Bundesgerichtshof:
Urteil vom 18. Dezember 2013
Aktenzeichen: X ZR 66/12

(BGH: Urteil v. 18.12.2013, Az.: X ZR 66/12)

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 29. Februar 2012 verkündete Urteil des 5. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts abgeändert.

Das deutsche Patent 102 11 642 wird unter Abweisung der Klage im Übrigen dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass Patentanspruch 1 folgende Fassung erhält, auf die sich die Patentansprüche 2 und 3 rückbeziehen:

Interfaceschaltung zur Realisierung einer S/T-Schnittstelle nach Spezifikation ITU-T I.430, dadurch gekennzeichnet, dass für die Sendeschaltung eine rein digitale integrierte Schaltung mit nur zwei Tristate-Ausgängen und externer Beschaltung verwendet wird.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Die Beklagte ist Inhaberin des deutschen Patents 102 11 642 (Streitpatents), das am 17. März 2002 angemeldet worden ist. Patentanspruch 1, auf den die beiden weiteren Patentansprüche zurückbezogen sind, lautet wie folgt:

Interfaceschaltung zur Realisierung eines genormten ISDN-Basis-Anschlusses, dadurch gekennzeichnet, dass für die Sendeschaltung eine rein digitale integrierte Schaltung mit nur zwei Tristate-Ausgängen und externer Beschaltung verwendet wird.

Die Klägerin hat das Streitpatent im Umfang der Ansprüche 1 und 2 angegriffen und geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents gehe über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Anmeldung hinaus, sei nicht ausführbar offenbart und nicht patentfähig. Die Beklagte hat das Streitpatent in der nachfolgenden Fassung sowie mit zwei Hilfsanträgen verteidigt (Änderung hervorgehoben):

Interfaceschaltung zur Realisierung einer S/T-Schnittstelle nach Spezifikation ITU-T I.430 dadurch gekennzeichnet, dass für die Sendeschaltung eine rein digitale integrierte Schaltung mit nur zwei Tristate-Ausgängen und externer Beschaltung verwendet wird.

Das Patentgericht hat das Streitpatent im Umfang der Patentansprüche 1 und 2 für nichtig erklärt.

Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie das Streitpatent wie in erster Instanz verteidigt. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Gründe

I. Das Streitpatent betrifft eine Schnittstellenschaltung zur Realisierung einer S/T-Schnittstelle eines genormten Basis-Anschlusses an ein digitales Telekommunikationsnetzwerk nach dem internationalen Standard für ein Integrated Services Digital Network (ISDN).

1. In der Beschreibung wird eingangs ausgeführt, dass in der einschlägigen Spezifikation ITU-T I.430 eine S/T-Schnittstelle für das ISDN beschrieben ist, die einen ISDN-Basis-Zugang mit 2 x 64 kBit/s und 1 x 16 kBit/s ermöglicht. Aus der deutschen Offenlegungsschrift 196 30 515 (D4) sei eine Schnittstellenschaltung nach der genannten Spezifikation bekannt, die jedoch vier Chip-Ausgänge zur Realisierung der Sendestufe benötige. Weiter sei aus der deutschen Patentschrift 196 01 824 (D6) eine Schaltung bekannt, bei der zwei Open-Drain-Chip-Ausgänge zur Realisierung der Sendestufe benötigt würden. Da die benötigten Pins (Ausgänge der integrierten Schaltung) verhältnismäßig teuer seien, sei es wünschenswert, die Zahl der notwendigen Pins auf ein Minimum zu reduzieren.

Vor diesem Hintergrund besteht das technische Problem darin, eine normgerechte Schnittstelle mit einfachen und kostengünstigen Mitteln zu verwirklichen.

2. Zur Lösung dieser Aufgabe wird in der verteidigten Fassung des Streitpatents eine Schaltung vorgeschlagen, deren Merkmale sich wie folgt gliedern lassen (abweichende Merkmalsgliederung des Patentgerichts in Klammern):

1. Es handelt sich um eine Interfaceschaltung zur Realisierung einer S/T-Schnittstelle nach Spezifikation ITU-T I.430 (M1, M2);

2. die Interfaceschaltung weist eine Sendeschaltung auf (M3);

3. für die Sendeschaltung werden verwendet:

3.1 eine rein digitale integrierte Schaltung (M4, M5), 3.2 mit nur zwei Tristate-Ausgängen (M6, M7) und 3.3 eine externe Beschaltung (M8). 5 3. Zur Bedeutung der Merkmale ist zu bemerken:

Unter einer Interfaceschaltung (Schnittstellenschaltung) ist eine Schaltungsanordnung zu verstehen, die der Verbindung zweier Netzwerkkomponenten dient. Das Streitpatent befasst sich mit einer S/T-Schnittstelle eines ISDN-Basisanschlusses nach der Spezifikation ITU-T I.430. Diese bezieht sich auf einen ISDN-Basisanschluss. Die Schaltung umfasst eine Empfangs- und eine Sendeschaltung; nur mit dieser befasst sich das Streitpatent. Die an das ISDN-Netz angeschlossenen Geräte, insbesondere Telefone, arbeiten digital. Die Übertragung über das (Telefon-)Kabel erfolgt jedoch mittels analoger Signale. Daher ist eine Schnittstelle erforderlich, die die zu sendenden digitalen Signale in analoge Signale umwandelt.

Die vorgeschlagene Sendeschaltung besteht aus zwei Komponenten: Sie umfasst einmal eine rein digitale und integrierte Schaltung, über die weiter gesagt wird, dass sie nur zwei Tristate-Ausgänge aufweist. Zum anderen besteht sie aus einer externen Beschaltung. Die Fassung des Patentanspruchs 1 scheint zunächst dafür zu sprechen, dass die externe Beschaltung als Teil der rein digitalen integrierten Schaltung zu verstehen ist ("dass für die Sendeschaltung eine rein digitale integrierte Schaltung mit nur zwei Tristate-Ausgängen und externer Beschaltung verwendet wird"). Aus Absatz 5 der Beschreibung ergibt sich jedoch, dass die externe Beschaltung von der digitalen integrierten Schaltung über nur zwei Tristate-Ausgänge angesteuert wird, was voraussetzt, dass die externe Beschaltung kein Bestandteil der digitalen integrierten Schaltung ist, sondern, wie auch das Patentgericht angenommen hat, zwischen diese und den S/T-Line-Abschnitt geschaltet ist. Für den Fachmann, einen Ingenieur mit Hochschulausbildung der Fachrichtung elektrische Nachrichtentechnik, der mit der Realisierung von Schnittstellenschaltungen für die Nachrichtenübertragung vertraut ist, ergibt sich dies aber auch und vor allem daraus, dass eine rein digitale integrierte Schaltung nicht sämtlichen Anforderungen genügt, die sich aus der ITU-T I.430 ergeben. Sie ist insbesondere nicht in der Lage, die erforderliche Strombegrenzung zu gewährleisten und einen kontinuierlichen Spannungswert einzustellen. Um diesen Anforderungen zu genügen ist eine zusätzliche externe Be-9 schaltung erforderlich, die analoge Schaltungstechnik umfasst. Aus fachlicher Sicht ist Merkmal 3.3 mithin so zu verstehen, dass die vorgeschlagene Schnittstellenschaltung neben der rein digitalen integrierten Schaltung eine externe Beschaltung aufweist, die über die ohnehin stets erforderlichen Elemente (Transformator, Schutzbeschaltung) hinaus zusätzliche Schaltungselemente umfasst, insbesondere solche, die die zur Einhaltung der Spezifikation erforderliche Strombegrenzung ermöglichen.

Unter einer rein digitalen integrierten Schaltung ist eine Schaltung zu verstehen, die ausschließlich zeit- und wertdiskrete Signale verarbeitet. Im Gegensatz zu einer gemischt aufgebauten analog/digitalen Schaltung ist sie ausschließlich aus digitalen Teilschaltungen zusammengesetzt.

Die rein digitale integrierte Schaltung weist nach Merkmal 3.2 nur zwei Tristate-Ausgänge auf. Unter einem Tristate-Ausgang einer digitalen Schaltung ist dabei ein Ausgang zu verstehen, der so eingerichtet ist, dass er beim Sendebetrieb nicht nur die Ausgangszustände Niedrig ("Low" [L] oder 0) und Hoch ("High" [H] oder 1) annehmen kann, sondern auch einen dritten, hochohmigen Zustand (Z). Dieses Merkmal dient der Abgrenzung zur D6, die bereits eine solche Schaltung mit zwei durch Tristate-Buffer angesteuerten Open-Drain-Ausgängen nahelegte. Demgegenüber beschreibt Anspruch 1 eine Schaltung, bei der für die Sendeschaltung eine digitale integrierte Schaltung verwendet wird, bei der die beiden nach Absatz 5 der Beschreibung über Tristate-Ausgangsbuffer angesteuerten Ausgänge im Sendebetrieb drei Zustände ausgeben können. Diesem Verständnis des verteidigten Hauptanspruchs stehen weder Anspruch 3 noch Anspruch 2 entgegen. Anspruch 3 beschränkt sich nicht darauf, lediglich Tristate-Ausgänge zu beschreiben, die drei Pegel ausgeben können, sondern gibt eine Schaltung an, bei der der hochohmige Zustand auf eine bestimmte Weise erzeugt wird. Er legt daher nicht den Schluss nahe, dass Anspruch 1 auch Schaltungen mit Ausgängen umfasst, die zwar drei Pegel ausgeben können, aber so angesteuert werden, dass sie im Sendebetrieb nur zwei Pegel ausgeben. Anspruch 2 erläutert eine bestimmte Form der externen Beschaltung und enthält keine näheren Angaben zur Funktionalität der Tristate-Ausgänge. Auch in 12 Anspruch 2 wird aber die hochohmige Abschaltung angesprochen, was das erläuterte Verständnis von Anspruch 1 nahelegt.

Die Ausgangszustände sind als feste, erlaubte Spannungsbänder definiert, so dass es nicht möglich ist, einen gewünschten Zwischenwert einzustellen. Merkmal 3.2, wonach die rein digitale integrierte Schaltung nur zwei Tristate-Ausgänge aufweist, ist dabei dahin zu verstehen, dass die Schaltung überhaupt nur zwei Ausgänge aufweist und es sich bei diesen beiden Ausgängen um Tristate-Ausgänge handelt. Damit wird die angestrebte einfache und kostengünstige Ausgestaltung der rein digitalen integrierten Schaltung erreicht, mit der die externe Beschaltung angesteuert wird. Über die Zahl und Art der Ausgänge der Sendeschaltung als solcher trifft Patentanspruch 1 keine Aussage.

Die externe Beschaltung kann nach Patentanspruch 2 aus zwei Spannungsfolgern und zwei zusätzlichen Transistoren bestehen, die zur hochohmigen Abschaltung der nichtaktiven Sendeschaltung führen. Ferner wird, wie die Beschreibung (Rn. 10) erläutert, auch bei einer Rückspeisung der Sendestufe im Zustand ohne Versorgungsspannung ein Stromfluss verhindert, was zur Erfüllung der Spezifikation I.430 erforderlich ist. Wie die Beklagte bereits in der Klageerwiderung erläutert hat, müssen die Schnittstellenanschlüsse sowohl bei fehlender Versorgungsspannung der Schnittstelle als auch bei inaktiver Schnittstelle mit anliegender Versorgungsspannung hochohmig sein. Daraus und aus der Abgrenzung zur D6, deren Open-Drain-Chip-Ausgänge nur die Pegel 0 und Z ermöglichen, ist abzuleiten, dass erfindungsgemäß die Tristate-Funktionalität der Ausgänge erforderlich ist und die externe Beschaltung hierauf ausgelegt sein muss, damit mit der Sendeschaltung insgesamt die Anforderungen der Spezifikation erfüllt werden. 14 II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:

Der Gegenstand des Streitpatents sei weder in der mit dem Hauptantrag verteidigten, noch in der Fassung der Hilfsanträge patentfähig.

Die Dokumente "S-Interface Protection Recommendations for the Am79C30A Digital Subscriber Controller" (D1) und "Am79C30A/32A Digital Subscriber ControllerTM (DSCTM) Circuit" (D2), die gleichermaßen Veröffentlichungen des Herstellers AMD zu dem von diesem vertriebenen Digital Subscriber Controller Am79C30A beträfen, zeigten eine Vorrichtung, die bis auf die Verwendung einer rein digitalen Schaltung sämtliche Merkmale des Patentanspruchs 1 offenbare. Der Sende-Empfangs-Baustein Am79C30A umfasse mehrere Teilschaltungen, u.a. auch eine S/T Line Interface Unit, die für das Absenden der generierten Ausgangssignale zwei Ausgänge Lout1 und Lout2 vorhalte und im Sinne des Streitpatents die Funktion einer Sendeschaltung mit nur zwei Ausgängen erfülle. Der Fachmann entnehme der Figur der D1, dass an den dort gezeigten Ausgänge Lout1 und Lout2 drei Ausgangspegel generiert würden, die den typischen logischen Schaltzuständen eines Tristate-Ausgangs entsprächen. Zum Schutz der Sendeschaltung schließe sich an diese Ausgänge bedarfsgemäß noch eine externe Beschaltung an.

Da zur inneren Schaltungsstruktur der S/T Line Interface Unit weder in der D2 noch in der D1 konkrete Angaben gemacht würden, könne ein gemischter analogdigitaler Schaltungsaufbau nicht ausgeschlossen werden. Der Fachmann sei bei der Entwicklung kommerzieller elektronischer Schaltungen jedoch stets gehalten, diese mit möglichst geringem Kostenaufwand zu realisieren. Da die S/T Line Interface Unit ausschließlich digitale Signale zu verarbeiten habe, werde der Fachmann den in der D4 enthaltenen einschlägigen Hinweis aufgreifen und die S/T Line Interface Unit als rein digitale Sendeschaltung ausgestalten.

Die Hilfsanträge rechtfertigten keine andere Beurteilung, da es sich bei ihnen lediglich um Klarstellungen des Inhalts von Patentanspruch 1 handele. 16 III. Diese Beurteilung hält der Nachprüfung im Berufungsverfahren nicht stand.

Zu Unrecht hat das Patentgericht angenommen, die den Digital Subscriber Controller Am79C30A betreffenden Entgegenhaltungen D1 und D2 zeigten eine Vorrichtung, bei der lediglich das Merkmal 3.1 - die Verwendung einer rein digitalen integrierten Schaltung - nicht offenbart sei. Die Beklagte hat, gestützt auf das von ihr bereits in erster Instanz vorgelegte, aber vom Patentgericht nicht erörterte Privatgutachten des Sachverständigen J. , überzeugend und von der Klägerin nicht relevant in Frage gestellt dargelegt, dass es sich bei der Vorrichtung um eine gemischte analogdigitale Schaltung handelt, bei der die Ausgänge Spannungswerte ausgeben können, die zwischen 0 und 2,326 Volt liegen (D1, S. 3, linke Spalte, letzter Abs.). Entsprechend weist die Vorrichtung keine digitalen Tristate-Ausgänge einer rein digitalen integrierten Schaltung auf. Schließlich fehlt es an einer externen Beschaltung. Für eine solche besteht hier kein Bedarf, da die entsprechenden analogen Schaltungselemente, wie sie etwa für die Strombegrenzung erforderlich sind, in die analogdigitale Schaltung einbezogen sind. Soweit aus Figur 3 der D1 weitere Schaltungselemente nach den Ausgängen "Lout1" und "Lout2" gezeigt werden, handelt es sich nicht um eine externe Beschaltung im oben erläuterten Sinne, sondern lediglich um eine Schutzschaltung. Danach sind die Merkmale 3.1 bis 3.3 nicht offenbart. Damit ist der Annahme des Patentgerichts, der Fachmann erhalte aus der D4 die Anregung, anstelle einer analogdigitalen Schaltung nach der D2 eine rein digitale integrierte Schaltung zu verwenden, die Grundlage entzogen.

IV. Das angefochtene Urteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als zutreffend.

1. Die Zulässigkeit des verteidigten Patentanspruchs 1 begegnet unter dem Gesichtspunkt einer unzulässigen Erweiterung keinen Bedenken. Der insoweit gegenüber der erteilten Fassung von Patentanspruch 1 geltend gemachte Nichtigkeitsgrund ist durch die beschränkte Fassung des Anspruchs, die die Beklagte ver-21 teidigt, ausgeräumt. Entgegen der Auffassung der Klägerin beruht auch die Fassung des Anspruchs 1 dahin, dass die Vorrichtung zwei Tristate-Ausgänge umfasst, nicht auf einer unzulässigen Erweiterung. Bereits in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen findet sich die Figur 2, die die Signalverläufe an den Messpunkten A und B der Figur 1 wiedergibt. Danach zeigen schon diese Unterlagen eine Ausführungsform der Erfindung, wonach eine rein digitale integrierte Schaltung zwei durch Tristate-Ausgangsbuffer angesteuerte Ausgänge aufweist, die beim Sendebetrieb drei Pegel ausgeben.

2. Die in Anspruch 1 beschriebene Erfindung ist patentfähig.

a) Der Gegenstand von Patentanspruch 1 ist durch das Anwendungshandbuch zu dem Large Scale Integrated Circuit YTD423 von Yamaha (D11) nicht vorweggenommen. Die Klägerin hat schon nicht dargetan, dass der D11 die Verwendung zweier Tristate-Ausgänge als Bestandteil einer rein digitalen integrierten Schaltung zu entnehmen ist. Nach ihrer Darstellung können die Sendeausgänge HTD und LTD entweder so eingestellt werden, dass sie die Pegel 0 oder 1 ausgeben, oder aber als Open-Drain-Ausgang betrieben werden, das heißt in der Weise, dass sie die Pegel low und hochohmig ausgeben können. Dass auch eine Einstellung vorgesehen ist, bei der die Ausgänge drei unterschiedliche Pegel ausgeben können, lässt sich dem Vortrag der Klägerin nicht entnehmen.

b) Ebensowenig sind der in dem Aufsatz "Design and Electrical Characteristic Evaluation for Interface Circuit in ISDN Bus Wiring System" (Nakano/Nagai in Electronics and Communications in Japan, Part 1. Vol. 73, No. 12, 1990 = D3) gezeigten Schaltung sämtliche Merkmale des Patentanspruchs 1 in der verteidigten Fassung zu entnehmen. Auch die Klägerin macht nicht geltend, dass die dort gezeigte Schaltung digitale Tristate-Ausgänge umfasst. Nach dem unwidersprochenen Vortrag der Beklagten entspricht die Schaltung ferner den Anforderungen der Spezifikation ITU-T I.430 insofern nicht, als sie bei Ausfall der Versorgungspannung keine Hochohmigkeit des Ausgangs gewährleistet. Dem Vortrag der Klägerin lässt sich 25 nicht entnehmen, woraus der Fachmann die Anregung erhalten haben sollte, die in D3 gezeigte Vorrichtung dahin weiter zu entwickeln, dass eine rein digitale integrierte Schaltung mit nur zwei Tristate-Ausgängen verwendet wird.

c) Ausgangspunkt für die Frage, ob der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der verteidigten Fassung vom Stand der Technik nahegelegt worden ist, sind danach die Entgegenhaltungen D4 und D6. Die deutsche Offenlegungsschriften 34 02 257 (D7) und 31 25 017 (D8) sowie die US-Patentschrift 3 154 777 (D9) liegen weiter ab; auf diese Entgegenhaltungen ist auch die Klägerin im Berufungsverfahren nicht zurückgekommen.

(1) Sowohl D4 als auch D6 zeigen jeweils eine Interfaceschaltung zur Realisierung einer der ITU-T I.430 entsprechenden S/T-Schnittstelle (Merkmal 1), die eine Sendeschaltung umfasst (Merkmal 2), für die eine rein digitale integrierte Schaltung und eine externe Beschaltung verwendet werden (Merkmale 3, 3.1 und 3.3). Bei der in D4 gezeigten Vorrichtung wird die externe Beschaltung über vier Ausgänge der rein digitalen integrierten Schaltung angesteuert, bei der in D6 gezeigten Vorrichtung über nur zwei Ausgänge, bei denen es sich um Open-Drain-Ausgänge handelt. Dies sind Ausgänge, bei denen an die Stelle eines aktiven Pull-Up-Transistors ein externer, d.h. außerhalb des integrierten Schaltkreises angeordneter, Pull-Up-Widerstand tritt. Ein solcher Ausgang kann die Pegel 0 und Z ausgeben. Damit ist jeweils Merkmal 3.2 nicht offenbart.

Bei den beiden in der D4 mit der Bezeichnung "TRIBUF" versehenen Komponenten handelt es sich nicht um Ausgänge, sondern um Ausgangsbuffer, mit denen jeweils ein Ausgang angesteuert wird. Selbst wenn man sie jedoch als Tristate-Ausgänge ansehen wollte, wäre Merkmal 3.2, wonach die rein digitale integrierte Schaltung nur zwei Ausgänge aufweist, nicht verwirklicht. Tatsächlich handelt es sich jedoch bei den in D4 gezeigten Ausgängen nicht um Tristate-Ausgänge. Die Klägerin ist dem Vortrag der Beklagten, wonach diese Ausgänge nur die Pegel 0 und Z ausgeben können, nicht entgegengetreten. Die Auffassung der Klägerin, auf die Ver-28 wendung der Tristate-Funktionalität komme es nicht an, trifft - wie ausgeführt - nicht zu.

(2) Die Klägerin meint, ausgehend von der D6 habe es für den Fachmann nahegelegen, eine rein digitale integrierte Schaltung mit zwei Tristate-Ausgängen zu verwenden. Der Fachmann habe erkannt, dass er zur Realisierung der in D6 gezeigten Schaltung auf einen Field Programmable Gate Array (FPGA) zurückgreifen könne, wie er in dem Datenblatt der Fa. Xilinx vom Mai 1999 (D5) beschrieben sei. Ein solcher integrierter Schaltkreis enthalte Tristate-Buffer als Ausgänge, die vom Nutzer so programmiert werden könnten, dass sie als Open-Drain-Ausgang funktionierten. Entsprechende Erwägungen haben die Gebrauchsmusterabteilung zu der - nicht rechtskräftigen - Löschung des Gebrauchsmusters 202 04 265 veranlasst.

Das rechtfertigt jedoch nicht die Annahme, es habe für den Fachmann im Prioritätszeitpunkt nahegelegen, eine solche integrierte Schaltung für die Sendeschaltung einer standardkonformen S/T-Schnittstelle in der Weise zu verwenden, dass die Tristate-Ausgänge mit Tristate-Funktion eingesetzt werden, also so, dass sie - anders als Open-Drain-Ausgänge - nicht nur die zwei Pegel 0 und Z, sondern drei Pegel 0, 1 und Z ausgeben können. Von der - hierfür darlegungspflichtigen (BGH, Urteil vom 27. August 2013 - X ZR 19/12, GRUR 2013, 1272 Rn. 36 - Tretkurbeleinheit) - Klägerin sind weder in erster noch in zweiter Instanz Anhaltspunkte vorgetragen worden, die eine Veranlassung des Fachmanns zu einer solchen Umgestaltung der vorbekannten Schaltung ergäben.

Die Verwendung anderer Ausgänge erfordert auch eine abweichende Ausgestaltung der externen Beschaltung. Die Beklagte hat hierzu unter Bezugnahme auf die Ausführungen des Sachverständigen J. geltend gemacht, dass die Reali- sierung einer der Spezifikation ITU-T I.430 entsprechenden Schnittstelle unter Verwendung einer rein digitalen integrierten Schaltung nicht trivial sei und viele Unternehmen an dieser Aufgabe gescheitert seien. Die Klägerin müsste daher nicht nur darlegen, was den Fachmann zur Wahl einer rein digitalen Schaltung mit zwei Trista-31 te-Ausgängen anregen sollte, sondern auch, dass er dazu in der Lage und dazu veranlasst gewesen ist, eine hierzu passende normkonforme externe Beschaltung zu entwickeln. Hieran fehlt es.

3. Das Streitpatent ist schließlich auch nicht wegen unzureichender Offenbarung für nichtig zu erklären.

Eine für die Ausführbarkeit ausreichende Offenbarung ist grundsätzlich bereits dann anzunehmen, wenn mindestens ein Weg aufgezeigt ist, auf dem die Erfindung ausgeführt werden kann (BGH, Urteil vom 3. Mai 2001 - X ZR 168/97, BGHZ 147, 306, 317 - Taxol mwN). Die Klägerin hat nicht in Abrede gestellt, dass die durch die Beschreibung und Figur 1 erläuterte, in Patentanspruch 2 unter Schutz gestellte externe Beschaltung ausführbar ist und dazu führt, dass die Sendeschaltung den Anforderungen der ITU-T I.430 entspricht. 34 V. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 121 Abs. 2 PatG und § 92 Abs. 2 ZPO.

Meier-Beck Grabinski Hoffmann Deichfuß Kober-Dehm Vorinstanz:

Bundespatentgericht, Entscheidung vom 29.02.2012 - 5 Ni 58/10 - 36






BGH:
Urteil v. 18.12.2013
Az: X ZR 66/12


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