Bundespatentgericht:
Beschluss vom 11. Juli 2002
Aktenzeichen: 17 W (pat) 61/01
(BPatG: Beschluss v. 11.07.2002, Az.: 17 W (pat) 61/01)
Tenor
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluß der Prüfungsstelle für Klasse G 11 B des Deutschen Patent- und Markenamts vom 10. August 2001 aufgehoben und das Patent erteilt.
Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:
Patentsprüche 1 bis 11, eingegangen am 12. Juli 1999 (Anmeldetag), Beschreibung S. 1 und 2, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 11. Juli 2002 S. 3 bis 11, eingegangen am 12. Juli 1999 (Anmeldetag), 1 Blatt Zeichnungen mit den Figuren 1 bis 4, eingegangen am 1. Dezember 1999.
Gründe
I.
1. Die am 12. Juli 1999 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangene Patentanmeldung 199 32 899.4-53 mit der Bezeichnung
"Datenspeicher"
wurde am 10. August 2001 durch Beschluß der Prüfungsstelle für Klasse G11B mit der Begründung zurückgewiesen, der angemeldete Gegenstand beruhe nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie ihr Patentbegehren auf der Grundlage der ursprünglichen Unterlagen weiterverfolgt.
Der geltende Patentanspruch 1 und der auf ihn rückbezogene Anspruch 10 lauten:
"1. Datenspeicher, mit einem spiralartig auf einen Wickelkern (40) aufgewickelten Informationsträger (44) für optisch auslesbare Informationseinheiten, wobei der Wickelkern (40) an seiner Außenkontur (42) spiralartig gestaltet ist und eine Stufe (43) aufweist, deren Höhe an die Dicke des Informationsträgers (44) angepaßt ist, und wobei das innenliegende Ende (45) des Informationsträgers (44) an der Stufe (43) oder im Bereich der Stufe (43) an dem Wickelkern (40) anliegt."
"10. Datenspeicher nach einem der Ansprüche 1 bis 9, dadurch gekennzeichnet, daß der Wickelkern (40) optisch transparent ist und in seinem Zentralbereich eine Aussparung (41) aufweist."
Der Patentanspruch 11 hat folgenden Wortlaut:
"11. Verwendung eines Datenspeichers (1) nach Anspruch 10 in einem darauf abgestimmten Laufwerk, das eine Leseeinrichtung (2) und optional eine Schreibeinrichtung (2) aufweist, wobei die Leseeinrichtung (2) und die optionale Schreibeinrichtung (2) in der Aussparung (41) im Zentralbereich des Wickelkerns (40) angeordnet sind und zum Lesen bzw. Schreiben von Information relativ zu dem Datenspeicher (1) bewegt werden, während der Datenspeicher ruht."
Wegen der abhängigen Ansprüche 2 bis 9 wird auf die Akte verwiesen.
2. Im Prüfungsverfahren wurde folgender Stand der Technik entgegengehalten:
[1] CHIP 9/98 online-Archiv: CHIP 9/98, Deckblatt, Inhaltsverzeichnis und J. Pich: Klebe für mehr Gigabyte, Internet http://www.chip.de;
[2] Optical Processing; Uni Mannheim, OptiMem, internet http://134.155.65.73/deutsch/optimem/optimem.html.
Die Anmelderin selbst nennt folgenden Stand der Technik:
[3] DE 298 16 802 U1.
3. Die Anmelderin macht geltend, die Anmeldung gehe von einem bekannten Datenspeicher aus, wie er in Druckschrift [3] beschrieben sei, bei dem der Informationsträger aus einer in mehreren Lagen auf einen Wickelkern aufgewickelten Polymerfolie bestehe, die unter dem Handelsnamen "Tesafilm" weit verbreitet sei. Dieser werde bekanntlich auf eine zylindrische Rolle gewickelt, so daß sich am Filmanfang beim Überwickeln mit der nächsten Lage wegen der endlichen Dicke des Films ein undefinierter Bereich für das Einschreiben und Auslesen von Information ergebe. Erfindungsgemäß werde dies mit einer spiralartig anwachsenden Außenkontur des Wickelkerns behoben, die zum Dickenausgleich am Filmanfang eine Stufe bilde. Hierfür gebe es aus dem Stand der Technik heraus keinerlei Hinweise. Die im Prüfungsverfahren entgegengehaltenen Dokumente gingen nicht über das hinaus, was die Anmelderin selbst bereits als bekannt vorausgesetzt habe. Im übrigen sei bei der Dokumentation [2] eine Veröffentlichung vor dem Anmeldetag nicht nachgewiesen.
Die Anmelderin stellt den Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das nachgesuchte Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:
Patentansprüche 1 bis 11 vom Anmeldetag, Beschreibung Seiten 1 und 2, überreicht in der mündlichen Verhandlung am 11. Juli 2002, Beschreibung Seiten 3 bis 11 vom Anmeldetag, 1 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 4, eingegangen am 1. Dezember 1999.
II.
Die frist- und formgerecht erhobene Beschwerde ist zulässig. Sie hat auch Erfolg, weil der angemeldete Gegenstand die Kriterien der Patentfähigkeit gemäß §§ 1 bis 5 PatG erfüllt.
1. Der Fachmann, ein Hochschulabsolvent der Fachrichtung Physik mit Berufserfahrung in der Entwicklung optischer Speicher, entnimmt dem geltenden Patentanspruch 1 einen Datenspeicher, der als Informationsträger eine Kunststoff-Folie verwendet, die auf einem Wickelkern aufgewickelt ist und von innen mit Hilfe eines auf die jeweilige Wicklung fokussierten Schreib- und Lesestrahls mit Daten beschrieben bzw. ausgelesen wird. Bei einer üblichen, als Wickelkern verwendeten kreiszylindrischen Plastikrolle ergibt sich am inneren Folienanfang wegen der Dicke des Trägermaterials eine Stufe, die beim Aufwickeln der Folie zu einem undefinierten Abstand der Aufzeichnungsschicht und entsprechenden Schwierigkeiten beim Einschreiben und Wiederfinden der Information führt. Dies soll anmeldungsgemäß durch einen Wickelkern vermieden werden, dessen Radius über den Umfang spiralartig zunimmt, so daß sich nach einem Umlauf um 360¡ eine Stufe ergibt, deren Höhe der Dicke des dort anliegenden Informationsträger-Materials entspricht.
2. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist neu und erfinderisch, denn der nachgewiesene Stand der Technik gibt dem Fachmann keine Anregung für einen Wickelkern mit spiralig anwachsendem Wickelkern-Radius.
Durch die Dokumentation [1] (entspricht der vorveröffentlichten Zeitschrift Chip 9/98, S 194-198) ist ein Datenspeicher mit einem optischen Informationsträger unbestritten als vorbekannt ausgewiesen, der mehrere zur Informationsspeicherung eingerichtete, übereinanderliegende Schichtenfolgen aus jeweils einer Polymerfolie und einer Zwischenschicht aufweist ("so funktioniert die Tesa-ROM" iVm der zugehörigen Figur). Als Polymerfolie dient dabei herkömmliches Klebeband, nämlich eine "ganz normale Tesafilmrolle wie vom Roller" (Abs. 2 unter "Klebe für mehr Gigabyte"), das bekanntlich auf einem kreiszylindrischen Wickelkörper (Plastikrolle) in einer Vielzahl übereinanderliegenden Schichten aufgewickelt ist. Nichts anderes ist auch in der Druckschrift [3] bzw. dem Internetauszug [2] beschrieben, so daß deren Zeitrang dahinstehen kann.
Als Überschuß über den vorbekannten Stand der Technik verbleibt beim Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 demnach das Merkmal, wonach der Wickelkern an seiner Außenkontur spiralartig gestaltet ist und eine Stufe aufweist, deren Höhe an die Dicke des Informationsträgers angepaßt ist.
Im nachgewiesenen Stand der Technik findet sich kein Hinweis, auf die beanspruchte Gestaltung des Wickelkerns. Die Darstellung in Druckschrift [1] zeigt kreiszylindrisch angeordnete Aufzeichnungsschichten ohne Wickelkern, ist aber rein schematisch. Im Kontext der Beschreibung wird der Fachmann diesem Stand der Technik somit nichts anderes als eine "ganz normale Tesafilm-Rolle" entnehmen, die bekanntlich als Universalklebeband konzipiert ist, über den größten Teil des Umfangs keine spiralig ansteigenden sondern konzentrische Folienlagen aufweist, die lediglich an der Stoßstelle durch das Überwickeln einen Versatz erleiden, der aber für die bestimmungsgemäße Verwendung als Klebeband selbstverständlich keine Rolle spielt.
Die Lehre des geltenden Patentanspruchs 1 ergibt sich auch nicht zwingend aus einfachem routinemäßigen Vorgehen heraus. Zwar liegt es auf der Hand, daß das schlichte Aufwickeln der Folie auf einen kreiszylindrischen Wickelkörper stellenweise zu einer undefinierten Lage des Informationsträgers führt, und der Fachmann, der einen produktgerechten Datenspeicher entwickeln will, Veranlassung hat, hier weiterführende Konzepte zu entwickeln. Dies erfordert aber eine umfassende Entwicklungsarbeit in Richtung marktfähiges Produkt und betrifft damit das "Tesa-ROM" in seiner Gesamtheit, was letztlich nur eine weitgehende Abkehr vom Universalklebeband und seinen spezifischen Eigenschaften bedeuten kann, die nicht nur den Wickelkern, sondern auch die Folie als Datenträger - angefangen von der undefinierten, instabilen Klebeschicht bis hin zur Produktionstechnik - erfaßt. Hierbei müssen die verschiedensten Parameter und ihre Wechselwirkungen gegeneinander abgewogen und optimiert werden. Dem Fachmann bieten sich dabei unzählige Varianten an, die unmittelbar Einfluß auf die Speicher-Konfiguration haben. So muß er bspw. angesichts der extrem geringen Schärfentiefe, wie sie zum Differenzieren zwischen den verschiedenen Schichten erforderlich ist, und im Hinblick auf die komplizierten Regelungsmechanismen bei der Nachfokussierung überlegen, inwieweit er überhaupt eine spiralig ansteigende Folienbahn anstreben soll, statt einen konstanten Radius innerhalb einer Wicklung vorzusehen und die Stoßstelle als Positionsmarke zur Ableitung eines entsprechenden Signals zu nutzen. Ebenso wird er Überlegungen anstellen, ob unter Einbeziehung einer rationellen Produktionstechnik auf den Wickelkern verzichtet werden kann oder ob ein Innen- oder Außenzylinder hierfür vorzuziehen ist. Angesichts der Vielzahl von Möglichkeiten kann jedenfalls nicht festgestellt werden, daß der Fachmann ohne zusätzliche Anregung, für die aber jeder druckschriftliche Nachweis fehlt, die Maßnahmen nach der Lehre des geltenden Patentanspruchs 1 ergreifen würde.
3. Der zweifellos gewerblich anwendbare Datenspeicher gemäß Patentanspruch 1 ist somit gewährbar. Die Unteransprüche 2 bis 6, die sinnvolle, nichttriviale Weiterbildungen des beanspruchten Datenspeichers betreffen, werden vom gewährbaren Patentanspruch 1 mitgetragen. Für den Patentanspruch 11, der die Verwendung eines Datenspeichers mit den Merkmalen des auf Anspruch 1 rückbezogenen Patentanspruchs 10 in einem auf diesen Datenspeicher abgestimmten Laufwerk betrifft, müssen die zum Anspruch 1 genannten Gründe in gleicher Weise gelten.
Dr. Grimm Dr. Schmitt Dr. Greis Bertl Kr
BPatG:
Beschluss v. 11.07.2002
Az: 17 W (pat) 61/01
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