Bundesgerichtshof:
Urteil vom 19. Oktober 2010
Aktenzeichen: X ZR 165/07
(BGH: Urteil v. 19.10.2010, Az.: X ZR 165/07)
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 27. September 2007 verkündete Urteil des 10. Senats (Juristischen Beschwerdesenats und Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts abgeändert.
Das europäische Patent 961 038 wird mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland insoweit für nichtig erklärt, als die Patentansprüche über folgende Fassung des Patentanspruchs 1, auf die die Patentansprüche 2 bis 8 rückbezogen sind, und folgende Fassung des Patentanspruchs 9 hinausgehen:
"1. Formkörper, umfassend zwei Werkstücke sowie ein Verbindungselement (1), welches die reibungserhöhende spielfreie reversible Verbindung der zu fügenden Werkstücke ermöglicht, wobei das Verbindungselement aus einer federelastischen Folie (4) einer Stärke von ² 0,2 mm und mit einer Eigenfestigkeit, die mindestens ebenso hoch ist wie die Eigenfestigkeit der zu fügenden Werkstücke, besteht, wobei die federelastische Folie an ihrer Oberfläche Partikel (3) definierter Größe trägt, und diese Partikel aus einem Material mit einer Druck- und Scherfestigkeit bestehen, welche jene der zu fügenden Werkstücke übertrifft, dadurch gekennzeichnet, dass die Partikel mittels einer Bindephase (5) auf der federelastischen Folie (4) fixiert sind, wobei die Bindephase eine Festigkeit hat, die jener der zu fügenden Flächen der Werkstücke zumindest entspricht, und dass die Partikel einen maximalen Durchmesser von 0,1 mm aufweisen.
9. Verwendung eines Verbindungselements (1), bestehend aus einer federelastischen Folie aus metallischem Material (4) einer Stärke von ² 0,2 mm, wobei die federelastische Folie an ihrer Oberfläche Partikel (3) definierter Größe trägt und diese Partikel einen maximalen Durchmesser von 0,1 mm aufweisen und ausgewählt sind aus der Gruppe der Hartstoffe und die Partikel mittels einer metallischen Bindephase (5) auf der federelastischen Folie (4) fixiert sind, wobei die metallische Bindephase (5) mittels eines galvanotechnischen Verfahrens auf die federelastische Folie aufgebracht wurde, zur reibungserhöhenden spielfreien reversiblen Verbindung von zu fügenden metallischen Werkstücken, wobei die Folie weiterhin eine Eigenfestigkeit aufweist, die mindestens ebenso hoch ist wie die Eigenfestigkeit der zu fügenden Werkstücke."
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden zu 4/5 den Klägerinnen und zu 1/5 der Beklagten auferlegt.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
Die Beklagte ist Inhaberin des unter Inanspruchnahme der Priorität einer deutschen Patentanmeldung vom 28. Mai 1998 am 12. Mai 1999 angemeldeten und mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 961 038 (Streitpatents). Es betrifft ein "Verbindungselement zur kraftschlüssigen Verbindung von Bauteilen" und umfasst zehn Patentansprüche, von denen die Patentansprüche 1, 9 und 10 folgenden Wortlaut haben:
"1. Formkörper, umfassend zwei Werkstücke sowie ein Verbindungselement (1), welches die reibungserhöhende spielfreie reversible Verbindung der zu fügenden Werkstücke ermöglicht, wobei das Verbindungselement aus einer federelastischen Folie (4) mit einer Eigenfestigkeit, die mindestens ebenso hoch ist wie die Eigenfestigkeit der zu fügenden Werkstücke, besteht, wobei die federelastische Folie an ihrer Oberfläche Partikel (3) definierter Größe trägt, und diese Partikel aus einem Material mit einer Druck- und Scherfestigkeit bestehen, welche jene der zu fügenden Werkstücke übertrifft, dadurch gekennzeichnet, dass die Partikel mittels einer Bindephase (5) auf der federelastischen Folie (4) fixiert sind, wobei die Bindephase eine Festigkeit hat, die jener der zu fügenden Flächen der Werkstücke zumindest entspricht.
9. Verbindungselement (1) zur reibungserhöhenden spielfreien reversiblen Verbindung von zu fügenden Werkstücken, bestehend aus einer federelastischen Folie aus metallischem Material (4), wobei die federelastische Folie an ihrer Oberfläche Partikel (3) definierter Größe trägt, und diese Partikel ausgewählt sind aus der Gruppe der Hartstoffe, dadurch gekennzeichnet, dass die Partikel mittels einer metallischen Bindephase (5) auf der federelastischen Folie (4) fixiert sind, wobei die metallische Bindephase (5) mittels eines galvanotechnischen Verfahrens auf die federelastische Folie aufgebracht wurde.
10. Verfahren zur Herstellung eines Verbindungselements gemäß Anspruch 9, dadurch gekennzeichnet, dass auf eine federelastische Folie aus metallischem Material, mittels an sich bekannter, in der Beschichtungstechnik üblicher galvanotechnischer Verfahren Partikel definierter Größe ausgewählt aus der Gruppe der Hartstoffe, aufgebracht werden."
Wegen der auf Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 8 des Streitpatents wird auf die Patentschrift Bezug genommen.
Mit ihrer Nichtigkeitsklage haben die Klägerinnen, die von der Beklagten wegen Verletzung des Streitpatents gerichtlich in Anspruch genommen werden, geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents gehe in unzulässiger Weise über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinaus und sei gegenüber dem Stand der Technik, wie ihn insbesondere der Aufsatz "Oberflächenschichten für kraftschlüssige Momentübertragung" von Peeken/Lukschandel/Paulick in der Zeitschrift "ant - Antriebstechnik", Januar/Februar 1981 (K9) und die deutsche Offenlegungsschrift 1 816 854 (K7) bildeten, nicht patentfähig.
Das Patentgericht hat das Streitpatent mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie das Streitpatent zuletzt nur noch in der aus dem Tenor ersichtlichen Fassung verteidigt.
Die Klägerinnen treten dem Rechtsmittel entgegen.
Im Auftrag des Senats hat Prof. Dr.-Ing. M. , Lehrstuhl für Konstruktionstechnik, Universität E. , ein schriftliches Gutach- ten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.
Gründe
I. Die zulässige Berufung der Beklagten führt zur Abweisung der Klage, soweit sie auf Nichtigerklärung des Streitpatents in der in der mündlichen Verhandlung zuletzt in zulässiger Form verteidigten Fassung gerichtet ist.
1. Das Streitpatent lehrt in Patentanspruch 1 einen Formkörper, der zwei Werkstücke sowie ein Verbindungselement zur kraftschlüssigen Verbindung von Bauteilen umfasst. Ferner betrifft es in Patentanspruch 9 dieses Verbindungselement und in Patentanspruch 10 ein Verfahren zu seiner Herstellung.
Kraftschlüssige Verbindungen werden in allen Bereichen des Maschinenbaus zur Übertragung von Querkräften oder Drehmomenten eingesetzt, wobei die Größe der übertragbaren Kraft in erster Linie vom Haftreibungswert der miteinander verbundenen Bauteiloberflächen abhängt. Die Streitpatentschrift schildert, dass schon aus der Frühzeit des Maschinenbaus als Maßnahme zur Reibungserhöhung bekannt sei, Sand in den Fügespalt zu streuen, um den Sitz von Zahnrädern auf Wellen zu verbessern. Dabei würden die Sandkörner unter dem Einfluss der Schrumpfkräfte in die zu fügenden Bauteiloberflächen gedrückt und mit Eindringtiefen von einigen Zehntel Millimetern einen gewissen Formschluss bewirken. Allerdings berge die Kerbwirkung gröberer Partikel im Fügespalt ein erhöhtes Risiko von Dauerbrüchen in sich, weshalb die Eindringtiefen der zur Kraftübertragung genutzten Partikel in die Bauteiloberflächen nicht nennenswert tiefer sein dürften als die von der vorhergegangenen Bearbeitung herrührenden Rauheitstiefen. Auch sei es in der Praxis kaum möglich, lose oder in streichfähige Trägermedien eingearbeitete Partikel gleichmäßig in den Fügespalt einzubringen.
Die Streitpatentschrift bezeichnet weiter verschiedene Verfahren als bekannt, um harte Partikel gleichmäßig und reproduzierbar in den Fügespalt einzubringen, und beschreibt als zum Stand der Technik gehörend auch separate Verbindungselemente mit Hartstoffpartikeln, die auf einem flexiblen Trägermaterial beidseitig aufgebracht sind. An den aufgezeigten Trägerfilmen aus leicht verformbaren Material geringer Eigenfestigkeit wie Leinen, Papier, Folien und organischen Substanzen bemängelt die Streitpatentschrift jedoch teilweise eine fehlende Eignung für eine Übertragung hoher Querkräfte, teilweise wird die Unlösbarkeit der Verbindung als Nachteil angesehen. Soweit fallweise derartige Verbindungen wieder lösbar seien, blieben die in die Fügeflächen eingedrungenen Partikel dort jedoch unkontrollierbar stecken. Dies mache eine reproduzierbare Wiederverwendung der einmal gelösten Verbindung unmöglich.
2. Die Streitpatentschrift bezeichnet es als Aufgabe der Erfindung, eine reibungserhöhende spielfreie reversible Verbindung von zu fügenden Werkstücken zur Verfügung zu stellen, welche die Nachteile des Standes der Technik vermeidet.
3. Hierzu soll durch Patentanspruch 1 in der zuletzt verteidigten Fassung ein Formkörper mit folgenden Merkmalen zur Verfügung gestellt werden:
1. Der Formkörper umfasst zwei Werkstücke sowie ein Verbindungselement.
2. Das Verbindungselement 2.1 ermöglicht eine spielfreie Verbindung der zu fügenden Werkstücke, 2.1.1 die reibungserhöhend und 2.1.2 reversibel ist, und 2.2 besteht aus einer Folie.
3. Die Folie 3.1 ist federelastisch, 3.2 hat eine Stärke von ² 0,2 mm, 3.3 hat eine Eigenfestigkeit, die mindestens ebenso hoch ist wie die Eigenfestigkeit der zu fügenden Werkstücke, und 3.4 trägt an ihrer Oberfläche Partikel.
4. Die Partikel 4.1 haben eine definierte Größe, 4.2 weisen einen maximalen Durchmesser von 0,1 mm auf, 4.3 bestehen aus einem Material mit einer Druck- und Scherfestigkeit, die diejenige der zu fügenden Werkstücke übertrifft, und 4.4 sind mittels einer Bindephase auf der Folie fixiert.
5. Die Bindephase hat eine Festigkeit, die derjenigen der zu fügenden Flächen der Werkstücke zumindest entspricht.
Patentanspruch 1 lehrt danach, dass die kraftschlüssige Verbindung zwischen zwei Werkstücken mittels einer zwischen dessen Fügeflächen als Zwischenelement eingebrachten Folie realisiert wird, auf der die kraftübertragenden Partikel aufgebracht sind. Merkmal 1 weist das von der Patentbeschreibung auch als Reibungsfolie bezeichnete Verbindungselement als ein separates Bauteil des Formkörpers aus. Für dieses enthält Merkmal 2.1 eine Zweckbestimmung und trägt damit, ohne die räumliche Anordnung des Verbindungselements eigenständig zu kennzeichnen, zur Beschreibung der geschützten Vorrichtung bei. Einer Zweckangabe kommt regelmäßig die Aufgabe zu, den durch das Patent geschützten Gegenstand dahin zu definieren, dass er nicht nur die räumlichkörperlichen Merkmale erfüllen, sondern auch so ausgebildet sein muss, dass er für den im Patentanspruch angegebenen Zweck verwendbar ist (BGH, Urteil vom 7. November 1978 - X ZR 58/77, GRUR 1979, 149, 151 - Schießbolzen; Urteil vom 2. Dezember 1980 - X ZR 16/79, GRUR 1981, 259, 260 - Heuwerbungsmaschine II; Urteil vom 12. Juli 1990 - X ZR 121/88, BGHZ 112, 140, 155 f. - Befestigungsvorrichtung II; Urteil vom 7. Juni 2006 - X ZR 105/04, GRUR 2006, 923 Rn. 15 - Luftabscheider für Milchsammelanlage; Urteil vom 30. April 2009 - Xa ZR 92/05, BGHZ 182, 1 Rn. 23 - Betrieb einer Sicherungseinrichtung; Urteil vom 28. Mai 2009 - Xa ZR 140/05, GRUR 2009, 837 Rn. 15 - Bauschalungsstütze). Dies bedeutet im Streitfall, dass das Verbindungselement so gestaltet sein muss, dass es zur reibungserhöhenden spielfreien reversiblen Verbindung der zu fügenden Werkstücke geeignet ist. Dabei ist unter einer Reversibilität der Verbindung nach der Streitpatentbeschreibung zu verstehen, dass die Verbindung wieder lösbar und aufgrund einer Wiederverwendbarkeit der Verbindungsteile reproduzierbar ist (Sp. 2 Tz. 0011).
Der zur Charakterisierung der Folie im Merkmal 3.1 verwendete Begriff "federelastisch" ist in der Streitpatentschrift nicht definiert. Der Patentbeschreibung ist zu diesem Merkmal zu entnehmen, dass es sich um eine dünne flexible Folie handelt, unter der vorzugsweise - nach dem zuletzt gestellten Antrag der Beklagten obligatorisch - eine Folie mit einer Stärke von ² 0,2 mm zu verstehen ist (Sp. 3 Tz. 0014) und die vorzugsweise als Band aus metallischem Material, z.B. als kaltgewalztes Federband, ausgebildet ist (Sp. 4 Tz. 0024). Weiter heißt es in der Patentbeschreibung hierzu, dass die Anforderungen des Trägermaterials u.a. an die Flexibilität und Elastizität zufriedenstellend erfüllt werden von Bandstahl, insbesondere handelsüblichem Federbandstahl, der für die bevorzugten Ausführungsformen von beidseitig beschichteter Reibungsfolie vorzugsweise mit einer Dicke von 0,1 mm verwendet wird (Sp. 4 Tz. 0026). Als Vorteil dieser Ausgestaltung des Verbindungselements führt die Streitpatentschrift an, dass es leicht auch an kompliziert geformte oder nicht ebene Fügungsflächen anzupassen sei (Sp. 3 Tz. 0015).
Ein Ausführungsbeispiel des patentgemäßen Verbindungselements als mehrlagiger Reibungsfolie zeigt die nachstehend verkleinert wiedergegebene zeichnerische Darstellung in Figur 2 des Streitpatents:
An dieser Stelle befindet sich eine Abbildung.
Hierzu gibt die Patentbeschreibung erläuternd an (Sp. 4 Tz. 0025, 0026), dass die harten Partikel nur mit jeweils einer der zu fügenden Flächen in Berührung stünden und die Kraft mittels einer Zwischenlage ausreichender Eigenfestigkeit übertragen werde. Da es sich bei den kraftschlüssigen Verbindungen im Allgemeinen um metallische Werkstücke überwiegend aus Eisenwerkstoffen handele, werde die Forderung nach ausreichender Eigenfestigkeit des Trägermaterials im Wesentlichen ebenfalls nur von Stahl erfüllt.
II. Das Patentgericht hat im Wesentlichen ausgeführt, der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents beruhe nicht auf erfinderischer Tätigkeit. In der Entgegenhaltung K9 seien Untersuchungen und ihre Ergebnisse zur Erhöhung des Reibungskoeffizienten kraftschlüssiger starrer Verbindungen mittels sehr dünner an sich bekannter Oberflächenschichten (Ni-Diamant) im Bereich weniger Mikrometer beschrieben. Auf einem Grundkörper, hier auf der Welle einer Welle-Nabe-Pressverbindung aus Stahl 42CrMo4, seien sehr kleine Hartstoffpartikel, deren Druck- und Scherfestigkeit funktionsnotwendig höher als jene der zu verbindenden Werkstücke sein müsse, mittels einer Bindephase aufgebracht worden. Neben handelsüblichen Diamantkörnungen mit einem mittleren Durchmesser von 6 m seien Körnungen aus Siliciumcarbid und Borcarbid mit mittleren Durchmessern von 3, 6 oder 12 m ausgewählt und gemeinsam mit einer Chemisch-Nickel-Schicht als Bindephase mittels eines für die Aufbringung von Verschleißschutzschichten bekannten Verfahrens auf die O-berfläche aufgetragen worden. Abweichend von den ein Vielfaches der Partikelgröße betragenden Schichtdicken bei bekannten Verschleißschutzschichten sei eine Dicke der Bindephasenschicht vorgesehen worden, die deutlich geringer als der Durchmesser der Hartstoffpartikel gewesen sei, so dass die über die Bindephase überstehenden Flächen der Hartstoffpartikel sich unter der Anpresskraft geringfügig in die Gegenfläche, hier des Gegenkörpers bzw. der Nabe, eingedrückt hätten. Die Bindephase habe nach dem Aushärten eine Festigkeit erreicht, die ein Eindrücken der Hartstoffpartikel auch in den Wellenwerkstoff verhindert habe, woraus sich eine Festigkeit der Bindephase ergeben habe, die über der der zu fügenden Werkstückflächen lag. Einer Verschiebung der Bauteile an ihren Berührungsflächen gegeneinander, bei der Welle-Nabe-Verbindung in Umfangsrichtung um die gemeinsame Drehachse, habe neben der üblichen Reibung somit zusätzlich ein Mikroformschluss zwischen Körnerüberstand und Nabenmaterial entgegengewirkt. Im Ergebnis seien durch den Mikroformschluss nachteilige Beschädigungen an den Bauteiloberflächen vermieden und eine reversible Verbindung bzw. eine Mehrfachverwendung der Bauteile ermöglicht worden.
In Übereinstimmung mit den Merkmalen des Formkörpers nach Patentanspruch 1 seien bei der aus K9 bekannten Welle-Nabe-Verbindung somit Partikel definierter Größe und mit einer Druck- und Scherfestigkeit, die diejenige der zu fügenden Werkstoffe übertreffe, mittels einer Bindephase (Chemisch-Nickel-Schicht), die eine Festigkeit aufweise, die höher als die Festigkeit des Werkstoffs der zu fügenden Bauteile sei, auf eine Oberfläche aufgebracht, um eine reibungserhöhende spielfreie reversible Verbindung der zu fügenden Werkstücke zu erhalten. Unterschiedlich verbleibe beim Formkörper nach dem angefochtenen Patentanspruch 1, dass ein separates Verbindungselement vorgesehen sei, welches aus einer federelastischen Folie mit einer Eigenfestigkeit bestehe, die mindestens ebenso hoch sei wie die Eigenfestigkeit der zu fügenden Werkstoffe, und welches die reibungserhöhende Schicht aufweise.
Die erst im Nichtigkeitsverfahren eingeführte deutsche Offenlegungsschrift 1 816 854 (K7) habe jedoch bereits die Verwendung von Trägermaterialen mit Eigenfestigkeiten angeregt, die der Querkraftbeanspruchung der Verbindung gewachsen sind. Die Druckschrift befasse sich mit Verbindungen erhöhter Tragfähigkeit für Metall-, insbesondere Stahl-Konstruktionen, bei denen an den Berührungsflächen der zu verbindenden Teile oder zwischen den Berührungsflächen aus dem Werkstoff der Berührungsflächen selbst ausgebildete, mit den Berührungsflächen gefügeartig zusammenhängende oder von diesen "gefügeartig unabhängige" Elemente, sog. Scherelemente, von größerer Festigkeit als die des Grundmaterials und einer durchschnittlichen Korngröße über 0,5 mm angeordnet seien. Damit seien schon die beiden alternativen Möglichkeiten für reibschlüssige Verbindungen, nämlich ohne oder mit separatem Reibelement, in einem einzigen Dokument nebeneinander offenbart. Auch die Ausführung der Verbindung mit einem separaten Reibelement in Gestalt einer Folie oder einer dünnen Platte mit daran befestigten Scherelementen sei in K7 beschrieben. Als Werkstoff der Folie sei u.a. Stahl, also der Werkstoff, aus dem auch die zu verbindenden Konstruktionsteile bestehen können, genannt. Aufgrund der gleichartigen Werkstoffauswahl sei von einer Eigenfestigkeit des Folienmaterials auszugehen, die der des Materials der Konstruktionsbauteile im Bereich der Fügeflächen entspreche.
Ausgehend von der kraftschlüssigen Verbindung nach K9 und vor der Aufgabe stehend, die in der Streitpatentschrift angesprochenen Schwierigkeiten zu vermeiden, die mit der nur partiellen Beschichtung großer und sperriger Werkstücke verbunden seien, erhalte der Fachmann - ein Maschinenbauingenieur (FH) mit vertieften Werkstoffkundekenntnissen, der über mehrjährige Berufserfahrung auf dem Gebiet der Gestaltung von Oberflächenschichten für die kraftschlüssige Momentübertragung verfüge - aus K7 die Anregung, die reibungserhöhende Beschichtung alternativ auf einer Folie aufzubringen, deren Eigenfestigkeit mindestens so hoch sei wie die der zu fügenden Werkstücke. Dabei werde er die Oberflächenschichten und das zugehörige Aufbringverfahren gemäß K9 auch für die Beschichtung der Oberflächen des separaten Verbindungselements verwenden, da diese ausweislich der ermittelten Versuchsergebnisse zu den erhofften Verbesserungen des Kraftschlusses geführt habe. Eine Mitübernahme der Scherelemente habe sich dem Fachmann schon deshalb nicht angeboten, weil K7 durch K9 insofern überholt worden sei, als dort kraftschlüssige Verbindungen mit Mikroformschluss unter Verwendung von Haftstoffpartikeln in kleinen Korngrößen erreicht worden seien, das bekannte und auch in der Streitpatentschrift angesprochene Risiko von Dauerbrüchen bei den Korngrößen der Scherelemente nach K7 mit durchschnittlich über 0,5 mm Durchmesser jedoch weiter bestanden hätte. Ob die aus K7 bekannte Folie auch schon als federelastisch bzw. flexibel im Sinne des angefochtenen Patentgegenstandes aufzufassen sei, weil sie bevorzugt als Unterlegscheibe lösbarer (Schraub-)Verbindungen zum Einsatz komme, für die sich Federbandstahl als Material anbiete, könne dahinstehen. Denn diese Maßnahme liege im Griffbereich des Fachmannes, weil hierzu ein Bedürfnis nämlich immer dann bestehe, wenn die Handhabung der Folie bei der Montage bzw. das Einlegen der Folie zwischen die zu fügenden Konstruktionsteile unter schwer zugänglichen baulichen Bedingungen des Fügespalts zu erfolgen habe und/oder ggf. eine Wiederverwendbarkeit der Folie nach einem Lösen der reversiblen Verbindung sicherzustellen sei. Die gemeinsame Betrachtung der Druckschriften nach K9 und K7 in Verbindung mit seinem routinemäßigen Wissen und Können führe den Fachmann somit in naheliegender Weise zur Lehre des Patentanspruchs 1.
III. Dieser Beurteilung durch das Patentgericht ist nicht beizutreten.
1. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents ist unstreitig neu (Art. 54 EPÜ). Keine der in das Verfahren eingeführten Entgegenhaltungen beschreibt den geschützten Formkörper mit sämtlichen in diesem Anspruch angegebenen Merkmalen.
2. Der Senat kann nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung nicht zu der Wertung gelangen, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 dem Fachmann durch den Stand der Technik nahegelegt ist und damit nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht (Art. 56 EPÜ). Die im Stand der Technik zum Prioritätszeitpunkt bekannten Lösungen gaben dem Fachmann weder einzeln noch in ihrer Gesamtheit Veranlassung, den mit dem Streitpatent vorgeschlagenen Lösungsweg zu beschreiten.
a) Dabei ist aufgrund der überzeugenden Erläuterungen des gerichtlichen Sachverständigen davon auszugehen, dass der vom Patentgericht im Übrigen zutreffend qualifizierte Fachmann, der sich mit einer Verbesserung der Leistungsfähigkeit kraftschlüssiger Verbindungen befasst hat, zwar über gute Kenntnisse der Oberflächeneigenschaften der zu verbindenden Bauteile verfügt, sich aber nach seinem Werdegang und seiner beruflichen Praxis weniger mit Beschichtungen auskennt und ihm eine Denkweise kaum vertraut ist, die eine Beschichtung als selbständiges Konstruktionselement betrachtet.
b) Mit dem Patentgericht ist für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit als nächstkommender Stand der Technik der einschlägige Aufsatz "Oberflächenschichten für kraftschlüssige Momentübertragung" von Peeken u.a. (K9) heranzuziehen, der vom Erfinder des Streitpatents mitverfasst worden ist und in der Streitpatentschrift Erwähnung gefunden hat (Sp. 1 Tz. 0005). Diese Veröffentlichung für seine Entwicklungsüberlegungen als Ausgangspunkt zu wählen bot sich dem Fachmann an, da sie ebenfalls die kraftschlüssige Verbindung von zu fügenden Werkstücken behandelt und dasselbe technische Problem wie das Streitpatent beschreibt, eine reibungserhöhende Verbindung von zu fügenden Werkstücken zu finden, welche die Beschädigungsrisiken vermeidet, die mit einer Einbringung von Fremdstoffen zwischen die zu verbindenden Oberflächen einhergehen und einer Wiederverwendbarkeit der oft teuren Bauteile entgegenstehen (K9, S. 1 Sp. 1 Abschn. 1 aE; S. 1 Sp. 2 Abschn. 2 aE). Mit der Entgegenhaltung K9, deren Offenbarungsgehalt vom Patentgericht zutreffend erfasst worden ist, wird der Fachwelt ebenfalls ein Vorschlag unterbreitet, wie durch die Erzeugung eines Formschlusses im Mikrobereich mittels der zwischen die Berührungsflächen einzubringenden kleinsten Partikel die Kraftübertragung erhöht und dabei eine Beschädigung der Oberflächen verhindert werden kann.
Auch hatte der Fachmann Anlass, ausgehend von der K9 nach einer Alternative zu dem dort beschriebenen Verfahren einer Beschichtung der zu verbindenden Oberflächen zu suchen, da in der Praxis, wie der gerichtliche Sachverständige bestätigt hat, das in der Streitpatentschrift beschriebene (Sp. 2 Z. 1 bis 4; Sp. 3 Z. 17 bis 19) Problem bestanden hat, dass eine gewünschte Beschichtung unter Umständen auf keines der beiden zu verbindenden Werkstücke etwa aufgrund ihrer Größe oder Unzugänglichkeit der zu beschichtenden Fläche (vollständig) aufgebracht werden kann.
Allerdings hat die K9 für sich genommen keine Anregung gegeben, zum Gegenstand der streitpatentgemäßen Lehre zu gelangen und die Hartstoffpartikel, anstatt sie auf einem der beiden zu verbindenden Werkstücke aufzubringen, auf einer Folie zu fixieren, die den Merkmalen 3.1 bis 3.3 des Patentanspruchs 1 entspricht und gemäß Merkmal 2.1.2 eine reversible Verbindung beider Werkstücke ermöglicht. Für den hier maßgeblichen Fachmann, der trotz Kenntnis der K9 mit Beschichtungen als selbständigem Konstruktionselement weniger vertraut ist, hat es auch nicht etwa auf der Hand gelegen, die von dieser Entgegenhaltung vorgeschlagene Oberflächenbeschichtung gleichsam von der Welle zu lösen, auf der sie aufgebracht ist, und auf einer separaten Folie zu verselbständigen. Dass für eine solche Betrachtung ein Schritt zu vollziehen gewesen ist, der sich dem Fachmann jedenfalls nicht aufdrängt, zeigt etwa der Umstand, dass über fünf Jahre nach Veröffentlichung der K9 auch in einem weiteren Fachaufsatz von Romanos u.a. zum Thema "Verhalten von Welle-Nabe-Querpreßverbindungen mit reibungsverbessernder Beschichtung bei Umlaufbiegebelastung" in Konstruktion 38 (1986) (Anlage K10), in dem auf den technischen Ansatz der K9 zurückgegriffen und über entsprechende experimentelle Untersuchungen berichtet wird, die Oberflächenbeschichtung nicht als eigenständiges Konstruktionselement wahrgenommen wird, das sich zu einem beschichteten separaten Konstruktionsteil weiterentwickeln ließe.
c) Ein Vorbild für einen Formkörper, der in Differentialbauweise mit einem separaten reibungserhöhenden Zwischenelement konstruiert wird, ist dem Fachmann auch nicht durch die deutsche Offenlegungsschrift 1 816 854 (Anlage K7) offenbart worden.
aa) Der Inhalt dieser Offenlegungsschrift entspricht im Wesentlichen der US-Patentschrift 3 828 515, die als Druckschrift D3 bereits im Prüfungsverfahren des Europäischen Patentamts berücksichtigt und dort als nächstliegender Stand der Technik angesehen worden war. Die Entgegenhaltung K7 betrifft gleitfeste Schraubenverbindungen erhöhter Tragfähigkeit von Metall-Konstruktionen und beschreibt eine Erfindung, mit der die Leistungsfähigkeit von hoch vorgespannten Schraubenverbindungen (HV-Verbindungen) erhöht werden soll. Solche Verbindungen basieren nach der Erläuterung des gerichtlichen Sachverständigen darauf, durch eine hohe Längskraft der eingesetzten Schraube, die durch eine hohe Vorspannkraft erzeugt wird, die miteinander zu verbindenden Bauteile an ihren Fügeflächen so stark aneinander zu pressen, dass der daraus resultierende Reibschluss ausreicht, um die im Betrieb auftretenden Querkräfte aufzunehmen und die Verbindung nicht rutschen zu lassen. Hierzu müssen die Reibkräfte an den Fügeflächen stets größer sein als die von außen wirkenden Querkräfte.
Die K7 erläutert als erfindungsgemäße Erkenntnis, dass die Tragfähigkeit der gleitfesten HV-Verbindungen nicht durch die Reibung zwischen den Berührungsflächen, sondern hauptsächlich durch das Abscheren der höherstehenden Teile der durch die Schraubenvorspannkraft gegeneinander gedrückten Berührungsflächen bestimmt werde, d.h. sie von der Rauheit und der Festigkeit dieser Flächen abhängig sei. Erfindungsgemäß werde es möglich, die Tragfähigkeit der HV-Verbindung dadurch zu steigern, dass an oder zwischen den Berührungsflächen Scherelemente angeordnet und die äußeren Kräfte senkrecht zur Schraubenachse durch die Scherfestigkeit der Scherflächen dieser Elemente übertragen würden; die erfindungsgemäße HV-Verbindung sei somit eine Scherverbindung gegenüber der bisherigen gleitfesten Verbindung.
Die deutsche Offenlegungsschrift schlägt hierzu vor, die Festigkeit des Materials der Scherelemente größer zu wählen als diejenige des Grundmaterials der zu verbindenden Werkstücke (K7, S. 7 Z. 19 f., Patentanspruch 1), und nennt beispielhaft als Material für die Scherelemente mit Silberstahl und Bohrerdraht Werkstoffe (K7, S. 11 Z. 2 f.), deren Festigkeit nach den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen über den in der Druckschrift als Grundwerkstoff erörterten Flussstählen (St 37) und hochfesten Stählen (St 52) liegt (K7, S. 5).
Die Scherelemente können, wie die K7 weiter erläutert, in vielerlei Weisen auf die eine oder auf beide Berührungsflächen aufgebracht werden. Sie können entweder mit den an der Verbindung teilnehmenden Berührungsflächen "gefügeartig zusammenhängen" und sollen in diesem Fall eine Mindesthöhe von 100 m aufweisen. Sie können aber auch als gesonderte, vom Gefüge des zu verbindenden Bauteils unabhängige Partikel ausgebildet werden; in diesem Fall soll die durchschnittliche Korngröße ein Minimum von 0,5 mm übersteigen.
Vorteilhafterweise könnten, so führt die Entgegenhaltung aus, die Scherelemente in einer Folie oder dünnen Platte aus Stahl oder Kunststoff befestigt werden. So gebe es die Möglichkeit, die Orientierung und Ausbildung der Scherflächen den verschiedenen übertragbaren Kräften entsprechend zu wählen. Vorteilhaft sei es auch, spezielle etwa 0,1 bis 0,5 mm dicke Unterlegscheiben anzuwenden. Für in Folien, Platten oder Unterlegscheiben eingebrachte Scherelemente werden Doppelkegel oder Doppelpyramiden als besonders günstig bezeichnet (Figuren 1a bis 1d). Schließlich offenbart die K7, dass die Scherelemente etwa in Kegel- oder Pyramidenform auch auf galvanischem Wege auf die Berührungsflächen der Verbindung oder eine zwischen diesen Flächen gelegte Platte aufgebracht werden können (S. 10 Z. 13 bis 17; Patentanspruch 7).
bb) Die Druckschrift K7 überhaupt bei seinen Entwicklungsüberlegungen zu berücksichtigen, hat sich dem Fachmann angeboten, da sie ebenfalls die kraftschlüssige Verbindung von zu fügenden Werkstücken und damit das gleiche technische Gebiet wie die K9 betrifft. Zudem liegt den durch beide Druckschriften offenbarten Lehren das gleiche Prinzip zugrunde, den Kraftschluss mittels eines zwischen den Fügeflächen herzustellenden partiellen Formschlusses zu unterstützen, bei dem die Kraftübertragung auch über den hierdurch erzeugten Verzahnungs- bzw. Verkrallungseffekt erfolgt. Die K7 hat dem Fachmann jedoch keine Anregung für eine streitpatentgemäße Weiterentwicklung geben können, obwohl sie alternative Möglichkeiten zur Aufbringung von Reibungselementen für kraftschlüssige Verbindungen aufzeigt.
Das durch das Streitpatent zu lösende Problem, eine reibungserhöhende Verbindung von zu fügenden Werkstücken zu schaffen, die nach einer Auflösung der Verbindung wieder verwendbar sein sollen, wird in dieser Entgegenhaltung nicht behandelt. Es kann von der in der K7 offenbarten Lehre auch nicht gelöst werden, da nach den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen die Körnungsgröße der Scherelemente eine plastische Verformung der zu fügenden Bauteiloberflächen bewirkt und damit zu den Beschädigungen führt, die einer Wiederverwendbarkeit der Werkstücke entgegensteht. Insoweit machen dem Fachmann bereits die beiden einleitenden und die Aufgabenstellung beschreibenden Abschnitte (1 und 2) des 1981 veröffentlichten Fachaufsatzes von Peeken u.a. (K9) deutlich, dass die 1969 veröffentlichte deutsche Offenlegungsschrift veraltet ist. Zu Recht ist daher auch das Patentgericht davon ausgegangen, dass der Fachmann die Scherelemente aus der K7 nicht übernehmen werde, weil die K7 insoweit durch die K9 "überholt" sei und die Korngrößen der Scherelemente mit durchschnittlich über 0,5 mm das Risiko von Dauerbrüchen begründeten.
Auch der Fachmann, der sich um eine Lösung des Problems bemühte, dass eine Beschichtung, wie sie die Entgegenhaltung K9 lehrt, bestimmten Formkörpern nicht oder jedenfalls nicht ohne weiteres aufgetragen werden kann, erhielt durch die K7 keine Anregung, die Beschichtung statt auf einer der zu fügenden Flächen auf einer dünnen federelastischen (Stahl-)Folie aufzubringen.
Da der Kern der Lehre nach der K7 gerade in dem Vorschlag besteht, die beschriebenen Scherelemente zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit der HV-Verbindungen zu verwenden, hat der Fachmann schon keinen Anlass, sich eingehender mit dieser Druckschrift zu befassen. Dies gilt um so mehr, als die Offenlegungsschrift bei der einleitenden Darlegung des Erfindungsgedankens mit der Formulierung, wonach "die Tragfähigkeit der gleitfesten HV-Verbindungen, abweichend von der bisherigen Theorie, in der Praxis nicht durch die Reibung zwischen den Berührungsflächen, sondern hauptsächlich durch das Abscheren der höherstehenden Teile der durch die Schrauben-Vorspannkraft gegeneinander gedrückten Berührungsflächen bestimmt wird" (K7, S. 6 3. Abs.), eine schwer verständliche Passage enthält, die darauf hindeutet, dass nach der Vorstellung des Verfassers der Entgegenhaltung die Scherelemente aufgrund des Abscherens höherstehender Teile gerade keinen Formschlussanteil der Verbindung bewirken sollen.
Es kommt hinzu, dass in der Entgegenhaltung K7 die Folien bzw. Platten aus Stahl oder Kunststoff ohne nähere Spezifizierung etwa von deren Eigenfestigkeit genannt werden, worauf die Beklagte zu Recht hingewiesen hat. Ebenso wenig ist der deutschen Offenlegungsschrift etwas darüber zu entnehmen, dass die Bindephase zur Fixierung der Partikel (Scherelemente) auf dem Materialträger eine bestimmte Festigkeit haben soll. Danach spielt in der K7 der Träger der Scherelemente für die Verbindung der zu fügenden Werkstücke keine erkennbare Rolle, die über die Trägereigenschaft als solche hinausgeht und bei der - wie beim Streitpatent - das Trägermaterial an der Kraftübertragung teilhat. Die Erkenntnis, dass sich eine (sehr dünne) Scheibe, wie sie die K7 - neben anderen - darstellt, bei entsprechender Materialwahl und bei Verwendung einer Bindeschicht von genügender Eigenfestigkeit dazu eignet, die in der K9 gelehrte Beschichtung aufzunehmen, kann der Fachmann daher erst gewinnen, wenn er den Gedanken bereits ins Auge gefasst hat, die Beschichtung nach der K9 konstruktiv zu verselbständigen. Dazu fehlt es aber gerade an einem Anstoß im Stand der Technik.
cc) Soweit die Klägerinnen kurz vor der mündlichen Verhandlung noch die Entgegenhaltungen K18 und K19 herangezogen haben, um das Zeitmoment als ein Bewertungskriterium für erfinderische Tätigkeit zu entkräften, das die Beklagte und der gerichtliche Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten mit dem Hinweis darauf angeführt haben, dass zwischen der Veröffentlichung der K9 und dem Prioritätszeitpunkt des Streitpatents eine Zeitspanne von 17 Jahren lag, in der es keine weiterführenden Veröffentlichungen zum Thema einer Erhöhung der Kraftübertragung durch Gestaltung der zu fügenden Oberflächen gegeben habe, kommt es auf diesen Gesichtspunkt nach dem Vorstehenden nicht mehr an.
d) Diese Druckschriften legen im Übrigen auch in Kombination mit der K9 den Gegenstand des Streitpatents ebenfalls nicht nahe.
aa) Die als K18 vorgelegte deutsche Gebrauchsmusterschrift 94 02 867 betrifft ein Halteelement für Werkzeuge, Werkstücke, Maschinenelemente oder dergleichen, insbesondere für den Einsatz bei Werkzeugmaschinen, mit einer Andruckfläche, die zur Moment- und Kraftübertragung an eine Gegenfläche anpressbar ist. Derartige Halteelemente bestehen im Allgemeinen aus Stahl und werden insbesondere bei Werkzeugmaschinen zum Einspannen von Werkzeugen oder Werkstücken oder auch für Feststellbremsen verwendet, mit denen beweglich gelagerte Maschinenelemente festgesetzt werden können (K18, S. 1 1. und 2. Abs.). Aufgabe der Erfindung ist es nach der Druckschrift, ein Halteelement zu schaffen, mit dem auch bei geringen Anpresskräften außerordentlich große Haltekräfte und -momente übertragen werden können und eine besonders steife, lösbare Verbindung zwischen zwei Teilen in jeder beliebigen Lage der Teile zueinander erreicht wird. Zur Lösung dieser Aufgabe soll die Andruckfläche einen Haftbelag aus harten Körnern aufweisen, die mit einer Bindemetallschicht am Halteelement befestigt sind (K18, S. 2 Abs. 2 und 3). Wie die Gebrauchsmusterschrift weiter erläutert, bestehen die Körner bevorzugt aus kristallinem Bornitrit oder aus Diamant, da diese Materialien besonders hart seien und auch bei großen zu übertragenden Kräften nicht leicht abbrächen. Die Bindemetallschicht sei zweckmäßig eine galvanisch aufgetragene Beschichtung der Andruckfläche, aus der die Körner teilweise herausragten. Eine derartige galvanisch aufgetragene Beschichtung halte die Körner besonders fest an der Andruckfläche, indem sie diese mit Ausnahme der herausragenden Kornspitzen allseitig umschließe, so dass ein Ausbrechen vermieden werde. Die Bindemetallschicht bestehe bevorzugt aus Nickel, das sich zum Beschichten des Halteelements im galvanischen Verfahren besonders gut eigne und eine große Festigkeit habe (K18, S. 2 5. Abs. bis S. 3 1. Abs.). Die Belaghöhe des Haftbelags betrage zweckmäßig höchstens 1 mm (K18, S. 3 3. Abs.). Durch die Mikroverformungen in der Gegenfläche sei der Reibwert zwischen dieser und der Andruckfläche außerordentlich hoch, da durch die in die Mikroverformungen hineinragenden Kornspitzen zwischen der Andruckfläche und der Gegenfläche eine Art formschlüssiger Verbindung entstehe (K18, S. 5 4. Abs.).
Offenbart wird durch diese Entgegenhaltung mithin zwar ein - in der bevorzugten Ausführungsform als kreisrunde stählerne Scheibe ausgestaltetes (K18, S. 4 und Figur 1 und 2) - Verbindungselement, das als separates Zwischenelement mit einseitiger Beschichtung in differentialer Bauweise Werkstücke mit einer Werkzeugmaschine nach dem Wirkprinzip verbindet, dass die reibschlüssige Verbindung durch einen Formschluss-Anteil unterstützt wird. Im Unterschied zur Lehre des Streitpatents wird jedoch insbesondere schon kein Formkörper gezeigt, bei dem zwei Werkstücke miteinander verbunden werden. Damit liegt diese Entgegenhaltung nicht auf demselben technischen Gebiet wie das Streitpatent und hat dem Fachmann keinen Anlass geboten, sich näher mit ihr zu beschäftigen, zumal auch der Belagträger des Verbindungselements nicht als (federelastische) Folie ausgestaltet ist.
bb) Auch die deutsche Offenlegungsschrift 32 37 096 (K19) führt den Fachmann in eine andere Richtung.
Diese Entgegenhaltung offenbart zwar in einer ihrer Ausführungsformen (Patentanspruch 5) eine Verbindung von zwei Teilen, zwischen denen eine Scheibe angeordnet ist und die durch den Druck einer Spannschraube drehfest miteinander verbunden werden. Hierzu sind auf der Scheibe Schmirgelschichten befestigt, die durch den Druck der Schraube in die Oberflächen der Teile, die in einer Ausführungsform als Wellen beschrieben und gezeigt werden (K19, S. 4 Z. 15 bis 30; Figuren 1 und 2), eindringen und eine gemischt reib-/formschlüssige Übertragungsverbindung herstellen (K19, S. 3 Z. 17 bis 19). Die Schmirgelschichten können aus Edelsteinkörnern hergestellt und mittels einer Nickelschicht beidseitig auf der Scheibe aufgebracht sein (K19, S. 3 Z. 21 bis 31).
Der Druckschrift lassen sich indes keine näheren Angaben zur Stärke der Zwischenscheibe, zur Höhe der Schmirgelschicht und zur Korngröße entnehmen. Eine Aussage zur Wiederverwendbarkeit der zu verbindenden Wellen findet sich in der Offenlegungsschrift nicht, die als zu lösende Aufgabe lediglich beschreibt, eine preiswerte und sichere drehfeste Verbindung zwischen zwei Teilen zu schaffen (K19, S. 3 Z. 13 bis 15). Allerdings spricht der verwendete Begriff einer Schmirgelschicht, die auf die Zwischenscheibe aufzubringen ist, für eine gröbere Körnung, welche die Gefahr von Beschädigungen der zu verbindenden Oberflächen besorgen lässt, deren Vermeidung sich der Fachmann gerade zur Aufgabe gestellt hat.
Überdies deutet die Beschreibung der Scheibe, nach der sie eine Bohrung für eine Spannschraube haben und als Ring mit der profilierten Querschnittsform eines Kegelstumpfes ausgebildet sein könne (K19, S. 3 Z. 31 bis 34; Patentansprüche 7 und 8), auf eine Massivität der Scheibe hin, was durch die zeichnerischen Darstellungen verstärkt wird (Figuren 1 und 2). Mit einer gegenüber der streitpatentgemäßen Reibungsfolie anderen Stärke der Zwischenscheibe einher geht ein weiterer wesentlicher Unterschied zwischen den Verbindungselementen nach Entgegenhaltung K19 und dem Streitpatent: Während nach dem Streitpatent die federelastische Reibungsfolie, die nur eine Stärke von ² 0,2 mm aufweist, wie eine Oberflächenbeschichtung keine bauliche Veränderung der zu fügenden Bauteile erfordert, sieht die K19 vor, dass die Oberflächen der zu verbindenden Teile an die Querschnittform der Zwischenscheibe angepasst werden müssen (K19, S. 4 Z. 1 bis 3 und 29 bis 30; Patentanspruch 9), wie insbesondere auch die Abbildung in Figur 1 mit den dort dargestellten Ausnehmungen in den Oberflächen für den Einsatz der Zwischenscheibe illustriert.
Wie für die Entgegenhaltung K7 gilt daher auch hier, dass die Erkenntnis, dass sich eine (wesentlich dünner als in der K19 und federelastisch ausgebildete) Scheibe bei entsprechender Materialwahl und bei Verwendung einer Bindeschicht von genügender Eigenfestigkeit dazu eignet, die in der K9 gelehrte Beschichtung aufzunehmen, vom Fachmann erst gewonnen werden kann, wenn er den Gedanken bereits ins Auge gefasst hat, die Beschichtung nach der K9 konstruktiv zu verselbständigen. Dazu fehlt es auch in der K19 an einer Anregung, die die Scheibe lediglich als - nach der Erläuterungen des gerichtlichen Sachverständigen wohlbekanntes - Zwischenelement eines aus zwei Werkstücken durch reibschlüssige Verbindung zu fügenden Formkörpers begreift und deswegen alternativ - und gleichwertig - zur Beschichtung der Werkstücke die Beschichtung dieses Zwischenelements vorschlägt.
e) Die übrigen Entgegenhaltungen kommen dem Gegenstand des Streitpatents jedenfalls nicht näher; auch die Klägerinnen haben insoweit nichts geltend gemacht.
IV. Mit Patentanspruch 1 haben ebenfalls die auf ihn rückbezogenen und seinen Gegenstand weiterbildenden Unteransprüche 2 bis 8 und auch Patentanspruch 9 Bestand. Letzterer schützt die Verwendung eines Verbindungselements in der näher spezifizierten Ausführungsform, die ohne Kenntnis der Lehre von Patentanspruch 1 nicht nahegelegt war.
V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 Satz 2 PatG i.V.m. § 92 Abs. 1 ZPO.
Meier-Beck Gröning Berger Grabinski Hoffmann Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 27.09.2007 - 10 Ni 10/07 (EU) -
BGH:
Urteil v. 19.10.2010
Az: X ZR 165/07
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/7995c0d94477/BGH_Urteil_vom_19-Oktober-2010_Az_X-ZR-165-07