents und dessen Standardessentialität hingewiesen und ihr auch deutlich gemacht, worin sie den Verletzungssachverhalt begründet sieht.
Hierfür reichte jedenfalls die Übersendung der Claim-charts am 7. April 2014 (Anlage [...] A12E) sowie der ergänzten Claim-charts am 15. Juli 2014 (Anlage [...] A12I) an die Konzernmutter der Beklagten aus, die eine Gegenüberstellung der Merkmale der Ansprüche 3 und 4 des Klagepatents und des Standards enthalten und die durch die Klägerin am 8. Juli 2014 nochmals in einer Präsentation (Anlage [...] A12H) erläutert wurden. Die darin enthaltenen Informationen haben die Beklagte nach der sicheren Überzeugung der Kammer als Mobiltelefonherstellerin in die Lage versetzt, den Verletzungsvorwurf intern oder durch Hinzuziehung externen Sachverstandes kompetent und umfassend zu beurteilen.
Soweit die Beklagte darauf verweist, dass in den Claim-charts der nunmehr mit der Klage auch geltend gemachte Anspruch 1 nicht dargelegt worden sei, verfängt dieser Einwand nicht. Denn der Anspruch 1 enthält keine Merkmale, die von den Merkmalen der Ansprüche 3 und 4 in einer solchen Weise abweichen, dass es hierzu einer ergänzenden Erläuterung bedurft hätte, damit die Beklagte den Verletzungssachverhalt nachprüfen kann.
Auch soweit die Beklagte beanstandet, dass in den Claim-charts eine in der nunmehr erhobenen Klage zur Darlegung angeführte Technische Spezifikation 125.309 nicht angeführt gewesen sei, ist dieser Einwand ohne Relevanz, da es wie dargestellt ausreichend war, dass die Klägerin das Patent und seine Standardessentialität benannt und das relevante technische Gebiet des Standards - hier die zeitliche Taktung der verschiedenen Nutzinformations- und Steuerkanäle - angegeben hat. Zudem hat die Klägerin dieses Dokument ohnehin nur zur Darlegung mit Bezug auf ein solches Merkmal angeführt, dessen Benutzung zwischen den Parteien außer Streit steht. Folglich handelt es sich um ein bloßes Formalargument, dem der Erfolg versagt bleibt.
Schließlich war von der Klägerin auch nicht etwa zu verlangen, dass sie sämtliche Patente, die Gegenstand des von ihr angeboteten Lizenzpoolvertrages in Form von Claim-charts unter den Standard subsumiert. Dem Urteil des Gerichtshofs ist allein zu entnehmen, dass der SEP-Inhaber die Hinweisobliegenheit zumindest mit Blick auf das klageweise geltend gemachte Patent erfüllt. Vorliegend hat die Klägerin Claim-charts zu sechs exemplarisch angeführten Patenten an die Konzernmutter der Beklagte übersendet, wie dies den auch der Kammer aus ihrer Praxis bekannten üblichen Gepflogenheiten bei der Verhandlung über Portfoliolizenzen entspricht. Ob dies überhaupt erforderlich war, kann vorliegend offen bleiben.
c) Zudem hat die Klägerin der Beklagten bereits am 19. März 2014 einen ausformulierten Lizenzvertrag (Anlage [...] A13) als Angebot an die Konzernmutter der Beklagten übersendet und die Bedingungen und insbesondere die Berechnung der Lizenz mehrfach noch vor Klageerhebung erläutert (Powerpoint-Präsentation Anlage [...] A12D, Emails nach Anlagen [...] A12 E und [...] A 12Q). Dieses Angebot genügt gleichfalls den unter 1. erläuterten Maßstäben. Denn es enthält zum einen unter Ziffer 4 Regelungen zur Lizenzhöhe. Zum anderen hat die Klägerin in einer für einen objektiven Dritten nachvollziehbaren Form dargelegt, wie sie zur Berechnung des Lizenzsatzes gelangt. Der Anlage [...] A12D lässt sich jedenfalls entnehmen, dass die Lizenzgebühr für die in der Vergangenheit liegende Nutzung auf den eigenen Geschäftszahlen von [...] beruht und hierfür eine Erstgebühr angesetzt wird, wohingegen für den Zeitraum ab dem 1.1.2014 eine Stücklizenz gefordert wird. Zudem hat die Klägerin ihren Anteil am Pool von standardessentiellen WCDMA- und LTE-Patenten mit [...]% (WCMA, Sipro Lizenzpool) bzw. [...]% (LTE, VIA Lizenzpool) angegeben und den entsprechenden Anteil der Gesamtpoolgebühr zugrunde gelegt (Anlage [...] A 12E) und diese Berechnung in der Präsentation vom 10. Oktober 2014 (Anlage [...] A 12Q) weiter auf Fragen der Beklagten hin spezifiziert sowie angegeben, welche Gesamtbelastung an Lizenzgebühren für die Lizenzierung der WCDMA- und LTE- Patente die Beklagte treffen und in welchem Verhältnis die geforderte Gebühr zum durchschnittlichen Verkaufspreis der von der Beklagten hergestellten und vertriebenen Geräte steht.
Soweit die Beklagte fordert, die Klägerin habe insbesondere belegen müssen, dass der Anteil der Klägerin am WCDMA- bzw. LTE-Patentpool tatsächlich [...] bzw. [...]% betrage, überspannt sie die an die Klägerin zu erhebenden Anforderungen. Denn soweit der Anteil der Klägerin an den Patenten des Sipro-Lizenzpools betroffen ist, sind die vom Pool erfassten Patente auf der Homepage des Pools ersichtlich, sodass sich hieraus die Anteile der Klägerin jedenfalls ermitteln lassen. Soweit der Anteil der Klägerin an den Patenten des VIA-Pools betroffen ist, hat ihr die Klägerin jedenfalls durch Benennung des Pools, der Gesamtpoolgebühr sowie des hieran geltend gemachten Anteilsfaktors hinreichenden Tatsachen an die Hand gegeben, um die Berechtigung der geforderten Lizenzgebühr prüfen zu können und in diesem Sinne die aus ihrer Sicht FRAND-Kriterien entsprechende Berechnung des Lizenzvertragsangebots ausreichend dargelegt.
Soweit die Parteien darum streiten, ob die Herangehensweise der Klägerin, die FRAND-Gebühr durch bloße Bildung des Anteilsfaktors an den Pools zu berechnen und nicht wie die Beklagte meint, die Bedeutung der jeweiligen Patente für den Standard bei der Bemessung der Gebührenhöhe einzustellen, FRAND entspricht und ob umgekehrt der Berechnung der Lizenzgebühren allein der Anteil der kleinsten handelbaren Einheit und mithin der Preis der Chipsätze anzusetzen ist, drücken sich hierin lediglich die von der jeweiligen Seite eingenommenen Positionen, was konkret FRAND ist, aus, ohne indes dem von der Klägerin unterbreiteten Angebot die Qualität eines nach den Kriterien des Gerichtshofs ausreichenden Angebots zu nehmen.
d) Mithin war die Beklagte in der Pflicht ihrerseits alsbald mit einem schriftlichen Gegenangebot zu reagieren, das ihrer Auffassung nach entgegen dem ihr von der Klägerin unterbreiteten und für sie nicht akzeptablen Angebot FRAND entspricht. Dies hat die Beklagte indes unterlassen, sondern erst mehr als eineinhalb Jahre nach Übersendung des Lizenzvertragsangebots durch die Klägerin und ein halbes Jahr nach Klageerhebung ein solches Gegenangebot mit dem Schriftsatz vom 30. Oktober 2015 (Anlage [...] A 37) vorgelegt. Zudem hat die Beklagte auf die Ablehnung dieses Angebots hin eine Sicherheit zwar in Aussicht gestellt, aber jedenfalls nicht geleistet. Dabei ist die Beklagte dem in der mündlichen Verhandlung von der Kammer vorgeschlagenen Betrag einer Sicherheitsleistung in Höhe von einem Drittel des von der Klägerin geforderten und eines elffachen des von der Beklagten zuletzt angebotenen Lizenzbetrages nicht gefolgt, sondern hat einen neuerlichen Vorschlag der Klägerin, der einen gegenüber dem aus dem Jahr 2013 gegenüber reduzierten Lizenzsatz vorsieht, zum Anlass genommen, entgegen der von der Kammer vorgeschlagenen Lösung ihre Sicherheitsleistung allein aus dem nun reduzierten Lizenzsatz, den die Klägerin fordert, anzubieten.
Unter diesen Umständen kann die gerichtliche Geltendmachung des Unterlassungs- und Rückrufanspruchs durch die Klägerin nicht als kartellrechtswidrig angesehen werden.
III. Der Rechtsstreit war zudem nicht mit Blick auf die von der Beklagten erhobene Nichtigkeitsklage auszusetzen. Zwar ist die Entscheidung über den Rechtsbestand vorgreiflich iSv § 148 ZPO. Indes übt die Kammer ihr Ermessen dahin aus, den Rechtstreit nicht mit Blick auf das Rechtsbestandsverfahren auszusetzen.
1. Eine solche Aussetzung suspendiert die Durchsetzung der Rechte aus dem Klagepatent. Da der Verletzungsrichter im Grundsatz an den Erteilungsakt gebunden ist, kommt eine Suspendierung der aus erteilten Ausschließlichkeitsrecht folgenden Befugnisse nur unter besonderen Umständen in Betracht. Die bloße Möglichkeit, dass das Klagepatent vernichtet wird, ist insoweit nicht ausreichend. Vielmehr ist erforderlich, dass eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (BGH, Urteil vom 16. September 2014 € X ZR 61/13, GRUR 2014, 1237 € Kurznachrichten) für die Vernichtung des Klagepatents besteht.
2. Hiervon ist vorliegend nicht auszugehen. Denn weder erweist sich die Druckschrift D1a aus Sicht der Kammer als neuheitsschädlich, noch bildet die Druckschrift D2a zu berücksichtigenden Stand der Technik, weil das Klagepatent die beanspruchte Priorität zurecht geltend macht.
a) Soweit die Beklagte die Druckschrift D1a (ERICSSON) für neuheitsschädlich hält, kann sich die Kammer hiervon nicht überzeugen. Denn jedenfalls zeigt die Schrift das Merkmal 4 nicht in der erforderlichen Weise. Bei der Prüfung der Neuheitsschädlichkeit ist das Patent mit der angeblich neuheitsschädlichen Entgegenhaltung zu vergleichen. Neuheitsschädlich ist die Entgegenhaltung nur dann, wenn sich die gesamte als Erfindung beanspruchte Lehre des Klagepatents aus dieser Schrift für den Fachmann in einer Weise ergibt, dass ihm die dort vorgestellte technische Lösung unmittelbar und eindeutig sämtliche Merkmale der Erfindung offenbart (stRspr. BGHZ 159, 221, 226 = GRUR 2004, 844, 845 € Drehzahlermittlung Urteil vom 8. Juli 2010 - Xa ZR 124/07, GRUR 2010, 910, Rn. 62 - Fälschungssicheres Dokument; Urteil vom 14. August 2012 - X ZR 3/10, GRUR 2012, 1133 Rn. 31 - UV-unempfindliche Druckplatte).
Bei Zugrundlegung dieses Maßstabes zeigt die Schrift dem Fachmann jedenfalls nicht in Merkmal 4 beschriebenen zeitlichen Versatz um zwei Schlitze in der erforderlichen Weise. Denn aus der nachstehend abgebildeten Figur 1 (mit Beschriftung, Kolorierung und ausschnittsweiser Vergrößerung durch die Beklagte), die die Beklagte hierfür heranzieht, folgt dies nicht.
Die Figur stellt eine Mehrzahl von Kanälen grafisch in Zeilen dar und bildet zwischen diesen einen zeitlichen Zusammenhang, in dem sie insbesondere durch gestrichelte vertikale Linien einen zeitlichen Versatz zwischen den dort gezeigten Kanälen darstellt. Soweit die Beklagte nun den Versatz zwischen dem Kanal E-HICH, der dieselbe Zeitsteuetung wie der E-AGCH aufweist (vgl. D1a Abschnitt 5: €The E-AGCH/E-RGCH/E-HICH are all subframe alligned to each other€), und P-CCPCH anspricht, ist ein Versatz um zwei Schlitze der Zeichnung nicht eindeutig zu entnehmen. Dies belegt bereits der Umstand, dass die Beklagte die Zeichnung erst vergrößert, koloriert und die Schlitze nummeriert, um den Offenbarungsgehalt hervorzuheben, der der Schrift ihrer Auffassung nach zukommt. Selbst wenn man indes den faktichen Versatz der beiden Kanäle um zwei Zeitschlitze in dieser Figur entnehmen will, so wird der Fachmann dies jedoch nicht als Teil der in der Schrift offenbarten Lehre wahrnehmen. Denn der Fachmann sieht in der Figur € die explizit als lediglich der Veranschaulichung dienend beschrieben wird (€...for illustrative purposes only..€, vgl. Untertitel der Figur 1) € nur allgemein ein zeitliches Verhältnis zwischen den angesprochenen Kanälen beschrieben, ohne das ihm die Bedeutung des Umstandes dargetan würde, dass der Versatz gerade zwei Schlitze beträgt. Vielmehr wird er die Schrift in ihrem Kontext lesen und der im Nachgang abgebildeten Tabelle gerade keinen Versatz zwischen den Kanälen um zwei Schlitze entnehmen können. Denn hier ist der Zeitversatz in der Zeile Toff angegeben, wo sich der Wert 2 gerade nicht findet. Zudem entnimmt der Fachmann der Zusammenfassung (€5. Conclusion€), dass dort als Ergebnis lediglich festgehalten wird, dass der subframe #0 des E-AGCH eine ganzzahlige Zahl von Schlitzen versetzt zu dem Start des P-CCPCH übertragen wird. Dass der Versatz aus technisch vorteilhaften Gründen gerade zwei Schlitze betragen soll, entnimmt der Fachmann dieser Schrift nicht.
b) Auch soweit die Beklagte argumentiert, die als Erfindung beanspruchte Lehre des Klagepatents werde durch die Schrift D2a, einer Vorversion des Standards, neuheitsschädlich getroffen, kann sich die Kammer hiervon nicht mit der erforderlichen Gewissheit überzeugen. Denn hierfür wäre erforderlich, dass das Klagepatent, das am 2. Februar 2006 angemeldet wurde, zu Unrecht die Priorität der JP 2005027102 (Anlage MN3) vom 2. Februar 2005 beansprucht, da die am 14. Februar 2005 veröffentlichte D2a nur dann zum Stand der Technik zählen würde.
aa) Die Priorität einer Voranmeldung kann in Anspruch genommen werden, wenn sich die dort anhand eines Ausführungsbeispiels oder in sonstiger Weise beschriebenen technischen Anweisungen für den Fachmann als Ausgestaltung der in der Nachanmeldung umschriebenen allgemeineren technischen Lehre darstellen und diese Lehre in der in der Nachanmeldung offenbarten Allgemeinheit bereits der Voranmeldung als zu der angemeldeten Erfindung gehörend entnehmbar ist. Diese Voraussetzung ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erfüllt, wenn die mit der Nachanmeldung beanspruchte Merkmalskombination in der Voranmeldung in ihrer Gesamtheit als zu der angemeldeten Erfindung gehörend offenbart ist (BGH, Urteil vom 11. September 2001 - X ZR 168/98, BGHZ 148, 383, 388 - Luftverteiler; Urteil vom 30. Januar 2008 - X ZR 107/04, GRUR 2008, 597, 599 - Betonstraßenfertiger). Der Gegenstand der beanspruchten Erfindung muss im Prioritätsdokument identisch offenbart sein; es muss sich um dieselbe Erfindung handeln (EPA GBK, Beschluss vom 31. Mai 2001 - G2/98, GRUR Int. 2002, 80; BGH, Urteil vom 14. Oktober 2003 - X ZR 4/00, GRUR 2004, 133, 135 - Elektronische Funktionseinheit). Dabei ist die Offenbarung des Gegenstands der ersten Anmeldung nicht auf die dort formulierten Ansprüche beschränkt, vielmehr ist dieser aus der Gesamtheit der Anmeldeunterlagen zu ermitteln. Für die Beurteilung der identischen Offenbarung gelten die Prinzipien der Neuheitsprüfung (BGH, GRUR 2004, 133, 135 - Elektronische Funktionseinheit). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist danach erforderlich, dass der Fachmann die im Anspruch bezeichnete technische Lehre den Ursprungsunterlagen "unmittelbar und eindeutig" (BGH, Urteil vom 11. September 2001 - X ZR 168/98, BGHZ 148, 383, 389 - Luftverteiler; Urteil vom 8. Juli 2010 - Xa ZR 124/07, GRUR 2010, 910, Rn. 62 - Fälschungssicheres Dokument; Urteil vom 14. August 2012 - X ZR 3/10, GRUR 2012, 1133 Rn. 31 - UV-unempfindliche Druckplatte) als mögliche Ausführungsform der Erfindung entnehmen kann (BGH, Beschluss vom 11. September 2001 - X ZB 18/00, GRUR 2002, 49, 51 - Drehmomentübertragungseinrichtung; Urteil vom 18. Februar 2010 - Xa ZR 52/08, GRUR 2010, 599 Rn. 22, 24 - Formteil). Zu ermitteln ist mithin, was der Fachmann der Vorveröffentlichung als den Inhalt der gegebenen allgemeinen Lehre entnimmt (BGH, Urteil vom 16. Dezember 2008 - X ZR 89/07, BGHZ 179, 168 Rn. 25 - Olanzapin). Maßgeblich ist dabei das Verständnis des Fachmanns zum Zeitpunkt der Einreichung der prioritätsbeanspruchenden Patentanmeldung (BGH, GRUR 2004, 133, 135 - Elektronische Funktionseinheit).
bb) Soweit die Beklagte argumentiert, jedenfalls der mit Merkmal 4 beanspruchte zeitliche Versatz sei in die Prioritätsschrift nicht offenbart, kann die Kammer dem nicht folgen.
Die zeitliche Koppelung des E-AGCH an den HS-PDSCH ergibt sich eindeutig aus den Figuren 5 und 6, die den Figuren 10 und 11 des Klagepatents entsprechen.
Dass der zeitliche Versatz zwischen den HS-SCCH einerseits und den Kanälen E-AGCH sowie HS-PDSCH genau zwei Schlitze beträgt wie mit Merkmal 4 beansprucht, ergibt sich aus der Beschreibung , dort Absatz 0067 f., der Prioritätsschrift. Darin heißt es, dass der HS-SCCH zwei Schlitze vor dem HS-PDSCH übertragen wird. Derselbe Offenbarungsgehalt findet sich in Absatz 0010 der Prioritätsschrift. In Anspruch 3 des Prioritätsdokuments wird beansprucht, dass die Mobilstation ausgebildet ist, den E-AGCH sowie den HS-PDSCH unter der Annahme zu empfangen, dass diese beiden Kanäle miteinander synchronisiert sind, was ebenso Abschnitt 0054 und Abschnitt 0082 der Prioritätsschrift erhellen. Wenn Abschnitt 0067 f. und 0010 erhellen, dass der HS-SCCH zwei Slots vor dem HS-PDSCH übertragen wird und der Fachmann der Schrift zudem entnimmt, dass der E-AGCH und HS-PDSCH synchronisiert sind, erkennt er, dass auch der E-AGCH zwei Schlitze nach dem HS-SCCH übertragen wird und dieser zeitliche dem gleichfalls in der Prioritätsschrift adressierten Ziel dient, eine effizientere Nutzung der Übertragungsressourcen zu ermöglichen (vgl. Abschnitt 0052 ff.) . Soweit die Beklagte beanstandet, die Prioritätsschrift beschreibe allein ein Modell, nach dem der HS-PDSCH die zeitliche Referenz des E-AGCH bilde, wohingegen nach der als erfinderisch beanspruchten Lehre des Klagepatents eine solche Referenzierung zwischen dem E-AGCH und dem HS-SCCH vorliegen müsse, ist dieses Argument aus denselben Gründen zurückzuweisen wie das Nichtverletzungsargument der Beklagten. Der Fachmann erkennt als allein entscheidend, dass der Versatz zwischen E-AGCH sowie HS-PDSCH zum HS-SCCH jeweils zwei Schlitze beträgt. Wie dies sprachlich beschrieben wird, ist aus fachmännischer Sicht belanglos.
IV. Die Parteien haben jeweils mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2015 weiter zur Sache vorgetragen. Diese nicht nachgelassenen Schriftsätze bedürfen keiner Berücksichtigung im Urteil - soweit sie nicht ohnehin nur Rechtsausführungen enthalten - und veranlassen die Kammer nicht zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.
V. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO.
LG Mannheim:
Urteil v. 29.01.2016
Az: 7 O 66/15
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/790300c687d1/LG-Mannheim_Urteil_vom_29-Januar-2016_Az_7-O-66-15