Oberlandesgericht Oldenburg:
Urteil vom 16. März 2006
Aktenzeichen: 1 U 12/05

(OLG Oldenburg: Urteil v. 16.03.2006, Az.: 1 U 12/05)

1. Unwirksamkeit einer Stimmbindungsvereinbarung mit einem (Ein Personen) Vorstand, der zugleich einen Aktien-Zwerganteil (0,0005 %) hält.2. Zu den weiteren Folgen der Unwirksamkeit des Stimmbindungsvertrags auf sonstige (begleitende) Verträge über die Schenkung von Aktien, erbrechtliche Regelungen pp. trotz salvatorischer Ersetzungsklausel.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück vom 8. Februar 2005 geändert.

Die Beklagte wird verurteilt, 6653 Namensaktien im Nennbetrag von je 100 DM an der I... Aktiengesellschaft, eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts Osnabrück unter HRB ... auf den Kläger zu übertragen.

Auf die Widerklage der Beklagten wird festgestellt, dass der am 27. Oktober 1993 vor dem Notar H... zu dessen UR-Nr. .../1993 geschlossene Pflichtteilsverzichtsvertrag zwischen der Beklagten und dem Kläger hinsichtlich des Nachlasses des Klägers unwirksam ist.

Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung wegen der Übertragung der Aktien durch Sicherheitsleistung in Höhe von 341.000 € abzuwenden, falls nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

I.

Der Kläger, seine Ehefrau und seine drei Töchter, darunter die Beklagte, sind alleinige Aktionäre der am 11. November 1992 gegründeten I... AG. Der Kläger war bis Anfang 1994 alleiniger Vorstand, danach stets vorsitzendes Mitglied des Vorstands der AG. Die Gründung der I... AG war ein Teilakt der Maßnahmen des Klägers zur Gestaltung der Generationennachfolge in das von ihm durch seine kaufmännischen Tätigkeiten geschaffene (Betriebs-)Vermögen. Das Vermögen der I... AG setzt sich ausschließlich aus den Unternehmensbeteiligungen des Klägers zusammen. Von den 20.000 ausgegebenen Namensaktien zum jeweiligen Nennwert von 100 DM hielten ursprünglich der Kläger 19.960 (= 99,80 %) und die anderen vier Familienmitglieder jeweils 10 (= 4 x 0,05 %) Stück.

Mit der Gründung der I... AG und der Anteilsübertragung auf seine Töchter wollte der Kläger seine Unternehmensbeteiligungen vollwirksam unter Lebenden und damit erbschaftssteuerneutral übertragen. Ein Übergang der Unternehmensführung sollte damit nicht verbunden sein. Im Gegenteil sollte eine fortdauernde einheitliche unternehmerische Führung der Gruppenunternehmen durch den Kläger selbst oder einen später von ihm zu bestimmendem geeigneten Unternehmensnachfolger gewährleistet werden. Dem Kläger kam es wesentlich darauf an, unter Berücksichtigung aller denkbaren Eventualitäten rechtsgestaltend sicher zu stellen, dass er trotz der Anteilsübertragungen weiterhin ohne relevante Einschränkungen allein über die Geschäfte bzw. die Person seines Rechtsnachfolgers in der Unternehmensführung das letztentscheidende €Bestimmungsrecht€ in der Gesellschaft behielt. Aus den seinerzeit getroffenen Vereinbarungen ergibt sich folgendes Bild:

Bereits nach dem Gründungsvertrag der I... AG war eine Übertragung der Aktien grundsätzlich nur mit mehrheitlicher Zustimmung der Gesellschafter möglich; zustimmungsfrei konnten die Gesellschafter allerdings Aktien an ihre Mitgesellschafter und deren leibliche Abkömmlinge übertragen. Im Anschluss an die Gründung der AG wurde am selben Tag von den Aktionären ein Schutzgemeinschaftsvertrag geschlossen, wonach sich die Gesellschafter dem Ziel verpflichteten, die I... AG im Eigentum der Familie zu halten und ihre Stimmrechte einheitlich in diesem Sinne auszuüben. Die Ausübung der Stimmrechte war dem Kläger als geschäftsleitendem Gesellschafter übertragen; dies sollte auch so bleiben.

Zur Umsetzung seiner Pläne wählte der Kläger die Kombination verschiedener Vereinbarungen, die alle am 27. Oktober 1993 getroffen wurden. Zunächst vereinbarten die Eheleute V... mit ihren Töchtern deren Verzicht auf Pflichtteilsrechte. Danach schlossen der Kläger, seine Ehefrau und seine Töchter eine privatschriftliche Stimmbindungsvereinbarung zugunsten des Klägers. Weiter schlossen der Kläger und seine Töchter einen Schenkungs- und Übereignungsvertrag (später teilweise abgeändert durch Vertrag vom 3. Dezember 1999).

Mit dem Schenkungsvertrag übertrug der Kläger aus seinem Bestand von insgesamt 19.959 Aktien jeweils 6.653 Aktien auf seine Töchter und trat ihnen die damit verbundenen mitgliedschaftlichen Rechte ab. Der Kläger selbst behielt danach lediglich eine Aktie zum Nennwert von 100 DM, was einem Anteil von 0,005 % entsprach. In der Präambel des Schenkungsvertrags war erwähnt, dass die zeitlich zuvor vereinbarte Stimmbindung einen entscheidenden Anteil des Klägers an der Willenbildung gewährleisten sollte. Ferner war dem Kläger in § 5 Ziff. 3 c ein Recht zum Widerruf der Schenkung eingeräumt worden für den Fall, dass eine der Töchter gegen €Bestimmungen des Stimmbindungsvertrages verstößt€ (am 3. Dezember 1999 ergänzt um das Erfordernis einer Fristsetzung nach Abmahnung).

Der Stimmbindungsvertrag sah in § 1 vor, dass die Mitgesellschafter bei allen wesentlichen, für den Bestand und die Führung des Unternehmens bedeutsamen Entscheidungen ihr Stimmrecht nach der Weisung des Klägers ausüben bzw. entsprechende Beschlüsse nur mit dessen Zustimmung fassen durften. Zudem wurden dem Kläger das Amt des Vorstandsmitglieds als unentziehbares Sonderrecht (§ 3 Ziff. 1) sowie €freie Hand€ bei €der Ausführung der Geschäftsführung€ (§ 3 Ziff. 2) eingeräumt. Schließlich verpflichteten sich die Gesellschafter in § 5 Ziff. 2, auf Wunsch des Klägers bei Bedarf einen neuen Stimmbindungsvertrag abzuschließen.

Im März 2003 verlangte der Kläger von den Vertragspartnerinnen des Stimmbindungsvertrages einen Neuabschluss. Danach sollten die Rechte des Klägers aus dem alten Stimmbindungsvertrag fortan auch einem vom Kläger zu bestimmenden Dritten zustehen, nämlich entweder seiner Ehefrau, einem familienfremden Nachfolger oder - um die Möglichkeit einer Enkelnachfolge zu gewährleisten - einem Testamentsvollstrecker (Präambel und § 4).

Diesen Vertrag unterzeichneten die Ehefrau des Klägers und die beiden Schwestern der Beklagten. Die Beklagte dagegen verweigerte ihre Zustimmung. Daraufhin erklärte der Kläger ihr gegenüber im Mai 2003 den Widerruf der Schenkung unter Bezugnahme auf § 5 Ziff. 3 c des Schenkungsvertrags und setzte ihr erfolglos eine Frist zur Rückübertragung der Aktien bis zum 12. Juni 2003.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, 6653 Namensaktien im Nennbetrag von je 100 DM an der I... Akteingesellschaft, eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts Osnabrück unter HRB ... auf ihn zu übertragen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat gemeint, sie sei zu einer Rückübertragung der Aktien rechtlich nicht verpflichtet; insbesondere sei der Widerruf der Aktienübereignungen aus mehreren rechtlichen Gründen wirkungslos. Zunächst sei eine €vorweggenommene Erbfolge€ eine endgültige Maßnahme, mit deren Rechtscharakter das hier vertraglich vorgesehene freie Widerrufsrecht nicht zu vereinbaren sei. Ferner erfordere der Widerruf der Schenkung von Gesellschaftsanteilen unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG zu Eheverträgen (NJW 2001, 957) einen sachlichen Grund. Zudem mangele es an einer zeitlichen Ausübungsbeschränkung.

Sie - die Beklagte - sei auch nicht zum Abschluss des neuen Stimmbindungsvertrages verpflichtet, weil dieser einen gesetzwidrigen Inhalt habe: Durch den neuen Vertrag werde die Grundlage für eine unzulässige Abspaltung des Stimmrechts gelegt. Die Beklagte solle unbefristet verpflichtet werden, nicht nur dem Kläger, sondern sogar einem gesellschafts- und familienfremden Dritten eine unwiderrufliche und verdrängende Stimmrechtsvollmacht zu erteilen. Schließlich verstoße der neue Vertrag gegen das Stimmrechtsbindungsverbot gegenüber €dem Vorstand€ aus § 136 Abs. 2 AktG. Der Kläger sei als Vorsitzender des Vorstands Vertragsbeteiligter und Begünstigter. Die dem Kläger eingeräumte Machtfülle stehe einer Stimmbindung gegenüber dem gesamten Vorstand gleich.

Die Beklagte hat gemeint, sie könne - wenn überhaupt - allenfalls Zug um Zug gegen eine Befreiung aus den von ihr übernommenen Verpflichtungen (Leibrentenzahlung und Pflichtteilsverzicht) verurteilt werden.

Schließlich hat die Beklagte vorgetragen, sie habe ihre Unterschrift verweigern dürfen, weil sie ungerecht behandelt und €faktisch enterbt€ worden sei. Sie habe Beschränkungen ihrer Erberwartungen und weitere Vermögensnachteile (Rentenzahlungen an ihre Eltern, Bürgschaften für das Unternehmen) hingenommen, weil sie davon habe ausgehen können, als Nachfolgerin ihres Vaters das Unternehmen weiter zu führen. Nach den ursprünglichen Plänen des Klägers hätten seine Kinder das Unternehmen weiter führen sollen und sie sei aufgrund ihrer Berufsausbildung (Diplom-Kauffrau) als Einzige für die Unternehmensführung qualifiziert gewesen.

Der Kläger hat dem entgegengehalten, die Beklagte habe in der Vergangenheit auch nicht unerhebliche Zuwendungen erhalten. Erbrechtlich sei sie an dem übrigen Vermögen der Eltern beteiligt. Hätte er die Beklagte wirklich faktisch €enterben€ wollen, hätte er seine Anteile lebzeitig auf seine anderen Töchter oder seine Enkel übertragen können. Schließlich habe die Beklagte zunächst auch ohne Widerspruch an der Gestaltung der Vereinbarungen mitgewirkt.

Das Widerrufsrecht sei nicht €frei€ vereinbart worden, weil es an bestimmte Gründe geknüpft gewesen sei. Der Pflichtteilsverzicht sei unabhängig von der Schenkung erfolgt; das die Beklagte belastende Leibrentenversprechen erlösche mit dem Widerruf (§ 7 Ziff. 7 Schenkungsvertrag).

Schließlich hat der Kläger seinen Anspruch auf Rückübertragung der Aktien für den Fall der Unwirksamkeit des (ersten) Stimmbindungsvertrages hilfsweise auf den Gesichtspunkt des Fortfalls der Geschäftsgrundlage des Schenkungsvertrags gestützt.

Das Landgericht hat mit seinem wegen weiterer Einzelheiten in Bezug genommenen Urteil die Klage abgewiesen und dazu im Wesentlichen ausgeführt:

Der (neue) Stimmbindungsvertrag könne wegen Verstoßes gegen § 136 Abs. 2 AktG nicht wirksam geschlossen werden. Er begünstige den Kläger als das ausweislich des Handelsregisters (Stand Dezember 2004) einzige Mitglied des Vorstands. Dass der Kläger eine einzige (Alibi-) Aktie und damit seinen Aktionärsstatus behalten habe, ändere daran nichts. Auf einen Fortfall der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB könne sich der Kläger bereits deshalb nicht erfolgreich berufen, weil die Parteien für den Fall der Unwirksamkeit einer Einzelregelung im Stimmbindungsvertrag eine vertragsimmanente Lösung vorgesehen hätten. § 7 Ziff. 3 des Vertrages enthalte eine €salvatorische€ Ersetzungsklausel, die eine Anwendung des § 313 BGB ausschließe. Zur Anpassung des Vertrages seien alle Vertragsbeteiligten berufen; sie könne schon deshalb in diesem Verfahren nicht vorgenommen werden.

Gegen dieses ihm am 16. Februar 2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 23. Februar 2005 Berufung eingelegt und diese am 13. April 2005 begründet.

Der Kläger macht in erster Linie geltend, er habe die Stimmbindung in seiner Eigenschaft als Aktionär und nicht als €Vorstand€ vereinbart. Überdies sei er zum Zeitpunkt des (ersten) Vertrages nur neben zwei weiteren Personen Mitglied des Vorstands gewesen. Stimmbindungen zugunsten einzelner Vorstandsmitglieder seien aber nach § 136 Abs. 2 AktG nicht verboten. Für eine analoge Anwendung des § 136 Abs. 2 AktG sei kein Raum; eine Umgehungsabsicht habe das Landgericht nicht ausreichend festgestellt.

Sofern die Stimmbindungsvereinbarung unwirksam sein sollte, bestehe ein Anspruch des Klägers aus § 812 BGB. Denn die Wirksamkeit der (alten) Stimmbindungsvereinbarung sei Geschäftsgrundlage des Schenkungsvertrages gewesen. Die salvatorische Klausel betreffe allein den Fortfall der Geschäftsgrundlage des Stimmbindungsvertrages und nicht den Fortfall der Geschäftsgrundlage des Schenkungsvertrages. Eine entsprechende Ersetzungsklausel für den Fall der Unwirksamkeit des Stimmbindungsvertrages enthalte der Schenkungsvertrag selbst auch nicht.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und seinem erstinstanzlichen Antrag stattzugeben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen

und hilfsweise widerklagend für den Fall, dass die Aktien zurückübertragen werden müssen, festzustellen,

dass der am 27. Oktober 1993 vor dem Notar H... geschlossene Pflichtteilsverzichtsvertrag zwischen der Beklagten und dem Kläger hinsichtlich des Nachlasses des Klägers unwirksam ist.

Der Kläger beantragt,

die Widerklage als (im Berufungsverfahren) unzulässig,

hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags.

Mit ihrem erstmals in der Berufungsverhandlung gestellten Widerklageantrag hat die Beklagte auf den Hinweis des Senats reagiert, dass alle im Zusammenhang mit der Anteilsübertragung geschlossenen Vereinbarungen nach dem Willen der Parteien eine Einheit bilden und in wechselseitiger Abhängigkeit voneinander stehen dürften. Der Kläger hat einer Verhandlung über die Widerklage widersprochen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung des Klägers führt in Abänderung der angefochtenen Entscheidung des Landgerichts zu einer Verurteilung der Beklagten zur Rückübertragung der ihr mit Notarvertrag vom 27. Oktober 1993 vom Kläger geschenkten Namensaktien.

Auf die nach § 533 ZPO zulässigerweise erstmals im Berufungsverfahren erhobene und als sachdienliche zuzulassende Widerklage war die Unwirksamkeit des von der Beklagten erklärten Pflichtteilsverzichts festzustellen.

Tragender Grund für diese Entscheidungen ist die Rechtsansicht des Senats, dass nicht erst der Vertragsentwurf des Klägers von 2003 eine unwirksame Stimmbindungsregelung enthielt, sondern bereits der 1993 geschlossene Stimmbindungsvertrag unheilbar nichtig war und dies im Ergebnis zur Unwirksamkeit aller am 27. Oktober 1993 zwischen dem Kläger, seiner Ehefrau und seinen Kindern getroffenen Vereinbarungen führt.

Unter dieser Voraussetzung besteht schon kein Anspruch gegen die Beklagte aus § 5 Abs. 2 der 1993 getroffenen Vereinbarung zum Abschluss eines neuen Stimmbindungsvertrags. Allerdings entfallen damit zugleich und ebenfalls unheilbar die (vertraglichen) Rechtsgrundlagen für die Übertagung der väterlichen Aktien auf die Beklagte und für den von der Beklagten erklärten Verzicht auf ihren Pflichtteil am väterlichen Nachlass. Im Ergebnis ist daher die Beklagte sachlich einerseits zur Rückübertragung der Aktien verpflichtet und andererseits an ihren Pflichtteilsverzicht nicht gebunden.

1. Dem Kläger steht sachlich ein bereicherungsrechtlicher Anspruch auf Rückübertragung der im Tenor bezeichneten Aktien zu.

a) Der Senat geht - wie in der Berufungsverhandlung erläutert - zunächst davon aus, dass der am 27. Oktober 1993 u.a. zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits geschlossene Stimmbindungsvertrag zugunsten des Klägers wegen Verstoßes gegen § 136 Abs. 2 AktG nichtig ist.

43Die Vereinbarung enthält eine unzulässige Stimmbindung zugunsten des Vorstands der I... AG. Sie verpflichtet die Ehefrau des Klägers und seine drei Töchter zu einer Stimmrechtsausübung €nach Weisung .. des Vorstands€. Einer Anwendung des § 136 Abs. 2 AktG steht nicht entgegen, dass der Kläger als weisungsbefugtes Mitglied des Vorstands namentlich benannt wurde. Dies gilt ebenso für den Umstand, dass der Kläger bei Vertragsschluss nicht nur im Vorstand der AG tätig war, sondern - für kurze Zeit bis zum Abschluss des Schenkungsvertrags - zugleich noch 98,80 % iger Mehrheitsaktionär der AG. Unerheblich ist schließlich auch, dass der Kläger nach Vollzug der Schenkung noch eine Aktie (Anteil 0,005 %) behielt.

aa) § 1 des Stimmbindungsvertrags von 1993 verpflichtete die Ehefrau und die Töchter des Klägers zur Ausübung ihrer Aktionärsstimmrechte €nach den Weisungen€ des Klägers bzw. zur Beschlussfassung nur mit Zustimmung des Klägers.

45Stimmbindungsvereinbarungen sind grundsätzlich zulässig und nur in den gesetzlich geregelten Ausnahmefällen verboten (BGH NJW 1987, 1890, 1892; Schröer in MK-AktG, 2. Aufl., § 136 Rn. 61). Das Gesetz untersagt nach dem Wortlaut des § 136 Abs. 2 AktG Stimmbindungsverträge zugunsten des Vorstands. Damit soll verhindert werden, dass die Verwaltung der AG einen unerwünschten Einfluss auf die Willensbildung der Hauptversammlung nimmt und die gesellschaftsverfassungsrechtlich gebotene Kontrolle des Vorstandes durch die Aktionäre erschwert wird. Verboten sind danach Vereinbarungen über eine Weisungsbefugnis des Organs €Vorstand€; Vereinbarungen mit einzelnen Vorstandsmitgliedern sollen dagegen prinzipiell zulässig sein (Hüffner, AktG, 6. Aufl., § 136 Rn. 26; Schröer a.a.O., § 136 Rn. 74). Die streitgegenständliche Vereinbarung erfüllt die Voraussetzung des Verbotstatbestandes, weil der Kläger sich die Weisungsbefugnisse gerade wegen und zum Zweck der weiteren Stärkung seiner beherrschenden Funktion als Leiter / Verwaltungsvorstand der I... hat einräumen lassen.

Dafür sprechen bereits die äußeren Umstände. Der Kläger hatte im Jahr 1993 den Stimmbindungsvertrag nicht als einzelnes Mitglied eines aus mehreren Personen zusammengesetzten Vorstands geschlossen, sondern als einziges Vorstandsmitglied. Dies ergibt sich aus dem Handelsregister. Nach der Gründung der AG im Dezember 1992 war allein der Kläger als Vorstand eingetragen. Das änderte sich erst im Januar 1994, als zwei weitere Vorstandsmitglieder (P... und H...) eingetragen wurden und der Kläger fortan als €Vorstands-Vorsitzender€ bezeichnet wurde. In der Folgezeit wechselten die Vorstände mit Ausnahme des Klägers, der dann schließlich im März 2003 als einziger Vorstand verblieb.

Ferner sprechen dafür die Aktivitäten des Klägers zur Umsetzung seines in Ziff. 3 der Präambel des Stimmbindungsvertrags von 1993 formulierten Ziels, nämlich €die einheitliche unternehmerische Führung der Gruppenunternehmen durch Herrn V... bzw. durch einen€ gem. § 5 Ziff. 1 von ihm zu bestimmenden €geeigneten Unternehmensnachfolger€ trotz der lebzeitigen Übertragung der Aktien €sicherzustellen€. Er hatte nämlich durch verschiedene Regelungen in dem Stimmbindungsvertrag von 1993 dafür gesorgt, dass er die Geschicke der I... AG nicht nur als einziger Vorstand, sondern auch in den Zeiten eines Mehrpersonenvorstands letztentscheidend allein bestimmen und lenken konnte.

So hatte sich der Kläger ausbedungen, dass ihn die (künftigen Mehrheits-) Aktionäre so behandeln, als sei ihm das Amt des Vorstandsvorsitzenden als €unentziehbares Sonderrecht€ zugewandt (§ 3 Ziff. 1). Dem Kläger war auch (§ 3 Ziff. 2) €freie Hand€ eingeräumt bei dem Vorschlag an den Aufsichtsrat zur Bestellung eines weiteren Vorstands. Die Mitglieder durften überdies nur nach seinen Weisungen bestellt und abberufen werden (§ 1 Ziff. 1 a). Ferner hatten sich die beschenkten Aktionäre gem. § 1 Ziff. 1 b - h nach den Weisungen des Klägers zu richten bei ihren Abstimmungen über Satzungsänderungen, Widerruf der Vorstandsbestellung durch Vertrauensentzug, Jahresabschlussfeststellung und Gewinnverwendung, Bestellung des Abschlussprüfers, Zustimmung zu Unternehmensverträgen i.w.S. und zu Aktienübertragungen an familienfremde (nicht stimmgebundene) Personen sowie über die Liquidation der I... AG. Die Familienmitglieder hatten die ihnen auferlegten Bindungen an €lebzeitige oder letztwillige Rechtsnachfolger€ weiterzugeben, widrigenfalls mit der Zustimmung des Klägers nicht zu rechnen war (§ 4 Ziff. 4). Schließlich durfte der Kläger die Person eines Unternehmensnachfolgers, der auch ein familienfremder Dritter sein durfte, frei bestimmen und die Aktionäre mussten sich verpflichten, einen auf die Nachfolge-Regelungswünsche des Klägers abgestimmten €neuen Stimmbindungsvertrag€ mit dem Kläger zu schließen (§ 5 Ziff. 1 u. 2).

Dass unter den vorbeschriebenen Umständen der Kläger alle maßgeblichen Entscheidungen für die I... AG und die Beteiligungsgesellschaften allein und ohne nennenswerten Rechtfertigungsaufwand gegenüber den Aktionären treffen konnte, kann nicht zweifelhaft sein. Insgesamt ist es danach gerechtfertigt, den Kläger als entscheidendes Verwaltungsorgan und damit als €Vorstand€ i.S.d. § 136 Abs. 2 AktG zu qualifizieren.

bb) Unerheblich ist der Einwand des Klägers, er habe bereits beim Abschluss des Stimmbindungsvertrags 1993 nicht in seiner Funktion als Vorstand gehandelt, sondern als Aktionär.

Diesen Einwand hatte bereits das Landgericht für unbeachtlich gehalten: Der Kläger könne sich zur Rechtfertigung der Stimmbindung wegen seiner beherrschenden Stellung in der AG nicht erfolgreich durch Rückbehalt einer einzigen Aktie (0,005 %) auf die beibehaltene Stellung als Aktionär berufen. Der Senat sieht keine Veranlassung von dieser Ansicht abzuweichen.

52Es ist allgemein anerkannt, dass das Stimmbindungsverbot des § 136 Abs. 2 AktG unabhängig davon gilt, ob der begünstigte Vorstand gleichzeitig Kapitalgeber ist (Schröer a.a.O. § 136 Rn. 71, 80 m.w.N.; tendenziell ebenso OLG Stuttgart JZ 1987, 570 betr. Stimmenpoolvereinbarungen).

Dem schließt sich der Senat an. Der durch § 136 Abs. 2 AktG bezweckte Schutz der Aktionäre vor einer maßgeblichen Einflussnahme des Vorstandes auf die Willensbildung der Gesellschaft liefe weitgehend leer, wenn allein der Besitz einer Aktie ausreicht, um den Vorstand vom Verbot der Vereinbarung von Stimmbindungsverträgen zu befreien.

Der Kläger hat in der Berufungsverhandlung eingewandt, er habe bei Abschluss der Vereinbarung von 1993 keine Verwaltungsinteressen, sondern seine Interessen als (bei Stimmbindungsvertragsschluss noch) Mehrheitsaktionär wahrgenommen und habe mit der Stimmbindungsvereinbarung den für ihn negativen Folgen aus dem Verlust seiner Aktienmehrheit entgegenwirken wollen.

Dieser Einwand ist unerheblich. Es kann nicht dem Belieben des mehrfunktional Beteiligten überlassen sein, sich auszusuchen, ob es im Einzelfall für ihn günstiger ist, sein Handeln als das eines Vorstands oder eines Aktionärs bewerten zu lassen. Für die Beurteilung der Frage, ob die Interessen rechtlich durchsetzbar sind, kann es nicht darauf ankommen, in welche der beiden €Hüllen€ der Betreffende schlüpfen möchte. Dies würde zu einer Beliebigkeit der Normwahl bzw. der Normvermeidung führen. Das wäre wiederum mit dem gesetzlich ausgewogen geregelten Machtverhältnis namentlich zwischen den Kapitalgebern und der Verwaltung einer AG nicht zu vereinbaren. Maßgeblich kann daher grundsätzlich nur sein und ist auch im Streitfall nur, ob die mit der Aktion verfolgten Interessen objektiv dem Aktionär oder dem Vorstand zuzuordnen sind. Hier wollte der Kläger seine Aktien lebzeitig und erbschaftssteuerneutral auf seine drei Töchter übertragen, um rechtzeitig den Boden für einen Generationenwechsel zu bereiten. Wenn er trotz des Verlustes der Aktienmehrheit die Unternehmensgeschicke weiterhin faktisch autonom bestimmen wollte, musste er seine Stellung als Vorstand entsprechend stärken. Damit steht fest, dass alle Maßnahmen, die der Kläger im Zusammenhang mit der lebzeitigen Anteilsübertragung vorgenommen bzw. initiiert hat, um seine Stellung als Führungsperson des Unternehmens zu sichern und zu stärken, objektiv der Interessensphäre des Organs €Vorstand€ bzw. €Vorstandsvorsitzender€ zuzuordnen sind. Dafür spricht letztlich auch, dass der Kläger mit dem zeitlich vor der Anteilsübertragung abgeschlossenen Stimmbindungsvertrag für die Absicherungen seiner Stellung als Vorstand gesorgt hatte.

cc) Gegen eine Anwendung des § 136 Abs. 2 AktG spricht auch nicht, dass die I... AG keine jedermann uneingeschränkt zugängliche €offene€ AG ist. Von ihrer Konzeption her war und ist die I... AG immer noch ein faktisch personell in sich geschlossenes Familienunternehmen, dessen Kapital ursprünglich zudem allein von dem Kläger (Familienvater) erwirtschaftet und eingebracht worden war.

Der Kläger hat Zweifel daran geäußert, dass die Regelung des § 136 Abs. 2 AktG für solche Gesellschaften überhaupt €passt€. Gegen die Anwendbarkeit dieser Norm könnte sprechen, dass der Interessengegensatz zwischen Kapitalgebern und Vorstand, der nach dem Willen des Gesetzgebers nicht durch Stimmbindungsverträge zugunsten einer dominanten und stets durchsetzungsfähigen Bestimmungsgewalt der Verwaltung verschoben werden soll, im Fall eines Familienunternehmens eher nicht so prägend ist wie im gesetzlichen Modellfall einer AG.

Gegen die Betrachtungsweise des Klägers ist jedoch vor allem einzuwenden, dass derjenige, der eine bestimmte Rechtsform wählt, sich auch den dafür geltenden gesetzlichen Bestimmungen unterwerfen muss. Dass die hier in Rede stehende Regel des § 136 Abs. 2 AktG auch im Streitfall Sinn macht, wird insbesondere daran deutlich, dass nach dem mit der Formulierung des Stimmbindungsvertrags 2003 verfolgten neuen Konzept offenbar primär eine familienfremde Unternehmensführung im Vordergrund der Erwartungen und Bestrebungen des Klägers stand. Die dann ganz anders zu bewertende und eher sich dem gesetzlichen Leitbild annähernde Interessenkonstellation schließt Überlegungen zur Beschränkung des Anwendungsbereichs des § 136 Abs. 2 AktG aus. Das gilt im Übrigen auch bereits für die Situation im Jahr 1993. Denn die Öffnung der I... AG für familienfremde Dritte war auch schon im Stimmbindungsvertrag 1993 angelegt. Denn nach dessen § 5 Ziff. 1 Satz 3 i.V.m. Satz 1 sollte der Kläger befugt sein, an Stelle seiner Töchter einen €Dritten€, nach Ziff. 2 konkreter: €einen familienfremden unternehmerischen Nachfolger€, als künftigen Unternehmensführer zu bestimmen.

b) Der Anspruch des Klägers auf Rückübertragung der 1993 der Beklagten geschenkten Namensaktien folgt daraus, dass der Verstoß gegen § 136 Abs. 2 AktG zur Gesamtnichtigkeit, mindestens jedoch zur Nichtigkeit des Kernbereichs der Stimmbindungsvereinbarung 1993 führt und dies im Ergebnis auch eine Unwirksamkeit des Vertrags über die Schenkung der Aktien bewirkt.

aa) Der Verstoß gegen § 136 Abs. 2 AktG hat die Unwirksamkeit des gesamten Stimmbindungsvertrags 1993 zur Folge.

61Dem steht nicht entgegen, dass die Vertragsparteien in § 7 Ziff. 3 eine salvatorische Ersetzungsklausel vereinbart hatten. Daraus lässt sich nicht herleiten, dass die nicht unmittelbar von der Nichtigkeit nach § 136 Abs.2 AktG erfassten Teile des Vertrags unabhängig von der Gültigkeit des Vertrages im Übrigen auf jeden Fall wirksam bleiben. Klauseln der hier vereinbarten Art entbinden nicht von der nach § 139 BGB vorzunehmenden Prüfung, ob die Parteien das teilnichtige Geschäft als Ganzes verworfen hätten oder aber den Rest hätten gelten lassen. Sie ändern lediglich die übliche Darlegungs- und Beweislast zu Ungunsten desjenigen, der sich gegen eine Teil-Aufrechterhaltung ausspricht (BGH NJW 2003, 347).

Hier ist aufgrund des unstreitigen Sachverhalts nach der Überzeugung des Senats mit hinreichender Sicherheit davon auszugehen, dass ohne die Stimmbindungsvereinbarungen in § 1 der Vertrag insgesamt nicht abgeschlossen worden wäre und er deshalb auch nicht teilweise aufrecht zu erhalten ist.

Die nichtigen Weisungsbefugnisse und Zustimmungserfordernisse, mit denen die Mitaktionäre in den für die AG wesentlichen Entscheidungen dem Willen des Klägers unterworfen wurden, bilden den Kerngehalt der Vereinbarung. Ihr Fortfall setzt den Kläger außerstande, sein in der Präambel formuliertes Ziel, nämlich die Sicherstellung einer von maßgeblichen Einflüssen der Mitaktionäre ungestörten, einheitlichen unternehmerischen Führung zu erreichen.

Eine sinnvolle isolierte Aufrechterhaltung der anderen vertraglichen Regelungen ist ebenfalls nicht ersichtlich. Die Verpflichtung zum Abschluss eines den Entwicklungen angepassten neuen Stimmbindungsvertrags (§ 5) scheidet schon wegen der erneut drohenden Kollision mit § 136 Abs. 2 AktG aus. Auch ein Interesse an einer isolierten Beibehaltung der in § 2 vorgesehenen Verpflichtung der Mitaktionäre zum Abschluss von den Unternehmenszielen angepassten Eheverträgen ist ohne wirksame mittelbar oder unmittelbar wirkende Stimmbindung in Bezug auf die Entscheidungen über die Unternehmensziele und die Person des Nachfolgers in der Unternehmensführung nicht auszumachen.

65Schließlich ermöglicht die salvatorische Ersetzungsklausel auch keine taugliche Abhilfe im Wege einer Ersetzung der unwirksamen Regelungen durch wirksame andere Bestimmungen. Denn zum einen ist die Stimmbindung der entscheidende Regelungszweck der Vereinbarung. Und zum anderen ist nicht ersichtlich, welche andere Regelung die Stimmbindung wirksam ersetzen könnte.

Die für die Anwendung des § 136 Abs. 2 AktG maßgebliche rechtliche Wertung, dass der Kläger in Wirklichkeit eine Bindung der Stimmen an sich als €Vorstand€ bewirken wollte, kann durch eine anderweitige Regelung nicht ersetzt werden, ohne den Vertragszweck zu konterkarieren. An der Unerheblichkeit der Aktionärsstellung für die Frage der Stimmbindung könnte eine anders formulierte Regelung nichts ändern. Auch die Möglichkeit der Ersetzung durch andere Formen der Stimmbindung ist nicht ersichtlich, weil der mit dem Vertrag verfolgte Zweck der Stimmbindung €wirtschaftlich oder rechtlich€ durch eine andere wirksame Regelung nicht erreicht werden kann.

67bb) Die zu aa) festgestellte Nichtigkeit des Stimmbindungsvertrags 1993 führt zugleich zur Unwirksamkeit der Vereinbarung der Parteien über die Schenkung der vom Kläger herausverlangten Namensaktien.

Der Senat geht hilfsweise davon aus, dass unbeschadet der Aufrechterhaltung der Stimmbindungsvereinbarung im Übrigen auch schon allein der Fortfall der von § 136 Abs. 2 AktG unmittelbar erfassten Stimmbindungsregelungen die Nichtigkeit des Schenkungsvertrags zur Folge hat.

Für eine Gesamtnichtigkeit der beiden Verträge nach § 139 BGB spricht zunächst, dass in beiden Präambeln wechselseitig auf den jeweils anderen Vertrag Bezug genommen wird. Die Schenkung der Anteile wird in Ziff. 2 der Präambel des Stimmbindungsvertrags 1993 ausdrücklich €im Anschluss an die Unterzeichnung dieses Vertrags€ versprochen.

Die grundlegende Bedeutung der Stimmbindungsvereinbarung für die Schenkung wird dadurch deutlich, dass dem Kläger in § 5 Ziff. 3 c des Schenkungsvertrags für den Fall der Nichteinhaltung der Verpflichtungen aus dem Stimmbindungsvertrag ein Recht zum Widerruf der Schenkung eingeräumt wurde.

Schließlich indiziert auch der mit beiden Verträgen verfolgte Regelungszweck eine Einheit i.S.d. § 139 BGB. Denn es war für alle Beteiligten (unstreitig) offenkundig, dass der Kläger trotz der Anteilsübertragung im Wege vorweggenommener Erbfolge für jeden denkbaren Fall noch weiterhin die alleinige Entscheidungsbefugnis im Unternehmen behalten wollte.

72Aus der Sicht des Senats ist danach nicht zweifelhaft, dass beide Verträge eine sich wechselseitig ergänzende Einheit bildeten und der Kläger nur entweder beide Verträge oder gar keinen geschlossen hätte. Ohne die Stimmbindung hätte der Kläger seine Aktien nicht vorzeitig auf die Beklagte übertragen und ohne die vorweggenommene Übertragung der Aktien bestand kein Grund für die Stimmbindungsvereinbarung.

73Auch die in § 8 Ziff. 3 des Schenkungsvertrags enthaltene salvatorische Ersetzungsklausel kann keine Aufrechterhaltung des Vertrages bewirken. Denn die Stimmbindung ist - wie bereits ausgeführt - nicht durch eine dem Vertragszweck entsprechende wirksame Alternativregelung ersetzbar und ohne Stimmbindung hätte es keinen Schenkungsvertrag gegeben. Dies alles folgt - unabhängig von der auch hier grundsätzlich zu berücksichtigenden Darlegungs- und Beweislastumkehr - aus den beiderseits und insoweit auch übereinstimmend vorgetragenen objektiven Umständen des Falles.

cc) Der Senat hat aus den vorstehend ausgeführten Gründen zur Begründung der Nichtigkeit des Stimmbindungsvertrags maßgeblich auf § 136 Abs. 2 AktG abgestellt. Er ist davon ausgegangen, dass der Schutzzweck dieser Vorschrift einer Erstreckung der Unwirksamkeit auf den Schenkungsvertrag nicht entgegensteht.

Allerdings ist die Rechtsfolge einer Gesamtnichtigkeit dann problematisch, wenn die nichtigen Bestandteile eines (einheitlichen) Rechtsgeschäfts auf Grund einer gesetzlichen Regelung weggefallen sind, die den Schutz einer Partei gewährleisten soll.

§ 136 Abs. 2 AktG ist jedoch keine Norm zum Schutz von Personen, die mit stimmbindungsbehafteten Aktien beschenkt werden. Diese Verbotsnorm soll vielmehr allein dazu dienen, die Gesellschafter (Aktionäre) vor einer übermäßig zugunsten des Vorstands verschobenen Einflussnahme auf die Geschicke der Gesellschaft zu schützen.

dd) Der Rückübertragungsanspruch ergibt sich aus bereicherungsrechtlichen Gesichtspunkten.

Entgegen der Ansicht der Beklagten erstreckt sich die Unwirksamkeit der schuldrechtlichen Schenkungsvereinbarung nicht auf das mitbeurkundete Erfüllungsgeschäft, also die Abtretung der Namensaktien. Die Schenkung und ihr Erfüllungsgeschäft sind weder kraft Gesetzes noch aufgrund von Vereinbarungen der Parteien rechtlich als Einheit zu behandeln. Insbesondere handelt es sich nicht um ein sog. €Handgeschäft€ des täglichen Lebens, bei dem der Rechtsgrund und das Erfüllungsgeschäft typischerweise in einem Akt zusammenfallen. Es ergibt sich auch nicht aus der Verbindung der beiden Rechtsgeschäfte in einer notariellen Urkunde ein vom Regelfall abweichender (und daher nicht ohne signifikante Gründe anzunehmender) Wille der Parteien, Verpflichtungs- und Erfüllungsgeschäft als Einheit behandeln zu wollen.

Der Hilfseinwand der Beklagten, sie schulde eine Rückübertragung der Aktien allenfalls Zug um Zug gegen ihre Entlassung aus der Vereinbarung über den Pflichtteilsverzicht und gegen eine Befreiung von dem Leibrentenzahlungsversprechen, ist unbegründet.

80Der Senat ist aus den nachstehend zu 2. ausgeführten Gründen der Ansicht, dass es einer Rückgängigmachung des Pflichtteilsverzichts nicht bedarf, weil die Verzichtsvereinbarung als weitere Folge der Nichtigkeit der Verträge über die Stimmbindung und die Anteilsübertragung (§ 139 BGB) ohne weiteres unwirksam ist. Ein gesonderter Rückabwicklungsakt hätte danach allenfalls deklaratorische Bedeutung und ist nicht geeignet, den Zug-um-Zug-Einwand zu begründen.

Die Rentenzahlungsverpflichtung war in § 7 des Schenkungsvertrags geregelt. Mit dessen Unwirksamkeit entfällt auch die Zahlungspflicht der Beklagten, die in Abhängigkeit von der Schenkung der Aktien begründet wurde und deren Unwirksamkeit nach § 139 BGB teilt.

c) Die zu b) aufgezeigten Rechtsfolgen ergeben sich auch dann, wenn man die 1993 getroffene Stimmbindungsvereinbarung wegen der nahezu vollständigen Aufgabe der eigenverantwortlichen Wahrnehmung der Verwaltungsrechte der Beklagten und mit Blick auf den von ihr als €Gegenleistung€ verlangten und erklärten Verzicht auf Pflichtteilsrechte unter dem Gesichtspunkt der Sittenwidrigkeit (§ 138 Abs. 1 BGB) wegen evidenten Ungleichgewichts zwischen Leistung und Gegenleistung bewertet. Darauf stützt der Senat seine Entscheidung hilfsweise im Verhältnis zur Anwendung des § 136 Abs. 2 AktG.

Was die Ausübung der Stimmrechte usw. betrifft, bewirkte der Stimmbindungsvertrag von 1993 zwar keine nach § 8 Abs. 5 AktG unzulässige (Hüffner a.a.O. § 8 Rn. 30;

§ 133 Rn. 17) Abspaltung der darin angesprochenen Verwaltungsrechte vom Stammrecht der Mitgliedschaft bewirken. Denn die Abspaltung setzt prinzipiell eine Vollrechtsübertragung des Mitgliedschaftsrechts und eine damit bewirkte Trennung der Rechtszuständigkeiten voraus, weil eine Bevollmächtigung Dritter zur Ausübung des Stimmrechts grundsätzlich zulässig ist (§§ 129 Abs. 1 u. 3; 134 Abs. 3 Satz 1 AktG). Abgetreten hat die Beklagte ihre Stimmrechte aber nicht; dazu sollte sie durch den Stimmbindungsvertrag auch nicht verpflichtet werden.

Gleichwohl kann nicht außer Betracht bleiben, dass der Stimmbindungsvertrag mit seinen Weisungs- und Zustimmungsregelungen zugunsten des Klägers die Ausübung der mit den Aktien verbundenen Verwaltungsrechte faktisch €auf Null€ reduzierte. Wie die Darstellung zu a aa) deutlich macht, war die Beklagte dem Gestaltungswillen des Klägers vollständig untergeordnet. Sie besaß mit den ihr formal mit den Aktien übertragenen Stimmrechte lediglich leere €Rechtshülsen€. Irgendeinen maßgeblichen Einfluss auf die personelle Besetzung der Unternehmensführung oder deren Entscheidungen durfte sie gegen den Willen des Klägers nicht ausüben.

Der Kläger hat dem entgegengehalten, die Stimmbindung wirke lediglich schuldrechtlich (inter partes), so dass Abstimmungen trotz eines Verstoßes gegen die Stimmbindung wirksam seien. Im Übrigen habe die Beklagte die uneingeschränkten sonstigen Rechte, wie etwa die der Auskunftserteilung durch den Vorstand. Dieser Einwand ist grundsätzlich zutreffend, vermag jedoch im Ergebnis nichts zu ändern. War die vertraglich vereinbarte Stimmbindung wirksam, droht bei jedem Verstoß gegen die eingegangenen Bindungen ein Schadensersatzanspruch, dessen potenzieller Umfang bei gewichtigen Entscheidungen durchaus ein wirkungsvolles Mittel zur Vermeidung von Abstimmungen gegen den verlautbarten Willen oder ohne Zustimmung des Klägers darstellt. Ganz abgesehen davon sind Stimmbindungsvereinbarungen nach h.M. (BGHZ 48, 163, 169; Semler in MK-AktG, 2. Aufl., § 38 Rn. 47 f.) geeignet, klagbare Erfüllungsansprüche zu begründen. Jedenfalls vertraglich verbotene Abstimmungen sollen auch im Wege einstweiligen Rechtsschutzes durchsetzbar sein (OLG Koblenz NJW 1986, 1692, 1693).

Das alles macht allerdings die getroffene Vereinbarung noch nicht sittenwidrig. Denn es darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Kläger nicht verpflichtet war, die Aktien auf die Beklagte zu übertragen. Bei freiwilligen Zuwendungen besteht kein Anspruch auf einen €ausreichenden€ Wert oder sachlichen Gehalt des Zuwendungsobjekts.

So einfach liegt die Sache hier jedoch nicht. Denn zweifelsfrei hätte die Beklagte die Aktien nicht erhalten, wenn sie nicht einen Verzicht auf ihren (nach der Wertung des Gesetzes und Art. 14 Abs. 1 GG grundsätzlich unentziehbaren) Pflichtteil nach dem Tod des längslebenden Elternteils erklärt hätte. Dann wird aber deutlich, dass die Beklagte auf der einen Seite infolge des Pflichtteilsverzichts einen unmittelbaren rechtlichen Nachteil erlitten hat und €dafür€ auf der anderen Seite im Ergebnis keine werthaltigen, weil ihre Einflussnahme auf das Unternehmen faktisch ausschließenden Rechte erlangt hatte. Wenn man weiter berücksichtigt, dass die Beklagte die Einnahmen aus den Aktien praktisch in voller Höhe für die Leibrentenzahlungen und die damals noch bestehende Vermögenssteuer aufwenden sollte, bleibt nicht viel an erhaltener €Gegenleistungssubstanz€. Aus der Sicht des Senats ist es danach gerechtfertigt, hier von einem auffälligen Missverhältnis der wechselseitig eingegangenen Verpflichtungen mit signifikanter Benachteiligung der Beklagten auszugehen, was in der Gesamtbewertung eine Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB zu Gunsten der Beklagten rechtfertigt.

892. Die zulässige Widerklage der Beklagten ist begründet. Die festgestellte Nichtigkeit des Stimmbindungsvertrags 1993 und die nach § 139 BGB daraus zugleich abgeleitete Unwirksamkeit des Schenkungsvertrags entzieht auch dem von der Beklagten am 27. Oktober 1993 vertraglich erklärten Pflichtteilsverzicht am Nachlass des Längslebenden der Eltern der Beklagten gemäß § 139 BGB die Grundlage.

Der Pflichtteilsverzicht der Beklagten ist ein Teil der vom Kläger eingeleiteten Regelungen zur Vorbereitung eines gleitenden Unternehmensübergangs auf einen von ihm auszuwählenden Nachfolger. Es spricht schon wegen des räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs mit den übrigen Verträgen eine Vermutung für die Eingebundenheit des Pflichtteilsverzichts in ein in sich geschlossenes Gesamtpaket und damit für eine gewollte wechselseitige Abhängigkeit.

Noch überzeugender in diese Richtung weisen die persönlichen Erklärungen des Klägers in der Berufungsverhandlung. Der Kläger hat nämlich deutlich gemacht, dass es ihm mit Blick auf das Schicksal €seines€ Unternehmens ganz wesentlich auf diesen Pflichtteilsverzicht ankam. Er hat dies damit begründet, dass die Pflichtteilsforderungen nach dem maßgeblichen Erbfall sofort fällig werden und dann mit einem Mal Forderungen €an den Nachlass€, also auch das Unternehmensvermögen gestellt werden könnten, die für das Unternehmen im Zweifel existenzbedrohend sein könnte. Deshalb sei ihm der Pflichtteilsverzicht so wichtig.

Dass andererseits die Beklagte ohne den Erhalt der Aktien keinesfalls einem Pflichtteilsverzicht zugestimmt hätte, hat sie selbst bestätigt. Die Richtigkeit dieser Erklärung kann bei sachgerechter Betrachtung ohnehin nicht zweifelhaft sein. Die Beklagte hatte keinen ersichtlichen Grund, auf ihr Pflichtteil zu verzichten, wenn sie nicht zum Ausgleich im Gegenzug die Aktien erhalten hätte.

3. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Inhalt der nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangenen Schriftsätze der Parteien gibt keine Veranlassung zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (§ 156 ZPO).






OLG Oldenburg:
Urteil v. 16.03.2006
Az: 1 U 12/05


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/7c6bfa0a5097/OLG-Oldenburg_Urteil_vom_16-Maerz-2006_Az_1-U-12-05




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