Niedersächsisches Finanzgericht:
Urteil vom 23. Januar 2003
Aktenzeichen: 5 K 452/00

(Niedersächsisches FG: Urteil v. 23.01.2003, Az.: 5 K 452/00)

Tatbestand

Streitig ist die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG.

Die Klägerin wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 13. Juni 1995 von der A-Bank und der B-Bank gegründet (Beteiligung der Gesellschafterinnen: je 50 v.H.).

Gegenstand des Unternehmens ist die Koordinierung, Planung und Durchführung von Softwareentwicklungsaufgaben, insbesondere für die mit der Klägerin verbundenen Banken sowie deren Konzernunternehmen und Kooperationspartner.

Am 28. Mai 1997 schloss die Klägerin mit ihren Gesellschafterinnen einen sog. Rahmenvertrag zur Übertragung von Urheberrechten im Rahmen der Herstellung von Individual-Software. Dieser Vertrag sollte zivilrechtlich auf den 2. Januar 1996 zurückwirken.

In § 1 Abs. 1 des Vertrages (Vertragsgegenstand) wird die Klägerin mit der Entwicklung und Herstellung von Computerprogrammen beauftragt, um das ausschließliche und zeitlich sowie räumlich unbeschränkte Recht zur Nutzung, Weiterentwicklung, Vervielfältigung, Verbreitung, Vorführung, Bearbeitung und sonstiger Verwertung von Urheberschutzrechten hieraus gemäß § 31 ff i.V.m. §§ 69 a bis 69 g Urheberrechtsgesetz (UrhG) auf die Gesellschafterinnen (als Auftraggeberinnen) zu übertragen. Die Rechtsübertragung wird als Hauptleistung bezeichnet.

In § 1 Abs. 2 des Vertrages ist vereinbart, dass die Klägerin die Entwicklung und Herstellung einer für die Auftraggeberinnen funktionsfähigen individuellen Software-Lösung betreiben muss, die eine Installation und Herbeiführung der Funktionsfähigkeit gemäß den Anforderungen der Auftraggeberinnen, wie sie in den jeweiligen Einzelwerkverträgen definiert werden, gewährleistet. Diese Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der Software-Lösung wird als Nebenleistung bezeichnet.

Art und Umfang der auszuführenden Leistungen ergeben sich nach § 1 Abs. 3 des Rahmenvertrages aus den (beigefügten bzw. noch abzuschließenden) Einzelwerkverträgen.

§ 1 Abs. 5 des Vertrages bestimmt, dass die in § 1 Abs. 1 des Vertrages bezeichneten Nutzungsrechte die Berechtigung der Auftraggeberinnen beinhalten, Dritten unentgeltlich oder entgeltlich gemeinsam einfache Nutzungsrechte an der Software einzuräumen. Beide Gesellschafterinnen haben zudem im Falle der gemeinsamen Auftragserteilung jede für sich das Recht, die Software im Konzern für eigene Zwecke zu nutzen und zu bearbeiten, im Konzernverband Dritten zu überlassen und Dritten die unberechtigte Nutzung zu untersagen. Die B-Bank ist darüber hinaus für sich berechtigt, die Software Dritten innerhalb eines Kooperationsverbundes zu überlassen.

Die A-Bank und die B-Bank haben nach § 1 Abs. 7 des Vertrages im Hinblick auf ihre gemeinsamen Nutzungs- und Verwertungsrechte gemäß Abs. 1 jeder für sich das Recht, eine Kopie des Quellcodes der Software nebst allen für eine sinnvolle Nutzung erforderlichen Dokumentationsunterlagen zu erhalten.

In § 2 Abs. 1 und 2 des Vertrages (Leistungsumfang) wird die Klägerin verpflichtet, nach Maßgabe der Leistungsbeschreibungen der Einzelwerkverträge unter Beachtung der besonderen äußeren Umstände und allgemeinen Standards, die im Betrieb der Auftraggeberinnen herrschen und Ausnutzung der Standards der Wissenschaft und Technik Leistungen gegenüber den Auftraggeberinnen zu erbringen.

Nach § 2 Abs. 5 des Vertrages sind die Auftraggeberinnen befugt, die Computerprogramme selbst oder durch Dritte weiterzuentwickeln und selbst die Wartung vorzunehmen. Alle Bearbeitungen oder Weiterentwicklungen und die Rechte i.S.d. UrhG hierzu stehen allein den Auftraggeberinnen zu. Die Klägerin wird den Quellcode einschließlich der vollständigen Dokumentation und Kommentierung bei Fertigstellung der Programme auf Verlangen an die Auftraggeberinnen übergeben.

Die Wartung und Pflege der durch diesen Vertrag entstandenen Computerprogramme ist gemäß § 2 Abs. 6 nicht Gegenstand des Vertrages.

Die Höhe der Vergütung und die Fälligkeit sind in den Einzelwerkverträgen aufgeführt. Die Höhe der Vergütung bemisst sich nach § 3 Abs. 2 des Rahmenvertrages nach dem Zeitaufwand der Klägerin hinsichtlich der Programmerstellung. Die für diesen nachgewiesenen Zeitaufwand ermittelten Kosten werden nach Regelung der jeweiligen Einzelwerkverträge in Ansatz gebracht. Die Vergütung ist nach Vorlage der entsprechenden Nachweise bei Abnahme der Leistung fällig.

Nach § 4 Abs. 2 des Vertrages (Ausführungstermine, Abnahme) findet eine Abnahme der Leistungen bzw. Übertragung der jeweiligen Urheberrechte erst nach vollständiger Erbringung der in den Einzelwerkverträgen jeweils definierten Gesamtleistung und einer die Gesamtleistung betreffenden umfassenden Funktionsprüfung statt. Die nach vollständiger Erbringung der Gesamtleistung erfolgende Funktionsprüfung ist erfolgreich, wenn die hergestellten Computerprogramme (Software) die in der Leistungsbeschreibung definierten Aufgaben in der Programmumgebung der Auftraggeberinnen entsprechend den vereinbarten Anforderungen lösen.

Gemäß § 4 Abs. 3 des Vertrages erklären die Auftraggeberinnen erst nach erfolgter Funktionsprüfung für die jeweilige Gesamtleistung schriftlich die Abnahme der jeweiligen Leistung und die Annahme der Übertragung des Nutzungsrechts nach dem UrhG an der jeweiligen Software.

In dem Nachtragsvertrag vom 28.05.1997 ist vereinbart, dass für die A-Bank die Fa. Y - rückwirkend zum 3. Januar 1996 - in den Rahmenvertrag eintritt. Die Fa. Y ist als Organgesellschaft in den Organkreis der A-Bank eingegliedert.

Die Klägerin erklärte die Einnahmen aus der o.g. Vereinbarung in der Umsatzsteuererklärung 1997 mit dem ermäßigten Steuersatz von 7 v.H. nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG. Der Beklagte unterwarf die Einnahmen der Regelbesteuerung.

Hiergegen wendet sich die Klägerin. Sie trägt vor, dass nach § 1 Abs. 1 des o.g. Rahmenvertrages die ausschließliche und zeitlich sowie räumlich unbeschränkte Übertragung der Nutzungsrechte nach dem UrhG als Hauptleistung vereinbart worden sei. Die Nutzungsrechte in §§ 15 bis 24 UrhG bzw. die speziellen Nutzungsrechte für Urheber von Computerprogrammen gemäß § 69 c UrhG seien im gesetzlich größtmöglichen Umfang auf die Auftraggeberinnen übertragen worden. Die Rechtsübertragung gehe über die für die Benutzung der Software notwendigen Rechte hinaus. Ebenso sei der Quellcode der fertiggestellten Computerprogramme den Auftraggeberinnen zu übergeben, so dass die Klägerin nach Erbringung der Auftragsleistung bei späteren Projekten auf den Quellcode nicht mehr zurückgreifen könne.

Die Auftraggeberinnen hätten wegen der beabsichtigen Nutzung zu individuell eigenbetrieblichen Zwecken aus Gründen des Werkrechtsschutzes großen Wert auf die Übertragung der Nutzungsrechte an den Computerprogrammen gelegt.

Die Klägerin nimmt Bezug auf die Rechtsausführungen des BFH-Urteils vom 17. Januar 2002 (V R 13/01, DStRE 2002, 777), wonach die Finanzgerichte als Tatsacheninstanz zu untersuchen hätten, ob "es den Parteien (hier: z.B. der Klägerin und der Fa. Y) wesentlich auf die Vervielfältigung und Verbreitung durch die Fa. Y angekommen sei, insbesondere ob die Überlassung des für die Fa. Y entwickelten Computerprogramms auch dazu bestimmt gewesen sei, das Programm durch die Fa. Y entgeltlich oder unentgeltlich in Verkehr zu bringen, d.h. aus der internen Betriebssphäre der Öffentlichkeit zuzuführen und damit zu verbreiten und zu vervielfältigen". Mit dem Bezug zur Öffentlichkeit in § 17 Abs. 1 UrhG werde - so die Klägerin weiter - der Zweck verfolgt, die bloß private Weitergabe vom Ausschließlichkeitsrecht des Urhebers auszunehmen.

Nach Auffassung der Klägerin ist diesen höchstrichterlichen Anforderungen vorliegend Genüge getan. Sie trägt vor, dass es den Auftraggeberinnen gerade auf die wirtschaftliche Vermarktung der als Hauptleistung empfangenen Nutzungsrechte angekommen sei. Die Fa. Y und die B-Bank hätten hierfür entsprechende Verträge mit anderen Banken und Kooperationsverbunden geschlossen. Mit der Weitergabe des Nutzungsrechts an fremde Kreditinstitute seien die Programme entgeltlich in den Verkehr gebracht, d.h. aus der "internen Betriebssphäre" der Öffentlichkeit zugeführt worden.

Die Klägerin beantragt,

die Umsatzsteuer 1997 auf minus 687.150,92 DM herabzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt vor, der wesentliche wirtschaftliche Gehalt des Rahmenvertrages vom 28. Mai 1997 (mit Einzelverträgen) bestehe nach der Gesamtwürdigung der Vertragsbestimmungen nicht in der Einräumung oder Übertragung von Rechten nach dem UrhG gem. § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG, sondern in der Überlassung der herzustellenden Software zur bestimmungsgemäßen individuellen Nutzung durch die Auftraggeberinnen bzw. deren Konzernunternehmen und Kooperationspartner. Wegen der Einzelheiten wird auf die Begründung des Beklagten im Einspruchsbescheid vom 6. April 2001 und in den Klageschriftsätzen vom 9. Oktober 2002 und vom 12. November 2002 Bezug genommen.

Das Gericht hat Beweis erhoben über die Frage der Verwertung der Computerprogramme durch Vernehmung der Zeugen Werner R. und Klaus G.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 23. Januar 2003.

Gründe

Die Klage ist unbegründet.

Die Leistungen der Klägerin unterliegen nicht dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG.

1. Die Steuer ermäßigt sich auf sieben v.H. der Bemessungsgrundlage für Umsätze durch die Einräumung, Übertragung und Wahrnehmung von Rechten, die sich aus dem UrhG ergeben (§ 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG). Begünstigt ist danach u.a. die Einräumung und Übertragung von Nutzungsrechten durch den Urheber oder den Nutzungsberechtigten an Dritte (z.B. an Verleger oder Verwertungsgesellschaften), die aus dem Urheberrecht abgeleitet werden; denn das Urheberrecht selbst ist grundsätzlich nicht übertragbar.

Rechte, die sich aus dem UrhG ergeben, können auch an Computerprogrammen (Software) eingeräumt oder übertragen werden. Das UrhG schützt denjenigen, der ein Computerprogramm durch eigenschöpferische Leistung geschaffen hat (§ 2 Abs. 1 Nr. 1, § 69a Abs. 3 Satz 1 UrhG), gegen dauerhafte oder vorübergehende Vervielfältigung (§ 69c Satz 1 Nr. 1 UrhG), gegen Bearbeitungen (§ 69c Satz 1 Nr. 2 UrhG) und gegen jede Form der Verbreitung (§ 69c Satz 1 Nr. 3 UrhG). Computerprogramme gehören zu den durch das UrhG geschützten Sprachwerken (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG), wenn sie eine persönliche geistige Schöpfung (§ 2 Abs. 2 UrhG) aufweisen (vgl. Schricker, UrhG, § 69a UrhG Rdnrn. 2 ff.), wovon im Streitfall auszugehen ist.

Der Urheber eines Computerprogramms kann allerdings einem anderen das Recht einräumen, das Werk auf einzelne oder auf alle Arten zu nutzen (§§ 31 bis 41 UrhG). Ohne besondere Zustimmung des Rechtsinhabers darf die Person, die zur Benutzung des Programms berechtigt ist (§ 69d Abs. 1 Satz 1 UrhG), Handlungen zur bestimmungsgemäßen Benutzung des Computerprogramms vornehmen (§ 69d Abs. 1 UrhG). In diesem Rahmen dürfen Vervielfältigungsstücke und Sicherungskopien angefertigt und das Funktionieren des Programms getestet werden (§ 69d Abs. 2 bis 3 UrhG).

Die Steuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG für die Zurverfügungstellung eines urheberrechtsfähigen Computerprogramms, das für die Bedürfnisse des Leistungsempfängers entwickelt wurde, setzt voraus, dass der Rechtsinhaber dem Leistungsempfänger nach dem wirtschaftlichen Gehalt des Umsatzes das Recht zur Verwertung des Werks gemäß den Bestimmungen des UrhG (insbesondere durch Vervielfältigung und Verbreitung) einräumt und nicht nur die bestimmungsgemäße Benutzung gestattet. Die Einräumung oder Übertragung der urheberrechtlichen Nutzungsrechte muss Hauptbestandteil der einheitlichen Gesamtleistung (Entwicklung und Überlassung des Programms zur Benutzung und Verbreitung) sein (BFH-Urteil vom 17. Januar 2002 V R 13/01, DStRE 2002, 777; vgl. dazu auch Abschn. 168 Abs. 1 der Umsatzsteuer-Richtlinien - UStR - 2000).

Dementsprechend ist die Überlassung von geschützten Computerprogrammen nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG 1993 begünstigt, wenn der Urheber oder Nutzungsberechtigte dem Leistungsempfänger die in § 69c Satz 1 Nr. 1 bis 3 UrhG bezeichneten Rechte auf Vervielfältigung und Verbreitung nicht nur als Nebenfolge einräumt (BFH-Urteil vom 17. Januar 2002 V R 13/01, DStRE 2002, 777; vom 16. August 2001 V R 42/99, BFHE 196, 335, und vom 27. September 2001 V R 14/01, BFHE 196, 357; ebenso Erkenntnis des Österreichischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. August 1998 93/13/0261,0262, Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht - UVR - 1998, 435; Anm. Klenk, UVR 1998, 436).

Dagegen ist die bloße zustimmungspflichtige oder zustimmungsfreie Befugnis zur Benutzung des urheberrechtlich gegen unbefugte Verbreitung geschützten Computerprogramms nicht nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG 1993 begünstigt, auch wenn sich der Leistungsempfänger die Benutzung des für seine Bedürfnisse geschaffenen Computerprogramms hat vertraglich sichern wollen und ihm auch die Befugnis zur Vervielfältigung und Verbreitung zwar gestattet ist, von ihm aber nicht erstrebt wird. Beweisanzeichen dafür sind z.B. die Tätigkeit des Leistungsempfängers, die bei ihm vorhandenen Vertriebsvorbereitungen, die vorhandenen Vertriebswege, die wirkliche Durchführung der Vervielfältigung und Verbreitung und die Vereinbarungen über die Bemessung und Aufteilung des Entgelts (für die Entwicklung, die Benutzung und/oder die Verbreitung; Bemessung des Entgelts nach Aufwand für die Herstellung oder abhängig von der verbreiteten Stückzahl der Programme). Wenn der wirtschaftliche Gehalt des Vorgangs nicht auf die Verwertung des Computerprogramms, sondern überwiegend auf seine Anwendung für die Bedürfnisse des Leistungsempfängers gerichtet ist, unterliegt der Umsatz dem regelmäßigen Steuersatz (BFH-Urteil vom 17. Januar 2002 V R 13/01 unter Bezugnahmen auf BFH-Beschluss vom 24. August 2000 V B 87/00, BFH/NV 2001, 213, zur Anwendung einer Bibliothekssoftware; vgl. auch BFH-Urteil vom 13. März 1997 V R 13/96, BFHE 182, 423, BStBl II 1997, 372, zur Veräußerung von Standardsoftware)

2. Bei Anwendung der vom Bundesfinanzhof genannten Grundsätze und Beweisanzeichen ist der Senat bei Gesamtwürdigung der Vertragsbestimmungen und der Zeugenaussagen zu der Überzeugung gelangt, dass der wirtschaftliche Gehalt und Schwerpunkt des hier streitigen Leistungsvorgangs nicht in der Einräumung oder Übertragung von Rechten nach dem UrhG gem. § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst c UStG sondern in der Überlassung der (herzustellenden) Software zur bestimmungsmäßigen individuellen Nutzung durch die Auftraggeber bzw. deren Konzernunternehmer und Kooperationspartner besteht.

Hierfür spricht bereits die Regelung im Vertragswerk (Rahmenvertrag und Einzelverträge): Zwar ist die Entwicklung und Herstellung von Computerprogrammen zur Übertragung der ausschließlichen und zeitlich sowie räumlich unbeschränkten Nutzungsrechte nach § 69 a bis 69 g UrhG als Hauptleistung bezeichnet und die Entwicklung und Herstellung einer für die Auftraggeberinnen funktionsfähigen individuellen Software-Lösung (Installation - und Herbeiführung der Funktionsfähigkeit) "nur" als Nebenleistung. Zudem besteht eine Verpflichtung der Klägerin zur Übergabe des Quellcodes an die Auftraggeberinnen. Andererseits hat die Übergabe des Quellcodes erst bei Fertigstellung der Programme zu erfolgen, die gem. § 4 Abs. 2 und 3 des Rahmenvertrages erst nach erfolgreicher Funktionsprüfung der in den jeweiligen Einzelverträgen definierten Gesamtleistung abgeschlossen ist. Daraus folgt, dass für die Auftraggeberinnen ohne erfolgreiche Funktionsprüfung der herzustellenden Programme kein Interesse an der Übergabe des Quellcodes besteht.

Darüber hinaus ist in § 4 Abs. 3 des Rahmenvertrages geregelt, dass die Abnahme der Leistung der Klägerin und die Annahmeerklärung bezüglich der zu übertragenden Nutzungsrechte nach dem UrhG durch die Auftraggeberinnen erst nach der erfolgreichen Prüfung der hergestellten Programme nach den in den jeweiligen Einzelwerkverträgen definierten Aufgaben in der Programmumgebung der Auftraggeberinnen erfolgt. Die Rechteübertragung erfolgt also nur unter der Voraussetzung, dass für Zwecke der Auftraggeberinnen funktionsfähige Programme erstellt worden sind. Die Funktionsfähigkeit wird von der Klägerin nach § 5 Abs. 1 des Rahmenvertrages rechtsverbindlich gewährleistet. Dementsprechend war den Auftraggeberinnen vorrangig an der Entwicklung einer funktionsfähigen individuellen Software-Lösung gelegen.

Dies wird auch durch die Form der Vergütung deutlich. Die Vergütung ist nicht - wie bei der Nutzungsübertragung von Urheberrechten üblich - von der verbreiteten Stückzahl der Werke (hier: Computerprogramme) abhängig gemacht worden. Vielmehr richtet sich die Vergütung der Leistung der Klägerin gemäß § 3 Abs. 2 des Rahmenvertrages und § 3 der jeweiligen Einzelverträge ausschließlich nach dem für die Programmentwicklung und -herstellung benötigten Zeitaufwand der Klägerin und entspricht (netto) den ihr gemäß der Auftragsbeschreibung tatsächlich angefallenen Selbstkosten.

Entscheidend ist schließlich, dass die Auftraggeberinnen (Fa. Y und die B-Bank) von der nach § 1 Abs. 5 Satz 1 des Rahmenvertrages zulässigen (gemeinsamen) Übertragung des Nutzungsrechts an Dritte keinen Gebrauch gemacht haben und dies auch in der Zukunft nicht beabsichtigen. Der Zeuge R. hat ausgesagt, das Programm sei im eigenen Interesse (der B-Bank) anderen Banken außerhalb des Kooperationsverbandes nicht angeboten worden. Der Zeuge G. hat bekundet, dass sie (Fa. Y) nicht befugt waren, die Software der Konkurrenz anzubieten.

Von der in § 1 Abs. 5 Satz 2 des Rahmenvertrages vorgesehenen Möglichkeit, die Software im Konzern für eigenen Zwecke zu nutzen, zu bearbeiten bzw. im Konzernverbund Dritten zu überlassen, haben zwar beide Auftraggeberinnen nach den Zeugenaussagen Gebrauch gemacht. Darin liegt jedoch ein betriebsinterner Gebrauch der eingeräumten Rechte und keine - für die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes notwendige - Zuführung der Rechte in die "Öffentlichkeit".

Der Begriff der "Öffentlichkeit" bestimmt sich nach der Legaldefinition des § 15 Abs. 3 UrhG. Danach erfolgt ein Angebot an die Öffentlichkeit, wenn jemand einer nicht bestimmt abgegrenzten oder einer durch keine persönlichen Beziehungen miteinander verbundenen Mehrheit von Personen seinen Willen kundtut, das Original oder ein Vervielfältigungsstück entgeltlich oder unentgeltlich zu veräußern, zu vermieten, zu verleihen oder sonst zu überlassen (Schricker/Loewenheim, UrhG, § 69 c Rdnr. 23 und § 17 Rdnr. 10).

Im Streitfall ist kein Angebot von der Fa. Y und der B-Bank in der "Öffentlichkeit" erfolgt. Durch die Gründung eines Kooperationsverbundes haben beide Auftraggeberinnen sichergestellt, dass die Software nur an Mitglieder des Konzernverbundes oder an solche Unternehmen weitergegeben werden darf, die sich zuvor dem jeweiligen Kooperationsverbund angeschlossen haben.

Dem Konzern- bzw. Kooperationsverbund gehörten auf Seiten der Fa. Y verschiedene Banken an. Die von der Klägerin entwickelte Software sollte von der Fa. Y für diese Banken eingesetzt werden, um diese Institute - so der Zeuge G. - "nach vorn zu bringen". Auf Seiten der B-Bank erfolgte eine Weitergabe der Software an Banken, die sich dem Kooperations-verbund angeschlossen hatten.

Das Gericht geht davon aus, dass der Begriff des "Konzernverbundes" i.S.d. § 1 Abs. 5 Satz 2 des Rahmenvertrages nicht im strengen rechtstechnischen Sinne zu verstehen ist. Dies hat der Zeuge G. bestätigt, wenn er ausführt, "es war allen klar, dass die Fa. Y auch für die L-Berlin, die M-Bank und die W-Bank tätig werden sollte, weil die ihrerseits wieder untereinander verbunden waren und teilweise dieselben Vorstände hatten". Die gegenteilige (rechtstechnische) Auslegung hätte zur Folge, dass der Fa. Y die Softwareüberlassung z.B. an die L-Bank nur gemeinsam mit der B-Bank möglich gewesen wäre (vgl. § 1 Abs. 5 Satz 1 des Rahmenvertrages - Übertragung an Dritte -). Diesbezügliche Einschränkungen sind den Zeugenaussagen jedoch nicht zu entnehmen. Vielmehr ist der Aussage des Zeugen R. zu entnehmen, dass die wirtschaftliche Verwertung innerhalb des Konzern- bzw. Kooperationsverbundes ausschließlich dem jeweiligen Auftraggeber (B-Bank oder Fa. Y) obliegen sollte. So hatte die Weitergabe der Software von der B-Bank an die übrigen Banken des Konzernverbundes gerade den Zweck, sich einen Teil der Kosten wiederzuholen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.






Niedersächsisches FG:
Urteil v. 23.01.2003
Az: 5 K 452/00


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