Bundespatentgericht:
Beschluss vom 6. Juli 2005
Aktenzeichen: 28 W (pat) 15/04
(BPatG: Beschluss v. 06.07.2005, Az.: 28 W (pat) 15/04)
Tenor
Auf die Beschwerde der Widersprechenden werden die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamts - Markenstelle für Klasse 29 - vom 13. September 2000 und 16. Oktober 2003 aufgehoben.
Wegen des Widerspruchs aus der Marke 939 983 wird die Löschung der angegriffenen Marke 397 07 133 für die Ware "Milchprodukte" angeordnet.
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die nachfolgend wiedergegebene Markeist am 10. April 1997 für die Waren "Milch, Milchprodukte, Käse, Butter, Joghurt, Quark" in das Markenregister eingetragen worden.
Hiergegen hat die Inhaberin der seit dem 16. Januar 1976 für "Zuckerwaren" eingetragenen Marke 939 983 Muh-Muhs Widerspruch erhoben.
Die Markenstelle hat mit Beschluss des Erstprüfers eine Verwechslungsgefahr mangels Warenähnlichkeit verneint, auf die Erinnerung der Widersprechenden dann den Widerspruch mangels Glaubhaftmachung der Benutzung zurückgewiesen.
Die Widersprechende hat Beschwerde erhoben und zunächst weitere Unterlagen zur Glaubhaftmachung der Benutzung vorgelegt. Hinsichtlich der sich gegenüberstehenden Waren sieht sie vor allem deutliche Überschneidungen bei Milchprodukten und Joghurt, denn die von ihr unter der Widerspruchsmarke vertriebenen Sahnebonbons hätten einen erheblichen Milchanteil. Ihre Marke sei im übrigen so umfangreich benutzt, dass sie einen erhöhten Schutzumfang beanspruchen könne, den die klanglich wie bildlich nahezu identische angegriffene Marke deutlich tangiere.
Die Markeninhaberin hält weiterhin die Glaubhaftmachung der Benutzung für nicht gelungen. So seien die vorgelegten Unterlagen einschließlich der diversen eidesstattlichen Versicherungen in sich widersprüchlich bzw. nicht schlüssig. Zum anderen entspreche die konkrete Benutzung der Widerspruchsmarke nicht der eingetragenen Form, da sie stets mit Zusätzen versehen sei, die den kennzeichnenden Charakter veränderten. Des weiteren fehle es auch an jeglicher Ähnlichkeit zwischen Milchprodukten und Bonbons, so dass auch schon aus diesem Grunde der Widerspruch zurückzuweisen sei. Letztlich sei die Widerspruchsmarke auch noch äußerst kennzeichnungsschwach und habe mit der angegriffenen Marke keinerlei klangliche und bildliche Ähnlichkeit.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und hat teilweise Erfolg. Hinsichtlich der Waren "Milchprodukte" der angegriffenen Marke ist der Markenabstand nicht ausreichend, um eine Verwechslungsgefahr iSv § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG zu auszuschließen. Im übrigen war der Widerspruch mangels Warenähnlichkeit zurückzuweisen.
Was die Glaubhaftmachung der zulässig bestrittenen Benutzung der Widerspruchsmarke betrifft, hat der Senat keine Bedenken, die von der Widersprechende vorgelegten Unterlagen als rechtserhaltende Benutzung zu werten. Sowohl aus den eingereichten eidesstattlichen Versicherungen wie den Verpackungs- und Warenmustern ergibt sich eindeutig, dass die Widersprechende über den gesamten vorliegend relevanten Zeitraum von 1992 bis heute lückenlos das Zeichen für Sahnebonbons einsetzt und dabei Umsätze erzielt, die die wirtschaftliche Ernsthaftigkeit der Benutzung nachhaltig belegen. Die Einwände der Markeninhaberin zu diesem Komplex sind völlig überzogen und werden vor allem in rechtlicher Hinsicht dem Charakter der Glaubhaftmachung als Mittel der Beweiserleichterung nicht gerecht. Die Markeninhaberin verkennt dabei, dass es bei der Frage der Benutzung im Registerverfahren nicht um einen Vollbeweis geht, sondern das im Hinblick auf den Benutzungszwang lediglich die Fälle einer Nicht- bzw. Scheinbenutzung ausgeschieden werden sollen. Bei Absatzmengen von durchschnittlich über ... kg Bonbons im Jahr, was bei einer Packungsgröße von ... gr nahezu ... Packungen jährlich entspricht, kann nicht ernsthaft bezweifelt werden, dass die Widersprechende nach Dauer und Umsatz das Zeichen wirtschaftlich sinnvoll einsetzt. Die weitere Behauptung der Markeninhaberin, die Widerspruchsmarke werde nur mit den Charakter der Marke verändernden Zusätzen und damit nicht rechtserhaltend benutzt, steht ersichtlich nicht im Einklang mit den von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wie des Bundespatentgerichts entwickelten Grundsätzen zur Verwendung von Marken im Kontext von beschreibenden Angaben wie vorliegend das Wort "Sahne" oder die Abbildung einer Kuh (vgl. iE Ströbele-Hacker, MarkenG, 7. Aufl. 2003, § 26 Rdnr 144 mwNachw.), so dass hierauf nicht näher eingegangen werden braucht.
Hinsichtlich der Waren ist damit auf Seiten der Widersprechenden allerdings nicht vom Oberbegriff "Zuckerwaren" auszugehen, sondern im Rahmen der sog. erweiterten Minimallösung von "Bonbons", denen bei der angegriffenen Marke in erster Linie die Waren "Milchprodukte" gegenüberstehen.
Auch wenn diese Produkte in der amtlichen Klassifikation unterschiedlichen Warengruppen zugeordnet sind (Klasse 29 bzw Klasse 30), so ist, wenn man die maßgeblichen Faktoren wie ihre Art und Zusammensetzung, Verwendungszweck, Vertriebswege, Verkaufsstätte, Nutzung, Zusammentreffen beim Verbraucher usw. betrachtet, ohne weiteres noch von Warenähnlichkeit im Rechtssinne auszugehen. Milchprodukte decken vom Oberbegriff her ein weites Feld an Produkten ab, die modernen Marketingtrends folgend bis weit in den Süßwarenbereich hinreichen. So dürften im Kühlregal angebotenen Milchsnacks (zB "Kinder-Milchschnitte", "Kinder Pinguin", "Nesquik-Snack"), sowie die Vielzahl der Puddingspeisen (z.T. mit Negerkuss oä angeboten), Joghurts mit Schokoraspeln, Nüssen udl, was ihre Inhaltstoffe wie Zucker und Fettgehalt betrifft sogar schon den. Zuckerwaren gleichstehen. Der Frischmilchgehalt beschränkt sich bei diesen Produkten oft nur auf einen Esslöffel. Besonders bei den Milchsnacks wird dem Verbraucher oft nicht bewusst sein, ob er ein Milchprodukt oder eine Süßware kauft, vielmehr sind die Grenzen zwischen beiden Warenbereichen fließend (vgl. schon BPatG 28 W 123/02 v. 15. 10. 2003). Das gilt nicht nur für den Oberbegriff Zuckerwaren, sondern eingeschränkt auch für die vorliegend relevanten Bonbons, wie schon dem Begriff Sahnebonbons als deutlichem Hinweis auf den Milch- und Sahnegehalt solcher Waren zu entnehmen ist (ebenso schon BPatG 32 W 275/01 v. 28. 2. 2003), auch wenn in dieser Konstellation die Warenähnlichkeit nicht mehr so ausgeprägt ist wie bei den Zuckerwaren an sich. Aus diesem Grunde kann aber eine Warenähnlichkeit auch nur hinsichtlich der beanspruchten Milchprodukte im Oberbegriff begründet werden, nicht aber hinsichtlich der Einzelwaren wie Milch, Joghurt, Butter, Käse und Quark; zumindest fehlt es insoweit an gegenteiligen Feststellungen und vor allem an jeglichem Vortrag der Widersprechenden zu eventuell ähnlichkeitsbegründenden Faktoren.
Auch wenn man zwischen Milchprodukten und Bonbons nur eine eher unterdurchschnittliche Ähnlichkeit annimmt, darf nicht außer Acht gelassen werden, dass sich die betroffenen Waren an Endverbraucher richten und letztlich häufig mit einer gewissen Flüchtigkeit gekauft werden, was sich als kollisionsförderndes Indiz darstellt, so dass die Widerspruchsmarke - ohne dass es noch auf die Frage ihrer eventuell erhöhten Kennzeichnungskraft ankommt - von der angegriffenen Marke zur Verneinung einer Verwechslungsgefahr durchaus einen deutlichen Abstand fordern kann, der vorliegend ersichtlich nicht eingehalten wird, da die Marken im klanglichen Bereich nahezu identisch sind. Der einzige Unterschied im Schlußkonsonanten "s" kommt bei der mündlichen Benennung überhaupt nicht zum Tragen und wird vor allem im Erinnerungsbild des Verkehrs völlig untergehen. Auf die Frage einer schriftbildlichen Ähnlichkeit, die von der Markeninhaberin in den Vordergrund ihrer Argumentation gestellt worden ist, kommt es damit nicht mehr an.
Der Beschwerde hatte somit hinsichtlich der angegriffenen Waren "Milchprodukte" Erfolg und war im übrigen zurückzuweisen.
Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst, § 71 Abs 1 Satz 2 Markengesetz.
Stoppel Schwarz-Angele Paetzold Bb
BPatG:
Beschluss v. 06.07.2005
Az: 28 W (pat) 15/04
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