Bundespatentgericht:
Beschluss vom 8. Dezember 2005
Aktenzeichen: 17 W (pat) 82/03
(BPatG: Beschluss v. 08.12.2005, Az.: 17 W (pat) 82/03)
Tenor
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des Deutschen Patent- und Markenamts vom 4. August 2003 aufgehoben und die Sache zur weiteren Prüfung und Entscheidung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.
Gründe
I.
Die vorliegende Patentanmeldung ist beim Deutschen Patent- und Markenamt in englischer Sprache angemeldet worden unter der Bezeichnung:
"Onchip high speed data interface", übersetzt als "Hochgeschwindigkeitsdatenschnittstelle auf einem Chip".
Sie wurde von der Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des Deutschen Patent- und Markenamts durch Beschluss vom 4. August 2003 mit der Begründung zurückgewiesen, dass sich der Merkmalsumfang des Patentanspruchs 1 nicht auf erfinderische Weise vom bekannten Stand der Technik unterscheide. Dasselbe gelte für die nebengeordneten Ansprüche 26 und 39.
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie verfolgt die Anmeldung auf der Grundlage der in der mündlichen Verhandlung überreichten Patentansprüche 1 bis 43 weiter.
Der geltende Anspruch 1, hier mit einer denkbaren Gliederung versehen, lautet:
"Integrierter Schaltkreischip, a) umfassend eine erste und eine zweite Schaltungseinheit (300, 330, 1100, 1130), wobei:
b) die erste und zweite Schaltungseinheit Anforderungen an die jeweils andere erste bzw. zweite Schaltungseinheit senden können;
c) die erste und zweite Schaltungseinheit eine Antwort zurücksenden können, wenn sie eine Anforderung empfangen, die eine Antwort erfordert;
d) die erste Schaltungseinheit Daten bezüglich einer zu sendenden Anforderung speichern kann; unde) die zweite Schaltungseinheit keine Daten bezüglich einer empfangenen Anforderung speichern kann, f) wobei die Daten bezüglich einer Anforderung Anforderungsdaten enthalten, die die Anforderung bilden, g) wobei die zweite Schaltungseinheit mit der ersten Schaltungseinheit verbunden ist, um ein Steuersignal an die erste Schaltungseinheit zu liefern, und wobei die erste Schaltungseinheit eingerichtet ist zum Verzögern des Sendens weiterer Anforderungsdaten, wenn das Steuersignal anzeigt, dass die zweite Schaltungseinheit nicht bereit zum Empfangen weiterer Anforderungsdaten ist, undh) wobei die zweite Schaltungseinheit mit der ersten Schaltungseinheit verbunden ist, um ein Flush-Signal an die erste Schaltungseinheit zu liefern, und wobei die erste Schaltungseinheit eingerichtet ist zum Löschen ausstehender Anforderungsdaten, wenn das Steuersignal anzeigt, dass die zweite Schaltungseinheit nicht bereit zum Empfangen weiterer Anforderungsdaten ist, und wenn das Flush-Signal anzeigt, dass die ausstehenden Anforderungsdaten zu löschen sind."
Der formal nebengeordnete, jedoch rückbezogene Patentanspruch 23 lautet:
"Southbridgebauelement, umfassend einen integrierten Schaltkreischip nach einem der Ansprüche 1 bis 22."
Der nebengeordnete Patentanspruch 24, hier ebenfalls mit einer Gliederung versehen, lautet:
a) "Verfahren zum Betreiben eines integrierten Schaltkreischips, der eine erste und eine zweite Schaltungseinheit umfasst, umfassend:
b) Senden (400 - 455, 1200 - 1265) von Anforderungen von der ersten oder zweiten Schaltungseinheit zu der jeweils anderen ersten bzw. zweiten Schaltungseinheit; undc) Senden (800 - 845, 1600 - 1650) einer Antwort von der jeweils anderen ersten bzw. zweiten Schaltungseinheit zurück zu der ersten bzw. zweiten Schaltungseinheit, wenn die Anforderung eine Antwort erfordert;
wobei das Verfahren weiterhin umfasst:
d) Betreiben der ersten Schaltungseinheit, um Daten bezüglich einer Anforderung speichern, die von der ersten Schaltungseinheit zu senden ist; unde) Betreiben der zweiten Schaltungseinheit, um keine Daten bezüglich einer von der zweiten Schaltungseinheit zu empfangenen Anforderung zu speichern, f) wobei die Daten bezüglich einer Anforderung Anforderungsdaten enthalten, die die Anforderung bilden, wobei das Verfahren weiterhin umfasst:
g) Bereitstellen eines Steuersignals von der zweiten Schaltungseinheit für die erste Schaltungseinheit; und Betreiben der ersten Schaltungseinheit, um das Senden weiterer Anforderungsdaten zu verzögern, wenn das Steuersignal anzeigt, dass die zweite Schaltungseinheit nicht bereit zum Empfangen weiterer Anforderungsdaten ist, undwobei das Verfahren weiterhin umfasst:
h) Bereitstellen eines Flush-Signals von der zweiten Schaltungseinheit für die erste Schaltungseinheit; und Betreiben der ersten Schaltungseinheit, um ausstehende Anforderungsdaten zu löschen, wenn das Steuersignal anzeigt, dass die zweite Schaltungseinheit nicht bereit zum Empfangen weiterer Anforderungsdaten ist, und wenn das Flush-Signal anzeigt, dass die ausstehenden Anforderungsdaten zu löschen sind."
Wegen der übrigen Patentansprüche wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Die Anmelderin trägt zur Begründung ihrer Beschwerde vor, dass mit dem nunmehr beanspruchten integrierten Schaltkreischip, dem darauf basierenden Southbridgebauelement und dem Verfahren nach Anspruch 24 die Leistung von On-Chip-Schnittstellen erhöht werde. Die nunmehr beanspruchten, durch neu aufgenommene Merkmale eingeschränkten Gegenstände seien für den Fachmann nicht mehr nahe liegend.
Die Anmelderin stellte den Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das nachgesuchte Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:
Patentansprüche 1 - 43, überreicht in der mündlichen Verhandlung, Beschreibung S. 2, 4 und 16, überreicht in der mündlichen Verhandlung, S. 4a, 4b, eingegangen am 3. Juli 2003, S. 1, 3, 5-15, 17-20, eingegangen am 18. Juni 2002, sowie 12 Blatt Zeichnungen mit 20 Figuren, eingegangen am 18. Juni 2002.
II.
Die in rechter Frist und Form erhobene Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Sie konnte jedoch nur zur Zurückverweisung der Sache zur weiteren Prüfung an das Deutsche Patent- und Markenamt führen (§ 79 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 PatG).
1. Die in der mündlichen Verhandlung vorgelegten nebengeordneten Ansprüche 1, 23 und 24 unterscheiden sich von der ursprünglich eingereichten Fassung dieser Ansprüche durch zusätzliche Merkmale aus Unteransprüchen.
So ist der neue Hauptanspruch eine Zusammenfassung der ursprünglichen Ansprüche 1, 2, 4 und 6. Der neue Anspruch 23 entspricht dem ursprünglichen Anspruch 26 und dessen Unteransprüchen. Der neue Anspruch 24 ist aus den ursprünglichen Ansprüchen 39, 40, 41 und 43 zusammengesetzt.
Die Fassung der drei nebengeordneten Ansprüche ist daher zulässig.
2. Die Neuheit und erfinderische Tätigkeit des Schaltkreischips nach dem geltenden Anspruch 1 und des Verfahrens nach dem geltenden Anspruch 24 sind durch die im bisherigen Verfahren genannten Druckschriften nicht in Frage gestellt. Anspruch 23 würde ggfls. allein durch seine Rückbeziehung auf Anspruch 1 getragen und wird daher im Folgenden nicht weiter behandelt.
Im Prüfungsverfahren wurden zitiert:
D1) US 6 266 715 B1 D2) US 5 007 012 A D3) HyperTransport TM I/O Link Specification Rev. 1.03, Hyper-Transport Technology Consortium, S. 17, 18, 20, 21, 23-66, 115.
Der Senat hat noch die folgenden, teilweise aus der Recherche zu einer US-Nachanmeldung bekannt gewordenen Druckschriften eingeführt:
D4) US 6 151 651 A D5) US 5 764 933 A D6) US 6 353 867 B1.
2.1. Von diesen allen kommt Druckschrift D6) dem beanspruchten Schaltkreischip und dem Verfahren nach Anspruch 24 am nächsten, da sie als einzige On-Chip-Schnittstellen beschreibt.
In Übereinstimmung mit den Merkmalen a) bis d) des Anspruchs 1 ist aus dieser Druckschrift ein integrierter Schaltkreischip bekannt, bei dem Schnittstellen zwischen virtuellen Baugruppen (VCs) auf dem Chip vorgesehen sind, siehe Spalte 1, Zeile 13 - 31. Dafür werden standardisierte Interface-Baugruppen (SIs) vorgeschlagen, die gemäß Figur 10 / 11 für einen Sende- und Empfangsbetrieb als Master oder Slave ausgelegt sind. Gemäß Spalte 4, Zeile 23 - 32, kann eine erste Schaltungseinheit (Master) an eine zweite Schaltungseinheit (Slave) beispielsweise eine Leseanforderung senden, woraufhin die zweite Schaltungseinheit eine entsprechende Antwort zurücksendet. Gemäß Figur 11 sind Zwischenspeicher (FIFOs 106, 118, 132, 136) für die Daten vorgesehen.
Darüber hinaus ist noch Spalte 6, Zeile 56 - 59, entnehmbar, dass eine Zwischenspeicherung von Daten im Slave nicht unbedingt nötig ist. Dies wird aufgegriffen in Spalte 10, Zeile 33 - 39, wonach ganz konkret die Lese- (Empfangs-) FIFOs118, 132 weggelassen werden können. Damit ist ein Aspekt von Merkmal e) - dass nämlich in der zweiten Schaltungseinheit (Slave) keine empfangenen Anforderungsdaten gespeichert werden können - vorweggenommen. Der Spalte 10, Zeile 40 - 46, kann der Fachmann noch die Anregung entnehmen, ggfls. auch den Speicher für die zu sendenden Daten (Antwortdaten) in der zweiten Schaltungseinheit (Slave) wegzulassen ( = zweiter Aspekt von Merkmal e)).
Zu Merkmal f) hat die Anmelderin in der mündlichen Verhandlung erläutert, durch "Daten bezüglich einer Anforderung" solle lediglich ein Bezug auf die "Daten" gemäß Merkmal d) und Merkmal e) hergestellt werden. Somit kommt hier zum Ausdruck, dass die Datenworte, die insgesamt die Anforderung nach Merkmal b) bilden, in der ersten Schaltungseinheit gespeichert und in der zweiten Schaltungseinheit nicht gespeichert werden können. Allerdings soll nach der Erläuterung der Anmelderin der Begriff "Daten bezüglich einer Anforderung" nicht nur diese Anforderungsdaten, sondern auch die Antwortdaten gemäß geltendem Unteranspruch 5 umfassen.
Nach dem Verständnis des Senats ist Merkmal f) bei dieser Auslegung bereits in den Merkmalen b), d) und e) enthalten, ihm kommt daher keine eigene Bedeutung zu.
Somit sind die Merkmale a) bis f) des neuen Anspruchs 1 durch Druckschrift D6) zumindest nahe gelegt. Das Entsprechende gilt für die Merkmale a) bis f) des nebengeordneten Anspruchs 24.
2.2. Jedoch lassen sich die neu hinzugekommenen Merkmale g) und h) aus dem vorliegenden Stand der Technik nicht zweifelsfrei herauslesen. Merkmal g) betrifft ein Verzögerungs-Steuersignal, mit dem der Empfänger anzeigen kann, dass er nicht bereit zum Empfangen von Anforderungsdaten ist, woraufhin der Sender zunächst keine weiteren Daten sendet. Dabei dürfte es sich um eine Art "READY"- oder "BUSY"-Signal handeln, wie es in der Datenübertragung allgemein bekannt, aber den vorliegenden Druckschriften im Zusammenhang mit dem Verzicht auf einen Empfangsdatenspeicher (Teilaspekt des Merkmals e) nicht entnehmbar ist. Merkmal h) betrifft ein zusätzliches "Flush"-Signal, mit dem der Empfänger eine Anforderung im Sender löschen kann. Ein solches Signal ist zwar grundsätzlich aus Druckschrift D5) (vgl. Spalte 6, Zeile 17 ff.) vorbekannt, jedoch nicht in logischer Verknüpfung mit dem Verzögerungs-Steuersignal nach Merkmal g).
Auch die übrigen im Verfahren befindlichen Druckschriften geben hierzu keine Anregungen. Es ist daher anzuerkennen, dass der Schaltkreischip nach Anspruch 1 und das Verfahren nach Anspruch 24 durch den vorliegenden Stand der Technik nicht nahe gelegt sind.
3. Die Anmelderin hat sonach mit der geltenden Fassung ihres Patentbegehrens den zur Zurückweisung der Anmeldung führenden Mangel beseitigt. Weil aber im Laufe des Beschwerdeverfahrens das Patentbegehren um wesentliche Merkmale ergänzt wurde, ist davon auszugehen, dass das Deutsche Patent- und Markenamt über die Patentfähigkeit der geltenden Ansprüche noch nicht abschließend befunden hat.
Die Sache war daher nach § 79 Abs. 3 PatG zur weiteren Prüfung und Entscheidung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen.
Neben der Prüfung auf Patentfähigkeit wird die Prüfungsstelle auch noch die Formulierung der geltenden Ansprüche zu überprüfen haben, insbesondere ob das Merkmal f) gestrichen werden kann, und ob das als wesentlich angesehene Merkmal, dass eine "On-Chip-Schnittstelle" beansprucht wird, durch die gewählte Formulierung "Integrierter Schaltkreischip, umfassend ..." hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt.
Dr. Fritsch Prasch Eder Baumgardt Pü
BPatG:
Beschluss v. 08.12.2005
Az: 17 W (pat) 82/03
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