Bundespatentgericht:
Beschluss vom 9. Oktober 2006
Aktenzeichen: 14 W (pat) 22/06
(BPatG: Beschluss v. 09.10.2006, Az.: 14 W (pat) 22/06)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Mit Beschluss vom 5. April 2006 hat die Prüfungsstelle für Klasse C 12 Q des Deutschen Patent- und Markenamtes die Patentanmeldung 10 2005 038 847.7-41 mit der Bezeichnung
"Oligonukleotid-Anordnungen und Verfahren zum Erstellen zellulärer Ribonuklease- und Nuklease-Profile und deren Verwendung"
gemäß Hauptantrag zurückgewiesen.
Dem Beschluss liegen die am 31. März 2006 eingegangenen Patentansprüche 1 bis 3 gemäß Hauptantrag zugrunde, von denen der Patentanspruch 1 folgenden Wortlaut hat:
"Oligonukleotid-Anordnung zum Nachweis von Nukleinsäurehydrolysierenden Enzymen zur Optimierung der Expression mindestens eines Gens in Abhängigkeit vom Profil von in einer Ziel-Zelle aktiven Nukleasen oder Ribonukleasen und in Abhängigkeit von der Codon-Usage der Ziel-Zelle, umfassend Nuklease-Substrat-Oligonukleotide oder Ribonuklease-Substrat-Oligonukleotide."
Die Zurückweisung ist im Wesentlichen damit begründet, die Oligonukleotid-Anordnung gemäß Patentanspruch 1 nach Hauptantrag sei gegenüber der Entgegenhaltung
(1) GOODRICH, T. T. et al., Anal. Chem. 2004, 76 (21), S. 6173 bis 6178 nicht mehr neu. In diesem Dokument sei unstrittig die Spaltung der RNA-Oligonukleotide als Substrat bei Anwesenheit von DNA-Molekülen durch eine RNase H, die stets Teil des Nachweissystems sei, beschrieben. Unter Verweis auf die BGH-Entscheidung "Imidazoline" wird im weiteren ausgeführt, dass auch die Angabe eines neuen Zweckes oder einer neuen Wirkung oder Funktion eine bekannte Sache nicht neu mache. Auch § 1a Abs. 4 PatG könne nicht mehr zur Anwendung kommen. Dieses sei nämlich nur dann der Fall, wenn das Erzeugnis selbst neu, erfinderisch und gewerblich anwendbar sei.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Anmelders, mit der er sein Patentbegehren auf der Grundlage der dem Beschluss zugrunde liegenden Patentansprüche 1 bis 3 gemäß Hauptantrag weiterverfolgt.
Der Anmelder verweist auf die Drucksache 15/4417 Deutscher Bundestag vom 1. Dezember 2004 und macht in diesem Zusammenhang geltend, auf den mit Patentanspruch 1 nach Hauptantrag beanspruchten Gegenstand sei § 1a Abs. 4 PatG anzuwenden, weil er als Substrat-Stoffe RNA-Oligonukleotide verwende, die Gen(teil)sequenzen darstellten. Dabei würden auch Teilsequenzen umfasst, die zu Teilsequenzen menschlicher Gene identisch seien. Er vertritt ferner die Auffassung, die Regelung des § 1a Abs. 4 PatG müsse unabhängig vom Vorliegen von Gen(teil)sequenzen für alle isolierten Stoffe, Stoffgemische und Gegenstände, umfassend Stoffe außerhalb der Genetik, gelten.
Im weiteren regt der Anmelder die Rückzahlung der Beschwerdegebühr aus Gründen des billigen Ermessens an, da mit dem vorliegenden Fall erstmals eine gerichtlichsinstanzliche Auslegung einer schwierigen Gesetzespassage ermöglicht und dadurch öffentlicher Nutzen und Rechtssicherheit erzielt würden.
Der Anmelder beantragt sinngemäß, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und ein Patent auf der Grundlage der am 31. März 2006 eingereichten Patentansprüche 1 bis 3 nach Hauptantrag zu erteilen.
Wegen weiterer Einzelheiten, insbesondere zum Wortlaut der nachgeordneten Patentansprüche 2 und 3 nach Hauptantrag, wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die Beschwerde des Anmelders ist zulässig; sie ist aber nicht begründet.
Der angefochtene Beschluss lässt keine formalen oder sachlichen Mängel erkennen. Oligonukleotid-Anordnungen, wie sie mit dem Patentanspruch 1 beansprucht werden, sind auch nach Auffassung des Senates durch die Entgegenhaltung (1) neuheitsschädlich vorweggenommen, da in diesem Dokument Microarrays angegeben werden, die gleichfalls immobilisierte Oligonukleotide als Substrate enthalten, die in Anwesenheit von DNA-Molekülen von RNase H hydrolysiert werden können (vgl. S. 6173 li. Sp. Abs. 1, S. 6176 li./re. Sp. übergreifender Abs. i. V. m. S. 6174 re. Sp. Fig. 1). Entgegen der vom Anmelder vertretenen Auffassung kann der im Patentanspruch 1 angegebene Verwendungszweck dem beanspruchten Erzeugnis gegenüber (1) nicht zur Neuheit verhelfen. Das Auffinden bisher nicht erkannter Eigenschaften oder Wirkungen, die keine technischen Unterscheidungsmerkmale darstellen, sind nach ständiger Rechtssprechung nicht dazu geeignet die Neuheit eines bereits bekannten, eindeutig identifizierten und bereits hergestellten Erzeugnisses zu begründen (vgl. Schulte PatG 7. Aufl. § 1 Rdn. 217 bis 220 sowie Benkard PatG 10. Aufl. § 1 Rdn. 16, 16b i. V. m. § 3 Rdn. 85 f m. w. N.).
Der Verweis auf § 1a Abs. 4 PatG kann zu keiner anderen Beurteilung der Sachlage führen. Beinhaltet dieser Paragraph doch an keiner Stelle einen Hinweis dahingehend, dass ein bekannter Stoff durch die Angabe eines weiteren Verwendungszweckes Neuheit erlangen kann. Vielmehr eröffnet er Erfindern, die weitere Verwendungsmöglichkeiten für eine bereits für bestimmte Verwendungen patentierte Sequenz oder Teilsequenz auffinden, die Möglichkeit, die Rechte an einem auf diese weitere Verwendungsmöglichkeit bezogenen Patent ohne Zustimmung des Inhabers des früheren Patentes auszuüben (vgl. Benkard 10. Aufl. § 1a IV. Rdn. 20). Abgesehen davon, kann dieser Paragraph aber auch deshalb im vorliegenden Fall nicht zur Anwendung kommen, weil er ausschließlich den Sonderfall der Patentierung von Sequenzen und Teilsequenzen eines Gens betrifft. Solche sind aber nicht Gegenstand des Patentanspruches 1 nach Hauptantrag. Beansprucht wird nämlich eine Oligonukleotid-Anordnung, die gemäß Beschreibung als Microarray oder Biochip Anwendung findet (vgl. Erstunterlagen S. 1 Abs. 1). Dieses Erzeugnis mag zwar immobilisierte Oligonukleotide umfassen, Schutz begehrt wird jedoch für eine Anordnung von auf einer Oberfläche immobilisierten Oligonukleotiden (vgl. dazu auch Erstunterlagen S. 1 Abs. 2 i. V. m. S. 3 Beispiel a), S. 4 Beispiel b) sowie Abbildungen 1 bis 4) und damit für eine Vorrichtung in ihrer Gesamtheit, nicht aber für eine spezielle Sequenz oder Teilsequenz.
Für den Senat sind daher keine Gründe ersichtlich, die zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses führen könnten.
III.
Für eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr besteht kein Grund, weil an der Sachbehandlung durch das Deutsche Patent- und Markenamt nichts zu beanstanden ist und der vom Anmelder geltend gemachte Billigkeitsgrund, erstmals eine gerichtinstanzliche Auslegung einer schwierigeren Gesetzespassage zu ermöglichen und dadurch öffentlichen Nutzen und Rechtssicherheit zu erzielen, auf Grund der vorstehend dargelegten Sachlage nicht zutrifft.
BPatG:
Beschluss v. 09.10.2006
Az: 14 W (pat) 22/06
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