Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 14. Februar 1997
Aktenzeichen: 6 U 43/96
(OLG Köln: Urteil v. 14.02.1997, Az.: 6 U 43/96)
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 18. Januar 1996 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln - 81 O 190/95 - wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicher-heitsleistung in Höhe von 500.000,00 DM hinsicht-lich der Verurteilung zur Unterlassung sowie in Höhe von 32.000,00 DM hinsichtlich der Kosten des Rechtsstreits abwenden, wenn nicht die Klägerin ihrerseits vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Beide Parteien können die von ihnen zu erbringenden Sicherheiten auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft eines in der Bundesrepublik Deutschland als Zoll oder Steuerbürgen zugelassenen Kreditinstituts leisten. Die Beschwer der Beklagten wird auf 500.000,00 DM festgesetzt.
Tatbestand
Beide Parteien sind Hersteller und Vertreiber von
Arzneimitteln.
Zu den Produkten der Beklagten zählt das Schmerzmittel "C.", ein
Kombinationspräparat, das u.a. C. enthält. C. gehört zu den in der
Anlage II zu § 1 Abs. 1 des Betäubungsmittelgesetzes genannten
Stoffen und ist in "C." in einer Zubereitung enthalten, wie sie in
der Anlage II zum Betäubungsmittelgesetz als sog. ausgenommene
Zubereitung aufgeführt ist. Diese "ausgenommene Zubereitung" war
als Ausnahmeregelung der Position C. erstmals mit der 5. BtMÀndV
vom 18.01.1994 (BGBl I S. 99) in die Anlage II aufgenommen
worden.
"C." wird von der Beklagten als Muster an Àrzte abgegeben. Die
Klägerin sieht hierin einen Verstoß gegen § 47 Abs. 3 S. 3 AMG in
der Fassung gemäß Art. 1 Nr. 28 b des 5. Gesetzes zur Ànderung des
Arzneimittelgesetzes vom 09.08.1994 (BGBl. I S. 2071, 2078).
Nachdem sie zunächst die Beklagte im Wege der einstweiligen
Verfügung im Verfahren 81 O 131/95 LG Köln gemäß § 47 Abs. 3 S. 3
AMG in Verbindung mit § 1 UWG auf Unterlassung der Abgabe von "C."
als Muster an Àrzte in Anspruch genommen und am 21.07.1995 eine
entsprechende Beschlußverfügung des Landgerichts Köln erwirkt hat,
verfolgt sie ihr Unterlassungsverlangen im vorliegenden
Hauptsacheverfahren weiter.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, es bei
Meidung eines gegen sie für jeden Fall der Zuwiderhandlung
festzusetzenden Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 500.000,00 DM zu
unterlassen, das von ihr hergestellte und vertriebene Analgetikum
"C." an Àrzte als Muster abzugeben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, Präparate mit sog.
"ausgenommenen Zubereitungen" im Sinne der Anlagen II und III zum
Betäubungsmittelgesetz würden von dem Verbot des § 47 Abs. 3 S. 3
AMG nicht erfaßt. Dies gelte bereits deshalb, weil die Richtlinie
92/28/EWG des Rates vom 31.03.1992 über die Werbung für
Humanarzneimittel, deren Umsetzung die Anfügung des Satzes 3 in §
47 Abs. 3 AMG durch das 5. Gesetz zur Ànderung des
Arzneimittelgesetzes vom 09.08.1994 gedient habe, ein solches
Verbot nicht verlange. Ein derartiges Verbot sei auch sachlich
unnötig, denn es sei nicht nachvollziehbar, warum eine
"Zubereitung", die ausdrücklich aus dem Geltungsbereich des
Betäubungsmittelgesetzes ausgenommen werde, ohne jeden
ersichtlichen Grund auf einem Umweg - und das nur in einem
Teilbereich, nämlich der Musterabgabe in § 47 AMG - diesen
Betäubungsmitteln und Suchtstoffen doch wieder gleichgestellt
würde. Der Wortlaut des § 47 Abs. 3 S. 3 AMG spreche ebenfalls
nicht für die von der Klägerin geltend gemachte Interpretation
dieser Norm noch zwinge er gar zu einer derartigen Interpretation:
"Als solche in Anlage II oder III des Betäubungsmittelgesetzes
aufgeführt sind" eben nicht die "ausgenommenen Zubereitungen"; sie
sind eben gerade "keine Stoffe oder Zubereitungen im Sinne des § 2
des Betäubungsmittelgesetzes".
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrags der Parteien in
der ersten Instanz wird auf die dort gewechselten Schriftsätze
verwiesen.
Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht dem
Unterlassungsbegehren der Klägerin antragsgemäß gemäß § 47 Abs. 3
S. 3 AMG in Verbindung mit § 1 UWG stattgegeben. Nach Ansicht des
Landgerichts ist § 47 Abs. 3 S. 3 AMG dahingehend auszulegen, daß
jede Zubereitung von C. (aufgeführt in Anlage II zum
Betäubungsmittelgesetz) in einem Arzneimittel dessen Abgabe als
Àrztemuster ausschließe. Ausschlaggebend hierfür sei insbesondere
der Wortlaut der Vorschrift. Dort werde nicht pauschal auf "Stoffe
oder Zubereitungen" im Sinne des § 2 BtMG verwiesen sondern auf
diejenigen "Stoffe oder Zubereitungen", "die als solche in Anlage
II oder III des Betäubungsmittelgesetzes aufgeführt sind". "Als
solcher ... aufgeführt" sei ein Stoff oder eine Zubereitung nach
dem allgemeinen sprachlichen Verständnis jedoch dann, wenn die
Erwähnung des Namens erfolge, unabhängig von den jeweiligen
Modalitäten. Dies bedeute im Streitfall, daß die Verweisung in § 47
Abs. 3 S. 3 AMG lediglich eine dieser Vorschrift beizufügende
Anlage ersetze, nicht aber bezwecke, Verbote und Verbotsausnahmen
aus dem Betäubungsmittelgesetz zu übernehmen. Die unterschiedlichen
Regelungsgebiete der insoweit betroffenen Gesetze ließen diese
Möglichkeit auch problemlos offen, denn die Frage der
Verschreibungsfähigkeit eines Medikamentes in ärztlicher
Verantwortung könne durchaus freier geregelt werden als die Abgabe
von Àrztemustern zu Werbezwecken. Ob die vorstehend dargelegte
Auslegung die einzige mögliche Auslegung des § 47 Abs. 3 S. 3 AMG
sei, könne offen bleiben. Auf jeden Fall sei sie eine der möglichen
und zugleich sehr naheliegenden Auslegungen mit der Folge, daß der
Zweck der Regelung einschließlich des insoweit geäußerten Willens
des Gesetzgebers entscheide. Der Gesetzgeber habe sich jedoch
eindeutig im Sinne dieser Auslegung geäußert. Angesichts des
jedenfalls nach Auslegung eindeutigen Regelungsgehalts des § 47
Abs. 3 S. 3 AMG komme es nicht darauf an, ob die Richtlinie
92/28/EWG ein derart umfassendes Verbot fordere oder ob ein
derartiges Verbot aus gesundheitspolitischen Gründen geboten oder
bzw. zumindest sinnvoll sei. Soweit die Beklagte Verstöße gegen die
Artikel 2,3 und 12 des Grundgesetzes rüge, sei der Tatsachenvortrag
der Beklagten nicht ausreichend für eine derartige Beurteilung.
Wegen der weiteren Ausführungen des Landgerichts wird auf die
Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Gegen dieses ihr am 30.01.1996 zugestellte Urteil hat die
Beklagte am 29.02.1996 Berufung eingelegt und diese nach
entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist am
05.06.1996 fristgerecht begründet.
Die Beklagte wiederholt und vertieft mit ihrem
Berufungsvorbringen ihren Vortrag aus der ersten Instanz. Sie macht
geltend, § 47 Abs. 3 S. 3 AMG verstoße unter Zugrundelegung der vom
Landgericht dieser Vorschrift beigemessenen Reichweite gegen Art.
12 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG. Art. 12 Abs. 1 GG
umfasse ebenso wie Art. 2 Abs. 1 GG u.a. die Werbung für
Arzneimittel, wozu auch die kostenlose Abgabe von Mustern an Àrzte
gehöre. Die Musterabgabe könne danach auf der Ebene der einfachen
Berufsausübungsregelung eingeschränkt werden, sofern ein
vernünftiges Staatsziel dafür geltend gemacht werden könne, die
Maßnahme zur Erreichung dieses Staatszieles notwendig sei und kein
offenbares Mißverhältnis zwischen dem erreichbaren Nutzen und den
Nachteilen für die Wettbewerber im Markt auftrete. Nach den
entsprechenden Grundsätzen sei auch die Zulässigkeit der in Rede
stehenden Einschränkung der Musterabgabe im Hinblick auf Art. 2
Abs. 2 GG zu beurteilen, denn auch die Zulässigkeit einschränkender
Regelungen der Handlungsfreiheit sei nur zu bejahen, wenn die
Maßnahmen vernünftig, notwendig und verhältnismäßig seien. Ein
vernünftiges Staatsziel für die Erstreckung des
Musterabgabeverbotes auf die sogenannten ausgenommenen
Zubereitungen im Sinne der Anlagen II und III des
Betäubungsmittelgesetzes sei jedoch nicht zu erkennen. Ersichtlich
habe der Gesetzgeber mit § 47 Abs. 3 S. 3 AMG nicht der
Óberschwemmung des Marktes mit Muster begegnen wollen, sondern habe
die Gelegenheit zu einem spezifischen Mißbrauch mit solchen
Arzneimitteln begrenzen wollen, mit deren Einnahme eine ernsthafte
Gefahr der Entstehung von Sucht verbunden sein könne. Diese
Ausrichtung des Musterabgabeverbots an wirklichen
Gefährdungspotentialen dieser Art werde dadurch unterstrichen, daß
der Gesetzgeber dabei ohne Schaffung eigener Listen für die
Werbebeschränkungen auf die Anhänge II und III des
Betäubungsmittelgesetzes Bezug genommen habe. Von diesem Ansatz her
mache es jedoch keinen Sinn, wenn man sich zwar an den in diesen
Anlagen erwähnten Substanzen orientiere, nicht aber an den
Relevanzschwellen, die zu der Gefährdungsabschätzung dazu gehörten.
Die Auflistung der in den Anhängen II und III des
Betäubungsmittelgesetzes genannten Substanzen sowie die sogenannten
"ausgenommene Zubereitungen" stünden nicht isoliert und zufällig
nebeneinander, sondern bildeten ein in sich geschlossenes System
der Bewertung und der Differenzierung zwischen relevanten und nicht
relevanten Gefährdungspotentialen. Lege man danach ein bestimmtes
Gefährdungsprofil zugrunde, das das Musterabgabeverbot steuern
solle, entscheide sich danach nicht nur, welche Stoffe auf die
Liste kommen, sondern auch, von welcher geringfügigen Konzentration
an eine Gefährdung nach Maßstäben praktischer Vernunft
auszuschließen sei. Das Musterabgabeverbot an Àrzte erscheine
deshalb nur dann als systemgerecht, wenn es an die sich aus den
Anlagen II und III zum Betäubungsmittelgesetz ergebenden
betäubungsmittelrechtlichen Rechtsfolgen sinnvoll anknüpfe: Soweit
der Arzt Medikamente selbst verschreiben könne, solle er auch
Musterabgaben in die Hand bekommen, um Erfahrungen mit neuen
Arzneimitteln im Dialog mit den Patienten zu machen. Erstrecke man
dagegen das Verbot auf die sogenannten "ausgenommenen
Zubereitungen", werde der sachliche Zusammenhang zwischen der
arzneimittelrechtlichen Werbebeschränkung und der
betäubungsmittelrechtlichen Gefährdungsabschätzungsliste
auseinandergerissen. Es sei jedoch nicht nachzuvollziehen, welche
besondere Gefährdung damit verbunden sein solle, daß der Arzt ein
neues Medikament nicht aufgrund des Studiums schriftlicher
Prospekte verschreibe, sondern weil es ihm als Muster kostenlos an
die Hand gegeben sei.
Ein vernünftiges Staatsziel für das in Rede stehende
Musterabgabeverbot auch für sogenannte "ausgenommene Zubereitungen"
ließe sich jedoch ebenfalls dann nicht erkennen, wenn man die
Mißbrauchsgefahr eher beim Handel und bei Arzneimittelvertretern
sehen wollte. Anhaltspunkte dafür, daß Gratismuster von
Arzneimitteln im großen Umfang an den Arztpraxen vorbei auf den
Markt gelangten, seien dem AMG-Erfahrungsbericht 1993 nicht zu
entnehmen. Wäre es anders, würde sich im übrigen auch aufdrängen,
die Vertriebswege stärker zu kontrollieren, anstatt Àrzten den
Zugang zu praktischen Erfahrungen mit neuen Arzneimitteln zu
erschweren.
Soweit im Gesetzgebungsverfahren für die Vorschrift des § 47
Abs. 3 S. 3 AMG die Erwägung eine Rolle gespielt habe, die
EG-Richtlinie 92/28/EWG zwinge zu einer Erstreckung des
Musterabgabeverbots auf sogenannte "ausgenommene Zubereitungen",
sei dies längst widerlegt, wie sich aus dem Aufsatz von W. in
Pharma Recht 1993/325 ff. ergebe.
Fehle es jedoch nach alledem bereits an einem vernünftigem
Staatsziel, lasse sich erst recht nicht nachweisen, daß über die
bereits schon bestehenden Einschränkungen für die Musterabgabe in
den Absätzen 3 und 4 des § 47 AMG hinaus eine weitere drastische
Einschränkung der Werbung für neue Arztmittel erforderlich gewesen
sei, um einem Mißbrauch von Arzneimitteln mit potentiell
suchterzeugenden Stoffen vorzubeugen. Diesem Zweck genügten bereits
die seit der 4. AMG-Novelle bestehenden Regulative des § 47 Abs. 4
AMG, die eine Óberschwemmung der Arztpraxen mit Gratismustern
ausschlössen. Der AMG-Erfahrungsbericht 1993 habe deshalb auch
festgestellt, daß diese Regulative bei verantwortungsvoller
Einhaltung und wirksamer Óberwachung die erkannten Probleme
zurückdrängen könnten. Die Regelung des § 47 Abs. 3 S. 3 AMG
verstoße daher in der ihr vom Landgericht beigelegten Auslegung
eindeutig gegen das Óbermaßverbot.
Schließlich sei der sowohl im Rahmen von Art. 12 Abs. 1 GG als
auch im Rahmen von Art. 2 Abs. 1 GG zu beachtende Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit verletzt. Die Musterabgabe sei, wie von W. aaO.
nachdrücklich hervorgehoben, nicht nur Ausfluß der grundrechtlich
vorgegebenen freien Berufsausübung, sondern ebenfalls eine
gesundheitspolitisch durchaus wünschenswerte, wenn nicht sogar
gebotene Maßnahme. Dies bestätigten auch die Erwägungsgründe der
EG-Richtlinie 92/27/EWG sowie der AMG-Erfahrungsbericht 1993. Die
Musterabgabe diene einer rascheren Einführung neuer Arzneimittel
und damit einer besseren Arzneimittelversorgung der Bevölkerung.
Dies gelte auch für neue Arzneimittel, die als "ausgenommene
Zubereitung" in ganz geringfügigem Umfang und unterhalb jeder
Gefahrenschwelle potentiell suchterzeugende Stoffe enthielten. Vor
diesem Hintergrund müßten die Erwägungen, die zum
Musterabgabeverbot des § 47 Abs. 3 S. 3 AMG geführt haben, ein
erhebliches Gewicht haben, um eine weitere Beschränkung des
Musterabgabewesens zu rechtfertigen. Ersichtlich habe jedoch eine
derartige Abwägung im Gesetzgebungsverfahren nicht stattgefunden.
Für alle Arzneimittelhersteller sei aber mit Händen zu greifen, daß
sich die Einführung neuer Arzneimittel in den Markt deutlich
verzögere, wenn die Àrzte nicht mehr durch Musterabgaben, sondern
allein über Informationsschriften zur Erprobung von Arzneimittel
veranlaßt werden könnten. Insbesondere Unternehmen mit nur einigen
wenigen Arzneimitteln seien angesichts des außerordentlich hohen
und immer weiter steigenden finanziellen Aufwands für Forschung,
Zulassung und Markteinführung neuer Arzneimittel in besonderer
Weise darauf angewiesen, die Arztpraxen möglichst rasch mit
Musterabgaben zu versorgen und damit die Erprobungsphase in Gang zu
setzen. Auch ein gutes Arzneimittel könne keine Erträge abwerfen,
wenn es sich zu langsam durchsetze und letztlich von neuen
Angeboten überrollt werde. Diese unterschiedliche Betroffenheit der
Hersteller hätte in die gesetzgeberische Abwägung mitberücksichtigt
werden müssen, bevor man sich zu einer weiteren Verschärfung des
Musterabgabeverbotes bereitfand. Die besondere Betroffenheit
einzelner Hersteller auf dem deutschen Markt für schwächere zentral
wirksame A. werde deutlich, wenn man zudem berücksichtige, daß sich
das Musterabgabeverbot in der vom Landgericht ausgeführten
Auslegung nur auf einige dieser Medikamente erstrecke, auf andere,
wie zum Beispiel auf "T.", nicht. Eine Wettbewerbsverzerrung sei
damit unübersehbar.
Daraus ergebe sich zugleich, daß auch der Gleichheitssatz des
Art. 3 Abs. 1 GG verletzt sei. Es sei eindeutig verfassungswidrig,
wenn bei gleicher potentiell suchterzeugender Wirkung, wenn auch
deutlich unterhalb der in den Anlagen II und III des
Betäubungsmittelgesetzes konzipierten Gefährdungsschwelle, die
einen Arzneimittel - wie "C." - vom Musterabgabeverbot umfaßt
würden, die anderen - wie "T." - dagegen nicht.
Die Auslegung des § 47 Abs. 3 Satz 3 AMG, die das Landgericht
der angefochtenen Entscheidung zugrundegelegt habe, verstoße daher
gegen Art. 12 Abs. 1, 2 Abs. 1 und 3 Abs. 1 GG und zwinge dazu, die
Vorschrift verfassungskonform dahin auszulegen, daß sogenannte
ausgenommene Zubereitungen vom Musterabgabeverbot nicht erfaßt
würden. Gerade von der Annahme des Landgerichts her, daß mehrere
Auslegungsmöglichkeiten des § 47 Abs. 3 S. 3 AMG bestünden, hätte
das Landgericht bei verfassungskonformer Auslegung zu einer
entsprechenden Interpretation der Vorschrift kommen müssen. Stelle
man sich dagegen auf den Standpunkt, daß eine verfassungskonforme
berichtigende Auslegung des § 47 Abs. 3 S. 3 AMG angesichts des
Wortlauts der Norm und der Àußerung des Gesetzgebers im
Regierungsentwurf zur 5. AMG-Novelle nicht möglich sei, sei
zumindest eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im
Vorlageverfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG einzuholen.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beklagten im
Berufungsverfahren wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom
05.06.1996 und 31.10.1996 verwiesen.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des Urteils des LG
Köln vom 18.01.1996 - 81 O 190/95 - die Klage abzuweisen;
hilfsweise,
das Verfahren auszusetzen und im
Vorlageverfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG eine Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts darüber einzuholen, daß § 47 Abs. 3 S. 3
AMG die Art. 12 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG insoweit
verletzt, als das Musterabgabeverbot mittels der Verweisung auf die
Anlage II des Betäubungsmittelgesetzes auch auf ausgenommene
Zubereitungen erstreckt ist.
Die Klägerin beantragt,
Die Berufung der Beklagten
zurückzuweisen.
Auch die Klägerin ergänzt und vertieft ihren erstinstanzlichen
Vortrag. Sie ist der Ansicht, das Landgericht habe zu Recht § 47
Abs. 3 S. 3 AMG einen nach Auslegung eindeutigen Regelungsgehalt
beigemessen und deshalb auch die sogenannten ausgenommenen
Zubereitungen der Anlage II des Betäubungsmittelgesetzes von dieser
Vorschrift als erfaßt angesehen. Der Gesetzgeber habe ausweislich
des Wortlautes des § 47 Abs. 3 S. 3 AMG diese ausgenommenen
Zubereitungen in das Verbot der Musterabgabe einbezogen und habe
dies, wie sich aus der Begründung des Regierungsentwurfs zur 5.
AMG-Novelle ergebe, exakt auch tun wollen. Für eine
verfassungskonforme Auslegung, wie sie von der Beklagten geltend
gemacht werde, bleibe danach kein Raum, denn dies setze voraus, daß
nach Auslegung einer Norm mit den anerkannten Methoden mehrere
Verständnismöglichkeiten gegeben seien.
Im übrigen, so meint die Klägerin, vermöchten die von der
Beklagten angeführten Erwägungen zur verfassungsrechtlichen
Bedenklichkeit der vom Landgericht durch Auslegung ermittelten
Reichweite des § 47 Abs. 3 S. 3 AMG nicht zu überzeugen, so daß
auch eine Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG entsprechend dem
Hilfsbegehren der Beklagten nicht in Betracht käme. Es könne keine
Rede davon sein, daß mit § 47 Abs. 3 S. 3 AMG keine legitimen
Zwecke des Gemeinwohls verfolgt würden. Auch der
Arzneimittelbericht 1993 (BT-Drs. 12/5226, S. 23) lasse erkennen,
daß es trotz der bereits 1986 eingeführten Absätze 3 und 4 des § 47
AMG Probleme im Bereich der Musterabgabe gegeben habe. Hinzu komme,
daß es sich bei den Werbebeschränkungen des AMG um Regelungen
handele, die insbesondere dem Schutz der menschlichen Gesundheit
verpflichtet seien. Der Schutz dieses Rechtsguts liege im
öffentlichen Interesse und dürfe daher auch mit Mitteln angestrebt
werden, die in das Grundrecht der Berufsfreiheit empfindlich
eingriffen. Der Gesetzgeber sei dabei nicht auf die Mittel der
reinen Gefahrenabwehr beschränkt, sondern könne den verschärften
Sicherheitsstandard der Risikovorsorge anlegen. Dies zwinge den
Gesetzgeber zu Prognoseentscheidungen, durch die er zu erwartende
tatsächliche Entwicklungen abzuschätzen habe. Die dem Gesetzgeber
insoweit zustehende Einschätzungsprärogative hinsichtlich der
Eignung des eingesetzten Mittels und auch seiner Erforderlichkeit
erlaubten dem Gesetzgeber jedoch auch, psychotrope Stoffe generell,
also unabhängig von den ausnahmsweise erlaubten Zubereitungen des
Betäubungsmittelrechts, von der Musterabgabe auszunehmen. Die vom
deutschen Gesetzgeber verabschiedete Vorschrift des § 47 Abs. 3 S.
3 AMG entspreche dabei exakt den Vorgaben von Art. 11 Abs. 1 g der
EG-Richtlinie über die Werbung für Humanarzneimittel (92/28/EWG),
ohne daß es dabei eines Rückgriffs auf Art. 11 Abs. 2 dieser
Richtlinie bedürfe.
§ 47 Abs. 3 S. 3 AMG werde nach alledem hinlänglich durch die
Verfolgung legitimer Gemeinwohlbelange gerechtfertigt, so daß ein
Verstoß der Norm gegen Art. 12 Abs. 1 GG nicht gegeben sei. Dieses
Ergebnis lasse sich nicht durch die Behauptung der Beklagten
relativieren, ein Musterabgabeverbot, das auch die sogenannten
ausgenommenen Zubereitungen umfasse, sei unter dem Gesichtspunkt
der optimalen Krankenversorgung kontraproduktiv. Die Musterabgabe
diene vorrangig der Markteinführung eines Präparats und der
anschließenden Marktpflege, nicht der besseren Erprobung. Durch die
schnelle Verfügbarkeit der vom Hersteller überlassenen
Musterpackungen entstehe insbesondere ein Wettbewerbsvorteil
gegenüber verwandten Produkten anderer Hersteller oder gegenüber
Produkten ähnlicher Wirkung, für die mangels sofortiger
Verfügbarkeit ein Apothekenrezept ausgestellt werden müßte. Eine
derartige Werbestrategie im Interesse eigener Produkte sei
sicherlich legitim. Angesichts anderer Möglichkeiten der Werbung
gefährde ihr Ausschluß in Teilbereichen des Arzneimittelmarktes
jedoch nicht die Information der Àrzte. Unter Berücksichtigung des
hohen Ausbildungsstandes der deutschen Àrzteschaft und der anderen
Informationsmöglichkeiten für die Àrzte könne nicht davon
ausgegangen werden, daß allein der Umstand der Verfügbarkeit von
Musterpackungen über die medizinische Zukunft eines Medikaments
entscheide. Schließlich sei zu berücksichtigen, daß der Gesetzgeber
mit werbebeschränkenden Maßnahmen legitimerweise auch den Zweck
verfolgen könne, außer den Gefahren des Fehlgebrauchs von
Arzneimitteln ebenfalls einem Zuvielgebrauch entgegenzuwirken. Es
sei nicht auszuschließen, daß § 47 Abs. 3 S. 3 AMG auch diesen
Zweck hinsichtlich Arzneimittel mit psychotropen Stoffen verfolge.
Damit gefährde aber die gesetzgeberische Maßnahme gerade nicht eine
optimale Krankenversorgung, sondern setze umgekehrt die
gesetzgeberischen Zielvorstellungen zur Eindämmung des Verbrauchs
bestimmter Arzneimittel um.
Entgegen der Ansicht der Beklagten könne jedoch ebenfalls nicht
von einer Verletzung des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes, Art. 3
Abs. 1 GG, durch § 47 Abs. 3 S. 3 AMG in der vom Landgericht
dargelegten Auslegung ausgegangen werden. Dies gelte auch
hinsichtlich der von der Beklagten geforderten Gleichbehandlung von
C.haltigen "ausgenommenen Zubereitungen" einerseits und dem
Schmerzmittel T. andererseits. Das sei schon deshalb der Fall, weil
punktuelle Ungenauigkeiten nicht immer zu vermeiden seien und die
Anlagen zum Betäubungsmittelgesetz einschließlich der Bezugnahmen
auf diese Anlagen daher nicht bereits deshalb insgesamt
verfassungswidrig sein könnten, weil diese Listen hinsichtlich
einzelner Zubereitungen noch unvollständig seien. Hinsichtlich der
von der Beklagten in diesem Zusammenhang angeführten Arzneimittel
müßte zudem davon ausgegangen werden, daß die dort enthaltenen
Zubereitungen ganz bewußt nicht von den Anlagen zum
Betäubungsmittelgesetz erfaßt würden, weil diese Zubereitungen auch
in höheren Konzentrationen nach der Einschätzung des
Verordnungsgebers nicht die Gefahrenschwelle überschritten, welche
eine Einstufung als "Betäubungsmittel" rechtfertigen könnte. Das
Gefährdungspotential von Substanzen wie T. (in dem Schmerzmittel
"T.") sei daher grundsätzlich ein anderes als dasjenige von Stoffen
und Zubereitungen, die in den Anlagen II und III zum
Betäubungsmittelgesetz verzeichnet seien. Hierin liege zugleich der
Differenzierungsgrund zwischen den genannten Gruppen von
Zubereitungen, welcher es rechtfertige, die eine Gruppe den aus der
Aufnahme in die Anlagen zum Betäubungsmittelgesetz für die
Musterabgabe resultierenden Rechtsfolgen zu unterwerfen und die
andere nicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Ausführungen der Klägerin in
der zweiten Instanz wird auf die Berufungserwiderungsschrift der
Klägerin vom 16.09.1996 Bezug genommen.
Gründe
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, hat jedoch in der Sache
keinen Erfolg.
Die als unmittelbar Verletzte oder jedenfalls nach § 13 Abs. 2
Ziff. 1 UWG klagebefugte und aktivlegitimierte Klägerin verlangt
von der Beklagten gemäß § 1 UWG in Verbindung mit § 47 Abs. 3 S. 3
AMG zu Recht, daß diese es unterläßt, ihr Analgetikum "C." als
Muster an Àrzte abzugeben.
Das beanstandete Wettbewerbshandeln der Beklagten verstößt gegen
§ 47 Abs. 3 S. 3 AMG.
Das Arzneimittel C. enthält C., damit einen der in den Anlagen
II des Betäubungsmittelgesetzes aufgeführten Wirkstoffe, die gemäß
§ 47 Abs. 3 S. 3 AMG zum Eingreifen des mit dieser Vorschrift
ausgesprochenen Musterabgabeverbots führen. Daß C. das C. in einer
Zusammensetzung aufweist, die der in der Anlage II des
Betäubungsmittelgesetzes zur Position "C." genannten "ausgenommenen
Zubereitung" entspricht, und C. infolgedessen kein Betäubungsmittel
im Sinne von § 1 Abs. 1 BtmG darstellt, ist unerheblich. Mit dem
Landgericht ist davon auszugehen, daß sich das Verbot des § 47 Abs.
3 S. 3 AMG auch auf diese "ausgenommene Zubereitung" von C.
erstreckt.
Für diese Interpretation des § 47 Abs. 3 S. 3 AMG spricht ganz
maßgeblich der Wortlaut der Vorschrift. Dieser beschränkt sich
nicht darauf, die ihrer Zusammensetzung nach von dem
Musterabgabeverbot umfaßten Arzneimittel durch eine bloße
Verweisung auf die Anlagen II und III des Betäubungsmittelgesetzes
zu beschreiben. Vielmehr signalisiert bereits der in den §§ 1 und 2
sowie in den Anlagen II und III des Betäubungsmittelgesetzes nicht
verwendete Einschub "als solche" in dem Hinweis des § 47 Abs. 3 S.
3 AMG "Stoffe oder Zubereitungen im Sinne des § 2 des
Betäubungsmittelgesetzes ... , die als solche in Anlage II oder III
des Betäubungsmittelgesetzes aufgeführt sind", daß eine
modifizierte Verweisung auf die in der Vorschrift genannten Anlagen
des Betäubungsmittelgesetzes gewollt ist. Die Wortbedeutung dieses
Einschubs nach dem allgemeinen Sprachgebrauch bestätigt dies, denn
danach werden die Worte "als solche" dazu verwendet, um kenntlich
zu machen, daß es nur auf die so bezeichnete Sache ("die Sache als
solche") unabhängig von ihren jeweiligen konkreten Modalitäten
ankommen soll. § 47 Abs. 3 S. 3 AMG muß deshalb nach diesem
Wortlaut dahin verstanden werden, daß es für das Eingreifen des
Musterabgabeverbots nur darauf ankommt, ob in einem Arzneimittel
ein in den Anlagen II oder III des Betäubungsmittelgesetzes
genannter Stoff oder eine dort genannte Zubereitung als solche
enthalten ist ungeachtet der jeweiligen konkreten Konzentration und
Zubereitungsart, damit auch ungeachtet etwaiger in den Anlagen für
bestimmte Zubereitungsarten genannter Ausnahmen wie die
"ausgenommenen Zubereitungen".
Es ist sehr fraglich, ob der Wortlaut des § 47 Abs. 3 S. 3 AMG
überhaupt ein anderes Verständnis zuläßt; auch die Beklagte
vermochte in beiden Instanzen keine Argumente anzuführen, die
geeignet wären, insoweit eine andere Auslegung zu begründen. Selbst
wenn man jedoch den Wortlaut der Norm nicht als eindeutig
erachtete, ergibt die Wortinterpretation der Vorschrift als ein
sich auch auf die sogenannten ausgenommenen Zubereitungen im Sinne
der Anlagen II und III des Betäubungsmittelgesetzes erstreckendes
Musterabgabeverbot jedenfalls das Verständnis, welches vom Wortlaut
des § 47 Abs. 3 S. 3 AMG nachdrücklich nahegelegt wird. Tatsächlich
war aber eine derartige, die "ausgenommenen Zubereitungen"
umfassende Reichweite des Musterabgabeverbots vom Gesetzgeber auch
gewollt, so daß ein etwaiger, nach dem Wortlaut der Norm
möglicherweise noch verbleibender Restzweifel zum Regelungsgehalt
dadurch behoben wird und § 47 Abs. 3 S. 3 AMG jedenfalls unter
Einbeziehung der sogenannten historischen Auslegungsmethode so zu
verstehen ist, wie durch den Wortlaut nahegelegt.
Im Regierungsentwurf zur 5. AMG-Novelle, mit der die
streitgegenständliche Regelung des § 47 Abs. 3 S. 3 AMG am
09.08.1994 in das Arzneimittelgesetz eingefügt worden ist, heißt es
hierzu (vgl. Kloesel/Cyran, Arzneimittelgesetz § 47 AMG, Stichwort
"5. Ànderungsgesetz"):
"Die Ànderungen in den Absätzen 3 und 4
ergeben sich aus der Richtlinie 92/28/EWG.
Danach dürfen keine Muster von
Arzneimitteln abgegeben werden, die psychotrope Substanzen oder
Suchtstoffe im Sinne der internationalen Óbereinkommen enthalten.
Dies betrifft auch sogenannte "ausgenommene Zubereitungen" im Sinne
des Betäubungsmittelrechtes."
Gerade bei zeitlich neuen und sachlich neuartigen Regelungen
kommt der im Gesetzgebungsverfahren deutlich werdenden
Regelungsabsicht des Gesetzgebers bzw. der am
Gesetzgebungsverfahren Beteiligten ein erhebliches Gewicht bei der
Auslegung zu, sofern diese Regelungsabsicht in dem Gesetz selbst
einen hinreichend bestimmten Ausdruck gefunden hat und Wortlaut und
Sinnzusammenhang der Norm Zweifel offen lassen (vgl. BVerfGE
11/126, 130; BVerfGE 54/277, 297 f.). Bei dem erst am 09.08.1994 in
das Arzneimittelgesetz eingeführten § 47 Abs. 3 S. 3 AMG handelt es
aber um eine zeitlich und sachlich neue Regelung im Sinne dieser
Grundsätze, bei der der Wille der am Gesetzgebungsverfahren
Beteiligten, das Musterabgabeverbot ebenfalls auf die sogenannten
ausgenommenen Zubereitungen der Anlagen II und III des
Betäubungsmittelgesetzes zu erstrecken, aus den bereits dargelegten
Erwägungen deutlich im Wortlaut der Norm zutage tritt.
Sinn und Zweck des in Rede stehenden Musterabgabeverbots und
seine systematische Stellung im Gesetz geben keinen Anlaß zu einer
abweichenden Interpretation seiner Reichweite.
§ 47 Abs. 3 S. 3 AMG ist eine der in § 47 Abs. 3 und Abs. 4 AMG
niedergelegten Regulative des Musterabgabewesens. Die schon mit dem
2. Ànderungsgesetz vom 16.08.1986 (BGBl I/1286) eingeführten
Bestimmungen des § 47 Abs. 3 und Abs. 4 waren geschaffen worden, um
"die Menge der Arzneimittelmuster zu begrenzen und das
Musterabgabewesen aus Gründen der Arzneimittelsicherheit
überschaubar zu halten" (vgl. dazu AMG-Erfahrungsbericht 1993,
BT-Ds 12/5226, S. 23; amtliche Begründung zum 2.
AMG-Ànderungsgesetz, zitiert bei Kloesel/Cyran, aaO., § 47 AMG) und
dadurch der damals festgestellten Gefahr der Ausuferung des
Musterabgabewesens zu begegnen. § 47 Abs. 3 S. 3 AMG ergänzt diese
auf die Begrenzung des Umfangs und des Abgabeweges zielenden
Regelungen durch eine sich an den in den Arzneimittelmustern
enthaltenen Stoffen und Zubereitungen anknüpfende Beschränkung.
Erfaßt werden dabei alle Arzneimittelmuster, die Wirkstoffe
enthalten, welche wegen ihrer potentiellen Gefährlichkeit als
Betäubungsmittel in den Anlagen II und III des
Betäubungsmittelgesetzes aufgeführt sind und - im Grundsatz - den
besonderen Voraussetzungen und Kontrollen des
Betäubungsmittelgesetzes einschließlich der dort genannten
Strafandrohungen unterworfen sind. Daß sich § 47 Abs. 3 Satz 3 AMG
dabei nur an der generellen potentiellen Gefährlichkeit dieser
Substanzen und ihrer Zubereitungen orientiert, nicht aber die
dortigen Wertungen zur konkreten Gefährlichkeit bzw.
Ungefährlichkeit bestimmter Zubereitungsarten (wie den sogenannten
"ausgenommenen Zubereitungen") übernimmt, macht die Norm nicht
sinn- und systemwidrig. Im Rahmen des Betäubungsmittelgesetzes geht
es darum, einerseits dem großen Problem der Suchtgefahr mit
geeigneten Verboten und Kontrollmaßnahmen (einschließlich
Strafdrohungen) entgegenzuwirken, andererseits aber auch
sicherzustellen, daß Arzneimitteln mit Substanzen, die wegen ihrer
potentiellen Gefährlichkeit als Betäubungsmittel in die Anlagen zum
Betäubungsmittelgesetz aufgenommen worden sind, in geeigneten
Zubereitungen im Einzelfall Patienten zur Behebung von
Krankheitszuständen zur Verfügung stehen. § 47 Abs. 3 S. 3 AMG
beschäftigt sich demgegenüber ausschließlich mit der Bewerbung der
Arzneimittel durch Abgabe von Gratismustern an Àrzte und die
anderen in § 47 Abs. 3 S. 1 AMG genannten Verkehrskreise, ohne daß
damit die Abgabe der regulären Arzneimittel an den Patienten
eingeschränkt wird. Schon deshalb stellt es keinen Widerspruch zum
Betäubungsmittelgesetz und dessen Wertungen dar, wenn § 47 Abs. 3
S. 3 AMG zwar an die Anlagen II und III des
Betäubungsmittelgesetzes anknüpft, was den Vorteil hat, daß keine
eigenen Listen aufgestellt werden müssen und Ànderungen der
erwähnten Anlagen sich automatisch auch auf die Reichweite des § 47
Abs. 3 S. 3 AMG auswirken, aber den Umfang des Werbeverbots nicht
an der konkreten Gefährlichkeit bestimmter Zubereitungen im
Einzelfall ausrichtet, sondern das Musterabgabeverbot weiterfaßt,
indem die Norm nur auf die "grundsätzliche" Einstufung der
Substanzen als Betäubungsmittel abstellt.
Auch unter dem Blickwinkel des Art. 11 Abs. 1 g der
EG-Richtlinie 92/28/EWG vom 31. März 1992 über die Werbung für
Humanarzneimittel (ABL. Nr. L 113/13), dessen Umsetzung § 47 Abs. 3
S. 3 AMG dient, ergibt sich kein Anlaß, das in Rede stehende
Musterabgabeverbot in einer anderen Weise zu beurteilen, als dies
nach den vorstehenden Erörterungen vom Wortlaut der Norm und der
Begründung des Regierungsentwurfs zur 5. AMG-Novelle vorgegeben
wird. Eine Diskrepanz zwischen § 47 Abs. 3 S. 3 AMG und der
erwähnten europarechtlichen Vorschrift besteht bereits deshalb
nicht, weil Art. 11 Abs. 2 der EG-Richtlinie 92/28/EWG den
Mitgliedsstaaten die Möglichkeit einräumt, die Abgabe von Mustern
bestimmter Arzneimittel über Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie hinaus
einzuschränken. Art. 11 Abs. 1 g der EG-Richtlinie läßt sich jedoch
auch ohne Heranziehung des Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie dahin
verstehen, daß nach dieser europarechtlichen Vorgabe ebenfalls die
sogenannten "ausgenommenen Zubereitungen" vom Musterabgabeverbot
erfaßt sein sollen. Nach Art. 11 Abs. 1 g der EG-Richtlinie dürfen
"keine Muster von Arzneimitteln abgegeben werden, die psychotrope
Substanzen oder Suchtstoffe im Sinne der internationalen
Óbereinkommen enthalten". Die Vorschrift verweist damit auf das
Einheits-Óbereinkommen von 1961 über Suchtstoffe vom 30.03.1961
(BGBl II/1211) und auf das Óbereinkommen von 1971 über psychotrope
Stoffe vom 21.02.1971 (BGBl II/1239). Dem Óbereinkommen von 1961
(in dessen Anlagen II und III C. bzw. Zubereitungen von C.
aufgeführt sind) lassen sich keine Anhaltspunkte entnehmen, die
gegen die Auslegung des Art. 11 Abs. 1 g der Richtlinien als ein
sich auch auf "ausgenommene Zubereitungen" erstreckendes
Musterabgabeverbot sprechen könnten. Auch die Beklagte macht
derartige Anhaltspunkte nicht geltend. Das Óbereinkommen von 1971
über psychotrope Stoffe kennt ebenfalls den Begriff der
"ausgenommenen Zubereitungen", wie aus Art. 3 Abs. 2 und Abs. 3 des
Óbereinkommens hervorgeht. Es handelt sich dabei um Zubereitungen
psychotroper Stoffe, die bei Vorliegen der im Óbereinkommen
genannten Voraussetzungen den Vertragsparteien die Möglichkeit
geben, diese Zubereitungen von bestimmten in dem Óbereinkommen
vorgesehenen Kontrollmaßnahmen auszunehmen, wobei das Óbereinkommen
zugleich anführt, von welchen Kontrollmaßnahmen nicht befreit
werden kann. In Art. 3 Abs. 4 des Óbereinkommens von 1971 wird
sodann geregelt, unter welchen Voraussetzungen es wieder zur
Aufhebung der Ausnahme für die Zubereitung kommen kann. Die
sogenannte "ausgenommene Zubereitung" im Sinne des Óbereinkommens
von 1971 stellt danach eine den einzelnen Vertragsparteien
eingeräumte Möglichkeit dar, eine Ausnahmeregelung zu schaffen,
ändert aber nichts daran, daß der psychotrope Stoff, der in der
Zubereitung enthalten ist, eine psychotrope Substanz bzw. ein
Suchtstoff im Sinne des Óbereinkommens von 1971 ist. Der Wortlaut
des Art. 11 Abs. 1 g der Richtlinie 92/28/EWG, der allein darauf
abstellt, ob in den Arzneimittelmustern psychotrope Substanzen oder
Suchtstoffe im Sinne der internationalen Óbereinkommen enthalten
sind, legt daher entgegen der Ansicht von W., Pharma Recht 1993/325
f. 328, ebenso wie § 47 Abs. 3 S. 3 AMG die Auslegung nahe, daß
auch die sogenannten "ausgenommenen Zubereitungen" von diesem
Musterabgabeverbot erfaßt sein sollen. Diese Interpretation steht
nicht im Widerspruch zu den Erwägungsgründen der EG-Richtlinie.
Dort wird zwar anerkannt, daß die Abgabe von Arzneimittelmustern an
Àrzte "unter Einhaltung bestimmter einschränkender Bedingungen"
möglich sein soll, "damit sich diese mit neuen Arzneimitteln
vertraut machen und Erfahrungen bei deren Anwendung sammeln
können". Die Erwägungsgründe der EG-Richtlinie weisen jedoch
zugleich darauf hin, daß die Arzneimittelwerbung strengen
Voraussetzungen und einer wirksamen Kontrolle zu unterwerfen ist,
wobei bei den Arzneimittelmustern - wie schon erwähnt - die
"Einhaltung bestimmter einschränkender Bedingungen" als notwendig
erachtet wird.
§ 47 Abs. 3 S. 3 AMG als ein auch die sogenannten ausgenommenen
Zubereitungen umfassendes Verbot steht daher im Einklang mit den
europarechtlichen Vorgaben des Musterabgabeverbots.
Bei Berücksichtigung aller erörterten Auslegungsmethoden ist
somit § 47 Abs. 3 S. 3 AMG als ein auch die sogenannten
"ausgenommene Zubereitungen" im Sinne der Anlagen II und III des
Betäubungsmittelgesetzes umfassendes Musterabgabeverbot zu
verstehen. Hat aber diese Vorschrift danach einen eindeutigen
Regelungsgehalt, besteht schon deshalb keine Möglichkeit, sie
jedenfalls im Wege der verfassungskonformen Auslegung in anderer
Weise zu interpretieren. Voraussetzung für eine derartige Auslegung
wäre nämlich, daß eine Vorschrift mehrere Verständnismöglichkeiten
zuläßt (ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, vgl.
z.B. BVerfGE 31/119, 132; BVerfGE 32/372, 383), was jedoch bei § 47
Abs. 3 S. 3 AMG nicht der Fall ist. Die von der Beklagten geltend
gemachte Verfassungswidrigkeit der Regelung des § 47 Abs. 3 S. 3
AMG bei Erstreckung des Verbots auf die sogenannten "ausgenommenen
Zubereitungen" könnte somit allenfalls gemäß Art. 100 Abs. 1 GG
Anlaß geben, die Sache dem Bundesverfassungsgericht zur
Entscheidung vorzulegen. Aber auch dies kommt nicht in Betracht,
denn § 47 Abs. 3 S. 3 AMG verstößt weder gegen Art. 12 Abs. 1, 2
Abs. 1, 3 Abs. 1 GG noch sonst gegen Verfassungsrecht.
§ 47 Abs. 3 S. 3 AMG regelt das Werbeverhalten der
pharmazeutischen Unternehmen bei der Abgabe von Arzneimittelmuster
an Àrzte und an die anderen in § 47 Abs. 3 S. 1 AMG genannten
Verkehrskreise. Damit berührt dieses Musterabgabeverbot den
Schutzbereich der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG, zu dem auch
das Verhalten im Wettbewerb einschließlich der Werbung gehört
(BVerfG NJW 1993/1969 m.w.N.).
Werbebeschränkungen betreffen jedoch regelmäßig nicht den Zugang
zu einem Beruf, sondern nur dessen Ausübung (BVerfGE 9/213, 221;
BVerfG NJW 1993/1969). Im Streitfall gilt - ersichtlich auch nach
dem Verständnis der Beklagten - nichts anderes. Die Regelung des §
47 Abs. 3 S. 3 AMG beschränkt lediglich die Möglichkeit der
Pharmaunternehmen, Gratismuster bestimmter Arzneimittel abzugeben
und dergestalt für diese Präparate zu werben. Damit wird durch § 47
Abs. 3 S. 3 AMG weder das Werbemittel der Musterabgabe völlig
abgeschafft noch den Pharmaunternehmen hinsichtlich der von dieser
Norm erfaßten Arzneimittel jegliche Möglichkeit genommen, die Àrzte
und die anderen in § 47 Abs. 3 S. 1 AMG angeführten Verkehrskreise
über ihre Produkte zu informieren. Vielmehr verbleiben den
Pharmaunternehmen zahlreiche andere Werbeformen wie insbesondere
die Veröffentlichung in Fachpublikationen, das Óbersenden von
Fachinformationen, die Durchführung von Fachveranstaltungen und die
Vorstellung der Produkte bei den einzelnen Àrzten durch die
Arzneimittelvertreter. Das Musterabgabeverbot beinhaltet damit
keine Beschränkung der Berufswahl und stellt auch keine
Berufsausübungsregelung dar, die wegen ihrer einschneidenden
Wirkung wie ein Eingriff in das Recht der Berufswahl zu werten wäre
(vgl. dazu BVerfGE 17/269, 276; BVerfGE 25/1,12). Die Zulässigkeit
der in § 47 Abs. 3 S. 3 AMG enthaltenen Berufsausübungsregelung
bestimmt sich deshalb im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG
danach, ob diese Regelung durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls
gerechtfertigt, das gewählte Mittel zur Erreichung des verfolgten
Zwecks geeignet und erforderlich und die durch sie bewirkte
Beschränkung den Betroffenen zumutbar ist (BVerfGE 9/213, 221;
BVerfGE 68/193, 198; BVerfGE NJW 1993/1969, 1970 m.w.N.). § 47 Abs.
3 S. 3 AMG genügt diesen Anforderungen.
Wie bereits erörtert hatten sich die mit dem 2.
AMG-Ànderungsgesetz vom 16.08.1986 in das AMG eingefügten
Beschränkungen der Musterabgabe als notwendig erwiesen, um aus
Gründen der Arzneimittelsicherheit den festgestellten Problemen -
insbesondere dem Ausufern des Musterabgabewesens - zu begegnen. Die
erkannten Probleme waren dabei derart erheblich, daß die
Bundesregierung 1986 vom Bundestag aufgefordert worden war, "die
Entwicklung bei der Abgabe von Arzneimittelmuster zu beobachten, um
gegebenenfalls bei mißbräuchlicher Anwendung entsprechende
Maßnahmen zu veranlassen" (Beschluß des Deutschen Bundestages zum
2. AMG-Ànderungsgesetz, abgedruckt in BT-Ds 12/5226, S. 56). Aus
dem AMG-Erfahrungsbericht 1993 (BT-Ds 12/5226, S. 23) geht hervor,
daß die Neuregelung der Musterabgabe durch das 2.
AMG-Ànderungsgesetz es nicht geschafft hat, die Probleme im
Musterabgabewesen auszuräumen. Die Bundesregierung gelangt zwar in
dem AMG-Erfahrungsbericht 1993 zu der Feststellung, daß die
bisherige Regelung zur Abgabe von Arzneimittelmustern sachgerecht
sei. Ersichtlich erkennt aber auch die Bundesregierung an, daß
immer noch Problemebestanden haben, wenn es in dem
AMG-Erfahrungsbericht 1993 heißt:
"Bei verantwortungsvoller Einhaltung
und durch wirksame Óberwachung dieser Regulative können die
erkannten Probleme zurückgedrängt werden."
Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung der
Zielsetzung des Betäubungsmittelgesetzes kann kein Zweifel
bestehen, daß § 47 Abs. 3 S. 3 AMG in der streitgegenständlichen
Auslegung hinreichenden Gründen des Gemeinwohls entspricht. Das
Musterabgabeverbot unterstützt die Ziele des
Betäubungsmittelgesetzes, insbesondere im Interesse der allgemeinen
Gesundheit zur Bekämpfung der Suchtgefahr durch die in den Anlagen
des Betäubungsmittelgesetzes angeführten Stoffe und Zubereitungen
den Verkehr mit diesen Substanzen wirksam zu kontrollieren und
einzugrenzen, indem z.B. eine erleichterte Abgabe derartiger
Arzneimittelmuster an den Patienten verhindert wird und darüber
hinaus auch einem möglichen Mißbrauch bei der Entsorgung solcher
Arzneimittel mit Betäubungsmittel auf diese Weise begegnet werden
kann. Daß dabei das Verbot auch die sogenannten "ausgenommenen
Zubereitungen" der Anlagen II und III des Betäubungsmittelgesetzes
umfaßt, erhöht dessen Effektivität. Kommt es nämlich nur darauf an,
ob ein Arzneimittelmuster einen Stoff oder eine Zubereitung als
solche im Sinne der erwähnten Anlagen des Betäubungsmittelgesetzes
enthält, und bedarf es deshalb keiner Prüfung, ob eventuell der
Stoff oder die Zubereitung eine der in den Anlagen II und III des
Betäubungsmittelgesetzes angeführten sehr komplexen
Zusammensetzungen der sogenannten "ausgenommenen Zubereitungen"
aufweist, erleichtert dies den Óberwachungsbehörden die Kontrolle
der Einhaltung des Musterabgabeverbots für Arzneimittel mit
Suchtstoffen. Das sich auch auf die "ausgenommenen Zubereitungen"
erstreckende Musterabgabeverbot unterstützt schließlich auch die im
AMG-Erfahrungsbericht 1993 ersichtlich nicht ohne Grund angeführte
Bestrebung, einem Ausufern des Muster-Abgabewesens wirksam zu
begegnen, hier auf dem sensiblen Bereich der Betäubungsmittel.
Daß das Musterabgabeverbot mit diesem weiten Bereich zur
Erreichung der verfolgten, durch hinreichende Gründe des
Gemeinwohls gerechtfertigten Zwecke geeignet ist, liegt auf der
Hand. § 47 Abs. 3 S. 3 AMG ist jedoch zur Erreichung der verfolgten
Zwecke auch erforderlich. Hierbei war zu beachten, daß dem
Gesetzgeber bei wirtschaftsordnenden Maßnahmen, wie bei dem in Rede
stehenden Musterabgabeverbot, hinsichtlich der Auswahl und der
Gestaltung der Maßnahme ein weiterer Ermessungsbereich zuzugestehen
ist. Eine gesetzliche Regelung ist deshalb nicht schon dann als
unangemessen und deshalb als verfassungswidrig anzusehen, wenn es
Lösungen gibt, die gegenüber der gesetzlichen Regelung gewisse
Vorzüge aufweisen. Vielmehr können diese Lösungen nur dann eine
Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelung wegen Verstoßes
gegen das Óbermaßverbot begründen, wenn sie sachlich dasselbe
leisten und dabei die Freiheit des Einzelnen weniger einschränken
(BVerfGE 25/1,19 f.). Die von der Beklagten angeführte
"schonendere" Maßnahme gegenüber der gesetzlichen Regelung - ein
Musterabgabeverbot, das sich vollständig an der
Gefährdungseinschätzung der Anlagen II und III des
Betäubungsmittelgesetzes ausrichtet und damit nicht die sogenannten
"ausgenommenen Zubereitungen" umfaßt - wäre aber kein Mittel, mit
dem die von der gesetzlichen Regelung angestrebten Ziele in gleich
wirksamer Weise gefördert würden. Hierbei kann auf die vorstehenden
Erörterungen zu Sinn und Zweck des § 47 Abs. 3 S. 3 AMG und seine
Wirkungsweise zurückgegriffen werden. Hauptziel des § 47 Abs. 3 S.
3 AMG ist es, im Interesse des allgemeinen Gesundheitsschutzes
einem Mißbrauch von Arzneimitteln mit Wirkstoffen, die
Suchtgefahren auslösen können, vorzubeugen, indem mit dem
Musterabgabeverbot der möglichen Gefahr entgegengetreten wird, daß
derartige Arzneimittelmuster in den Arztpraxen in erleichterter
Weise an den Patienten gelangen können, aber auch der Gefahr eines
Mißbrauchs zum Beispiel bei der Entsorgung verfallener Arztmuster
begegnet wird. Gerade bei Arzneimitteln mit Betäubungsmitteln ist -
soll das Musterabgabeverbot seine Wirkung entfalten - eine
effektive Kontrolle des Verbots geboten, zumal sich ausweislich des
AMG-Erfahrungsberichts 1993 (BT-Ds 12/5226, S. 23, gezeigt hat, daß
die bereits früher eingeführten Regulative der Musterabgabe
zumindest einer wirksamen Óberwachung bedürfen, um die immer noch
bestehenden Probleme eines Ausuferns des Musterabgabewesens
zurückzudrängen. § 47 Abs. 3 S. 3 AMG schafft in der jetzigen
Fassung, die unter Außerachtlassung der teilweise sehr komplexen
Ausnahmeregelungen für die sogenannten "ausgenommenen
Zubereitungen" nur darauf abstellt, ob Arzneimittel Wirkstoffe der
in den Anlagen II oder III des Betäubungsmittelgesetzes genannten
Art, in welcher Konzentration und Zubereitung auch immer aufweisen,
eine klare Grenzziehung zwischen den erlaubten und den verbotenen
Arzneimittelmustern. Dadurch kann die Óberwachung des Verbots
erleichtert und damit zugleich seine Einhaltung und Wirksamkeit
gefördert werden. Demgegenüber stellt es eine Erschwerung der
Kontrolle mit den sich daraus ergebenden Gefahren bei einer
unzureichenden Óberwachung des Verbots dar, wenn sich die
Óberprüfung der Arzneimittelmuster nicht nur darauf erstrecken muß,
ob Stoffe der Anlagen II oder III des Betäubungsmittelgesetzes
darin enthalten sind, sondern auch, in welcher Zubereitung und ob
die jeweilige Zubereitung den Anforderungen einer "ausgenommenen
Zubereitung" entspricht. Angesichts der zahlreichen Medikamente,
die auf dem deutschen Markt sind, und der großen Zahl der Àrzte
kann dieser Umstand trotz der gemäß § 47 Abs. 4 AMG jährlich nur
erlaubten zwei Muster je Arzt bei der Prüfung der Wirksamkeit der
gesetzlichen Regelung gegenüber einem die sogenannten ausgenommenen
Zubereitungen nicht umfassenden Musterabgabeverbots nicht
vernachlässigt werden.
Soweit die Beklagte geltend macht, § 47 Abs. 3 S. 3 AMG sei in
der streitgegenständlichen Auslegung schon wegen der durch die
anderen Regulative herbeigeführten Beschränkungen der Musterabgabe,
insbesondere wegen der in § 47 Abs. 4 AMG enthaltenen Begrenzung,
übermäßig, steht dem bereits entgegen, daß § 47 Abs. 3 S. 3 AMG aus
sachgemäßen Gründen des Gemeinwohls eine andere Zielsetzung als die
übrigen Muster-Begrenzungen verfolgt, nämlich die Beschränkung der
Abgabe von Arzneimittelmuster mit Stoffen und Zubereitungen, die
grundsätzlich als gefährlich einzuschätzen sind. Im übrigen gilt
auch hier, daß die Regelung des § 47 Abs. 4 AMG zwar die
Musterabgabe gegenüber dem einzelnen Arzt (und den anderen in § 47
Abs. 3 S. 3 AMG genannten Verkehrskreise) einschränkt, angesichts
der großen Zahl der auf dem Markt befindlichen Medikamente und der
großen Zahl der Àrzte dieser Umstand aber nichts daran ändert, daß
entsprechende Mengen mit der sich daraus ergebenden
Mißbrauchsgefahr in den Verkehr gelangen.
Die gesetzliche Regelung des § 47 Abs. 3 S. 2 AMG ist daher
entsprechend den dargelegten Grundsätzen erforderlich und verstößt
nicht gegen das Óbermaßverbot.
Schließlich kann keine Rede davon sein, daß das
Musterabgabeverbot die Berufsausübung unzumutbar einschränkt. Die
Beklagte weist zwar zu Recht darauf hin, daß die Abgabe von
Arzneimittelmuster sowohl im AMG-Erfahrungsbericht 1993 als auch in
den Erwägungsgründen der EG-Richtlinie 92/28/EWG als
Informationsmöglichkeit der Àrzte anerkannt wird. § 47 Abs. 3 S. 3
AMG führt aber nicht zu einer vollständigen Abschaffung der
Musterabgabe, sondern untersagt eine derartige Abgabe nur
hinsichtlich bestimmter Arzneimittel. Dieses Verbot hat zudem nicht
zur Folge, daß damit eine Information des Arztes über diese
Produkte nicht mehr möglich ist. Vielmehr bleiben, wie bereits
erörtert, den Pharmaunternehmen zahlreiche, von ihnen unstreitig
auch seit langem genutzte Werbemöglichkeiten wie zum Beispiel die
Vorstellung des Produkts im persönlichen Gespräch durch den
Arzneimittelvertreter, die Óbersendung von ausführlichen
Fachinformationen, die Publikation entsprechender Informationen in
den Fachzeitschriften oder auch die Information im Rahmen von
Fachveranstaltungen. Es ist nicht ersichtlich, daß diese
Werbemöglichkeiten zur Information der Àrzte nicht ausreichend
sind. Insbesondere ist nicht ersichtlich, daß die Abgabe von
Gratismuster an Àrzte, wie die Beklagte meint, für die Erprobung
der Produkte durch die Àrzte unabdingbar sei. Jedem Arzneimittel
geht, bevor es auf den Markt gelangt, unstreitig eine umfangreiche
Erprobung voraus, deren Ergebnisse sich in den ausführlichen
Fachinformationen zum Medikament niederschlagen. Bei dem einzelnen
Arzt kann es daher nur darum gehen, zu testen, ob ein bestimmtes
Medikament auch bei dem konkreten Patienten die in den
Fachinformationen genannten Wirkungen entfaltet und für diesen
Patienten verträglich ist. Der Arzt, der eines der beiden ihm pro
Jahr abgegebenen Arzneimittelmuster einem Patienten zur Verfügung
stellt, erprobt damit dieses Arzneimittelmuster nicht anders als
derjenige Arzt, der einem Patienten das ihm zum Beispiel durch
Publikationen in der Fachliteratur bekannt gewordene Arzneimittel
verschreibt. Nach alledem überschreitet § 47 Abs. 3 S. 3 AMG bei
Gesamtabwägung zwischen der Schwere des mit dieser Regelung
verbundenen Eingriffs in das Grundrecht des Art. 12 Abs. 1 GG und
den Gründen, die zu diesem Eingriff geführt haben, nicht die Grenze
der Zumutbarkeit. Dies gilt umso mehr, wenn man berücksichtigt, daß
es bei § 47 Abs. 3 S. 3 AMG um den Schutz der menschlichen
Gesundheit geht, damit um ein besonders hohes Schutzgut, dessen
Schutz auch mit Mitteln angestrebt werden darf, die in das
Grundrecht der Berufsfreiheit empfindlich eingreifen (BVerfGE
17/268, 276).
Liegt danach ein Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG nicht vor,
vermag Art. 2 Abs. 1 GG ebenfalls keine Verfassungswidrigkeit des
streitgegenständlichen Musterabgabeverbots zu begründen. Auch
insoweit geht es nur um die Beschränkung der allgemeinen
Handlungsfreiheit in der Form der Werbefreiheit, also um den schon
bei Art. 12 Abs. 1 GG geprüften Aspekt. Art. 2 Abs. 1 GG wird daher
durch das spezielle Grundrecht des Art. 12 Abs. 1 GG verdrängt
(vgl. BVerfG NJW 1993/1969, 1971).
Es fehlt jedoch ebenfalls an einem Verstoß des § 47 Abs. 3 S. 3
GG gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
Die Beklagte sieht die Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes des
Art. 3 Abs. 1 GG darin, daß als Folge der nur eingeschränkten
Verweisung des § 47 Abs. 3 S. 3 AMG auf die Anlagen II und III des
Betäubungsmittelgesetzes das Arzneimittel C., dessen C.gehalt
unterhalb der betäubungsmittelrechtlich vorgegebenen
Relevanzschwelle liege, von dem Musterabgabeverbot erfaßt werde,
nicht jedoch das mit diesem Arzneimittel konkurrierende
Schmerzmittel T., weil die in T. enthaltene psychotrope Substanz T.
weder von der EG-Richtlinie 92/28/EWG noch von den Anlagen II oder
III des Betäubungsmittelgesetzes erfaßt werde. Es fehlt jedoch an
einem ausreichenden Sachvortrag der Beklagten, um - gegenbenenfalls
mit Hilfe eines Sachverständigen - beurteilen zu können, ob T.
tatsächlich in vergleichbarer Weise gefährlich ist wie C. und die
Arzneimittel C. und T. infolgedessen ohne sachlichen Grund
unterschiedlich behandelt werden. Zu einem derartigen Vortrag der
Beklagten bestand Anlaß, nachdem die Klägerin die Vergleichbarkeit
der sich gegenüberstehenden Substanzen bestritten hat und die
Beklagte selbst in ihrer Berufungsbegründung vom 05.06.1996 (Bl. 10
= Bl. 149 d.A.) Zweifel gegenüber einer Vergleichbarkeit von C. und
T. vorträgt, wenn es dort heißt, daß C. eine zweifache, wenn auch
jeweils ganz geringe suchterzeugende Wirkung aufweise, die gerade
dem C. zueigen sei und möglicherweise dazu geführt habe, warum T.
nicht in die Anlagen zum Betäubungsmittelgesetz aufgenommen worden
ist. Die Beklagte war bereits in der angefochtenen Entscheidung des
Landgerichts auf die Notwendigkeit weiterer Darlegungen zu T. bzw.
T. hingewiesen worden. Der Senat hat die Beklagte im
Berufungstermin ebenfalls darauf hingewiesen, worauf die Beklagte
erklärt hat, ein weiterer Vortrag zu T. bzw. T. erfolge nicht.
Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG ist zudem auch aus folgenden
Erwägungen zu verneinen: Die Bewertung, welche Wirkstoffe allein
oder in bestimmten Zubereitungen wegen ihrer Gefährlichkeit als
Betäubungsmittel anzusehen und den besonderen Anforderungen des
Betäubungsmittelgesetzes zu unterwerfen sind, unterliegt einer
ständigen Diskussion. Wirkstoffe oder Zubereitungen, die zunächst
als unbedenklich oder wenig gefährlich eingeschätzt werden, können
sich später als gefährlich herausstellen oder zumindest Anlaß zu
einer verschärften Beobachtung geben; neue Substanzen, die
Suchtgefahr auslösen können, werden entdeckt. Die mehrfachen
Ànderungen, die die Anlagen I, II und III des
Betäubungsmittelgesetzes bis zu ihrer vorerst letzten Ànderung
durch die 5. Verordnung zur Ànderung betäubungsmittelrechtlicher
Vorschriften vom 18.01.1994 (BGBL I, 99) erfahren haben, spiegeln
diese Entwicklung deutlich wieder (vgl. dazu z.B. den Óberblick bei
Körner, Betäubungsmittelgesetz, 4. Aufl., 1996, § 1 BtmG Rdnr. 8
bis 22). Schon vor diesem Hintergrund kann der Umstand, daß eine
einzelne Substanz, wie eventuell T. (das ausweislich Körner,
a.a.O., Anhang AMG Rdnr. 51 darauf beobachtet wird, ob es als
Opiatersatzstoff mißbraucht wird), - noch - nicht in den Anlagen
des Betäubungsmittelgesetzes verzeichnet ist, nicht dazu führen,
diese Listen mit den auf sie verweisenden Gesetzesvorschriften, wie
hier § 47 Abs. 3 S. 3 AMG, gemäß Art. 3 Abs. 1 GG als
verfassungswidrig anzusehen, auch wenn diese Substanz
möglicherweise das gleiche suchtgefährdende Potential wie die
anderen in den Anlagen genannten Substanzen aufweist. Derartige
punktuelle Ungenauigkeiten hängen mit der Besonderheit der hier zu
regelnden Materie zusammen, bei der sich oftmals erst nach längerer
Beobachtung die Sucht- bzw. Mißbrauchsgefahr bestimmter Substanzen
und Zubereitungen ausreichend sicher beurteilen läßt und wo es
deshalb schon fast zwangsläufig ist, daß eine Erfassung aller hier
in Rede stehenden Substanzen in den Anlagen zum
Betäubungsmittelgesetz nie vollständig sein wird.
Das Musterabgabeverbot des § 47 Abs. 3 S. 3 AMG steht daher,
auch soweit es die sogenannten "ausgenommenen Zubereitungen" der
Anlagen II oder III des Betäubungsmittelgesetzes erfaßt, im
Einklang mit den Art. 12 Abs. 1, 2 Abs. 1 und 3 Abs. 1 GG. Daß die
in Rede stehende Norm unter anderen Aspekten gegen Verfassungsrecht
verstoßen könnte, ist nicht ersichtlich und wird von der Beklagten
auch nicht geltend gemacht.
Die damit vorliegende Zuwiderhandlung der Beklagten gegen § 47
Abs. 3 S. 3 AMG erfüllt zugleich den Tatbestand des § 1 UWG. Dies
gilt schon deshalb, weil das Musterabgabeverbot aus den oben
angeführten Erwägungen dem Schutzgut der Gesundheitsvorsorge dient
und damit eine sogenannte wertbezogene Vorschrift darstellt, deren
Verletzung ohne Hinzutreten weiterer Umstände den
Unterlassungsanspruch aus § 1 UWG begründet. Im übrigen setzt sich
die Beklagte bewußt über das Verbot des § 47 Abs. 3 S. 3 AMG
hinweg, um auf diese Weise einen sachlich nicht gerechtfertigten
Vorsprung vor ihren Mitbewerbern zu gewinnen, die - wie die
Klägerin - ersichtlich dieses Verbot respektieren, so daß das
Vorgehen der Beklagten auch unter diesem Aspekt einen Verstoß gegen
§ 1 UWG darstellt (vgl. zu diesen Grundsätzen Baumbach-Hefermehl,
Wettbewerbsrecht, 19. Aufl., § 1 UWG Rdnr. 646 m.w.N.).
Die Klägerin ist aktivlegitimiert, den sich somit aus § 1 UWG in
Verbindung mit § 47 Abs. 3 S. 3 AMG ergebenden
Unterlassungsanspruch gegenüber der Beklagten geltend zu machen.
Unabhängig davon, ob die Klägerin als unmittelbar Verletzte der in
Rede stehenden Wettbewerbshandlung der Beklagten anzusehen ist, ist
sie jedenfalls gemäß § 13 Abs. 2 Ziff. 1 UWG aktivlegitimiert, wie
auch die Beklagte nicht in Zweifel zieht. Wie die Beklagte stellt
die Klägerin A. her und vertreibt diese bundesweit. Daß die
Wettbewerbshandlung der Beklagten im Sinne von § 13 Abs. 1 Ziff. 1
UWG geeignet ist, den Wettbewerb auf dem in Rede stehenden Markt
wesentlich zu beeinträchtigen, ist schon angesichts der Marktstärke
der Beklagten im Hinblick auf die von ihrer Handlung ausgehenden
erhebliche Nachahmungsgefahr entsprechender Wettbewerbsverletzungen
durch andere Pharmaunternehmen zu bejahen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht
gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Beschwer der Beklagten war gemäß § 546 Abs. 2 ZPO
festzusetzen und entspricht dem Wert des Unterliegens der Beklagten
im Rechtsstreit.
OLG Köln:
Urteil v. 14.02.1997
Az: 6 U 43/96
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/7be0561bd2f9/OLG-Koeln_Urteil_vom_14-Februar-1997_Az_6-U-43-96