Kammergericht:
Beschluss vom 25. Februar 2003
Aktenzeichen: 1 W 472/02

(KG: Beschluss v. 25.02.2003, Az.: 1 W 472/02)

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird zu Satz 1 der Entscheidungsformel aufgehoben.

Der Beteiligte zu 2. hat die der Beteiligten zu 1. im Beschwerdeverfahren vor dem Landgericht entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

Das Rechtsmittel der Beteiligten zu 1., mit dem sie sich gegen die im angefochtenen Beschluss enthaltene isolierte Kostenentscheidung des Landgerichts nach § 13a Abs. 1 Satz 1 FGG wendet, ist als sofortige weitere Beschwerde gemäß §§ 20a Abs.2, 27 Abs. 1 und 2, 29 Abs.2 und 4 FGG an sich statthaft, da auch eine Hauptsacheentscheidung mit der weiteren Beschwerde anfechtbar wäre und der Wert des Beschwerdegegenstands 100 EURO übersteigt (vgl. Senat Rpfleger 1972, 138; BayObLG FamRZ 1996, 1560/1561; Keidel/Zimmermann, FGG, 14.Aufl., § 13a Rdn.43; § 20a Rdn.19a; Keidel/Kahl a.a.O. § 27 Rdn.9, je m.w.N.). Es ist auch sonst zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden (§§ 29 Abs.4, 22 Abs. 1 FGG).

Das Rechtsmittel ist begründet. Die Entscheidung des Landgerichts, unter den vorliegend gegebenen Umständen von einer Kostenerstattungsanordnung zugunsten der Beteiligten zu 1. abzusehen, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand und ist daher aufzuheben (§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG in Verbindung mit §§ 546f. ZPO). Da weitere Ermittlungen nicht veranlasst sind, kann der Senat selbst in der Sache entscheiden (§ 563 Abs.3 ZPO). Dies führt zur Anordnung der Erstattung der der Beteiligten zu 1. im Beschwerdeverfahren vor dem Landgericht entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten durch den Beteiligten zu 2.

1. Das Landgericht hat seine Entscheidung mit Recht auf die im Fall der Zurücknahme eines Rechtsmittels maßgebende Bestimmung des § 13a Abs. 1 Satz 1 FGG gestützt, wonach über die Erstattung der den Beteiligten entstandenen außergerichtlichen Kosten nach billigem Ermessen zu entscheiden ist. Ebenso hat es die hierfür maßgebenden Grundsätze im Ausgangspunkt rechtlich zutreffend dargelegt. Nach allgemeiner, vom Senat inzwischen in ständiger Rechtsprechung geteilter Auffassung entspricht es regelmäßig der Billigkeit, dass derjenige, der ein Rechtsmittel eingelegt und anschließend zurückgenommen hat, die einem anderen Beteiligten dadurch entstandenen Kosten erstattet; jedoch können besondere Umstände eine andere Beurteilung rechtfertigen (vgl. BGHZ 28, 117/122; Senat NJW-RR 1993, 831; BayObLG a.a.O. und FamRZ 1998, 436; Keidel/Zimmermann a.a.O. § 13a Rdn.42). Als besonderer, ein Absehen von einer Kostenauferlegung rechtfertigender Billigkeitsgrund kann es zu werten sein, wenn der Beschwerdeführer bei Einlegung des Rechtsmittels zum Ausdruck gebracht hat, dass er die Beschwerde nur vorsorglich (z.B. zur Fristwahrung) einlegt, sie rechtzeitig zurückgenommen hat und dem Beschwerdegegner zugemutet werden konnte, mit Aufwendungen für das Beschwerdeverfahren (wie der Beauftragung eines Anwalts) zu warten, bis klargestellt ist, ob es durchgeführt wird (vgl. Jansen, FGG, 2.Aufl., § 13a Rdn.19; Keidel/Zimmermann a.a.O. § 13a Rdn.42a m.w.N.).

Die nach vorstehenden Grundsätzen zu treffende Ermessensentscheidung ist im Verfahren der weiteren Beschwerde nur in beschränktem Umfang nachprüfbar. Das Rechtsbeschwerdegericht ist nicht berechtigt, sein Ermessen an die Stelle der Entscheidung des Beschwerdegerichts zu setzen, sondern hat diese lediglich darauf zu überprüfen, ob das Beschwerdegericht von seinem Ermessen keinen oder einen rechtlich fehlerhaften, dem Sinn und Zweck des Gesetzes zuwiderlaufenden Gebrauch gemacht hat, ob es von ungenügenden oder verfahrenswidrig zustande gekommenen Feststellungen ausgegangen ist oder ob es wesentliche Umstände unerörtert gelassen hat (vgl. BayObLG und Senat a.a.O.; Keidel/Kahl a.a.O. § 27 Rdn.27, je m.w.N.). Die seitens des Landgerichts erfolgte Ermessensausübung unterliegt danach durchgreifenden Bedenken, weil das Landgericht den konkreten Verlauf des Beschwerdeverfahrens nur unzureichend berücksichtigt und dabei wesentliche Umstände außer Betracht gelassen hat (§ 25 FGG).

2. Das Landgericht hat ausgeführt, der Beteiligte zu 2. habe in der mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 25.März 2002 eingelegten Beschwerde ausdrücklich klargestellt, dass dies nur vorsorglich erfolge, und eine Begründung angekündigt; es sei der Beteiligten zu 1. zuzumuten gewesen, diese in Aussicht gestellte Beschwerdebegründung abzuwarten, bevor sie ihrerseits einen Anwalt mit der Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragte. Diese Ausführungen lassen insbesondere nicht erkennen, dass das Landgericht den vorliegend gegebenen konkreten Verlauf des Beschwerdeverfahrens vollständig berücksichtigt und in seine Ermessensausübung einbezogen hat.

Zunächst lässt die in der Beschwerdeschrift enthaltene Erklärung, die Beschwerdeeinlegung erfolge fristwahrend, eine Begründung werde nachgereicht, schon nicht mit der gebotenen Eindeutigkeit erkennen, dass die Beschwerde nur vorsorglich eingelegt wurde. Dies kann der Senat in eigener Zuständigkeit feststellen, da es sich um die Auslegung einer verfahrensrechtlichen Erklärung handelt. Zwar bestand zu einer vorsorglichen Beschwerdeeinlegung zur Fristwahrung im Hinblick darauf Anlass, dass im Vorbescheid des Amtsgerichts vom 6.März 2002 eine Frist zur Beschwerdeeinlegung von zwei Wochen gesetzt und nach deren Ablauf die Erteilung eines Erbscheins zugunsten der Beteiligten zu 1. angekündigt worden war. Jedoch fehlt es in der Beschwerdeschrift an einem zusätzlichen Hinweis darauf, dass die Beschwerde nur fristwahrend und damit nur vorsorglich eingelegt werde. Es ist davon auszugehen, dass das Landgericht zunächst ebenfalls nicht von einer nur vorsorglichen Beschwerdeeinlegung ausging. Denn mit der nach Vorlage der Beschwerde erfolgten richterlichen Verfügung vom 17.April 2002 wurde dem Beschwerdeführer eine Frist lediglich zur Begründung der Beschwerde, nicht aber auch zur Erklärung, ob diese aufrechterhalten wird, gesetzt, und der Bevollmächtigten der Beschwerdegegnerin die Beschwerdeschrift mit dem Bemerken übersandt, sie könne zu der angekündigten Begründung nach Eingang Stellung nehmen, ohne dass auf die gesetzte Begründungsfrist und eine etwaige Vorsorglichkeit der Beschwerde hingewiesen wurde. Es kommt hinzu, dass mit Schriftsatz vom 21.Mai 2002 um Verlängerung der gesetzten Begründungsfrist gebeten wurde, ohne dass zugleich zum Ausdruck gebracht wurde, dass die Beschwerde weiterhin nur zur Fristwahrung eingelegt bleibe. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats zur Erstattungsfähigkeit der Prozessgebühr des Berufungsbeklagten ist in solchem Fall regelmäßig die Annahme gerechtfertigt, dass das Rechtsmittel nunmehr durchgeführt und die verlängerte Begründungsfrist zu dessen Begründung benutzt werden soll (vgl. Senat JurBüro 1991, 1193 m.w.N.). Davon ist auch vorliegend auszugehen.

Das Landgericht hat darüber hinaus außer Acht gelassen, dass der Bevollmächtigten der Beschwerdegegnerin die mit richterlicher Verfügung vom 17.April 2002 gesetzte Begründungsfrist nicht mitgeteilt worden war und auch der Schriftsatz vom 21.Mai 2002, in dem um deren stillschweigende Verlängerung um einen weiteren Monat gebeten wurde, ihrem Verfahrensbevollmächtigten erst übersandt wurde, nachdem dieser mit Schriftsatz vom 21.Mai 2002, beim Landgericht eingegangen am 27.Mai 2002, seine am 16.Mai 2002 erfolgte Bevollmächtigung für das Beschwerdeverfahren angezeigt hatte. Schließlich hat es nicht berücksichtigt, dass der die Rücknahme der Beschwerde enthaltende Schriftsatz des Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 2. vom 17.Juni 2002 wegen falscher Adressierung an das Amtsgericht erst am 27.Juni 2002 bei dem Landgericht einging, seine Übersendung an den Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1. daher erst am 29.Juni 2002 verfügt und am 3.Juli 2002 ausgeführt wurde, so dass sie diesem frühestens am 4.Juli 2002 zuging. Dieser Verfahrensverlauf, insbesondere der Umstand, dass die Beteiligte zu 1. zwar von der Beschwerdeeinlegung, nicht aber von der gesetzten richterlichen Frist zu deren Begründung Kenntnis erhielt, zunächst auch nicht über deren stillschweigende Verlängerung informiert wurde, und von der Rücknahme der Beschwerde frühestens am 4.Juli 2002 erfuhr, ist jedoch von wesentlicher Bedeutung für die Beurteilung der Frage, ob der Beteiligten zu 1. zugemutet werden konnte, mit der Beauftragung ihres Verfahrensbevollmächtigten für das Beschwerdeverfahren noch zu warten. Da das Landgericht dies ausweislich der entsprechende Ausführungen nicht enthaltenden Beschlussgründe (§ 25 FGG) bei seiner Ermessensausübung nicht berücksichtigt hat, ist seine Entscheidung ermessensfehlerhaft und unterliegt der Aufhebung.

3. Da weitere Ermittlungen nicht veranlasst sind, kann der Senat selbst in der Sache entscheiden (§ 563 Abs.3 ZPO). Er übt das nunmehr ihm anstelle des Landgerichts eingeräumte Ermessen dahin aus, dass der Beteiligten zu 1. die im Beschwerdeverfahren vor dem Landgericht entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten von dem Beteiligten zu 2. zu erstatten sind (§ 13a Abs. 1 Satz 1 FGG). Auch wenn von einer nur vorsorglich eingelegten Beschwerde ausgegangen wird, war der Beteiligten zu 1. jedenfalls nicht zuzumuten, bis zum 4.Juli 2002, dem Zeitpunkt, zu dem sie frühestens von der Rücknahme der Beschwerde Kenntnis erlangt haben konnte, mit der Beauftragung ihres Verfahrensbevollmächtigten für das Beschwerdeverfahren zu warten.

Allerdings spricht Einiges dafür, dass die Beteiligte zu 1. es bereits am 16.Mai 2002, also etwa drei Wochen, nachdem ihrer Bevollmächtigten mit der am 22.April 2002 ausgeführten richterlichen Verfügung vom 17.April 2002 die Beschwerdeschrift, nicht aber die gesetzte Monatsfrist zu deren Begründung mitgeteilt worden war, für erforderlich halten durfte, einen Anwalt zur zweckentsprechenden Wahrung ihrer Rechte zu beauftragen, damit dieser zunächst € wie mit Schriftsatz vom 21.Mai 2002 geschehen € das Gericht zur Setzung einer Begründungsfrist unter Hinweis auf die Dringlichkeit der Angelegenheit veranlasste. Ob sie gleichwohl im Hinblick auf eine Vorsorglichkeit der Beschwerdeeinlegung gehalten war, mit der Beauftragung weiterhin zuzuwarten, kann jedoch dahinstehen. Denn jedenfalls war es ihr nicht mehr zumutbar, noch bis zur frühestens am 4.Juli 2002 erlangten Kenntnis von der Rücknahme der Beschwerde mit der Beauftragung eines Rechtsanwalts für das Beschwerdeverfahren zu warten. Zu diesem Zeitpunkt musste sie € wie dargelegt € bereits im Hinblick auf die im Schriftsatz des Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 2. vom 21.Mai 2002 geäußerte Bitte um Verlängerung der gesetzten Begründungsfrist ohne Hinweis auf eine fortbestehende Vorsorglichkeit der Beschwerdeeinlegung (gemäß richterlicher Verfügung vom 29.Mai 2002 abgesandt an ihren Verfahrensbevollmächtigten am 3.Juni 2002) davon ausgehen, dass das Beschwerdeverfahren durchgeführt werden sollte. Der Umstand, dass auch die verlängerte Begründungsfrist inzwischen abgelaufen war, ohne dass ihr eine Begründung zugegangen war, stand dieser Annahme schon deshalb nicht entgegen, weil in Beschwerdeverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit keine Pflicht zur Begründung des Rechtsmittels besteht (vgl. Keidel/Kahl a.a.O. § 23 Rdn. 1a m.w.N.). Nach alledem kann die Beauftragung eines Rechtsanwalts für das Beschwerdeverfahren jedenfalls bis zur Kenntniserlangung von der Rücknahme der Beschwerde nicht als verfrüht angesehen werden. Es entspricht aber einem allgemeinen Grundsatz des Kostenerstattungsrechts, dass der Umstand, dass eine Kosten auslösende Maßnahme verfrüht ergriffen wurde, auf die Kostenerstattung keinen Einfluss hat, wenn die nachfolgende Entwicklung ergibt, dass die Maßnahme zu einem späteren Zeitpunkt als notwendig anzuerkennen gewesen wäre (vgl. Senat JurBüro 1987, 715). Auch unter Berücksichtigung dieses Grundsatzes entspricht es der Billigkeit, die Kostenerstattung zugunsten der Beteiligten zu 1. anzuordnen.

Die Prüfung der Frage, in welcher Höhe eine Kostenerstattung zu erfolgen hat, ob insbesondere dem Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1. für die Vertretung im Beschwerdeverfahren bereits eine 7,5/10- oder nur eine 5/10-Geschäftsgebühr nach § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO im Hinblick darauf zuzubilligen ist, dass vor dem Eingang einer Beschwerdebegründung eine nähere Befassung mit der Sache nicht erforderlich war, ist hier nicht zu erörtern, sondern dem Kostenfestsetzungsverfahren überlassen.

Eine Kostenerstattungsanordnung gemäß § 13a Abs. 1 Satz 1 FGG ist für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde nicht veranlasst, weil der Beteiligte zu 2. in diesem Verfahren nicht mit entgegengesetztem Ziel hervorgetreten ist. Für eine Festsetzung des Beschwerdewerts, der den der Beteiligten zu 1. entstandenen Anwaltskosten nach dem vom Landgericht festgesetzten und mit dem Rechtsmittel nicht beanstandeten Wert bis 250.000 EURO zu entsprechen hätte, besteht daher kein Anlass.






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Beschluss v. 25.02.2003
Az: 1 W 472/02


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