Oberlandesgericht Celle:
Beschluss vom 14. Dezember 2009
Aktenzeichen: 10 WF 358/09

(OLG Celle: Beschluss v. 14.12.2009, Az.: 10 WF 358/09)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Den Antragstellern ist für ein am 11. August 2008 eingeleitetes Verfahren zur Regelung des Umganges mit ihrem Enkelkind ... durch Beschluss des Amtsgerichts € Familiengericht € Hannover vom 14. Oktober 2008 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Beschwerdeführerin bewilligt worden.

Nach schriftlicher Anhörung der Beteiligten hat das Amtsgericht € Familiengericht € Hannover durch Beschluss vom 29. Januar 2009 eine Umgangsregelung getroffen und den Gegenstandswert für das Verfahren auf 3.000,€ Euro festgesetzt.

Unter dem 6. Mai 2009 hat die Beschwerdeführerin die Festsetzung der Vergütung des beigeordneten Rechtsanwalts beantragt. Durch Beschluss vom 8. Mai 2009 hat die Kostenbeamtin die aus der Landekasse an die Beschwerdeführerin zu zahlende Prozesskostenhilfevergütung auf 586,08 Euro festgesetzt. In diesem Betrag ist eine Terminsgebühr gemäß Nr. 3104 VVRVG in der bis zum 31. August 2009 geltenden Fassung (a. F.) von netto 226,80 Euro enthalten.

Am 12. Juni 2009 hat die Bezirksrevisorin bei dem Amtsgericht Hannover gegen den Beschluss vom 8. Mai 2009 Erinnerung eingelegt, soweit die Kostenbeamtin eine Terminsgebühr festgesetzt hat, und die Rückforderung des vermeintlich überzahlten Betrages von 269,90 Euro beantragt.

Mit Verfügung vom 7. Juli 2009 hat die Kostenbeamtin von der Beschwerdeführerin einen Betrag in Höhe von 269,90 Euro zurückgefordert. Die dagegen gerichtete Erinnerung der Beschwerdeführerin hat der Abteilungsrichter des Amtsgerichts durch Beschluss vom 9. November 2009 zurückgewiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss sowie die darin enthaltene Bezugnahme auf die Stellungnahme des Bezirksrevisors vom 25. September 2009 verwiesen. Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde vom 20. November 2009. Das Amtsgericht hat ihr nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Mit der Beschwerde vertritt die Verfahrensbevollmächtigte der Antragsteller die Ansicht, sie habe Anspruch auf eine Terminsgebühr nach Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VVRVG (a. F.), weil das RVG nicht zwischen Verhandlungs- und Erörterungstermin unterscheide.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Die Beschwerdeführerin hat keinen Anspruch auf eine Terminsgebühr aus Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VVRVG (a. F.). Dem liegen folgende Erwägungen zugrunde:

7Gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 3 VVRVG in der € hier anzuwendenden € bis zum 31. August 2009 gültigen Fassung (a. F.) entsteht eine Terminsgebühr für die Vertretung in einem Verhandlungs-, Erörterungs- oder Beweisaufnahmetermin oder die Wahrnehmung eines von einem gerichtlich bestellten Sachverständigen anberaumten Termins oder die Mitwirkung an auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen auch ohne Beteiligung des Gerichts, wobei dies nicht für Besprechungen mit dem Auftraggeber gilt. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt; es hat kein Verhandlungs-, Erörterungs- oder Beweisaufnahmetermin stattgefunden, weil das Amtsgericht € Familiengericht € ohne mündliche Anhörung der Beteiligten die Sache abschließend entschieden hat.

Gemäß Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VVRVG (a. F.) entsteht eine Terminsgebühr zwar auch, wenn in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, im Einverständnis mit den Parteien oder gemäß § 307 oder § 495 a ZPO ohne mündliche Verhandlung entschieden oder in einem solchen Verfahren ein schriftlicher Vergleich geschlossen wird. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin liegen aber auch diese Voraussetzungen nicht vor.

9Zutreffend geht die Beschwerdeführerin zwar davon aus, dass aufgrund des durch Gesetz vom 4. Juli 2008 eingefügten § 50 e Abs. 2 S. 1 FGG im vorliegenden Verfahren ein Termin zur Erörterung mit den Beteiligten gesetzlich vorgeschrieben war, weil das Verfahren die Regelung des Umgangsrechts mit einem Kind betraf (vgl. zu dem wortgleich am 1. September 2009 in Kraft getretenen § 155 FamFG: Heilmann im Münchener Kommentar, Zivilprozessordnung, FamFG, Band 4, 2010, § 155 Rdn. 45; Meysen u. a., Das Familienverfahrensrecht € FamFG, 2009, Seite 455). Nach Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VVRVG (a. F.) entsteht eine Terminsgebühr aber nur für Verfahren, in denen von einer mündlichen Verhandlung abgesehen wird. Aus der Unterscheidung zwischen (mündlicher) Verhandlung, Erörterung und Beweisaufnahme in der Vorbemerkung 3 Abs. 3 VVRVG (a. F.) wird deutlich, dass das VVRVG den Begriff mündliche Verhandlung nicht als übergeordneten Begriff im gebührenrechtlichen Sinne für jegliche Gerichtstermine verstehen will, sondern die unterschiedlichen Termine voneinander abgrenzt. Das bedeutet aber, dass eine Ausweitung der eine Ausnahme regelnden Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VVRVG (a. F.) auf andere Kraft gesetzlicher Regelung durchzuführende Termine nicht zulässig ist.

Dafür spricht auch der Umstand, dass Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VVRVG in der ab 1. September 2009 geltenden Fassung nur insoweit geändert ist, als es um das Einverständnis der "Beteiligten" für das Absehen von einer zwingend vorgeschriebenen mündlichen Verhandlung erweitert worden ist. Damit ist in Nr. 3104 VVRVG die Terminologie des FamFG aufgenommen worden, wonach auch in einem Familienverfahren, welches sich bis zum 31. August 2009 nach der ZPO richtete, wie das jetzige Familienstreitverfahren, nur noch von Verfahrensbeteiligten und nicht mehr von Parteien gesprochen wird. Demgegenüber hat Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VVRVG den Begriff "mündliche Verhandlung" beibehalten (so im Ergebnis auch Müller-Rabe, in Gerold/Schmidt, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 18. Aufl. 2008, VV 3104 Rdn. 25 ff., der sich jedoch noch nicht mit § 50 e FGG auseinander setzt.).

III.

Die Rechtsbeschwerde war zuzulassen, weil die Sache von grundsätzlicher Bedeutung ist.

Die grundsätzliche Bedeutung ergibt sich aus dem Umstand, dass durch die Einführung des § 50 e FGG bzw. den wortgleichen § 155 FamFG sich in einer Vielzahl von Familienverfahren die Frage der Anwendbarkeit der Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VVRVG auf Erörterungstermine stellen könnte.

Höchstrichterlich ist die Frage, ob Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VVRVG auch bei gesetzlich vorgeschriebenen Erörterungsterminen anzuwenden ist, noch nicht entschieden. Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat zwar zu § 35 der bis zum 30. Juni 2004 geltenden Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung (BRAGO) und zu Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VVRVG entschieden, dass dieser grundsätzlich auf Verfahren nach dem FGG nicht anwendbar sei, weil dort eine mündliche Verhandlung nicht zwingend vorgeschrieben sei (vgl. zuletzt BGH NJW 2006, 539 f. mit Hinweisen auf die frühere Rechtsprechung). Die Entscheidungen stammen jedoch aus der Zeit vor Einführung des § 50 e FGG, so dass der BGH damit nicht die Frage geklärt hat, ob das Gesagte auch für regelmäßig notwendige Erörterungstermine gilt.






OLG Celle:
Beschluss v. 14.12.2009
Az: 10 WF 358/09


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/7ac26819cc07/OLG-Celle_Beschluss_vom_14-Dezember-2009_Az_10-WF-358-09




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share