Bundespatentgericht:
Beschluss vom 14. November 2002
Aktenzeichen: 17 W (pat) 50/00
(BPatG: Beschluss v. 14.11.2002, Az.: 17 W (pat) 50/00)
Tenor
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluß der Prüfungsstelle für Klasse B 06 B des Deutschen Patent- und Markenamts vom 1. Februar 2000 aufgehoben und das Patent erteilt.
Der Erteilung liegen folgende, in der mündlichen Verhandlung vom 14. November 2002 überreichten Unterlagen zugrunde:
Patentansprüche 1 - 3, Beschreibung, 3 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 - 6.
Gründe
I.
Die vorliegende Patentanmeldung ist am 21. September 1994 beim Deutschen Patentamt unter der Bezeichnung
"Schwingungserreger"
eingereicht worden.
Die Prüfungsstelle für Klasse B06B hat im Erstbescheid vom 2. Januar 1997 bezüglich des beanspruchten Gegenstandes fehlende erfinderische Tätigkeit geltend gemacht und die Anmeldung durch Beschluß vom 1. Februar 2000 aus den Gründen des genannten Bescheides zurückgewiesen.
Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.
Sie verfolgt ihre Anmeldung auf der Grundlage der in der mündlichen Verhandlung überreichten Ansprüche 1 bis 3 weiter.
Der geltende Anspruch 1 lautet:
Drallschwingungen hervorrufender Schwingungserreger mit einem piezoelektrischen Element (1), der die folgenden Merkmale aufweist:
- ein verwindungssteifes Element (2),
- eine vom verwindungssteifen Element (2) ausgehende Vibrationsplatte (3), an deren Breitseiten sich in ihrer Längsrichtung jeweils längende und verkürzende piezoelektrische Platten (4a, 4b; 5a, 5b) angesetzt sind, und zwar unter Eingehung einer Klebeverbindung, wobei die Vibrationsplatte (3) zwei Teilbereiche aufweist, die von einem vom verwindungssteifen Element (2) ausgehenden Schaft (9) zusammengefaßt sind, wobei die piezoelektrischen Platten (4a, 4b; 5a, 5b) zusammen mit den Teilbereichen der Vibrationsplatte (3) das piezoelektrische Element (1) ausbilden, und wobei im Betrieb des Schwingungserregers die Längung und Kürzung von je zwei piezoelektrischen Platten (4a, 4b; 5a, 5b) gegenläufig erfolgt.
Bezüglich des Wortlautes der geltenden Ansprüche 2 und 3 wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Der beanspruchte Schwingungserreger ist nach Ansicht der Anmelderin durch die im bisherigen Verfahren herangezogenen Druckschriften 1) JP 5 - 13 401 B2 (mit zugehörigem JP-Abstract 63 - 65 708)
2) DE 91 00 101 U1 3) DE 41 18 793 A1 4) US 32 19 850 5) US 48 11 593 weder bekannt noch nahegelegt und demzufolge patentierbar.
Die Anmelderin stellt den Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das nachgesuchte Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:
Patentansprüche 1 bis 3, Beschreibung, 3 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 6, sämtliche Unterlagen überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 14. November 2002.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet, da der Gegenstand des nachgesuchten Patents nach den §§ 1 bis 5 PatG patentfähig ist.
1. Der Erteilungsantrag ist zulässig. Der geltende Anspruch 1 geht aus den Ansprüchen 1 und 2, aus den Beschreibungsseiten 6, 3. Abs.; 9, le. Abs.; 10, 1. Abs. und Fig. 3, jeweils vom Anmeldetag hervor.
Die geltenden Ansprüche 2 und 3 sind durch die Ansprüche 3 und 5 vom Anmeldetag offenbart. Die Änderungen in der Beschreibung sind von redaktioneller Art und somit ebenfalls zulässig.
2. Die einen Schwingungserreger mit verbesserten Eigenschaften betreffende Lehre des Anspruchs 1 läßt sich wie folgt gliedern:
1. Der Schwingungserreger mit einem piezoelektrischen Element dient zur Erzeugung von Drallschwingungen.
2. Er umfaßt 2.1. ein verwindungssteifes Element (2) und 2.2. eine vom verwindungssteifen Element (2) ausgehende Vibrationsplatte (3), 2.2.1 an deren Breitseiten sich in ihrer Längsrichtung jeweils längende und verkürzende piezoelektrische Platten (4a, 4b; 5a, 5b) mittels einer Klebeverbindung angesetzt sind.
2.2.2 Die Vibrationsplatte (3) weist zwei Teilbereiche auf, die von einem vom verwindungssteifen Element (2) ausgehenden Schaft (9) zusammengefaßt sind.
3. Die piezoelektrischen Platten (4a, 4b; 5a, 5b) bilden zusammen mit den Teilbereichen der Vibrationsplatte (3) das piezoelektrische Element (1).
4. Im Betrieb des Schwingungserregers erfolgt die Längung und Kürzung von je zwei piezoelektrischen Platten (4a, 4b; 5a, 5b) gegenläufig.
Diese Lehre ist vom Fachmann, einem diplomierten Physiker mit mehrjähriger Berufserfahrung auf dem Gebiet der piezotechnischen Schwingungserzeugung, ausführbar. Er entnimmt dieser Lehre einen Schwingungserzeuger, bei dem von einem verwindungssteifen Element zwei Vibrationsteilplatten ausgehen, die jeweils mit einem ebenfalls vom verwindungssteifen Element ausgehenden Schaft in Verbindung stehen. Die Vibrationsteilplatten sind an ihren "Breitseiten", d.h. beidseitig an den großen Plattenflächen mittels Klebeverbindung mit piezoelektrischen Platten bestückt. Die piezoelektrischen Platten werden so angesteuert, daß sich je zwei von ihnen im Betrieb gegenläufig längen bzw. kürzen und auf diese Weise die geforderten Drallschwingungen des Schwingungserregers erzeugen.
3. Der beanspruchte Gegenstand ist neu, da keine der zum Stand der Technik genannten Druckschriften einen Schwingungserreger mit allen Merkmalen des Anspruchs 1 zeigt.
Dieser Gegenstand beruht auch auf erfinderischer Tätigkeit, da er sich für den o.g. Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik ergibt:
Schwingungserreger für Drallschwingungen sind jeweils Gegenstand der Druckschriften 1, 4 und 5.
Wird dem Fachmann durch entsprechende Erfordernisse aus der Praxis die Aufgabe gestellt, einen Drallschwingungserzeuger mit geringer Bauhöhe zur Verfügung zu stellen, so wird er sich an Druckschrift 4 orientieren, da der dort in Fig. 5 dargestellte und in Sp. 3, Z. 47-52 und Z. 65-70 beschriebene Schwingungserzeuger mit einseitig in dem Block 30 eingespanntem Schwingungsteil 14 die geringste Bauhöhe aufweist. Dieses Schwingungsteil 14 setzt sich aus einer piezoelektrischen Platte 10' für die Erzeugung oder Detektierung von Biegeschwingungen (Fig. 1, Sp. 3, Z. 26-28) und aus einer piezoelektrischen Platte 12' für die Erzeugung oder Detektierung von Drallschwingungen (Fig. 2, Sp. 3, Z. 28-30 und Sp. 3, Z. 71 bis Sp. 4, Z. 2) zusammen.
Besteht die Forderung nach einem lediglich Drallschwingungen ausführenden Schwingungsteil, so wird der Fachmann sich nach entsprechenden Realisierungsmöglichkeiten für dieses Teil umsehen.
In den Figuren 1, 5, 6, und 7 der Druckschrift 1 (JP 5 - 13401 B2) ist ein Drallschwingungserzeuger dargestellt, der auch in den Figuren 5A, 5B, 6A und 6B der Druckschrift 5 gezeigt und in den Sp. 3, Z. 63 bis Sp. 4, Z. 57 beschrieben wird. Dieser Drallschwingungserzeuger besteht aus zwei miteinander verbundenen piezoelektrischen Platten 1A und 1B, die jeweils aus Teilplatten P1 bis P4 bestehen (Sp. 3, Z. 63 bis Sp. 4, Z. 5) und die - entsprechend der in Fig. 5B bzw. 6B dargestellten Spannungsbeaufschlagung in Parallel- bzw. Serienschaltung - die aus Fig. 7 ersichtlichen Drallschwingungen durch gegenläufige Längung und Kürzung jeweils zweier piezoelektrischer Platten (Sp. 3, Z. 5-57) ausführen.
Bei dem aus den Figuren 10 und 11 der Druckschrift 1 ersichtlichen Drallschwingungserzeuger sind die piezoelektrischen Platten 1, deren Einteilung jener der Figuren 1 und 6 entspricht, mit einer Vibrationsplatte 2 verbunden.
Aus Druckschrift 1, Fig. 8 und Druckschrift 5, Fig. 7 geht hervor, daß der dort jeweils dargestellte Drallschwingungserzeuger symmetrisch schwingt, wobei mittig der mit "z" gekennzeichnete Schwingungsknoten auftritt. Für den Fachmann ist ohne weiteres erkennbar (siehe auch die diesbezüglichen Ausführungen in der Beschreibungseinleitung der Beschwerdeanmeldung), daß der Drallschwingungserzeuger am Ort dieses Schwingungsknotens eingespannt werden kann und daß somit die jeweils vom Schwingungsknoten ausgehenden Teile des Schwingungserzeugers mit jenem von Druckschrift 4, Fig. 5 funktionell übereinstimmen. Es liegt für den Fachmann demzufolge nahe, das in Druckschrift 4, Fig. 5 dargestellte Schwingungsteil 14 in Kenntnis der Druckschriften 1 und 5 für reinen Drallschwingungsbetrieb in der Weise umzugestalten, daß eine vom verwindungssteifen Element - Block 30 - ausgehende Vibrationsplatte an ihren Breitseiten mit piezoelektrischen Platten belegt ist, die zur Erzeugung einer Drallschwingung durch entsprechende Spannungsbeaufschlagung einem gegenläufigen Längungs- bzw. Kürzungsvorgang unterzogen werden.
Mit diesen durch die Druckschriften 1, 4, und 5 angeregten Maßnahmen und der dem Fachmann selbstverständlich zu Gebote stehenden Schaffung einer Klebeverbindung zwischen der Vibrationsplatte und den zugehörigen piezoelektrischen Platten entsteht somit ohne erfinderisches Bemühen ein Drallschwingungserreger mit den Merkmalen 1 bis 2.2.1 und 4 des Anspruchs 1 der Beschwerdeanmeldung.
Beim Gegenstand dieses Anspruchs ist darüber hinaus entsprechend den Merkmalen 2.2.2 und 3 vorgesehen, daß ein vom verwindungssteifen Element ausgehender Schaft vorhanden ist, der die Vibrationsplatte in Teilbereiche unterteilt und die auf dieser Platte befestigten piezoelektrischen Platten auf entsprechenden Abstand hält. Diese Vorgehensweise ist durch die Druckschriften 1, 4 und 5 weder bekannt noch nahegelegt.
Auch die weiteren im Verfahren befindlichen Druckschriften 2 und 3 geben diesbezüglich keine Anregungen, da sie vom beanspruchten Gegenstand weiter ab liegen als die Druckschriften 1, 4 und 5:
Druckschrift 2 zeigt einen Biegeschwinger mit einseitiger Einspannung, bei dem das Schwingungsteil aus einer nicht unterteilten Vibrationsplatte besteht, die beidseitig mit ebenfalls durchgehenden piezoelektrischen Folien belegt ist (Fig. 1 mit zugehöriger Beschreibung).
Druckschrift 3 offenbart eine Vorrichtung zur Füllstandsüberwachung, bei der zwei Schwingstäbe 21, 23 vorgesehen sind, die von einem Erregungswandler 70 mit piezoelektrischen Elementen 54, 56 in (nachgeregelte) Schwingungen versetzt werden. Die Frequenz der sich einstellenden Eigenschwingungen - die davon abhängt, ob die Schwingstäbe sich in Luft oder in einer Flüssigkeit befinden - wird mit Hilfe eines Empfangswandlers 71, der mit einem piezoelektrischen Element 60 bestückt ist, aufgenommen (Fig. 2 mit zugehöriger Beschreibung).
Der Gegenstand des Anspruchs ist aus den aufgezeigten Gründen neu und beruht auch auf erfinderischer Tätigkeit; Anspruch 1 ist demzufolge gewährbar.
Die Ansprüche 2 und 3 beinhalten zweckmäßige, nicht selbstverständliche Weiterbildungen der Erfindung und sind in Verbindung mit Anspruch 1 ebenfalls gewährbar.
Grimm Dr. Schmitt Dr. Greis Schuster Bb
BPatG:
Beschluss v. 14.11.2002
Az: 17 W (pat) 50/00
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