Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 26. Januar 2006
Aktenzeichen: 16 U 12/05

(OLG Frankfurt am Main: Urteil v. 26.01.2006, Az.: 16 U 12/05)

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten zu 3 wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 15.11.2004 - 2-18 O 109/04 - abgeändert und die gegen sie gerichtete Klage abgewiesen.

Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits auch insoweit zu tragen, als sie nicht schon aufgrund des mit den Beklagten zu 1,2,4 und 5 geschlossenen Prozeßvergleichs vom 3.11.2005 dazu verpflichtet ist.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten zu 3 durch Sicherheitsleistung in Höhe von 95.000 € abwenden, wenn nicht die Beklagte zu 3 vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

I.

Die Klägerin, Betreiberin des Rhein-Main-Flughafens Frankfurt am Main, erstrebt das Verbot der Weitergabe - angeblich - vertraulicher Informationen aus ihren Geschäftsunterlagen durch die Beklagten. Vier der Beklagten sind juristische Personen, von denen drei die sog. "W.-Gruppe", bestehend aus einer Steuerberatungs - AG, einer Rechtsanwalts-GmbH und einer Beratungsgesellschaft, bilden. Die vierte Gesellschaft befasst sich mit Vermögensverwaltungen und ist Kleinaktionärin der Klägerin. Alle Unternehmen stehen unter der Leitung von Angehörigen der Familie W.; der Beklagte zu 1) G. W. fungiert als Vorstand der Steuerberatungs-AG (Beklagten zu 2). Die Unternehmen der "W.-Gruppe" unterhalten eine Internethomepage (www.ag...de) . auf der sie u.a. umfangreiche Veröffentlichungen über das gescheiterte "Manila-Geschäft" der Klägerin eingestellt haben und die zT bereits Gegenstand anderer Rechtsstreite vor dem Senat gewesen sind (16 U 198/04; 16 U 201/04; 16 W 34/04; 16 U 76/05). Die Klägerin hatte 1999 umfangreiche Beteiligungen an dem philippinischen Unternehmen P. erworben, das sich mit der Errichtung und dem Betrieb eines neuen Terminals auf dem Flughafen Manila befasste; das Vorhaben scheiterte an der Nichtigerklärung der Konzessionsvereinbarung nach philippinischem Recht mit der Folge, daß das errichtete Terminal seit Jahren leersteht und die Klägerin erhebliche finanzielle Verluste (nach Darstellung der Beklagten bis zu 425 Mio. US-$) erlitten hat.

Die Beklagten haben es zu ihrem Anliegen gemacht, die näheren Umstände der Anbahnung des "Manila-Geschäfts" aufzudecken, nachdem der Beklagte zu 1) unter dem Briefkopf der Beklagten zu 2) der Klägerin mit Schreiben vom 24.4.2002 noch seine Vermittlungsdienste im Rahmen seiner "persönlichen Verbindungen zu diesen Kreisen in Manila" angeboten hatte; in diesem Schreiben hatte er ausgeführt, die "korrekten Deutschen" hätten sich wohl an "die Vereinbarungen mit den ,zuständigen' Vertragspartnern gehalten" und seien nun "überrascht, daß sich die Gegenseite nicht mehr daran gebunden fühlt". Nun vertreten die Beklagten die Ansicht, Vorstand und Aufsichtsrat der Klägerin hätten in Kenntnis erheblicher rechtlicher Risiken nach philippinischer Rechtslage und internationalen Abkommen bewußt rechtswidrig gehandelt und dies gegenüber Aktionären und Öffentlichkeit verschleiert. Die Beklagte zu 3 - die Kleinaktionärin der Klägerin - hat deshalb die durch die Hauptversammlung der Klägerin beschlossene Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat für das Geschäftsjahr 2002 gerichtlich angefochten (LG Frankfurt am Main 3-09 O 107103). In diesem Verfahren legte deren Prozeßbevollmächtigte (die Beklagte zu 4) als Anlage ihrem Schriftsatz vom 26.11.2003 eine Reihe von Unterlagen der Klägerin vor, die das - angeblich - rechtswidrige Verhalten der Organe der Klägerin belegen sollen und deren Weitergabe an Dritte die Klägerin im vorliegenden Verfahren untersagen lassen will. Der aus Sicht der Anfechtungsklägerin relevante Inhalt der Urkunden ist in diesem Schriftsatz auszugsweise zitiert oder sinngemäß wiedergegeben und rechtlich bewertet. An die Unterlagen war die Beklagte zu 3) nicht durch aktives Tun gelangt; sie waren ihr nach Darstellung der Beklagten anonym zugesandt worden. Die Klägerin vermutet insoweit eine "undichte Stelle" in ihrem Aufsichtsrat als Informationsquelle. Bei den durch die Beklagte zu 3) im Anfechtungsverfahren vorgelegten Unterlagen handelte es sich nicht um Originale, sondern um (z.T. auszugsweise) Kopien aus Protokollen von Aufsichtsratssitzungen mit Anmerkungen, Prüfberichte der KPMG zu mehreren Jahresabschlüssen, die Zusammenfassung des Rechtsgutachtens einer philippinischen Anwaltskanzlei in Bezug auf das "Manila-Geschäft", das Gutachten einer inländischen Rechtsanwaltskanzlei zum Verlauf des Projekts sowie aus einem vorläufigen "Due diligence-Report" von 1999. Der Schriftsatz vom 26.11.2003 ist anschließend auch - allerdings ohne die Anlagen - in die Homepage der "W.-Gruppe" eingestellt, anläßlich des erstinstanzlichen Verfahrens aber wieder herausgenommen worden.

Im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens hat die Klägerin beantragt,

I. die Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, vertrauliche Geschäftsunterlagen der Klägerin, insbesondere:

1. Protokoll über die Sitzung des Aufsichtsrates der Klägerin vom 2. März 1999;

2. Anmerkungen des Aufsichtsratsmitglieds Schmidt vom 7. März 1999;

3. Protokoll über die Sitzung des Aufsichtsrates der Klägerin vom 12. März 1999;

4. Protokoll über die Sitzung des Aufsichtsrates der Klägerin vom 2. April 2001;

5. Protokoll über die Sitzung des Aufsichtsrates der Klägerin vom 18. Juni 2003;

6. Prüfungsbericht der KPMG zum Jahresabschluß 1999;

7. Risk Assessment-Bericht der KPMG;

8. Prüfungsbericht der KPMG zum Jahresabschluß 2000;

9. Prüfungsbericht der KPMG zum Jahresabschluß 2001;

10. Zusammenfassung des Berichts der Kanzlei Q. T., Makati City, Philippinen, zur rechtliche Due Diligence der P. I. A. T. Co. Inc. ohne Datum;

11. Preliminary Due Diligence Report on P. I. A. T. Co. Inc. (P.) vom 11. Januar 1999;

12. Gutachten der Kanzlei H. H. zum Verlauf des Projekts NAIA IPT 3, Manila;

13. Protokolle anderer Aufsichtsratssitzungen der Klägerin

oder deren Inhalt ganz oder teilweise, im Original, in Kopie oder Abschrift einem Dritten wörtlich oder sinngemäß auf irgendeine Art und Weise zugänglich zu machen;

II. der Beklagten anzudrohen, daß für jede Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten festgesetzt wird, sowie

III. festzustellen, daß die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin sämtlichen Schäden zu ersetzen, die der Klägerin durch Überlassung oder Zugänglichmachen der in I. bezeichneten Unterlagen an einen Dritten durch die Beklagten entstehen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Landgericht hat der auf Untersagung der Zugänglichmachung der bezeichneten Unterlagen in irgendeiner Form gerichteten Klage teilweise stattgegeben und den auf Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten gerichteten Antrag abgewiesen.

Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, der Feststellungsantrag sei mangels Feststellungsinteresses unzulässig, weil die erforderliche hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadens nicht erkennbar sei. Auch der Untersagungsantrag sei (hinsichtlich Ziff. 13 des Klageantrages - "Protokolle anderer Aufsichtsratssitzungen") mangels Bestimmtheit unzulässig. Im übrigen jedoch sei die Klage (im Umfang der Nrn. 1 - 10 des Untersagungsantrages) zulässig und begründet (§§ 823 Abs. 1, 1004 BGB - Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin). Hinsichtlich der Nrn. 11 - 13 des Untersagungsantrages hätten die Beklagten Besitz und Kenntnis substantiiert bestritten. Bei den übrigen Unterlagen (1 - 10) handele es sich um Geschäftsgeheimnisse; der Geheimhaltungswille der Klägerin sei hinreichend dargelegt. Soweit die Beklagten auch insoweit Kenntnis von dem Inhalt der vollständigen Dokumente bestreiten, sei dies unsubstantiiert. Die Beklagten seien zu deren künftigen Verbreitung nicht befugt; die öffentliche Erörterung interner Vorgänge könne zwar erlaubt sein, wenn es um die Offenlegung von Mißständen gehe, die für die Allgemeinheit von besonderem Interesse sei. Die gebotene Abwägung zwischen der unternehmerischen Betätigungsfreiheit der Klägerin und "den Rechten der Aktionäre" müsse hier jedoch zugunsten der Interessen der Klägerin ausfallen, denn ohne Vertraulichkeitsschutz sei "der unternehmerische Entscheidungsfindungsprozeß massiv gestört". Da die Beklagten nicht gewillt seien, eine strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung abzugeben, sei zu befürchten, daß sie die Unterlagen Dritten zugänglich machen wollen. Die Unterlassungsverpflichtung treffe alle Beklagten, denn auch die jeweils eigenen Homepages der Beklagten zu 4) und 5) seien mit der Homepage der "W.-Gruppe" verlinkt; hinzu kämen die personellen und gesellschaftsrechtlichen Verflechtungen der Beklagten.

Gegen dieses Urteil haben alle Parteien Berufung eingelegt.

Die Klägerin wendet sich gegen die Abweisung ihres Feststellungsantrages, die sie für rechtsfehlerhaft hält, weil bereits die Möglichkeit eines Schadenseintritts ausreiche, der im übrigen wahrscheinlich sei.

Die Beklagten beanstanden Mängel der rechtlichen Bewertung und der Tatsachenfeststellung des angefochtenen Urteils; sie erstreben die Abweisung der Klage.

Sie halten die Klage bereits für unzulässig. Ob die Vorlage der der Beklagten zu 3) (in Kopie und nur auszugsweise) überlassenen Unterlagen im gerichtlichen Anfechtungsverfahren der Beklagten zu 3) rechtmäßig sei und sie als Aktionärin auch entsprechende Informationsrechte gegenüber Vorstand und Aufsichtsrat der Klägerin habe, werde bereits und ausschließlich in diesem Verfahren geprüft. Zudem sei der Tenor des Urteils zu weit gefaßt, nicht vollstreckungsfähig und damit unbestimmt.

Sie halten die Entscheidung zudem auch materiell-rechtlich für fehlerhaft. Insbesondere handele es sich beim Inhalt der gegenständlichen Unterlagen nicht um "Geschäftsgeheimnisse"; ein Großteil der betreffenden Informationen sei längst öffentlich bekannt und z.T. durch die Klägerin selbst bekannt gemacht worden; im übrigen seien rechtswidrige Verhaltsweisen aber auch nicht als Geschäftsgeheimnisse schutzwürdig. Die Verwaltung der Klägerin schulde ihren Aktionären sogar die Bekanntgabe aller relevanten Umstände. Im übrigen fehle es auch an der für einen Unterlassungsausspruch erforderlichen Wiederholungsgefahr; in Wahrheit liege nicht einmal eine Erstbegehungsgefahr vor, da die betreffenden Unterlagen (unstreitig) bislang außerhalb des Anfechtungsverfahrens nicht weitergegeben worden sind und die Beklagte zu 3 im vorangegangenen Eilverfahren vor dem Landgericht (2-18 O 47/04) in der mündlichen Verhandlung vom 18.3.2004 die Erklärung zu Protokoll gegeben habe, daß sie "nicht beabsichtige, die streitgegenständlichen Unterlagen unberechtigt und rechtswidrig Dritten zugänglich zu machen". Es fehle auch an der Wahrnehmung berechtigter Interessen der Klägerin. Die Argumentation des Landgerichts, die Unterlassungsverpflichtung träfe wegen der Internetverlinkung der Homepages und der "personalen Verflechtungen" alle Beklagten, sei rechtsfehlerhaft und begründete eine Art von (außerrechtlicher) Sippenhaft.

Die Beklagten haben in der Berufungsinstanz unwidersprochen unter Bezugnahme auf Medienberichte vorgetragen, die Klägerin habe ihre Beteiligung an der P. inzwischen an einen philippinischen Investor veräußert. Sie folgern daraus, daß ein Schaden aus der Weitergabe der hier gegenständlichen Dokumente also nunmehr jedenfalls nicht mehr entstehen könne, denn das betreffende Engagement der Klägerin sei damit abgewickelt.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 3.11.2005 haben die Parteien folgenden Vergleich geschlossen:

1. Die Beklagten erklären, es bei Meidung einer Vertragsstrafe für jeden Fall der Zuwiderhandlung in Höhe von 50.000,- € zu unterlassen, die gegenständlichen Äußerungen außerhalb eines gerichtlich oder behördlichen Verfahrens, an dem sie als Partei oder Parteivertreter der Beklagten beteiligt sind, Dritten zugänglich zu machen.

2. Die Klägerin nimmt diese Unterlassungserklärung an.

3. Die Kosten des Rechtsstreits übernimmt die Klägerin.

4. Beiden Parteien bleibt vorbehalten, diesen Vergleich durch schriftliche Anzeige an das Gericht bis zum 1. Dezember 2005 zu widerrufen.

Die Beklagte zu 3) hat mit Schriftsatz vom 30.11.2005, per Telefax bei dem Oberlandesgericht eingegangen am 1.12.2005, den Widerruf des Vergleichs "ausschließlich" für sich erklären lassen. Der Senat hat den für den Fall des Widerrufs auf den 8.12.2005 bestimmten Verkündungstermin daraufhin auf den 26.1.2006 verlegt, da der Klägerin in Anbetracht der veränderten prozessualen Situation nach Widerruf - nur - durch die Beklagte zu 3 erneut rechtliches Gehör zu gewähren war. Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 20.1.2006 mitgeteilt, daß sie von der Bestandskraft des zwischen ihr und den Beklagten zu 1, 2, 4 und 5 zustande gekommenen Vergleichs ausgehe.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils festzustellen, daß die Beklagte zu 3 verpflichtet ist, der Klägerin sämtlichen Schäden zu ersetzen, die der Klägerin durch Überlassung oder Zugänglichmachen der in I. bezeichneten Unterlagen an einen Dritten durch sie entstehen,

sowie,

die Berufung der Beklagten zu 3) zurückzuweisen.

Die Beklagte zu 3) beantragt,

die gegen sie gerichtete Klage unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils abzuweisen und die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils sowie auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Nachdem das Prozeßrechtsverhältnis zwischen der Klägerin und den Beklagten zu 1, 2, 4 und 5 durch Prozeßvergleich vom 3.11.2005 beendet worden ist, hat der Senat noch über die im Verhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 3) eingelegten Berufungen zu entscheiden.

Beide Berufungen sind zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die Berufung der Beklagten zu 3 ist auch begründet; die Berufung der Klägerin ist hingegen unbegründet.

A.

Der Widerruf des Prozeßvergleichs nur durch die Beklagte zu 3 wirkt nur für das Prozeßrechtsverhältnis zwischen ihr und der Klägerin. Die Beklagten sind einfache Streitgenossen i.S.d. § 61 ZPO mit der Folge, daß die Handlungen einer der Beklagten den übrigen "weder zum Vorteil noch zu Nachteil gereichen".

Allerdings lag es nahe, daß die Parteien die in dem Prozeßvergleich vereinbarte Regelung so nur als Gesamtregelung, die alle Prozeßparteien einschließt und bindet, gewollt und verstanden haben könnten mit der Folge, daß der Widerruf nur einer von fünf Beklagten eine als feststehend vorausgesetzte Vergleichsgrundlage erschüttert hätte. Der Senat hielt es deshalb für geboten, der Klägerin insoweit nochmals rechtliches Gehör zu gewähren. Da sie jedoch ausdrücklich selbst von der Rechtsbeständigkeit des Vergleichs im übrigen ausgeht und dies sogar argumentativ untermauert, ergibt sich daraus eine übereinstimmende Auslegung des Vergleichs durch beide Parteien dahingehend, daß der Vergleich nicht als Regelung zu verstehen ist, die notwendig alle Prozeßparteien einschließen muß. Da der Senat sich dem übereinstimmenden Verständnis durch beide Parteien nicht entgegenstellen will, ist der Prozeßvergleich vom 3.11.2005 mithin im Verhältnis zwischen der Klägerin und den Beklagten zu 1, 2, 4 und 5 rechtsbeständig und bindend; der Rechtsstreit ist insoweit durch Vergleichsschluß beendet.

B.

Das Landgericht hat den Feststellungsantrag der Klägerin im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

1. Zwar fehlt es nicht am Feststellungsinteresse der Klägerin; für das Vorliegen des Feststellungsinteresses reicht bereits die Möglichkeit eines Schadenseintritts aus, die nur verneint werden darf, wenn aus der Sicht des Klägers bei verständiger Würdigung kein Grund besteht, mit dem Eintritt eines Schadens wenigstens zu rechnen (BGH - 16.1.2001 - VI ZR 381/99 = NJW 2001, 1431; 23.4.1991 - X ZR 77/89 = NJW 1991, 2707).

2. Ungeachtet der Beurteilung der für das Feststellungsbegehren an sich vorgreiflichen Frage, ob der Klägerin überhaupt ein Unterlassungsanspruch zusteht (s.u. C.), fehlt es aber jedenfalls inzwischen an der für die Begründetheit des Feststellungsantrages mindestens erforderlichen Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts.

a) Zwar wird die Frage, welcher Grad von Wahrscheinlichkeit im Rahmen der Begründetheit des Feststellungsantrages zu verlangen ist, in der Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet Der 6. Zivilsenat des BGH hat in seiner Entscheidung vom 15.7.1997 (VI ZR 184/96 = NJW 1998, 160) formuliert, der Erlaß eines Feststellungsurteils setze "lediglich" - aber immerhin "voraus, daß aus dem festzustellenden Rechtsverhältnis mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit Ansprüche entstanden sind oder entstehen können". Hieran hat er für den Fall, daß Gegenstand der Feststellungsklage ein befürchteter Folgeschaden aus der Verletzung eines deliktsrechtlich geschützten absoluten Rechtsguts ist, später wieder "Zweifel" geäußert (16.1.2001 - VI ZR 381/99 = NJW 2001, 1431).

b) Die auch in der Rechtsprechung des Senats bislang offengelassene Frage, wie wahrscheinlich ein etwa drohender späterer Schadenseintrilt sein muß, um einen Feststellungsausspruch zu rechtfertigen, bedarf auch hier keiner Entscheidung.

Die Klägerin hat insoweit im wesentlichen argumentiert, den Beklagten sei erkennbar daran gelegen, vertrauliche Unterlagen insbesondere über absehbare und ihr bekannte rechtliche Risiken beteiligten Stellen, anderen Kleinaktionären oder sogar der Öffentlichkeit bekannt zu geben; das könnte u.a. nachteiligen Einfluß auf ihre laufenden Bemühungen - u.a. in einem weiteren Wiederaufnahmeverfahren vor dem zuständigen philippinischen Obergericht - haben, entweder doch noch zur Erteilung der Betriebsgenehmigung des neuen Flughafenterminals zu gelangen oder in einem anderen Rechtsstreit Schadensersatz für ihre fehlgeschlagenen Aufwendungen zu erhalten.

Diese Argumentation erstaunt zwar schon deshalb, weil sie im Ergebnis nur dann stichhaltig sein kann, wenn die Klägerin zum einen das Bekanntwerden näherer Umstände ihres Engagements aus Rechtsgründen fürchten muß, weil sie ihre Klageziele dann nicht mehr erreichen könnte, und zum anderen auch beabsichtigt, solche Umstände in den betreffenden Verfahren oder Verhandlungen in offenem Widerspruch zu ihrer prozessualen Wahrheitspflicht nicht zu offenbaren. Es kommt hinzu, daß die Klägerin auch angesichts der vor kurzem erfolgten Veräußerung ihrer Anteile nicht dargelegt hat, inwiefern ihr mit Bekanntwerden bisher noch nicht allgemein bekannter und in den Medien breit erörterter "kritischer" Inhalte der gegenständlichen Dokumente bzw. der "kritischen" Inhalte noch irgendein (weiterer) Schaden drohen könnte; jedenfalls ihr früheres Bemühen, doch noch eine Betriebsgenehmigung für das Flughafenterminal zu erwirken, dürfte mit der Veräußerung ihrer Anteile gegenstandslos geworden sein.

c) Letztlich kommt es auf all dies aber nicht einmal entscheidend an, weil der Klägerin schon der - für die Feststellung einer Schadensersatzpflicht der Beklagten ja vorgreifliche - Unterlassungsanspruch nicht zusteht (hierzu nachfolgend C.).

C.

Die Berufung der Beklagten zu 3 ist begründet. Der Klägerin steht ein Unterlassungsanspruch wegen drohender Weitergabe vertraulicher Geschäftsunterlagen durch die Beklagten an Dritte (§§ 823 Abs. 1, 826, 1004 BGB) nicht zu; der Senat vermag sich der durch das Landgericht zugunsten der Klägerin vorgenommenen Abwägung zwischen ihrer unternehmerischen Betätigungsfreiheit und den "Rechten der Aktionäre" weder im Ansatz noch im Ergebnis anzuschließen.

1. Insoweit zu Recht hat das Landgericht den Unterlassungsantrag allerdings nicht schon deshalb abgewiesen, weil die "Erst begehung" des Zugänglichmachens von Inhalten der betreffenden Urkunden noch nicht erfolgt sei und die Erstbegehungsgefahr durch die im Eilverfahren zu Protokoll gegebene Erklärung der Beklagten, sie beabsichtige nicht, "die streitgegenständlichen Unterlagen unberechtigt und rechtswidrig Dritten zugänglich zu machen", bereits ausgeräumt sei.

a) Ein auf Erstbegehungsgefahr gestützter vorbeugender Unterlassungsanspruch besteht nur, soweit ernsthafte und greifbare tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, der Antragsgegner werde sich in naher Zukunft erstmals in der näher bezeichneten Weise rechtswidrig verhalten. An die Beseitigung der Erstbegehungsgefahr sind allerdings grundsätzlich weniger strenge Anforderungen zu stellen als an den Fortfall der durch eine Verletzungshandlung begründeten Gefahr der Wiederholung des Verhaltens in der Zukunft; eine durch Berühmung geschaffene Erstbegehungsgefahr und mit ihr der Unterlassungsanspruch entfallen grundsätzlich mit der Aufgabe der Berühmung, die jedenfalls in der uneingeschränkten und eindeutigen Erklärung liegt, daß die beanstandete Handlung in der Zukunft nicht vorgenommen werde (BGH -31.5.2001 - I ZR 106/99 = WRP 2001 , 1076).

b) Die Beklagten haben die betreffenden Unterlagen - die Anlagen zum Schriftsatz vom 26.11 .2003 in dem gerichtlichen Anfechtungsverfahren - außerhalb dieses Verfahrens Dritten bislang nicht zugänglich gemacht Soweit die Beklagte zu 3) als Aktionärin der Klägerin, vertreten durch die Beklagte zu 4) als Prozeßbevollmächtigte, sie in dem von ihr betriebenen Anfechtungsprozeß dem Landgericht und der Klägerin als Anlage zu einem Schriftsatz vorgelegt hat, liegt darin keine Erstbegehung einer unbefugten Weitergabe an Dritte. Niemand kann gehindert werden, den zuständigen Behörden Sachverhalte anzuzeigen oder gerichtliche Klage zu erheben und die angezeigten oder zur Klagebegründung vorgetragenen Sachverhalte einer rechtlichen Überprüfung zugänglich zu machen. Zu der wirksamen Verteidigung seiner Rechte gehört das Recht, in einem gerichtlichen Verfahren die Rechtmäßigkeit bestimmter Verhaltensweisen klären zu lassen; anderenfalls wäre das Recht auf rechtliches Gehör (Art. 103 GG) beschränkt (BGH a.a.O.). Zu Recht weisen die Beklagten auch darauf hin, daß die Vorlage der betreffenden Unterlagen im Anfechtungsprozeß keine Gefahr unbefugter Kenntnisnahme durch Dritte eröffnet, weil etwaige Akteneinsichtsgesuche den Beschränkungen des § 299 Abs.3 ZPO unterliegen.

c) Allerdings kann unter Umständen eine Berühmung, aus der die unmittelbar oder in naher Zukunft ernsthaft drohende Gefahr einer Begehung abzuleiten ist, auch in Erklärungen zu sehen sein, die im Rahmen der Rechtsverteidigung in einem gerichtlichen Verfahren abgegeben werden (BGH - 31.5.2001 - I ZR 106/99 = NJW-RR 2001, 1483; 15.10.1998 - I ZR 120/96 = WRP 1999, 211). Eine Rechtsverteidigung kann dann eine Erstbegehungsgefahr begründen, wenn nicht nur der eigene Rechtsstandpunkt vertreten wird, um sich die bloße Möglichkeit eines entsprechenden Verhaltens für die Zukunft offenzuhalten, sondern den Erklärungen bei Würdigung der Einzelumstände des Falles auch die Bereitschaft zu entnehmen ist, sich unmittelbar oder in naher Zukunft in dieser Weise zu verhalten (BGH NJW-RR 2001, 1483).

So liegen die Dinge hier nicht. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, daß die im Besitze der betreffenden Unterlagen befindliche Beklagte zu 3) als Klägerin des Anfechtungsverfahrens (oder der Beklagte zu 4) als ihr Prozeßbevollmächtigter) in dem betreffenden Verfahren konkret zum Ausdruck gebracht hätten, sie beabsichtigten - unabhängig vom Ausgang des Rechtsstreits - die Weitergabe oder Veröffentlichung der Unterlagen.

d) Jedoch war der Begründungsschriftsatz vom 26.11.2003 - wenn auch ohne Anlagen - vorübergehend in die Homepage der "W.-Gruppe" eingestellt und damit jedermann über Internet frei zugänglich. Der Schriftsatz enthielt die konkrete Bezeichnung der im Gerichtsverfahren als Beweismittel vorgelegten Dokumente, teils sinngemäße Wiedergaben, teils offenbar wörtliche Zitate aus dem Inhalt der Bezugsdokumente sowie die jeweils schlußfolgernde Bewertung der durch sie nach Auffassung der Beklagten zu 3) belegten Vorwürfe. Im Sinne der weiten Fassung des Klageantrages und des ihm folgenden Tenors der angefochtenen Entscheidung ("oder deren Inhalt ganz oder teilweise, im Original, in Kopie oder Abschrift einem Dritten wörtlich oder sinngemäß auf irgendeine Art und Weise bekannt zu machen") ist damit bereits jedenfalls eine sinngemäße Bekanntmachung eines Teils der betreffenden Inhalte und damit die Erstbegehung verbunden gewesen.

e) Im übrigen war die im Eilverfahren zu Protokoll des Landgerichts gegebene Erklärung der Beklagten, sie beabsichtigten nicht, "die streitgegenständlichen Unterlagen unberechtigt und rechtswidrig Dritten zugänglich zu machen", nicht geeignet, auch nur eine Erstbegehungsgefahr, erst recht nicht Wiederholungsgefahr auszuschließen. Eine eindeutige Aufgabe der Berühmung lag darin nicht, denn in dieser ersichtlich mit Bedacht gewählten Formulierung kam gerade nicht zum Ausdruck, die Beklagten würden die beanstandete Handlung - uneingeschränkt und eindeutig - in der Zukunft nicht (mehr) vornehmen; die Beklagten hielten sich die Möglichkeit des "Zugänglichmachens" im Gegenteil ausdrücklich weiterhin offen, und zwar ohne sie von dem Ausgang der gerichtlichen Auseinandersetzung und der rechtlichen Beurteilung des Gerichts abhängig zu machen.

2. Anders als nach der Auffassung des Landgerichts wäre die von der Klägerin befürchtete (erneute) Weitergabe nach ihrer Einstufung vertraulicher Dokumentinhalte nicht rechtswidrig mit der Folge, daß ihr kein Unterlassungsanspruch zusteht.

Das Landgericht hat den nach Auffassung des Senats entscheidenden rechtlichen Gesichtspunkt - nämlich die Frage, ob die öffentliche Erörterung "interner Mißstände, die für die Allgemeinheit von besonderem Interesse" wären - zwar kurz angesprochen (S. 12 des Urteils), die unternehmerische Betätigungsfreiheit der Klägerin jedoch - mit zudem formelhafter Begründung - nur gegenüber den "Rechten der Aktionäre" abgewogen und bewertet, obwohl es im Zusammenhang mit der Erörterung aktienrechtlicher Vorschriften zuvor ausgeführt hat, es gehe im vorliegenden Rechtsstreit "nicht um das Verhältnis zwischen der Verwaltung und den Aktionären der Klägerin" (S.11). In Wahrheit steht das Bekanntwerden der Klägerin nachteiliger Inhalte aus ihren Geschäftsdokumenten in der Allgemeinheit in Rede; die gebotene Güter- und Interessenabwägung hat sich also auf das etwaige Informationsinteresse der Öffentlichkeit an der Aufdeckung etwaiger wesentlicher Mißstände in der Führung des Unternehmens der Klägerin zu beziehen.

a) Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ist durch die Rechtsprechung in lückenausfüllender Ergänzung des § 823 Abs. 1 BGB zu einem "offenen Tatbestand" entwickelt worden. Der darin dem Unternehmen gewährte Interessenschutz wird - anders als für die in § 823 Abs. 1 BGB genannten absoluten Rechte und Rechtsgüter - nicht durch den abgeschlossenen Geltungsbereich eines Schutzguts verkörpert. Seinen Umfang muß der Richter vielmehr von Fall zu Fall aufgrund der jeweils betroffenen Spannungslage ermitteln, in der die Interessen des Unternehmens in Konflikt mit den Interessen anderer stehen (BGH - 20.1.1981 - VI ZR 162/79 = BGHZ 80, 25 = NJW 1981 ,1065).

(1) Bei der gebotenen Konkretisierung unter dem Gesichtspunkt des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ist die Bedeutung der Grundrechte - die grundrechtliche Verbürgung der Meinungs- und ggf. Pressefreiheit bzw. das grundrechtlich neben Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG durch Art. 14 GG verbürgte Recht auf Schutz vertraulicher Unternehmensdaten - zu berücksichtigen.

Die Abwägung steht vor allem unter dem Einfluß der Wertentscheidung, die das Grundgesetz mit der Gewährleistung der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) auch. für das Zivilrecht verbindlich getroffen hat; das Rechtswidrigkeitsurteil in § 823 Abs. 1 BGB wie das Sittenwidrigkeitsurteil in § 826 BGB sind an dieser Gewährleistung zu messen (BGH a.a.O.).

(2) Dem Grundrecht der Meinungsfreiheit kommt um so größeres Gewicht zu, je mehr es sich nicht um eine unmittelbar gegen ein privates Rechtsgut gerichtete Äußerung im privaten, namentlich im wirtschaftlichen Verkehr und in Verfolgung eigennütziger Ziele, sondern um einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage handelt (BVerfG - 25.1.1984 - 1 BvR 272/81 = BVerfGE 66, 116 = NJW 1984, 1741).

(3) Auf der anderen Seite ist aber auch das Mittel von wesentlicher Bedeutung, durch welches ein solcher Zweck verfolgt wird. Selbst die Veröffentlichung einer durch Täuschung widerrechtlich beschafften und zu einem Angriff gegen den Getäuschten verwendeten Information - nicht etwa nur die Verbreitung einer wertenden Äußerung - muß nicht stets unterbleiben; sie kommt ausnahmsweise dann in Betracht, wenn die Bedeutung der Information für die Unterrichtung der Öffentlichkeit und für die öffentliche Meinungsbildung eindeutig die Nachteile überwiegt, welche der Rechtsbruch für den Betroffenen und die tatsächliche Gestaltung der Rechtsordnung nach sich ziehen muß. Das ist nach der zitierten Entscheidung des BVerfG (a.a.O.) dann nicht der Fall, wenn widerrechtlich beschaffte und verwertete Informationen Zustände oder Verhaltensweisen offenbaren, die ihrerseits nicht rechtswidrig sind, denn dies deutet darauf hin, daß es sich nicht um Mißstände von erheblichem Gewicht handelt, an deren Aufdeckung ein überragendes öffentliches Interesse besteht.

b) Im Rahmen der somit gebotenen Güter- und Interessenabwägung streitet zugunsten der Beklagten ihr Grundrecht der Meinungsfreiheit, dem erhebliches Gewicht zukommt; sie haben sich die betreffenden Unterlagen und Informationen auch nicht widerrechtlich verschafft.

(1) Die Beklagten haben sowohl im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits als auch in anderen Rechtsstreitigkeiten mit der Klägerin sowie im Rahmen der Internetveröffentlichungen der "W.-Gruppe" gegenüber der Öffentlichkeit stets betont, Ziel ihres Handeins sei die Aufdeckung mißbräuchlicher und rechtswidriger Verhaltensweisen von Organen der Klägerin als Beitrag zum öffentlichen Meinungskampf. Dem entspricht ihr bisheriges Handeln ohne weiteres.

Die Klägerin folgert demgegenüber aus dem ursprünglichen, von ihr nicht beachteten Unterstützungsangebot des Beklagten zu 1) vom 24.4.2002 (BI. 24 f.), es gehe ihm und den faktisch weitgehend durch ihn beherrschten weiteren Beklagten nun in Wahrheit nur darum, für diese Zurückweisung Rache zu üben, ihr wirtschaftlichen Schaden zuzufügen.

Dafür bestehen indes keine zureichenden Anhaltspunkte:

Der Beklagte zu 1) hat sich mit seinem jetzigen, betont auf Aufdeckung von Mißständen unter Hinweis auf die - angebliche - Verantwortlichkeit von Vorstand und Aufsichtsrat der Klägerin gerichteten Verhalten und gleichgerichteten Aktivitäten der übrigen Beklagten durchaus nicht in Widerspruch zu seinem damaligen Unterstützungsangebot gesetzt. Nach dem Wortlaut seines Schreibens hatte er nicht inkorrektes Verhalten der Klägerin behauptet oder vermutet ("die korrekten Deutschen haben sich an die Vereinbarungen mit den ,zuständigen' Vertragspartnem gehalten und sind nun überrascht, daß sich die Gegenseite daran nicht mehr gebunden fühlt"); sein Unterstützungsangebot hatte sich vielmehr darauf bezogen, berechtigten Anspruchspositionen der Klägerin mittels seiner "persönlichen Kontakte" zu den bei Vertragsschluß noch handelnden, inzwischen ehemaligen Entscheidungsträgern auf den Philippinen zum Durchbruch zu verhelfen , weil diese "nach wie vor an den wichtigen Fäden" zögen. Die Beklagten haben darüber hinaus auch im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits nachvollziehbar und folgerichtig dargelegt, ihnen sei nicht daran gelegen, der Klägerin wirtschaftliche Nachteile zuzufügen, sondern es gehe ihnen darum, den dieser bereits entstandenen Schaden durch Vorstand und Aufsichtsrat nicht zu Unrecht und unbeanstandet als schicksalhaft, unvorhersehbar und unvermeidbar darstellen zu lassen.

Angesichts dessen stellt sich der Hauptzweck des Engagements der Beklagten, zu dem auch die Verwendung der verfahrensgegenständlichen Informationen gehört, jedenfalls im Hauptzweck nicht als eigennützig dar; es geht den Beklagten in erster Linie darum, ihre Kritik an Vorstand und Aufsichtsrat der Klägerin durch Aufdeckung wirklicher oder vermeintlicher Mißstände zu unterbauen und so wirksamer zu machen. Dieser Zielsetzung kommt in der gebotenen Güter- und Interessenabwägung unter dem Gesichtspunkt der Meinungsfreiheit mithin erhebliches Gewicht zu.

(2.) Es verhält sich auch nicht so, daß die Beklagten sich die gegenständlichen Unterlagen und die darin enthaltenen Informationen widerrechtlich durch Täuschung, Wegnahme, Unterschlagung o.ä. verschafft hätten; sie sind der Beklagten zu 3) unstreitig zugesandt worden, und zwar nach Vermutung der Klägerin "durch eine undichte Stelle im Aufsichtsrat".

c) Die Argumentation der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 20.1.2006, der Beklagten zu 3) hätte jedenfalls klar sein müssen, daß die Informationen "nicht anders als widerrechtlich aus ihrer (der Klägerin) Sphäre nach außen gelangt sein können" , weil es sich erkennbar um "vertrauliche Berichte" handelte, greift zu kurz. Mag es sich bei dem entscheidenden (dem "kritischen") Teil der in den gegenständlichen Dokumenten niedergelegten Informationen auch durchaus um Tatsachen handeln, die nach dem erkennbaren Willen des Betriebsinhabers der Klägerin - also insbesondere des Vorstands - geheimgehalten werden sollen, kommt diesen Informationen aber nach Auffassung des Senats kein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse der Klägerin zu, weil sie offenbar - sogar unbestritten - nur Verhaltensweisen offenbaren könnten, die ihrerseits rechtswidrig wären.

(1) Dem Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebes kann zwar auch die Wahrung der Vertraulichkeit oder des Geheimschutzes von Unternehmensdaten, - kenntnissen, -fähigkeiten und -strategien unterfallen.

(2) Die Klägerin nimmt für die hier angesprochenen Dokumente und ihre Inhalte jedoch zu Unrecht Geheimschutz oder auch nur ein Recht auf Wahrung der Vertraulichkeit in Anspruch.

"Geschäftsgeheimnisse" sind insbesondere durch §§ 17 ff. UWG (strafrechtlich) geschützt Nach der Rechtsprechung sind hierunter Tatsachen zu verstehen, die nach dem erkennbaren Willen des Betriebsinhabers geheimgehalten werden sollen, die ferner nur einem begrenzten Personenkreis bekannt und damit nicht offenkundig sind und hinsichtlich derer der Betriebsinhaber ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse hat, weil eine Aufdeckung der Tatsachen geeignet wäre, dem Geheimnisträger wirtschaftlichen Schaden zuzufügen (BGH - 10.5.1995 - 1 StR 764/94 = NJW 1995, 2301; OLG München - 22,1.2004 - 29 U 4872/03 = OLGR München 2004, 200).

(a) Ein erheblicher Teil der in den betreffenden Dokumenten enthaltene Informationen dürfte mittlerweile angesichts eigener öffentlicher Verlautbarungen der Klägerin zu dem gescheiterten "Manila-Geschäft" und seinen wirtschaftlich nachteiligen Folgen ohnedies bereits offenkundig sein, ohne daß sich dies anhand des beiderseitigen Vorbringens vollständig konkretisieren ließe. Den eigentlichen Kern der Auseinandersetzung bilden jedoch konkrete Informationen zu der Frage, inwieweit Vorstand und Aufsichtsrat vor Abschluß des Engagements sowie im weiteren Verlauf der Verhandlungen konkrete Informationen über die Rechtswidrigkeit der angestrebten Vertragsgestaltung nach philippinischem Recht vorlagen. Daß derartige Informationen bereits offenkundig wären, ist weder ersichtlich noch dargelegt.

(b) Die "unbefugte" Mitteilung oder Verwertung eines Geheimnisses i.S.d. § 17 UWG hat allerdings keinen anderen Bedeutungsinhalt als das Merkmal "rechtswidrig" in den Bereicherungsdelikten des allgemeinen Strafrechts (BayOblG - 9.5.1988 - RRrg 4 St 275/87 = GRUR 1988, 634). Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung ist die bei der Konkretisierung der offenen Normen der §§ 823, 826 erforderliche Abwägung entsprechend auch bei der Konkretisierung des Merkmals "unbefugt" i.S.d. § 17 Abs. 2 Nr. 2 UWG vorzunehmen (OlG München a.a.O.). Geschieht die Weitergabe im Rahmen eines Beitrags zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit vor dem Hintergrund rechtswidriger Verhaltensweisen wesentlich berührenden Frage, spricht dies für deren Zulässigkeit.

(3) Es kann letztlich keinem Zweifel unterliegen, daß die hier in Rede stehenden angeblichen rechtswidrigen Verhaltensweisen von Vorstand und Aufsichtsrat der Klägerin, eines bedeutenden inländischen Großunternehmens, dessen Aktien zu einem erheblichen Teil zudem in öffentlicher Hand gehalten werden, einem überragenden Informationsinteresse der Öffentlichkeit begegnen. Die Klägerin ist im übrigen der Darstellung der Beklagten, die im Ergebnis auf ein bewußt rechtswidriges Engagement der Klägerin hinausläuft, nicht einmal hinreichend deutlich entgegengetreten, sondern sie hat selbst gerade damit argumentiert, ihr drohten mit dem etwaigem Bekanntwerden der gegenständlichen Unterlagen erhebliche Nachteile, weil sie fürchten müsse, dann bei ihrer Rechtsverfolgung zu unterliegen.

d) In der gebotenen Gesamtabwägung zwischen der Meinungsfreiheit der Beklagten, an deren Schutz auch die Weitergabe der betreffenden Informationen teilnimmt (vgl. BVerfG a.a.O., OLG München a.a.O.), und dem auf der Eigentumsgewährleistung gründenden Recht der Klägerin an ihrem eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, das sich in der hier in Rede stehenden Fallgestaltung auf den Vertraulichkeitsschutz von Dokumentinhalten bezieht, die Anhaltspunkte über rechtswidrige Verhaltensweisen ihres Vorstand und ihres Aufsichtsrats von erheblichem Gewicht enthalten sollen, die die Beklagte nicht in widerrechtlicher Weise erlangt haben und hinsichtlich derer ein überragendes Informationsinteresse der Öffentlichkeit besteht, verdient damit der Schutz der Meinungsfreiheit der Beklagten eindeutig den Vorzug mit der Folge, daß ein Unterlassungsanspruch der Klägerin ausscheidet.

3. Die Kostenentscheidung zu Lasten der unterlegenen Klägerin folgt aus § 91 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10,711 S. 1 ZPO.

4. Die Revision war nicht gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung; sie betraf nur die Anwendung anerkannter Rechtsgrundsätze und Rechtsprechung in einem Einzelfall. Eine Entscheidung des Bundesgerichthofs ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten.

Streitwert: 5.000.000 €






OLG Frankfurt am Main:
Urteil v. 26.01.2006
Az: 16 U 12/05


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/7b6691039d19/OLG-Frankfurt-am-Main_Urteil_vom_26-Januar-2006_Az_16-U-12-05




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