Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 14. November 2012
Aktenzeichen: VI-U (Kart) 16/12

(OLG Düsseldorf: Urteil v. 14.11.2012, Az.: VI-U (Kart) 16/12)

Tenor

I Die Berufung der Klägerin gegen das am 14. Juni 2012 verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

II Das Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

III Die Revision wird zugelassen.

IV Die Beschwer der Klägerin und der Streitwert für das Berufungsverfahren werden auf jeweils 50.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin verlegt die Publikationen "Handelsblatt" und "Wirtschaftswoche". Beide Zeitungen sind sowohl im Einzelverkauf als auch im Abonnement zu gebundenen Preisen erhältlich. Das Preisbindungssystem der Klägerin ist (gedanklich und tatsächlich) lückenlos.

Der Beklagte bot im August 2012 auf der Online-Handlesplattform ebay insgesamt 16 Abonnements der Zeitungen "Handelsblatt" und "Wirtschaftswoche" zu unterhalb der gebundenen Preisen liegenden Beträgen zum Kauf an.

Die Klägerin hält dieses Verkaufsangebot für kartell- und wettbewerbswidrig. Sie nimmt den Beklagten auf Unterlassung sowie im Wege der Stufenklage auf Auskunft und Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil das Verhalten des Beklagten rechtlich nicht zu beanstanden sei.

Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Sie wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und führt ergänzend zur Rechtslage aus.

Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und

1 den Beklagten unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, im Geschäftsverkehr die Publikationen "Handelsblatt" und "Wirtschaftswoche" - wie unter Einblendung der ebay-Angebote des Beklagten näher beschrieben - in Abonnements zu Preisen anzubieten oder anbieten zu lassen, die unterhalb der vom Verlag festgesetzten Preise liegen,

2 den Beklagten zu verurteilen, Auskunft darüber zu erteilen, seit wann, in welchem Umfang, mit welchen Ein- und Verkaufspreisen und mit welcher Gewinnmarge Handlungen der vorstehend in Ziffer 1. beschriebenen Art und Weise betrieben wurden,

3 festzustellen, dass der Beklagte ihr (der Klägerin) allen Schaden zu ersetzen hat, der ihr aus Handlungen gemäß Ziffer 1. entstanden ist und/oder entstehen wird.

Der Beklagte war im Verhandlungstermin des Senats säumig.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils sowie auf die Schriftsätze der Klägerin nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung hat keinen Erfolg.

Das Landgericht hat die Klage mit Recht abgewiesen. Die Klägerin kann den Beklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt wegen der bei ebay angebotenen 16 Abonnements auf Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz in Anspruch nehmen. Mit zutreffenden Erwägungen ist das Landgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass das Verkaufsangebot des Beklagten nicht deshalb kartell- oder wettbewerbswidrig gewesen ist, weil die Publikationen "Handelsblatt" und "Wirtschaftswoche" zu Preisen angeboten worden sind, die unter den von der Klägerin festgesetzten Verkaufspreisen lagen.

1. Kartellrechtliche Ansprüche aus § 33 Abs. 1 und 3 GWB scheiden von vornherein aus, weil der Beklagte durch das Angebot der 16 Abonnements keinen Kartellverstoß begangen hat. § 30 Abs. 1 GWB normiert kein (gesetzliches) Ge- oder Verbot. Die Vorschrift erweitert lediglich den unternehmerischen Handlungsspielraum eines Unternehmens, das Zeitungen oder Zeitschriften verlegt. Jenem ist in Abweichung vom Kartellverbot des § 1 GWB eine vertikale Preisbindung seiner Abnehmer gestattet. Macht das Verlagsunternehmen von dieser Möglichkeit Gebrauch, sind die betreffenden Abnehmer ausschließlich vertraglich - und nicht, wie es für § 33 GWB erforderlich wäre, kartellgesetzlich - an die festgesetzten Verkaufspreise gebunden.

2.Lauterkeitsrechtliche Ansprüche aus § 4 Nr. 11 UWG kommen gleichfalls schon auf erste Sicht nicht in Betracht. Nach der genannten Vorschrift handelt nur derjenige wettbewerbswidrig, der einer gesetzlichen Marktverhaltensregel zuwider handelt. Daran fehlt es vorliegend. § 30 Abs. 1 GWB ist keine Gesetzesnorm, die (zumindest auch) dazu bestimmt ist, das Marktverhalten im Interesse der Marktteilnehmer zu regeln. Wie ausgeführt, erschöpft sich der Regelungsinhalt der Vorschrift darin, vertikale Preisbindungsvereinbarungen für Verlagsunternehmen der Zeitungs- und Zeitschriftenbranche vom Kartellverbot des § 1 GWB auszunehmen und sie auf diesem Wege kartellrechtlich zu gestatten. Ob und in welchem Umfang die Verlagsunternehmen von der Möglichkeit einer solchen vertikalen Preisbindung Gebrauch machen, steht in ihrem freien Belieben. Das Gesetz enthält dazu in § 30 Abs. 1 GWB keinerlei Vorgaben.

3. Der Beklagte hat durch sein Verkaufsangebot ebenso wenig im Sinne von § 4 Nr. 10 UWG Mitbewerber gezielt behindert.

Das bloße Ausnutzen eines fremden Vetragsbruchs ist nicht unlauter. Hinzu treten müssen vielmehr besondere die Unlauterkeit begründende Umstände (BGH, BGHZ 171, 73 Rn.15 m.w.N. - Außendienstmitarbeiter). Solche Umstände liegen im Streitfall nicht vor.

a) Die Klägerin macht selbst nicht geltend, dass der Beklagte die bei ebay angebotenen 16 Abonnements im sog. Schleichbezug, also durch Täuschung eines von der Klägerin wirksam gebundenen Abnehmers, erlangt hat.

b) Sie behauptet auch nicht, dass der Beklagte einen gebundenen Abnehmer der Klägerin zum Vertragsbruch verleitet hat. Allein die etwaige Kenntnis des Beklagten, dass die von ihm bezogenen 16 Abonnements dem Preisbindungssystem der Klägerin unterfielen, begründet den Vorwurf eines unlauteren Verhaltens noch nicht (vgl. BGH, a.a.O. Rn.18).

c) Art und Umfang der wettbewerblichen Betätigung des Beklagten rechtfertigen gleichfalls nicht den Vorwurf eines unlauteren Verhaltens.

Nach höchstrichterlichen Rechtsprechung ist die Schwelle der als bloße Folge des Wettbewerbs hinzunehmenden Behinderung überschritten, wenn das betreffende Verhalten bei objektiver Würdigung der Umstände in erster Linie auf die Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltung des Mitbewerbers und nicht auf die Förderung des eigenen Wettbewerbs gerichtet ist oder wenn die Behinderung derart ist, dass der beeinträchtigte Mitbewerber seine Leistung am Markt durch eigene Anstrengung nicht mehr in angemessener Weise zur Geltung bringen kann (BGH, a.a.O. Rn. 23 m.w.N.).

Beides ist hier nicht der Fall. Nach dem Sach- und Streitstand hat der Beklagte lediglich im August 2012 insgesamt 16 Zeitungsabonnements zu Preisen unterhalb der Preisbindungsgrenze der Klägerin angeboten. Ein derart geringfügiger Geschäftsumfang lässt weder den Schluss auf eine gegen die Klägerin gerichtete Behinderungsabsicht zu noch trägt er die Feststellung, die Klägerin könne infolge der Geschäftstätigkeit des Beklagten ihre Leistung am Markt durch eigene Anstrengung nicht mehr in angemessener Weise zur Geltung bringen.

d) Schließlich begründet auch der Weiterverkauf der Zeitungs-Abonnements zu Preisen unterhalb der Preisgrenze der Klägerin nicht den Vorwurf eines unlauteren Wettbewerbsverhaltens.

Zwar gefährdet jede Preisunterbietung durch einen Außenseiter das Bindungssystem, weil dem Gebundenen die Einhaltung der vorgegebenen Preise dann nicht mehr zugemutet werden kann, wenn seine Preise von ungebundenen Wettbewerbern unterboten werden (BGH, BGHZ 143, 232 Rn.36 - Außenseiteranspruch II). Dieser Gesichtspunkt rechtfertigt es - entgegen einer früher in der Rechtsprechung vertretenen Ansicht (BGH, GRUR 1968, 272, 274 f. - Trockenrasierer III) - indes nicht, die Weiterveräußerung der Ware unter dem gebundenen Preis als unlauteres Marktverhalten zu bewerten (ebenso: Emmerich in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht GWB, 4. Aufl., § 30 Rdnr. 114, 117; Bahr in Langen/Bunte, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Band 1, § 30 Rdnr. 115 m.w.N.; Nordemann in Loewenheim/Meessen/ Riesenkampff, Kartellrecht, 2. Aufl., § 30 Rdnr. 75; offen gelassen in BGH, BGHZ 143, 232 Rn.36 - Außenseiteranspruch II). Denn andernfalls würde die rein schuldrechtliche Bindung zwischen dem preisbindenden Verlagsunternehmen und dem gebundenen Abnehmer über das Lauterkeitsrecht Wirkung auch gegen nicht gebundenen Außenseitern - und damit im Ergebnis dingliche - Wirkung entfalten. Eine solche Verdinglichung entspricht nicht dem Willen des Gesetzgebers. Dieser hat nämlich in § 3 BuchPrG ausschließlich für den Verkauf von Büchern an Letztabnehmer eine gesetzliche - und damit dinglich wirkende - Preisgrenze vorgesehen, während er in § 30 Abs. 1 GWB für Zeitungen und Zeitschriften lediglich schuldrechtliche Preisbindungen der Abnehmer gestattet.

4. Das Verhalten des Beklagten erfüllt schließlich nicht den Tatbestand des § 3 UWG. Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich unmittelbar, dass das Angebot der 16 Zeitungsabonnements durch den Beklagten keine unlautere geschäftliche Handlungen gewesen ist.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

IV.

Der Senat hat die Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zugelassen.Die Frage, ob der Weiterverkauf von Ware durch einen nicht gebundenen Verkäufer (sog. Außenseiter) alleine deshalb wettbewerbswidrig ist, weil dieser unter dem gebundenen Preis verkauft, ist höchstrichterlich noch nicht geklärt (zweifelnd, aber offen gelassen in BGH, BGHZ 143, 232 - Außenseiteranspruch II).






OLG Düsseldorf:
Urteil v. 14.11.2012
Az: VI-U (Kart) 16/12


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