Landgericht Flensburg:
Urteil vom 19. Januar 2007
Aktenzeichen: 4 O 267/06

(LG Flensburg: Urteil v. 19.01.2007, Az.: 4 O 267/06)

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, dem Kläger Werbesendungen jeglicher Art zu übersenden oder übersenden zu lassen, und zwar auch sogenannte Werbung durch Postwurfsendung.

Der Beklagten wird für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die vorstehende Unterlassungsverpflichtung ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 25.000,00 € angedroht.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung hinsichtlich der Kosten des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Streitwert wird auf 6.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger verlangt das Unterlassen der Zusendung von Werbesendungen.

Der Kläger ist Rechtsanwalt und Notar. Die Beklagte gab Postwurfsendungen bei der Post in Auftrag, die für ihre Produkte warben und unter anderem auch die Kanzlei des Klägers in S. über sein Postfach erreichten.

Der Kläger schrieb die Beklagte erstmals am 28.Juni 2005 an und forderte sie auf, ihn zukünftig mit Werbung jeglicher Art zu verschonen.

Mit Fax -Schreiben vom 29.Juni 2005 teilte die Beklagte mit, dass es ihr auf Grund der von ihr gewählten Marketingvariante nicht möglich sei, den Kläger vom Versand der Werbung auszunehmen.

Auf eine weitere Aufforderung des Klägers vom 01. Juli 2005 teilte die Beklagte mit, dass sie ihr Marketing nicht einstellen werde.

Nachdem weitere Werbung der Beklagten beim Kläger eingegangen war, forderte dieser sie ein weiteres Mal auf, den Versand von Werbung an ihn einzustellen.

Die Beklagte reagierte hierauf nicht. Im Sommer und Frühherbst 2006 erhielt der Kläger vier weitere Male Werbung von der Beklagten.

Der Kläger meint, dass die Beklagte ihn mit den Postwurfsendungen auf unzumutbare Weise widerrechtlich belästige. Er behauptet, private Konkurrenzanbieter der Post, die ebenfalls Postwurfsendungen zustellten, erfüllten diesen Auftrag auch mit der Einschränkung, bestimmte Adressaten von der Postwurfsendung auszunehmen.

Der Kläger beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, dem Kläger Werbesendungen jeglicher Art zu übersenden oder übersenden zu lassen, und zwar auch sogenannte Werbung durch Postwurfsendung.

2. Gegen die Beklagte wird für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsverpflichtung gemäß Ziff. 1. ein Zwangsgeld von bis zu 25.000 € verhängt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, dass es der Post nicht möglich sei, bestimmte Adressaten aus einem Postwurfantrag herauszunehmen. Daher sei ihr nicht möglich, das Postfach des Klägers aus Postwurfsendungen auszusparen.

Entspräche sie dem Anliegen des Klägers, wäre sie gezwungen, generell keine Postwurfsendungen für das Postleitzahlengebiet des Klägers mehr in Auftrag zu geben.

Sie meint, dass damit ihre Werbemöglichkeit in unverhältnismäßiger Weise beeinträchtigt werden würde.

Ferner behauptet sie, dass der Kläger durch das Anbringen eines entsprechenden Aufklebers am Postfach einfach und wirkungsvoll den Einwurf von Werbung verhindern könne.

Sie meint, dass das Verlangen nach einem Verzicht auf Postwurfwerbung im gesamten Postleitzahlengebiet des Klägers unter diesen Umständen rechtsmissbräuchlich erscheine.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Gründe

Die Klage ist zulässig. Das Landgericht Flensburg ist sachlich und örtlich zuständig.

Die örtliche Zuständigkeit des Gerichts ergibt sich aus § 32 ZPO. Hinsichtlich der sachlichen Zuständigkeit kann es dahinstehen, ob § 13 Abs. 1 UWG im vorliegenden Fall anwendbar ist, obwohl der Kläger nicht zu den Anspruchsinhabern nach § 8 Abs. 3 UWG gehört. Das Landgericht ist nämlich schon deshalb nach § 71 Abs. 1 GVG zuständig, weil der Streitwert von 6.000,00 € die amtsgerichtliche Zuständigkeitsgrenze von 5.000,00 € nach § 23 Nr. 2 GVG übersteigt.

Das Gericht schließt sich hinsichtlich der Bemessung des Streitwertes den zutreffenden Ausführungen des Klägers in der Klageschrift und der darin in Bezug genommenen Entscheidung des Landgerichts Lübeck (SchlHA 2006, 314, 315) an. Für Postwurfsendungen kann grundsätzlich nicht anderes gelten als für E-Mails, auf die sich die Entscheidung des Landgerichts Lübeck bezieht. Dabei sind im vorliegenden Fall zusätzlich die Häufigkeit der Werbesendungen der Beklagten (etwa einmal monatlich) und der Umstand zu berücksichtigen, dass sie den Kläger gerade in seiner beruflichen Tätigkeit beeinträchtigen.

Die Klage ist zudem begründet.

Dem Kläger steht ein Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 BGB in Verbindung mit § 823 Abs.1 BGB, §§ 1, 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG zu. Ein Unterlassungsanspruch im Sinne dieser Vorschriften ist dann zu bejahen, wenn die unmittelbar drohende Gefahr eines widerrechtlichen Eingriffs in ein durch §§ 823 ff BGB geschütztes Rechtsgut vorliegt. Diese Voraussetzungen sind gegeben.

Es liegt ein zielgerichteter, betriebsbezogener Eingriff in den Gewerbebetrieb des Klägers vor. Das zur Kanzlei gehörenden Postfach wird mit Werbung gefüllt, die der Beklagte bzw. seine Mitarbeiter(innen) aus der Geschäftspost aussortieren müssen.

Das Zusenden von Postwurfsendungen gegen den ausdrücklichen Willen des Adressaten ist ein objektiv widerrechtlicher Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als ein sonstiges Recht im Sinne des § 823 Abs.1 BGB. Da auch angehörige freier Berufe unter den Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs stehen (Thomas in Palandt, BGB, 65. Aufl., § 823, RdNr.127), kann sich der Kläger als Rechtsanwalt und Notar auf diesen Schutz berufen.

Bei den streitgegenständlichen Postwurfsendungen handelt es sich um Werbung. Die Beklagte wollte mit den Sendungen für Kaffeemaschinen werben. Diese Werbung ist zudem im Sinne des § 7 Abs.2 Nr.1 UWG belästigend, da es für die Beklagte erkennbar war, dass der Kläger die Werbung nicht wünscht. Da die Ablehnung keiner bestimmten Form bedarf (Ohly in Piper/Ohly, UWG, 4. Aufl., § 7, RdNr.33), hat der Kläger seine Ablehnung ausreichend erkennbar gemacht, indem er die Beklagte angeschrieben und darum gebeten hat, von ihrer Werbeaktion in Zukunft ausgenommen zu werden. Der Kläger erhielt trotz dieser Bitte weiterhin Postwurfsendungen mit Werbung der Beklagten.

Grundsätzlich ist in einem Fall des ausdrücklichen Widersprechens von Werbe-Postwurfsendungen eine Fortsetzung dieser Werbung unzulässig und damit rechtswidrig. Dem Empfänger steht das Recht zu, sich gegen eine Beeinträchtigung seiner räumlichen-gegenständlichen Sphäre durch das Aufdrängen von unerwünschtem Werbematerial zur Wehr zu setzen. Dieses Recht besteht nicht nur dann, wenn Werbematerial in einer solchen Menge eingeworfen wird, dass die eigentliche Funktion des Briefkastens bzw. Postfaches - die Aufnahme von Postsendungen- in Frage gestellt ist. Vielmehr kann sich der Betroffene auch gegen den vereinzelten unerwünschten Einwurf von Werbematerial in seinen Briefkasten wehren, schon um der Ausweitung einer derartigen Inanspruchnahme, die er anders nicht steuern kann, zu begegnen (BGHZ 106, 229 [233]).

Auf eine Abwägung der beiderseitigen Interessen kommt es in diesem Rahmen nicht an. Die von der Beklagten zitierte Rechtsprechung (BGH GRUR 1992, 316 ff.) ist durch das UWG-Reformgesetz und die dadurch mit Wirkung zum 08.07.2004 in Kraft getretene Bestimmung des § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG überholt. Danach ist zwar die Werbung durch Brief- oder Postwurfsendungen grundsätzlich zulässig, ein Widerspruch des Empfängers ist aber im Gegensatz zur früheren Rechtsprechung nach dem klaren Willen des Gesetzes unabhängig davon zu beachten, ob dies wegen der Art und Anlage der Werbeaktion für das werbende Unternehmen mit einem Arbeits- und Kostenaufwand verbunden ist, der in keinem angemessenen Verhältnis zu der mit der Werbung verbundenen Belästigung des Umworbenen steht.

Es ist für die Beklagte auch nicht unmöglich, das Unterlassungsbegehren des Klägers zu erfüllen. Dabei kann es dahinstehen, ob es nach den Bedingungen der Post ausgeschlossen ist, bei Postwurfsendungen einzelne Empfängeranschriften von der Verteilung auszunehmen, wie die Beklagte behauptet. Wenn das so sein sollte, müsste sie eben darauf verzichten, im Postleitzahlengebiet des Klägers ihre Werbung in dieser Form verteilen zu lassen. Damit wird ihr ja keineswegs jegliche Werbung unmöglich gemacht. Zum einen gibt es andere Werbeformen, zum anderen gibt es auch private Konkurrenten Post, die ebenfalls Postwurfsendungen verteilen. Ob diese bei vergleichbarem Kostenaufwand über ein dem Vertriebsnetz der Post entsprechendes flächendeckendes Verteilersystem verfügen, ist dabei nicht erheblich. Die Beklagte muss ggf. auch höhere Kosten oder dem Umstand in Kauf nehmen, im Postleitzahlenbezirk des Klägers einen etwas kleineren Empfängerkreis (z. B. nur über Briefkästen und nicht auch über Postfächer) erreichen zu können. Dass eine bestimmte Form der Verteilung von Werbung besonders kostengünstig oder effektiv ist, kann keine Rechtfertigung dafür darstellen, sich über die gesetzlichen Verbote nach § 7 Abs. 2 UWG hinwegzusetzen.

Die nach § 1004 Abs.1 S.2 BGB erforderliche Wiederholungsgefahr liegt ebenfalls vor. Sie ist die auf Tatsachen gegründete objektiv ernstliche Besorgnis weiterer Störungen. Die vorangegangene rechtswidrige Beeinträchtigung begründet in der Regel eine tatsächliche Vermutung für die Wiederholungsgefahr, an deren Widerlegung durch den Störer hohe Anforderungen zu stellen sind (BGH NJW 86, 2503; BGH 140, 1). Die Beklagte hat die Vermutung der Wiederholungsgefahr nicht widerlegt und auch nach Zustellung der Klage dem Kläger Postwurfsendungen zukommen lassen. Ihr Vortrag in diesem Rechtsstreit bestätigt zudem, dass sie beabsichtigt, weiterhin Postwurfsendungen mit Werbung in einer Weise verteilen zu lassen, durch die auch der Kläger derartige Sendungen erhält.

Auf ein Verschulden kommt es im Rahmen des § 1004 BGB nicht an (Bassenge in Palandt, a. a. O., § 1004, RdNr.13).

Schließlich ist das Unterlassungsverlangen des Klägers auch nicht rechtsmissbräuchlich. Es ist zwar davon auszugehen, dass sich der Kläger durch einen Aufkleber an seinem Postfach gegen den Einwurf unerwünschter Werbung schützen könnte, da die Postzusteller solche Aufkleber in aller Regel beachten. Der Kläger ist aber nicht verpflichtet, nur deswegen generell auf jegliche Werbung durch Postwurfsendungen zu verzichten, weil er gerade die Werbung der Beklagten nicht mehr bekommen möchte. Er kann ja durchaus an Werbesendungen anderer Anbieter weiterhin interessiert sein.

Es muss jedem Empfänger möglich sein, sich gezielt gerade gegen die Werbung einzelner Absender (wie hier der Beklagten) zu verwahren. Da es sich dabei wiederum um mehrere unerwünschte Absender handeln kann, kann von ihm auch nicht verlangt werden, gerade diese namentlich auf einem entsprechenden Aufkleber aufzuführen ("Ich wünsche keine Werbung folgender Firmen: ...."). Dieses gilt umso mehr, als ein solcher Aufkleber auch für Außenstehende sichtbar wäre und der Kläger ein Interesse daran haben kann, seine Ablehnung der Werbung bestimmter Anbieter nicht publik werden zu lassen.

Bei der Androhung des Ordnungsgeldes gemäß § 890 Abs. 2 ZPO hat sich das Gericht hinsichtlich der Art und Höhe des Ordnungsmittels an den Antrag des Klägers gehalten, jedoch sprachlich klargestellt, dass es sich derzeit nur um eine Androhung und noch nicht um eine Festsetzung handelt

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs.1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 709, 708 Nr. 11, 711 ZPO.






LG Flensburg:
Urteil v. 19.01.2007
Az: 4 O 267/06


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