Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 10. November 2009
Aktenzeichen: 4 U 123/09
(OLG Hamm: Urteil v. 10.11.2009, Az.: 4 U 123/09)
Tenor
Unter Zurückweisung der Anschlussberufung wird auf die Berufung der Klägerin das am 13. Mai 2009 verkündete Urteil der 13. Zivilkammer
- Kammer für Handelssachen - des Landgerichts Bochum teilweise abgeän-dert.
1.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 2.380,40 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem
29. Juli 2008 zu zahlen.
2.
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft zu erteilen, wie oft die Ein-gangsseite mit dem entsprechenden Warnhinweis unter "Internetadresse" das über diesen Warnhinweis abrufbare Schreiben der Beklagten vom 08.02.2008 unter "Internetadresse", so wie in Anlagenkonvolut K 1 enthalten, im Zeitraum vom 08.02.2008 bis zur Entfernung des Hinweises und des Schreibens von der Webseite abgerufen wurde.
3.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den durch die Verbreitung des Warnhinweises und des Schreibens vom 08.02.2008 im Sinne des Antrags Ziffer 2 entstandenen bzw. noch entstehenden Schaden auszugleichen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 50.000,00 € abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Beklagte stellt Matratzen her und bewirbt sie auf ihrer Internetseite "Internetadresse". Die Klägerin betreibt einen Onlineshop für Matratzen, wo sie Matratzen der Hersteller "E1", "G.", "G1", "I", "N", "T" und "S" anbietet, jedoch seit Abbruch der Geschäftsbeziehung zwischen den Parteien im Jahr 2007 keine Matratzen der Beklagten. Im Jahr 2008 bot die Klägerin allerdings Matratzenschoner und Lattenroste der Marke "E" an.
In der Zeit vom 08.02. bis 05.03.2008 enthielt die Startanzeige des Internetangebots der Beklagten unter der rot gehaltenen Überschrift "Achtung Wichtiger Hinweis!" folgenden Hinweis:
"Wir möchten Sie darüber unterrichten, dass die Firma E die
Online-Händler "Internetadresse" und "Internetadresse" nicht beliefert.
Lesen Sie bitte dazu das Schreiben vom 2008-02-08."
Hierunter befand sich ein mit "Download als PDF" bezeichneter Link, in dem ein Rundschreiben der Beklagten vom 08.02.2008 an ihre Online-Händler geöffnet werden konnte, in der die Beklagte darauf hinwies, dass die Klägerin Matratzen der Marke E zum Kauf angeboten habe, die nach Auffassung der Beklagten nicht sofort verfügbar gewesen seien und dass sich die Klägerin im Rahmen eines Vergleichs vor dem OLG Frankfurt zur Unterlassung verpflichtet habe. Ferner informierte die Beklagte darüber, dass die Firma T GmbH, deren Gesellschafter und Geschäftsführer unter anderem der Geschäftsführer der Klägerin sei, auf den Internetseiten "Internetadresse" Produkte anbiete, die nach Auffassung der Beklagten ebenfalls nicht oder zumindest nicht in ausreichender Form vorgehalten würden. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Ausdrucke der Internetseite (Anlage K 1, Blatt 16 ff. d.A.) verwiesen.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 25.02.2008 mahnte die Klägerin die Beklagte ab und beantragte mit Schriftsatz vom 29.02.2008 den Erlass einer einstweiligen Verfügung bei dem Landgericht Berlin. Das Landgericht Berlin erließ antragsgemäß mit Beschluss vom 03. März 2008 die einstweilige Verfügung und untersagte der Beklagten die Verwendung des Hinweises auf der Internetseite. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 03.03.2008 (103 O 35/08) verwiesen (Anlage K 4, Blatt 31 d.A.). In der Folgezeit forderte die Klägerin die Beklagte zur Erstattung der Rechtsanwaltskosten für das Abmahnschreiben auf. Am 20.03.2008 versandten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin ein Abschlussschreiben an die Beklagte und forderten sie auf, die hierfür angefallenen Kosten zu erstatten. Am 25.06.2008 gab die Beklagte die Abschlusserklärung ab.
Mit der vorliegenden Klage hat die Klägerin die Beklagte auf Auskunft, Feststellung der Schadensersatzpflicht wegen des Warnhinweises, sowie auf Erstattung der durch die Abmahnung und das Abschlussschreiben entstandenen Anwaltskosten in Anspruch genommen. Auch wenn sie im Zeitpunkt der Veröffentlichung des Warnhinweises keine Matratzen der Beklagten mehr verkauft habe, so sei ihr gleichwohl durch den Warnhinweis ein Schaden entstanden. Denn dieser Warnhinweis habe nicht nur potentielle Kunden einer Matratze der Marke E, sondern allgemein Kunden, die Matratzen bei der Klägerin hätten erwerben wollen, abgeschreckt. Die herabsetzenden Äußerungen hätten zu Umsatzeinbrüchen, Anrufen von verunsicherten Kunden und sogar zu Stornierungen geführt. In den ersten zwei Monaten des Jahres 2008 habe die Klägerin Stornos in einem mittleren 5-stelligen Gesamtwarenwert von Waren gehabt, die unter der Marke der Hersteller angeboten worden seien, die vor dem Erwerb von Waren bei der Klägerin gewarnt hätten. Die Beklagte und die weiteren Hersteller, die zeitgleich vor den Matratzen der Klägerin gewarnt hätten, nämlich die Hersteller G., T und N hätten den Schaden verursacht. Die Beklagte sei deshalb zur Auskunft verpflichtet. Die Anzahl der Aufrufe der Warnhinweise und des Schreibens vom 08.02.2008 sei geeignet, ihren Schaden zu beziffern. Aufgrund der Aufrufzahlen und der ermittelten Umsatzrückgänge ließe sich der Schaden quotal auf die einzelnen Hersteller verteilen. Die Auskunft sei ohne Weiteres möglich und zumutbar. Die Anzahl der Besucher auf der Webseite der Beklagten sei auch kein Geschäftsgeheimnis.
Die Rechtsanwaltskosten für die Abmahnung und für das Abschlussschreiben seien zu Recht nach einem Gegenstandswert von 150.000,00 € berechnet worden. Das ergebe einen Gesamtbetrag von 3.280,90 €.
Wegen der Berechnung der Abmahnkosten im Einzelnen wird auf die Anlage K 5 zur Klageschrift (Bl. 73 f. d.A.) verwiesen; wegen der Berechnung der Kosten für das Abschlussschreiben wird auf die Klageschrift Bl. 7 f. d.A. verwiesen.
Die Klägerin hat beantragt,
1.
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 3.280,90 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen;
2.
die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Auskunft zu erteilen, wie oft die Eingangsseite mit dem entsprechenden Warnhinweis unter "Internetadresse" und das über diesen Warnhinweis abrufbare Schreiben der Beklagten vom 08.02.2008 unter "Internetadresse", so wie in Anlagenkonvolut K 1 enthalten, im Zeitraum vom 08.02.2008 bis zur Entfernung des Hinweises und des Schreibens von der Webseite abgerufen wurde;
3.
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den durch die Verbreitung des Warnhinweises und des Schreibens vom 08.02.2008 im Sinne des Antrags Ziffer 2 entstandenen bzw. noch entstehenden Schaden auszugleichen.
Hilfsweise für den Fall, dass die Beklagte versichern sollte, dass sie zur Auskunft über die entsprechenden Seitenaufrufe in dem entsprechenden Zeitraum nicht in der Lage ist, hat die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Auskunft zu erteilen, wie oft zum aktuellen Zeitpunkt die Eingangsseite des Beklagten unter "Internetadresse" innerhalb eines Zeitraums von einem Monat aufgerufen wird.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, für den Ersatz der Rechtsverfolgungskosten der Abmahnung sei lediglich ein Gegenstandswert von 100.000,00 € zugrunde zu legen, so dass sich unter Anrechnung der 0,65 Geschäftsgebühr im einstweiligen Verfügungsverfahren eine Gesamtforderung in Höhe von 900,10 € ergebe. Soweit die Klägerin Anwaltskosten für die Aufforderung zur Abgabe der Abschlusserklärung geltend mache, fehle es an der Erforderlichkeit des Abschlussschreibens, weil die Klägerin zwischen der Zustellung der einstweiligen Verfügung am 05.03.2008 keinen Monat gewartet habe. Zeitnah nach dem Urteil des Landgerichts Berlin vom 15.05.2008 habe die Beklagte die Abschlusserklärung abgegeben. Ein Anspruch auf die begehrte Auskunft bestehe nicht. Es sei bereits kein Schaden dem Grunde nach ersichtlich. Der streitgegenständliche Hinweis auf der Homepage der Beklagten habe der Information potentieller Käufer von E-Matratzen gegolten. Die Klägerin habe aber im Zeitpunkt der Veröffentlichung des Internethinweises und seitdem überhaupt keine Matratze der Beklagten angeboten. Die Klägerin habe nicht substantiiert zu den behaupteten Umsatzeinbußen vorgetragen. Insoweit sei auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin über ihr T GmbH, das im Übrigen nach Auskunft der Kreditreform in 2007 lediglich eine Umsatzerwartung von 300.000,00 € gehabt habe, Geschäfte gemacht habe. Sofern überhaupt Umsatzrückgänge vorliegen, seien diese nicht auf den Warnhinweis der Beklagten, sondern auf schlechte Erfahrungsberichte anderer Käufer in den einschlägigen Bewertungsportalen zurückzuführen. Die Klägerin habe Matratzen beworben, die sie tatsächlich nicht habe liefern können, um die Kunden mit Lockvogelangeboten zur Umbestellung auf andere No-Name-Produkte zu bewegen. Die Klägerin könne im Übrigen direkt Leistungsklage erheben. Die begehrte Auskunft über die Anzahl der Abrufe der Homepage sei weder geeignet noch erforderlich für eine etwaige Schadensberechnung. Es sei der Beklagten auch nicht zumutbar, Daten über die Anzahl der Aufrufe mitzuteilen, die sie als Ausdruck ihrer Marktpräsenz und des Erfolges ihrer Marketingstrategie geheim halten wolle. Die Beklagte erklärt gegenüber dem Anspruch der Klägerin auf Erstattung der Abmahnkosten in Höhe von 900,10 € die Aufrechnung mit einem Anspruch auf Ersatz von Anwaltskosten zur Abwehr einer von der Klägerin unberechtigt erhobenen Schadensersatzforderung wegen der angeblichen Nichtbelieferung ihrer Rechtsvorgängerin durch die Beklagte im Jahr 2004.
Wegen dieser Aufrechnungsforderung hat sich die Klägerin auf Verjährung berufen.
Das Landgericht hat durch Urteil vom 13.05.2009 die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 900,10 € nebst Zinsen zu zahlen.
Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.
Die Klägerin könne von der Beklagten lediglich Zahlung eines Betrages von 900,10 € für das Abmahnschreiben verlangen. Es sei lediglich ein Gegenstandswert von 100.000,00 € zugrunde zu legen. Zwar sei die Intensität des Wettbewerbsverstoßes durch den Warnhinweis auf der Internetseite der Beklagten beträchtlich. Doch sei die Bemessung mit 100.000,00 € angemessen angesichts des Umstandes, dass der zugrunde zu legende Gegenstandswert der Hauptsache bei UWG-Sachen, die keine Besonderheiten aufwiesen, im hiesigen Bezirk regelmäßig mit 30.000,00 € festgesetzt würde.
Für das Abschlussschreiben könne die Klägerin keine Kostenerstattung verlangen. Denn die Klägerin habe der Beklagten keine ausreichende Gelegenheit gegeben, von sich aus eine Abschlusserklärung abzugeben.
Die Aufrechnung der Beklagten mit einem Gegenanspruch wegen Abwehr eines unbegründeten Schadensersatzanspruches greife nicht durch. Zwar könne die Geltendmachung eines unberechtigten Anspruchs im Falle einer Sonderverbindung eine Pflichtverletzung im Sinne des § 280 BGB darstellen. Die Schadensersatzforderung der Klägerin wegen Nichtlieferung habe aber nicht jeder Grundlage entbehrt, so dass die Geltendmachung dieser Forderung der Klägerin auch nicht als Pflichtverletzung vorgeworfen werden könne.
Zur Auskunftserteilung sei die Beklagte nicht verpflichtet. Denn die begehrten Auskünfte seien gänzlich ungeeignet, um einen etwaigen Schadensersatzanspruch beziffern zu können. Die Internetseite der Beklagten werde erfahrungsgemäß von Kunden besucht, die den Erwerb einer E-Matratze in Erwägung zögen. Insbesondere in Ansehung des Umstandes, dass weitere Matratzenhersteller zeitgleich einen vergleichbaren Warnhinweis erteilt hätten, sei nicht nachvollziehbar, dass ein etwaiger Schaden quotenmäßig auf die Hersteller anhand der Anzahl der Aufrufe ihrer Internetseiten verteilt werden könnte. Denn hierbei bliebe völlig außer Betracht, dass die überwiegende Anzahl der Käufer, die die Internetseite der Beklagten besuchten, weil sie Interesse an einer E-Matratze hätten, überhaupt nicht auf die Idee kommen dürften, bei der Klägerin, die diese E-Matratzen nicht führte, andere Matratzen zu erwerben.
Die Feststellungsklage sei zwar zulässig, weil im Wettbewerbsrecht die Möglichkeit einer Stufenklage der Feststellungsklage nicht entgegenstünde. Das Feststellungsbegehren sei aber unbegründet. Denn die Klägerin habe nicht substantiiert dargelegt, dass ihr überhaupt ein Schaden entstanden sein könnte. Ihr pauschaler Vortrag, dass sie in den ersten zwei Monaten des Jahres 2008 Stornos in einem mittleren 5-stelligen Gesamtwarenwert bezüglich der Waren gehabt hätte, die unter der Marke der Hersteller angeboten worden seien, die vor dem Erwerb von Waren der Klägerin gewarnt hätten, reiche dazu nicht aus. Die Klägerin habe noch nicht einmal näherungsweise angegeben, welche Stornierungen Produkte der Beklagten beträfen. Auch sei nicht ersichtlich, welche Anzahl von Stornierungen überhaupt angefallen seien.
Wegen des Inhaltes des Urteiles im Einzelnen wird auf Bl. 225 f. d.A. verwiesen.
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin form- und fristgerecht Berufung eingelegt, mit der sie ihr Klagebegehren aus erster Instanz weiterverfolgt.
Unter Ergänzung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages ist die Klägerin der Ansicht, dass das Landgericht zu Unrecht die geltend gemachten Auskunftsansprüche verneint habe. Die Auskünfte seien zur Schadensberechnung, jedenfalls aber zur Schadensschätzung erforderlich. Das Landgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass eine Vielzahl von Kunden, die die Webseite der Beklagten aufrufen würde, ohnehin nicht mit ihr, der Klägerin, in geschäftlichen Kontakt kommen würde. Dabei habe das Landgericht nicht berücksichtigt, dass die Warnhinweise der Beklagten generell geeignet seien, Kunden von Kontakten mit der Klägerin abzuhalten. Es entspreche der Lebenserfahrung, dass sich ein noch nicht festgelegter Kunde angesichts der Warnhinweise der Beklagten, von denen er im Rahmen einer Information über die in Frage kommenden Produkte Kenntnis erhalte, auch davon abhalten lasse, andere Matratzenmodelle bei der Klägerin zu kaufen. Gerade angesichts der Anonymität und der Gefahren des Internets hätten solche Warnhinweise und herabsetzende Äußerungen allgemein geschäftsschädigende Wirkung. Die Auskunft sei hier auch deshalb erforderlich, weil sie angesichts mehrfacher Warnhinweise verschiedener anderer Hersteller wie N1, S1 und T2 GmbH nicht in der Lage sei, zu ermitteln, inwieweit der Schaden von dem einen oder dem anderen Hersteller verursacht worden sei. Dazu müsse sie wissen, welche Besucherzahlen die einzelnen Hersteller auf den jeweiligen Webseiten in einem bestimmten Zeitraum gehabt hätten. Auch für eine Schadensschätzung sei die Kenntnis davon erforderlich, in welchem Umfang die geschäftsschädigenden Äußerungen verbreitet worden seien.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts habe sie auch die erforderliche Schadenswahrscheinlichkeit hinreichend dargetan. Ein Schadenseintritt sei im Zusammenhang mit herabsetzenden Äußerungen von vornherein denkbar und möglich, mehr sei nach den Anforderungen in der Rechtsprechung nicht erforderlich. Auf die tatsächliche Höhe des Schadens komme es insoweit nicht an. Solche geschäftsschädigenden Äußerungen seien allgemein zu einer Abschreckung von bestehenden und potentiellen Kunden geeignet. Schon das lege einen Schaden dar. Es sei keinesfalls auszuschließen, dass potentielle Käufer anderer Produkte auch die Internetseite der Beklagten aufsuchen würden. Die Klärung der etwaigen verursachenden Anteile müsse dem Betragsverfahren vorbehalten bleiben.
Zu Unrecht habe das Landgericht auch ihren Kostenerstattungsanspruch gekürzt. Die Herabsetzung des Streitwertes durch das Landgericht sei im Hinblick auf die unangefochten gebliebenen Streitwertfestsetzungen in dem Parallelverfahren nicht nachvollziehbar.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Bochum vom 13. Mai 2009, Geschäftszeichen I-13 O 134/08,
1.
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin weitere 2.380,40 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29. Juli 2008 zu zahlen;
2.
die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Auskunft zu erteilen, wie oft die Eingangsseite mit dem entsprechenden Warnhinweis unter "Internetadresse" und das über diesen Warnhinweis abrufbare Schreiben der Beklagten vom 08.02.2008 unter "Internetadresse", so wie in Anlagenkonvolut K 1 enthalten, im Zeitraum vom 08.02.2008 bis zur Entfernung des Hinweises und des Schreibens von der Webseite abgerufen wurde;
3.
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den durch die Verbreitung des Warnhinweises und des Schreibens vom 08.02.2008 im Sinne des Antrags Ziffer 2 entstandenen bzw. noch entstehenden Schaden auszugleichen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie beantragt ferner im Wege der Anschlussberufung,
das Urteil des Landgerichts Bochum vom 13.05.2009 abzuändern und
die Klage abzuweisen.
Unter Ergänzung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages führt die Beklagte aus, dass mit der Anschlussberufung die Feststellung des Landgerichts angegriffen werde, dass die von der Beklagten erklärte Aufrechnung mit ihrem Gegenanspruch auf Ersatz ihrer Rechtsverfolgungskosten im Zusammenhang mit der Abwehr der unbegründeten Schadensersatzforderung der Klägerin nicht durchgreife. Nach den der Entscheidung zugrunde zu legenden Tatsachen sei davon auszugehen, dass die Klägerin die nachvertragliche Treuepflicht ihrer Rechtsvorgängerin, zu der auch das Unterlassen unbegründeter Schadensersatzansprüche gegenüber dem Vertragspartner zähle, durch die Geltendmachung ihrer Forderung verletzt habe. Eine vertretbare rechtliche Beurteilung dieser Forderung durch die Rechtsvorgängerin der Klägerin sei nicht ersichtlich. Die bloße Beantragung eines Mahnbescheides sei in diesem Zusammenhang nichtssagend.
Zu Recht habe das Landgericht festgestellt, dass die von der Klägerin begehrten Auskünfte gänzlich ungeeignet und erst recht nicht erforderlich seien, um einen etwaigen (kausalen) Schaden aufgrund der vorübergehenden Hinweise auf der Homepage der Beklagten zu berechnen. Gerade wenn ein Verbraucher gemäß der Annahme der Klägerin zur Information vor dem Kauf einer Matratze zunächst die Webseiten der verschiedenen Hersteller aufsuche, sei es nicht nachvollziehbar, dass ein Schaden anhand der Anzahl der jeweiligen Homepage-Aufrufe auf die Hersteller verteilt werden könnte. Die meisten Besucher würden die grundsätzliche Entscheidung zum Kauf einer E-Matratze, u.U. sogar eines konkreten Modells, bereits getroffen haben und auf der Homepage nur ergänzende Informationen einholen wollen. Dies gelte insbesondere deshalb, weil die Mehrzahl der Verbraucher zunächst im stationären Handel verschiedene Matratzen probeliegen würden und sich erst dann bezüglich des ihnen empfohlenen bzw. am besten erscheinenden Modells im Internet über dessen Eigenschaften (und Preis) ergänzend informierten. Bei der von der Klägerin beabsichtigten quotalen Umlage eines bei ihr eingetretenen kausalen Schadens nach der Anzahl der Homepage-Aufrufe würden auch diese Besucher miteinbezogen. Diese Verbraucher könnten aber gar nicht aufgrund des Hinweises von einem Kauf bei der Klägerin Abstand genommen haben, weil diese zum streitgegenständlichen Zeitpunkt keine E-Matratzen in ihrem Programm gehabt hätte. Einer Verknüpfung zwischen der Anzahl der Aufrufe der betreffenden Seiten und einem bestimmten Schadensbetrag oder anteil fehle auch im Hinblick auf die zahlreichen anderen möglichen Ursachen für angebliche Stornierungen bzw. das Ausbleiben von Kundenbestellungen bei der Klägerin jede logische Rechtfertigung.
Auch eine hinreichende Schadenswahrscheinlichkeit habe das Landgericht zu Recht abgelehnt. Nach dem Ablauf von mehreren Monaten seit Entfernung der Hinweise von den Internetseiten der Hersteller wäre es der Klägerin unschwer möglich gewesen, im Fall eines tatsächlich nennenswerten Umsatzrückganges in dem betreffenden Zeitraum und erst recht bei entsprechend begründeten Stornierungen, eine Leistungsklage zu erheben. Weitere zur Konkretisierung ihres vermeintlichen Schadens notwendige oder wenigstens geeignete Kenntnis fehlten der Klägerin zum Zeitpunkt der Klageerhebung nicht mehr. Da auch in der Berufungsbegründung nach nunmehr annähernd zwei Jahren seit Entfernung der Internet-Hinweise Angaben zu den angeblichen Umsatzrückgängen der Klägerin in den ersten beiden Monaten des Jahres 2008 fehlten, sei erst recht davon auszugehen, dass der Klägerin durch die streitgegenständlichen Hinweise der Beklagten kein (kausaler) Schaden entstanden sei. Das Landgericht habe überzeugend ausgeführt, dass allein der pauschale Vortrag angeblicher (nicht konkretisierter) Stornos in einem mittleren 5-stelligen Gesamtwarenwert nicht den Ansprüchen an einen substantiierten, einem Zeugen bereits zugänglichen Vortrag genüge.
Wegen des Inhaltes der Parteivorträge im Einzelnen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Gründe
Die Berufung der Klägerin ist begründet, die Anschlussberufung der Beklagten dagegen unbegründet.
Durch die Anschlussberufung der Beklagten ist der gesamte Streitstoff erster Instanz auch in der Berufungsinstanz angefallen. Mangels Fristsetzung zur Berufungserwiderung ist die Anschlussberufung fristgemäß eingelegt worden, § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO.
Der Zahlungsanspruch der Klägerin ist in vollem Umfang begründet. Anspruchsgrundlage für die Erstattung der Abmahnkosten ist § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG. Danach kann der Abmahnende Ersatz seiner erforderlichen Aufwendungen für eine berechtigte Abmahnung verlangen.
Die Beklagte hat im Rahmen einer Wettbewerbshandlung mit den Warnhinweisen und aufzurufenden Berichten gegen §§ 3, 4 Nr. 7 UWG 2004 verstoßen. Diesen Wettbewerbsverstoß stellt die Beklagte, die eine Abschlusserklärung abgegeben hat, auch nicht mehr in Frage, so dass an der Berechtigung der Abmahnung kein Zweifel besteht.
Die Klägerin hat auch die Höhe ihrer Abmahnkosten zutreffend berechnet. Das Landgericht hat die Abmahnkosten zu Unrecht gekürzt, indem es den Streitwert für die abgemahnte Unterlassung auf 100.000,00 € herabgesetzt hat. Dem Landgericht ist zwar zuzugeben, dass 150.000,00 € als Streitwert die Wertfestsetzungen durchschnittlicher Wettbewerbsstreitigkeiten übersteigt. In dem sich an die Abmahnung anschließenden Verfügungsverfahren hat das Landgericht Berlin den Streitwert aber unangefochten auf 100.000,00 € festgesetzt (vgl. Anlage K4 zur Klageschrift Bl. 31 d.A.). Es ist nichts dafür ersichtlich, dass es dabei den Abzug für die bloße Vorläufigkeit der Regelung nicht berücksichtigt hätte. Diese Vorläufigkeit ist nach ständiger Rechtsprechung des Senates mit 2/3 der Hauptsache anzusetzen, die dann konsequenterweise mit 150.000,00 € wertmäßig zu bemessen ist. Da die Abmahnung auf eine endgültig Beilegung des Wettbewerbsstreites gerichtet ist, muss auch von diesem Wert der Hauptsache als Gegenstandswert der Abmahnung ausgegangen werden.
Ausgehend von diesem Ausgangswert hat die Klägerin die Abmahnkosten zutreffend berechnet, indem sie 0,65 Verfahrensgebühr aus dem auf 100.000,00 € verminderten Verfügungsstreitwert angerechnet hat, was einen Endbetrag von 1.200,40 € als erstattungsfähige Abmahnkosten ergibt.
Zu Recht hat das Landgericht die Aufrechnung der Beklagten gegenüber diesem Kostenerstattungsanspruch nicht durchgreifen lassen. Dagegen wendet sich die Beklagte zu Unrecht mit ihrer Anschlussberufung. Das Landgericht hat nämlich nicht nur auf den formalen Gesichtspunkt des anschließenden Mahnverfahrens abgestellt, sondern auch in der Sache festgestellt, dass die Schadensersatzforderung wegen Nichtlieferung nicht jeder Grundlage entbehrt. Die Beklagte trägt nicht vor, weshalb es sich um eine erkennbar unberechtigte Schadensersatzforderung handelte. Wie sich aus dem Schreiben der Beklagten vom 10.01.2008 (vgl. Fotokopie Bl. 212 f. d.A.) ergibt, räumt die Beklagte die Nichtlieferungen als solche ein. Wenn die Rechtsvorgängerin der Klägerin diesen Lieferstopp als unberechtigt ansah und deshalb gegenüber der Beklagten Schadensersatz geltend machte, verteidigte die Rechtsvorgängerin der Klägerin lediglich eine vertragliche Position, was nicht von vornherein als abwegig angesehen werden kann.
Die Berufung der Klägerin ist auch insoweit erfolgreich, als sie die Kosten für ihr Abschlussschreiben erstattet verlangt. Das Landgericht rügt insoweit zu Unrecht, dass die Klägerin ihr Abschlussschreiben zu früh abgeschickt habe. Die vom Landgericht insoweit angenommene Monatsfrist stellt in diesem Zusammenhang eine zu pauschale Betrachtungsweise dar. Damit wird dem Gläubiger ein zu langes Abwarten abverlangt. Demgemäß wird allgemein auch eine Frist von 2 Wochen als angemessen angesehen (Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, Kap. 43 Rdziff. 31; Bernecke, Die einstweilige Verfügung in Wettbewerbssachen, Rdziff. 404; Ahrens, Der Wettbewerbsprozess, Kap. 58, Rdziff. 52 jeweils m.w.N.). Es ist nichts dafür ersichtlich angesichts des vollständigen Schweigens der Beklagten auf die Abmahnung, dass die Klägerin der Beklagten hier noch länger Zeit geben musste, um die Abschlusserklärung von sich aus abgeben zu können.
Die Berechnung der Klägerin als solche wird nicht angegriffen. Auch hier kann man, wie bei der Abmahnung, von einem Streitwert von 150.000,00 € ausgehen.
Damit ergibt sich folgende Berechnung:
Abmahnkosten 1.200,40 €
Kosten des Abschlussschreibens 2.080,50 €
Kostenerstattungsanspruch insgesamt: 3.280,90 €
Das Landgericht hat auch zu Unrecht es abgelehnt, einen Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagte wegen des Warnhinweises dem Grunde nach festzustellen. Für die Begründetheit des Feststellungsanspruches reicht zwar die bloß theoretische Möglichkeit eines Schadenseintritts nicht aus. Es muss vielmehr eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür sprechen, dass tatsächlich ein Schaden eingetreten ist. An diese Schadenswahrscheinlichkeit werden bei feststehenden Wettbewerbsverstößen grundsätzlich aber keine hohen Ansprüche gestellt (Piper/Ohly, UWG 4. Aufl., § 12 Rdziff. 79; Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG 27. Aufl., § 12 Rdziff. 255; Ahrens/Löwenheim, Der Wettbewerbsprozess 6. Aufl., Kap. 71 Rdziff. 8 jeweils m.w.N.). Es genügt insbesondere auch, wenn nach der Lebenserfahrung der Eintritt des Schadens zumindest denkbar und möglich oder jedenfalls in der Zukunkft mit einiger Sicherheit zu erwarten ist.
Diese Voraussetzungen für die Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten liegen hier vor.
Der beanstandete Warnhinweis der Beklagten stellt einen Wettbewerbsverstoß dar, der die Beklagte grundsätzlich schadensersatzspflichtig macht. Zwar hat die Beklagte durch ihre Abschlusserklärung die Wettbewerbswidrigkeit des beanstandeten Warnhinweises noch nicht anerkannt. Denn ein bloßer Unterlassungstitel entfaltet keine Rechtskraft gegenüber dem Schadensersatzanspruch, um den es hier geht (Teplitzky, a.a.O. Kap. 30, Rdziff. 2, Kap. 43, Rdziff. 11; Harte-Bavendamm/ Henning-Bodewig, UWG, 2. Aufl., § 12 Rdziff. 50). Das Landgericht Berlin hat in seinem Urteil vom 16.05.2008 im vorangegangenen einstweiligen Verfügungsverfahren die Prangerwirkung des "Warnhinweises" aber schon zu Recht hervorgehoben, die sich ein Wettbewerber nach § 4 Ziff. 7 UWG nicht gefallen lassen muss (vgl. Fotokopie dieses Urteils vom 16.05.2008 - Az.: 103 O 35/08 LG Berlin als Anlage K7 zur Klageschrift, Bl. 79 f. d.A. sowie Piper/Ohly, a.a.O., § 4.7 Rdziff. 7/18 m.w.N.).
Das für die Schadensersatzverpflichtung für Wettbewerbsverstöße nach § 9 UWG erforderliche Verschulden liegt hier ebenfalls vor. Soweit sich die Beklagte für berechtigt hielt, den Warnhinweis zu geben, liegt lediglich ein vermeidbarer Verbotsirrtum vor, der den Fahrlässigkeitsvorwurf unberührt lässt.
Die für die Feststellung der Schadensersatzpflicht oben skizzierte Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts liegt hier ebenfalls vor. Soweit das Landgericht dies verneint hat, weil die Klägerin keine Matratzen der Beklagten mehr anbietet und ihr folglich insoweit durch den Warnhinweis kein Geschäft entgangen sein kann, greift diese Sichtweise zu kurz. Denn der beanstandete Warnhinweis lässt die Klägerin allgemein in schlechtem Licht erscheinen, zumindest was deren Lieferfähigkeit angeht. Der Kunde argwöhnt aufgrund des Hinweises, dass es bei der Klägerin auch anderweitig Lieferschwierigkeiten gibt und er deshalb sicherheitshalber den Verkäufer wechselt. Insbesondere im Bereich des Internethandels kommt es auf die Zuverlässigkeit und Liefermöglichkeit der angebotenen Produkte entscheidend an. Wer sich bei der Beklagten als bekannter Herstellerin von Matratzen und zugehörigen Produkten informieren wollte, bekam die negativen Informationen über die Klägerin als Onlinehändlerin nahezu zwangsläufig mit. Es ist naheliegend, dass er die Klägerin dann als Lieferantin aussparte. Ein solcher Ablauf ergibt sich bereits aus der Lebenserfahrung. Dafür, dass die Beklagte tatsächlich auch mit solchen Aufrufen ihrer Internetseite durch potentielle Kunden der Klägerin gerechnet hat, spricht schon, dass sie den Warnhinweis gut erkennbar auf ihre Internetseite gesetzt hat. Wenn dort mit keinen Interessenten an einer Belieferung durch die Klägerin zu rechnen gewesen wäre, wäre der Hinweis ebenso überflüssig gewesen wie die Einstellung der Berichte. Es kommt hinzu, dass die Klägerin auch tatsächliche Umsatzeinbußen in der Zeit der Abrufbarkeit der Warnhinweise vorgetragen hat, was mindestens für den Vortrag für die Darlegung der bloßen Schadenswahrscheinlichkeit ausreicht.
Der Nachweis der Ursächlichkeit der schadensträchtigen Verletzungshandlungen braucht im Rahmen der Feststellungsklage nicht geführt zu werden. Auf die Höhe des wahrscheinlichen Schadens kommt es erst recht nicht an. Es reicht vielmehr aus, wenn es überhaupt zu einem Schaden kommen kann oder wie hier höchstwahrscheinlich schon gekommen ist. Im Übrigen kann das Verbreiten solcher Äußerungen mit geschäftsschädigender Wirkung auch ganz allgemein dazu führen, dass die Klägerin von den Kunden als unsicherer Lieferant eingestuft wird und deshalb auch in Bezug auf die Bestellung anderer Matratzen gemieden wird. Das kann zu einer bestimmten Rufschädigung mit einer Marktverwirrung und damit zu einem Schaden führen, der sich teilweise auch erst in der Zukunft auswirkt.
Die Klägerin kann nach § 242 BGB zum Nachweis und zur Bezifferung eines solchen Schadens auch Auskunft über Art und Umfang der Verletzungshandlungen in der begehrten Form verlangen. Der Anspruch, der sich aus dem durch den Wettbewerbsverstoß entstandenen Schuldverhältnis ergibt, setzt voraus, dass der Verletzte in entschuldbarer Weise über den Umfang seiner Verletzung im Unklaren ist, während der Verletzer unschwer Aufklärung geben kann (BGH GRUR 1987, 647 - Briefentwürfe). Die verlangte Auskunft muss im Regelfall auch geeignet sein, den Schaden berechenbar zu machen. Maßgeblich für Inhalt und Umfang des Auskunftsanspruches ist dabei eine Interessenabwägung zwischen dem, was für den Kläger zum Schadensnachweis erforderlich ist, und dem, was für den Beklagten zumutbar ist (BGH GRUR 1981, 535 - Wirtschaftsprüfervorbehalt; BGH GRUR 2001, 841 - Entfernung der Herstellungsnummer II; Ahrens/Loewenheim a.a.O., Kap. 72 Rdziff. 4).
Diese notwendige Interessenabwägung ergibt, dass der Klägerin die geltend gemachten Auskunftsansprüche zustehen.
Die Klägerin ist über den Umfang und das Ausmaß der Verletzungshandlung im Unklaren, weil sie nicht weiß und auch nicht wissen kann, wie oft die Seite mit dem Warnhinweis und die Datei mit dem belastenden Schreiben jeweils aufgerufen worden sind. Damit weiß sie auch nicht, wie viele Kunden oder potentielle Kunden von den schädigenden Äußerungen Kenntnis genommen haben. Sie weiß darüber hinaus auch nicht, wie viele Kunden, die die Seite der Beklagten besucht haben, auch noch den weiteren Klick auf die verlinkten Schreiben gemacht haben.
Die Beklagte kann dagegen die Zahl der Aufrufe, die sie als Großunternehmen im Zweifel immer festhält, unschwer mitteilen. Sie hat jedenfalls nichts Gegenteiliges vorgetragen.
Der Wert der begehrten Auskunft mag für die Klägerin im Hinblick auf die Bezifferkeit ihres Schadens auch relativ gering sein. Denn unmittelbare Rückschlüsse lassen sich von der Anzahl der Abrufe auf die Höhe des entgangenen Gewinns sicher nicht ziehen. Deshalb kann man der Klägerin eine begehrte Auskunft aber nicht verweigern. Sonst übersieht man, dass es für die Klägerin ohnehin schwierig werden dürfte, ihren Schaden zu belegen. Dann darf man ihr aber nicht die Auskunft über solche Umstände verweigern, die wenigstens einen geringen Anhalt bei der Schadensschätzung geben. Welches Echo der Warnhinweis gefunden hat, ist aber zumindest ein gewisser Gradmesser für die Auswirkungen des Warnhinweises. Allein der Umstand, dass die Beklagte den Warnhinweis überhaupt ins Netz gestellt hat, besagt für den Schaden der Klägerin noch nichts. Erst durch die Aufrufe konnte er seine Prangerwirkung entfalten. Es ist auch nicht ersichtlich, welche Geschäftsgeheimnisse die Beklagte durch die begehrte Auskunft offenbaren müsste. Über ihren Umsätze oder gar ihren Gewinn besagt die Anzahl der Seitenaufrufe unmittelbar ebenfalls genausowenig wie für den Schadensersatzanspruch der Klägerin. Dass die Anzahl der Aufrufe etwas über die geschäftliche Bedeutung der Beklagten sagt, kann nicht als schützenswertes Geschäftsgeheimnis angesehen werden. Denn die Beklagte gibt von sich aus preis, dass sie einer der führenden Matratzenhersteller Europas ist.
Die Auskunftspflicht erstreckt sich zwar nur auf die Verletzungshandlungen als solche, nicht auf ein weiteres verletzendes Verhalten des Schädigers. Solche weitergehende Auskunft verlangt die Klägerin hier aber auch nicht. Denn sie will nur wissen, wie oft die Seiten mit den Warnhinweisen und den Berichten aufgerufen wurden. Das ist im Grunde nichts anderes als die Höhe der Auflage einer vergleichbaren Werbebroschüre mit wettbewerbswidrigem Inhalt. Die Anzahl der Aufrufe offenbart, in welchem Ausmaß die Verletzungshandlung die wettbewerbliche Position der Klägerin berührt hat. Dies stellt den Ausgangspunkt für jede Schadensschätzung durch die Klägerin dar, die ja nur ihren konkreten Schaden geltend macht. Die Klägerin würde im Hinblick auf ihren Schadensersatzanspruch praktisch rechtlos gestellt, wenn die Beklagte der Klägerin nicht einmal diesen Ausgangspunkt für eine Schadensschätzung liefern müsste.
Der Auskunftsanspruch ist auch noch nicht erfüllt. Die Beklagte hat bislang nur die Auskunft erteilt, dass sie die Schreiben nicht an ihre Onlinehändler versandt hat. Darauf bezieht sich der geltend gemachte Auskunftsanspruch aber nicht.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision, die sich aus § 543 Abs. 2 ZPO ergeben, liegen hier nicht vor. Grundsätzliche Fragen zum Feststellungsanspruch einer Schadensersatzpflicht und zum Umfang der Auskunftspflicht zur Bezifferung eines solchen Schadens stellen sich hier nicht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Ziff. 10,
711 ZPO.
OLG Hamm:
Urteil v. 10.11.2009
Az: 4 U 123/09
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/7ae5eb61d876/OLG-Hamm_Urteil_vom_10-November-2009_Az_4-U-123-09