Bundespatentgericht:
Beschluss vom 18. Januar 2005
Aktenzeichen: 33 W (pat) 132/02
(BPatG: Beschluss v. 18.01.2005, Az.: 33 W (pat) 132/02)
Tenor
1. Die Beschwerde der Markeninhaberin wird zurückgewiesen.
2. Auf die Anschlussbeschwerde der Widersprechenden werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 35 vom 12. Januar 1999 und vom 4. März 2002 insoweit aufgehoben, als der Widerspruch aus der Marke 1 010 144 zurückgewiesen worden ist.
3. Die Löschung der Marke 395 29 672 wird wegen des Widerspruchs aus der Marke 1 010 144 auch für "Marketing, Verkaufsförderung" angeordnet.
Gründe
I.
Gegen die am 30. Dezember 1995 veröffentlichte Eintragung der Wortmarke 395 29 672 INTERGAST für Waren der Klassen 3, 5, 16, 21, 29 - 34 sowie für folgende Dienstleistungen:
Klasse 35:
Marketing, Verkaufsförderung, Vertriebs- und Einkaufsberatung, Marktforschung und Marktanalysen; Veranstaltung von Messen und Ausstellungen für wirtschaftliche und Werbezwecke; sämtliche vorgenannten Dienstleistungen für Dritte;
Klasse 41:
Veranstaltung von Seminaren und Kongressen; Veranstaltung von Messen und Ausstellungen für kulturelle Zwecke; sämtliche vorgenannten Dienstleistungen für Dritte;
Klasse 42:
Erstellung von EDV-Programmen, Vermietung von EDV-Anlagen, Vermittlung von Informationen sowie Knowhow auf kaufmännischem und betriebswirtschaftlichem Gebiet, insbesondere für den Lebensmittelhandel; sämtliche vorgenannten Dienstleistungen für Dritteist u.a. Widerspruch erhoben worden aufgrund der Wortmarke 1 010 144 INTERGASTRA die seit dem 5. November 1980 für die Dienstleistungen der Klasse 42
"Veranstaltung von Messen und Ausstellungen; Zimmerreservierung; Bauplanung und -beratung für Messe- und Ausstellungsbauten; Veranstaltung von internationalen Fachausstellungen für das Hotel-, Gaststättengewerbe und Konditorhandwerk"
eingetragen ist. Der Widerspruch richtet sich gegen die Dienstleistungen
"Marketing, Verkaufsförderung, Veranstaltung von Messen und Ausstellungen für wirtschaftliche und Werbezwecke; Veranstaltung von Messen und Ausstellungen für kulturelle Zwecke; Veranstaltung von Seminaren und Kongressen".
Die Markenstelle für Klasse 35 hat mit Beschluss vom 12. Januar 1999 die teilweise Löschung der Marke 395 29 672 aufgrund des Widerspruchs für die Dienstleistungen
"Veranstaltung von Messen und Ausstellungen für wirtschaftliche und Werbezwecke; Veranstaltung von Messen und Ausstellungen für kulturelle Zwecke; Veranstaltung von Seminaren und Kongressen"
wegen Verwechslungsgefahr gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG angeordnet und den Widerspruch im übrigen zurückgewiesen.
Mit Beschluss vom 4. März 2002 sind die Erinnerung der Markeninhaberin und die Anschlusserinnerung der aus der Marke 1 010 144 Widersprechenden zurückgewiesen worden.
Gegen die Anordnung der teilweisen Löschung der jüngeren Marke richtet sich die Beschwerde der Markeninhaberin.
Die Markeninhaberin beantragt, die angefochtenen Beschlüsse im Umfang der Löschungsanordnung aufzuheben und den Widerspruch auch insoweit zurückzuweisen.
Sie trägt im wesentlichen vor, dass die Benutzung der Widerspruchsmarke nach Form, Zeitraum und Umfang nicht glaubhaft gemacht und die Kriterien der Ähnlichkeit für die sich gegenüberstehenden Dienstleistungen nicht festgestellt worden seien. Außerdem fehle es an der Zeichenähnlichkeit der Marken, weil es sich bei dem Bestandteil "INTER" um eine beschreibende Angabe handele, die den Gesamteindruck der Vergleichszeichen grundsätzlich nicht präge und im vorliegenden Fall unberücksichtigt zu bleiben habe. Die Kennzeichnungen "GASTRA" und "GAST" unterschieden sich aber wegen des stimmhaften Konsonanten "R" und der zusätzlichen Silbe in klanglicher Hinsicht ausreichend.
Die Widersprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen und die (teilweise) Löschung der angegriffenen Marke auch für die Dienstleistungen "Marketing, Verkaufsförderung" anzuordnen.
Zur Glaubhaftmachung der Benutzung hat sie eine weitere eidesstattliche Versicherung für den Zeitraum 1992 bis 2004 sowie Benutzungsunterlagen zu der 21., 22. und 23. "Internationalen Fachmesse für das Hotel-, Gaststättengewerbe und Konditorenhandwerk" für die Jahre 2002, 2004 und 2006 eingereicht. Da sie das Marketing der Aussteller mit organisiere, bestehe auch eine hochgradige Ähnlichkeit in Bezug auf die Dienstleistungen "Marketing, Verkaufsförderung" der jüngeren Marke.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, die unselbständige Anschlussbeschwerde zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Markeninhaberin hat in der Sache keinen Erfolg. Zwischen den Wortmarken "INTERGAST" und "INTERGASTRA" besteht im Umfang der Anordnung der teilweisen Löschung Verwechslungsgefahr iSv § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG. Auf der Grundlage der zulässigen Anschlussbeschwerde der Widersprechenden war die Verwechslungsgefahr auch hinsichtlich der Dienstleistungen "Marketing, Verkaufsförderung" festzustellen und die Löschung entsprechend Ziffer 3 des Tenors anzuordnen.
1. Bei der Entscheidung über die Verwechslungsgefahr der Marken sind nur die Dienstleistungen zu berücksichtigen, für die die Benutzung glaubhaft gemacht worden ist (§ 43 Abs. 1 Satz 3 MarkenG). Die Widersprechende hat die Benutzung der Widerspruchsmarke im Inland auf die zulässige und undifferenziert mit Schriftsatz vom 17. Januar 1997 erhobene Nichtbenutzungseinrede für die eingetragene Dienstleistung der "Veranstaltung von internationalen Fachausstellungen für das Hotel-, Gaststättengewerbe und Konditorhandwerk" zur Überzeugung des Senats nach Art, Dauer und Umfang glaubhaft gemacht. Dabei waren die im Verfahren vor der Markenstelle und im Beschwerdeverfahren eingereichten eidesstattlichen Versicherungen vom 16. September 1997 und vom 5. Januar 2005, Messekataloge, Medienberichte und sonstigen Benutzungsunterlagen nicht isoliert, sondern als im Zusammenhang stehende zu betrachten (vgl. hierzu Ströbele/Hacker MarkenG, 7. Aufl., § 43 Rdn 81, 84 f.). Aus ihnen ergibt sich, dass die Widersprechende die Widerspruchsmarke im maßgeblichen Zeitraum (31.12.1990 bis 30.12.1995 und vom 19.1.2000 bis 18.1.2005) zur Kennzeichnung der alle zwei Jahre stattfindenden "Internationalen Fachausstellung für das Hotel-, Gaststättengewerbe und Konditorenhandwerk" in Stuttgart kontinuierlich und funktionsgemäß verwendet hat, die zwischen 523 und 747 Aussteller sowie bis nahezu 75.000 Besucher verzeichnet.
2. Zwischen der benutzten Dienstleistung der Widerspruchsmarke und den beanspruchten Dienstleistungen der jüngeren Marke, gegen die sich der Widerspruch richtet, besteht Identität bzw. Ähnlichkeit iSv § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.
Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit von Dienstleistungen untereinander können die zur Warenähnlichkeit entwickelten Kriterien entsprechend herangezogen werden, wobei jedoch die grundsätzlichen Unterschiede, insbesondere die Unkörperlichkeit der Dienstleistungen, zu beachten sind. Demzufolge kommen Gemeinsamkeiten in der Beschaffenheit oder der Erbringungsstätte - wie die Markeninhaberin zu Recht hervorhebt - weniger eine entscheidungserhebliche Rolle zu als der wirtschaftlichen Bedeutung, also der Art und dem Zweck der Leistung, die sich vor allem in dem Nutzen für den Empfänger der Dienstleistungen niederschlagen. Daneben sind die branchenmäßige Nähe und die Vorstellung der angesprochenen Verkehrskreise maßgeblich, dass die jeweiligen Leistungen unter derselben betrieblichen Verantwortung erbracht werden (vgl. BGH GRUR 2001, 164, 165 - Wintergarten; GRUR 2002, 544, 546 - BANK 24 sowie Ströbele/Hacker aaO § 9 Rdn 121 - 124).
Als internationale Fachausstellung für das Hotel-, Gaststättengewerbe und Konditorenhandwerk dient die Veranstaltung der "INTERGASTRA" ua wirtschaftlichen und Werbezwecken, so dass sie unter den beanspruchten Dienstleistungsbegriff der "Veranstaltung von Messen und Ausstellungen für wirtschaftliche und Werbezwecke" der jüngeren Marke fällt. Hochgradige Ähnlichkeit besteht nach Art und Ausrichtung der "INTERGASTRA" mit ihren wechselnden Länderschwerpunkten, Dialogforen, Gastro-Innovationspreisveranstaltungen und fachbezogenen Wettbewerben zu den angegriffenen Dienstleistungen "Veranstaltung von Messen und Ausstellungen für kulturelle Zwecke; Veranstaltung von Seminaren und Kongressen". Zum einen ist der Begriff "für kulturelle Zwecke" nicht auf klassische Bereiche wie Theater, Konzert, Oper oder Literatur beschränkt, sondern umfassender zu verstehen, da er sich auch auf andere Aspekte des gesellschaftlichen Lebens erstreckt. Man spricht nicht zuletzt von Esskultur, der Kultur fremder Länder, der Jugendkultur, der alpenländischen oder mediterranen Kultur etc. Zum anderen ist es üblich, dass bei internationalen Fachausstellungen Seminare veranstaltet werden und ihre Veranstaltung und Organisation mit Kongressen anderer Branchen oder Berufsgruppen vergleichbar ist.
3. Der Antrag der Widersprechenden, die Löschung der angegriffenen Marke auch für die Dienstleistungen "Marketing, Verkaufsförderung" anzuordnen, ist als unselbständige Anschlußbeschwerde zulässig und begründet, da auch insoweit Verwechslungsgefahr gegeben ist.
Hinsichtlich der Ähnlichkeit der Dienstleistungen besteht ein mindestens mittlerer Grad. Die Veranstaltungen der internationalen Fachausstellungen für das Hotel-, Gaststättengewerbe und Konditorhandwerk der Widersprechenden dienen in besonderem Maße dem Marketing und der Verkaufsförderung der angebotenen Dienstleistungen sowie der Verbreitung und dem Absatz der ausgestellten Waren und Ausstattungen. Die Messe wendet sich gleichermaßen an Fachaussteller fachlich orientierte Aussteller, zu denen auch spezielle Marketingorganisatoren (z.B. Agro-Marketing-Suisse) gehören, wie an die Messebesucher. Für die Empfänger der Veranstaltungs- und Organisationsleistungen der Widersprechenden, insbesondere die Aussteller, sind Marketing- und Verkaufsförderungsdienste nach Art, Zweck und Nutzen aufs engste damit verbunden. Bei unterstellter identischer Kennzeichnung bestehen für die angesprochenen Verkehrskreise so enge Berührungspunkte, dass sie annehmen, die jeweiligen Leistungen würden unter derselben betrieblichen Verantwortung erbracht.
4. Die einander gegenüberstehenden Marken sind in ihrem maßgeblichen Gesamteindruck hochgradig ähnlich. Entgegen der Auffassung der Markeninhaberin darf der gemeinsame Bestandteil "INTER" bei der Beurteilung des jeweiligen Gesamteindrucks nicht abgespalten werden. Abgesehen davon, dass mit dem Präfix "Inter" zwar auf einen internationalen Zusammenhang hingewiesen werden kann, ist bereits fraglich, ob "INTER" als beschreibende Angabe anzusehen ist, da es lexikalisch nicht als sprachübliches Kürzel für "international" feststellbar ist (vgl. BPatGE 37, 11 - INTERSHOP). Vor allem kann der maßgebliche Gesamteindruck von Marken selbst durch schutzunfähige oder kennzeichnungsschwache Elemente mitbestimmt werden, so dass solche Teile einer einheitlichen Marke bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr nicht von vornherein unberücksichtigt bleiben dürfen. Sie können vielmehr im Zusammenhang mit weiteren Ähnlichkeiten beider Marken als zusätzlicher Grund für die Bejahung der Verwechslungsgefahr Bedeutung erlangen, zumal der Verkehr erfahrungsgemäß eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (stRspr vgl Ströbele/Hacker aa0 § 9 Rdn 331 m.w.N.).
So ist es hier. Die Wortmarken sind mit Ausnahme der zusätzlichen Buchstaben "RA" am Ende der Widerspruchsmarke identisch. Angesichts der überwiegenden Gemeinsamkeiten reicht die Abweichung am regelmäßig weniger beachteten und auch nicht betonten Wortende der relativ langen Zeichen nicht aus, um Verwechslungen im Schrift- oder Klangbild hinreichend entgegen zu wirken, zumal auch ein ähnlicher Sinngehalt anklingt.
Im Hinblick auf die bereits von Haus aus durchschnittliche Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke, die hohe Ähnlichkeit der Marken "INTERGAST" und "INTERGASTRA" sowie die Identität bzw. Ähnlichkeit der angegriffenen Dienstleistungen ist die Verwechslungsgefahr unter Berücksichtigung der Wechselwirkung der einzelnen Kriterien im Umfang der von der Markenstelle ausgesprochenen Teilversagung sowie auch für die beanspruchten Dienstleistungen "Marketing, Verkaufsförderung" zu bejahen.
6. Für ein Abweichen vom Grundsatz der eigenen Kostentragung sind Billigkeitsgründe weder vorgetragen noch ersichtlich (§ 71 Abs 1 MarkenG).
Winkler Kätker Pagenberg Cl
BPatG:
Beschluss v. 18.01.2005
Az: 33 W (pat) 132/02
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