Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 11. Februar 1994
Aktenzeichen: 6 U 88/93
(OLG Köln: Urteil v. 11.02.1994, Az.: 6 U 88/93)
1. Zur Werbeaussage "Umwelt-Wandfarbe für gesundes Wohnen."
2. Hat ein einen Wettbewerbsverstoß verfolgender Verband dem Hersteller des betroffenen Produktes (hier: Wandfarbe) im Rahmen der strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung hinsichtlich der beanstandeten Werbeaussage eine Aufbrauchfrist bewilligt, kann der Handel hieraus beim Abverkauf der Ware jedenfalls keine weiteren Rechte herleiten als der Hersteller. War dem Hersteller durch die Vereinbarung mit dem Verband lediglich eine Aufbrauchfrist für bereits gekennzeichnete Ware und bereits gedruckte Etiketten und Werbeartikel bis zu einem bestimmten Zeitpunkt eingeräumt worden, berechtigt dies weder Hersteller noch Vertreiber, innerhalb der Aufbrauchfrist eine neue Werbung mit der beanstandeten und zur Unterlassung erklärten Aussage zu schalten.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 11. Februar 1993 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln - 81 O 116/92 - wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beschwer der Beklagten beträgt 50.199,50 DM.
Gründe
E n t s c h e i d u n g s g r ü n
d e
Die Berufung ist zulässig; sie hat aber
in der Sache keinen Erfolg.
Das Landgericht hat zu Recht
festgestellt, daß dem Kläger gegenüber der Beklagten ein Anspruch
aus §§ 3, 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG zusteht, es zu unterlassen, in der
konkreten Form der streitgegenständlichen Werbung für eine
Wandfarbe anzukündigen "Umwelt - Wandfarbe für gesundes
Wohnen".
Diese Werbeankündigung ist in ihrer
konkreten Form geeignet, bei einem nicht unerheblichen Teil der
umworbenen Verkehrskreise die irrige Vorstellung über die
Beschaffenheit der so beworbenen Ware hervorzurufen, diese sei in
jeder Hinsicht und ohne Einschränkung umweltfreundlich.
Dem Verbraucher wird durch die
angegriffene Auslobung in ihrer konkreten Form suggeriert, durch
den Kauf der so beworbenen Farbe tue er sowohl etwas Gutes für die
Umwelt als auch für seine eigene Gesundheit oder die Gesundheit
derer, die in den mit dieser Farbe gestrichenen Räumen wohnen.
An die Zulässigkeit
gesundheitsbezogener Werbung wie an Werbung mit
Umweltschutzbegriffen sind besonders strenge Maßstäbe anzulegen.
Wegen der der Gesundheit zukommenden Vorrangstellung und der
allgemeinen Anerkennung der Umwelt als eines wertvollen und
schützenswerten Gutes, bevorzugt der Verkehr vielfach Waren, von
denen die Erhaltung oder Förderung der Gesundheit behauptet und auf
deren besondere Umweltverträglichkeit hingewiesen wird.
Die Beklagte appelliert mit ihrer
Ankündigung "Umwelt - Wandfarbe für gesundes Wohnen" an ein
gesundheits- und umweltschutzbewußtes Verhalten der so
Angesprochenen, ohne eindeutig klarzustellen, aus welchen Gründen
der Verbraucher sich gesundheits- und umweltbewußt verhält, wenn
er die so beworbene Wandfarbe verwendet.
Eine die hierin liegende
Irreführungsgefahr ausschließende Klarstellung wird auch nicht
durch die Ankündigung im weiteren Fließtext - soweit sie überhaupt
vom Verbraucher gelesen wird -, das Produkt sei
"lösungsmittelfrei" und "schadstoffarm", erreicht, zumal hierdurch
nur Teilaspekte angesprochen werden, die nicht eine generelle
Umweltfreundlichkeit und Gesundheitserhaltung oder gar -
förderung begründen.
Der Senat sieht keine Bedenken, die
dargelegte Irreführung eines nicht unbeachtlichen Teils der
Verbraucher und deren wettbewerbliche Relevanz aus eigener
Lebenserfahrung und Sachkunde festzustellen, zumal seine Mitglieder
zu den durch die Werbeaussage der Beklagten angesprochenen
Verbrauchern gehören.
Schließlich haben die Parteien auch in
der Berufungsinstanz ausdrücklich erklärt, daß sie sich über die
Zulässigkeit bzw. Unzulässigkeit der angegriffenenn Werbung nicht
mehr streiten.
Die Beklagte macht vielmehr geltend,
sie könne sich auf eine zwischen dem Kläger und der
Nebenintervenientin getroffenen Vereinbarung mit Aufbrauchsfrist
berufen; die streitgegenständliche Werbung sei auch durch diese
Aufbrauchsvereinbarung - jedenfalls bis zum 31. August 1992 -
gedeckt.
Diese Auffassung der Beklagten - deren
Richtigkeit zunächst einmal unterstellt - führt jedenfalls nicht
dazu, daß ein Verstoß gegen § 3 UWG nicht vorliegt; der Kläger
könnte allenfalls daran gehindert sein, seine Untrlassungsanspruch
zu einem bestimmten Zeitpunkt - nämlich in der Zeit vor dem
31.O8.1992 - durchzusetzen.
Dies gilt unabhängig von der
rechtlichen Einordnung einer "Gewährung der Aufbrauchsfrist". Sieht
man in der Gewährung einer Aufbrauchsfrist eine aus dem
Gesichtspunkt von Treu und Glauben hergeleitete "Rechtswohltat"
prozessualen Charakters, so wäre der Kläger nur vorübergehend an
der Vollstreckung eines Anspruchs gehindert (vgl. BGH GRUR 1974,
735, 737 -"Pharmamedan"; BGH GRUR 1974, 474, 476
-"Groß-handelshaus").
Sieht man in der Bewilligung einer
Aufbrauchsfrist eine materielle Anspruchsbeschränkung in zeitlicher
Hinsicht (BGH GRUR 199O, 522, 528 "HBV - Familien- und
Wohnungsrechtsschutz"), so stellt die Aufbrauchsfrist eine auf dem
Vertrauensschutz beruhende materiell - rechtliche
Anspruchsbegrenzung dar (BGH a. a. O.; Großkommentar - Jacobs, UWG,
1993, vor § 13 Rdn.18O).
Da nach beiden dargestellten
Auffassungen ein Wettbewerbsverstoß besteht und damit
grundsätzlich ein Unterlassungsanspruch des Klägers aus § 3 UWG
gegeben ist, könnte das Berufen der Beklagten auf die der
Nebenintervenientin eingeräumten Aufbrauchsfrist nur dazu führen,
daß der durch die streitgegenständliche Werbung ausgelöste
Wettbewerbsverstoß ausnahmsweise nicht eine tatsächliche Vermutung
für das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr auslöst.
Grundsätzlich läßt die
Wettbewerbsabsicht darauf schließen, daß der Verletzte sein
Verhalten auch in Zukunft fortsetzen will, so daß gewöhnlich sich
die Vermutung der Wiederholungsgefahr nur dadurch ausräumen läßt,
daß der Verletzer eine bedingungslose und unwiderrufliche
Unterlassungserklärung unter Óbernahme einer angemessenen
Vertragsstrafe für jeden Fall der Zuwiderhandlung übernimmt
(Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 17. Auflage, Einleitung
UWG Rdn. 263 m. w. N.). Wäre jedoch der Kläger bis zum 31. August
1992 an der Geltendmachung seines Anspruchs gehindert, würde der
Wettbewerbsverstoß der Beklagten im Juli und August 1992 nicht zu
einer solchen Vermutung der Wiederholungsgefahr führen.
Hinsichtlich der streitgegenständlichen
Werbebeilage "gültig ab 27.O7.1992" kann sich die Beklagte jedoch
nicht auf die zwischen dem Kläger und der Nebenintervenientin
getroffenen Vereinbarung mit Aufbrauchsfrist berufen.
Hierbei kann dahinstehen, ob die
Beklagte grundsätzlich aus dieser Vereinbarung irgendwelche Rechte
selbst herleiten kann und ob es sich bei der Aufbrauchsvereinbarung
zwischen dem Kläger und der Nebenintervenientin um einen Vertrag zu
Gunsten Dritter oder um einen Vertrag sui generis mit Schutzwirkung
für Dritte handelt, da die Rechte des Beklagten - wenn er solche
aus dem Vertrag herleiten kann - jedenfalls nicht weitergehen als
die der Nebenintervenientin selbst, der die Aufbrauchsfrist in
erster Linie eingeräumt wurde.
Der Nebenintervenientin war durch ihre
Vereinbarung mit dem Kläger lediglich eine Aufbrauchsfrist für
bereits gekennzeichnete Ware und für bereits gedruckte Etiketten
und Werbeartikel bis 31. August 1992 eingeräumt worden. Unstreitig
handelt es sich bei der Werbebeilage der Beklagten, in der die
streitgegenständliche Werbung abgedruckt ist, um eine Werbung, die
erst nach Abschluß der Vereinbarungen zwischen dem Kläger und der
Nebenintervenientin aufgelegt und gedruckt worden ist. Eine
derartige Werbung hätte auch die Nebenintervenientin als direkte
Vertragspartnerin des Klägers nicht mehr schalten dürfen.
Selbst wenn die Beklagte ihre Rechte
aus der Vereinbarung zwischen dem Kläger und der
Nebenintervenientin herleiten könnte, wäre ihr eine derartige
Werbung nicht gestattet, da auch die Nebenintervenientin so nicht
hätte werben dürfen. Damit wird der Beklagten als Abnehmerin der
Ware der Nebenintervenientin nicht verboten, diese Ware zu
veräußern und anzupreisen. Die streitgegenständliche Werbeanzeige
geht jedoch über das hinaus, was der Nebenintervenientin durch die
Vereinbarung zugestanden ist. Zwar ist zunächst in der
streitgegenständlichen Werbebeilage lediglich der Farbeimer mit
seinem aufgeklebten Werbeetikett, der unter die
Aufbrauchsvereinbarung fällt, abgebildet; hierunter befindet sich
jedoch ein von der Beklagten selbst verfaßter Werbetext, der in
einer eigenständig zusammengestellten Fassung die "Vorzüge" der
beworbenen Wandfarbe wiedergibt, wobei die streitgegenständlichen,
irreführenden Angaben wiederholt werden.
Zumindest in dieser Konstellation der
konkreten Form der streitgegenständlichen Werbeanzeige liegt eine
Werbung vor, die von der Verbrauchsvereinbarung nicht gedeckt
ist.
Entgegen der Auffassung der Beklagten
führt eine solche Beschränkung der "Abverkaufs- Berechtigung" nicht
dazu, daß die Aufbrauchsvereinbarung zwischen dem Kläger und der
Nebenintervenientin sinnlos ist. Hierdurch wird weder der
Nebenintervenientin untersagt, ihre Ware bis zu dem in der
Vereinbarung festgesetzten Termin an Groß- und Einzelhändler zu
veräußern, noch wird diesen Händlern untersagt, die
streitgegenständliche Ware in diesem Zeitraum an Endverbraucher
weiterzuveräußern. Die Groß- und Einzelhändler haben sich bei der
Veräußerung und Bewerbung dieser Ware lediglich an die zwischen dem
Kläger und der Nebenintervenientin getroffenen Vereinbarung zu
halten. Dies ist - wie oben dargelegt - bei der
streitgegenständlichen Werbeanzeige nicht der Fall. Da die
Nebenintervenientin während der Aufbrauchsfrist keine neuen, das
vertragliche Verbot verletzenden Werbematerialien herstellen oder
verbreiten durfte (vgl. BGH GRUR 1974, 474, 476 -
"Großhandelshaus"), muß sich dies auch die Beklagte, die ihre
Rechte aus dieser Vereinbarung herleiten will, entgegenhalten
lassen.
Entgegen der Auffassung der Beklagten
kann auch eine an Treu und Glauben und den Interessen der Parteien
orientierte Vertragsauslegung nicht zu einem anderen Ergebnis
führen. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß bei
Unterlassungsansprüchen, die auf § 3 UWG beruhen, an die
Zuerkennung und Bemessung einer Aufbrauchsfrist grundsätzlich
strenge Maßstä-be anzulegen sind (vgl. KG WRP 1971, 326, 327), da
dem wirtschaftlichen und ökologischen Interesse, eine Vernichtung
der vorhandenen Waren zu vermeiden, die Interessen der
Allgemeinheit gegenüber stehen, durch wettbewerbswidrige
Anpreisungen nicht irregeführt zu werden. Dies gilt im vorliegenden
Fall um so mehr, da es sich um eine sogenannte "Umweltwerbung"
handelt, an die besonders strenge Maß-stäbe anzulegen ist (BGHZ
1O5, 277, 28O - "Umweltengel").
War somit die beanstandete Werbung
nicht von der Aufbrauchsvereinbarung zwischen dem Kläger und der
Nebenintervenientin gedeckt, hat der durch diese Werbeanzeige
begangene Wettbewerbsverstoß der Beklagten eine tatsächliche
Vermutung für das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr begründet.
Die von der Beklagten mit Schreiben ihrer Anwälte vom 19. August
1992 abgegebene Erklärung, sie wolle vom 1. September 1992 das
Etikett, das Anlaß für die Abmahnung gegeben habe, nicht mehr
verwenden und in ihrer Werbung nicht mehr abbilden, reicht zur
Beseitigung der vermuteten Wiederholungsgefahr nicht aus, da diese
Erklärung sich zum einen nicht auf den von ihr - der Beklagten -
selbstverfaßten Text bezieht und zum anderen diese Erklärung nicht
mit einem Strafversprechen gesichert ist.
Die Wiederholungsgefahr ist auch nicht
deswegen ausgeschlossen, weil die Lieferantin - die
Nebenintervenientin - diese Ware seit dem 1. September 1992 nicht
mehr mit der streitgegenständlichen Auslobung "Umwelt - Wandfarbe
für gesundes Wohnen" versieht und bewirbt. Die Beklagte hat nämlich
die streitgegenständliche Werbeaussage nicht nur durch die
Abbildung des Etiketts wiedergegeben, sondern durch einen eigen
gefaßten Text mit der irreführenden Werbung versehen. Darüber
hinaus vertreibt die Beklagte auch andere Wandfarben und hat auch
diese - wie dem Senat aus dem Parallelverfahren 6 U 164/93 -
bekannt ist - bereits als "Umwelt - Farbe" angeboten.
Da somit eine Wiederholungsgefahr nicht
entfallen ist, war die Beklagte gemäß § 3 UWG zur Unterlassung zu
verurteilen.
Der Anspruch auf Erstattung der Kosten,
die dem Kläger aus der danach zu Recht erfolgten Abmahnung der
Beklagten wegen der streitgegenständlichen Werbung entstanden sind,
ergibt sich aus dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne
Auftrag gemäß §§ 683 Satz 1, 677, 67O BGB (vgl. BGH GRUR 1984, 129
"shop in the shop"). Gemäß § 291 BGB ist der Anspruch der Klägerin
auf Verzinsung des danach von der Beklagten zuerstattenden Betrages
von 199,5O DM mit 4% ab Rechtshängigkeit begründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97
Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit ergeht nach §§ 7O8 Nr. 1O, 713 ZPO.
Die nach § 546 Abs. 2 ZPO
festzusetzende Beschwer für die Beklagte entspricht dem Wert ihres
Unterliegens im Rechtsstreit.
OLG Köln:
Urteil v. 11.02.1994
Az: 6 U 88/93
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