Bundespatentgericht:
Urteil vom 13. November 2007
Aktenzeichen: 4 Ni 31/06
(BPatG: Urteil v. 13.11.2007, Az.: 4 Ni 31/06)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 22. Oktober 1990 angemeldeten deutschen Patents DE 40 33 534 (Streitpatent). Das Streitpatent betrifft eine Vorrichtung zum Formen, Stanzen und Stapeln von tiefgezogenen Teilen aus thermoplastischem Kunststoff und umfasst 6 Ansprüche, die insgesamt angegriffen sind. Anspruch 1 lautet ohne Bezugszeichen wie folgt:
Vorrichtung zum Formen, Stanzen und Stapeln von tiefgezogenen Teilen aus thermoplastischem Kunststoff mit einer Heizung, einem intermittierendem Tarnsport, einer Formstation mit einer starren Querbrücke zur Aufnahme der einen Hälfte des Formwerkzeuges, einem zur Querbrücke axial verschiebbaren und zur Mittelachse schwenkbaren Formtisch zur Aufnahme der anderen Hälfte des Formwerkzeuges, wobei der Antrieb für die Axialverschiebung über eine Kurvenscheibe erfolgt, und mit einer Auswerfereinrichtung für die geformten Teile, dadurch gekennzeichnet, dass der Antrieb für die Schwenkbewegung des Formtisches als am Maschinengestell angeordneter Servomotor ausgebildet ist, der mit seinen Antriebseinrichtungen am Formtisch angreift.
Wegen des Wortlauts der weiter angegriffenen und unmittelbar beziehungsweise mittelbar auf Anspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 6 wird auf die Streitpatentschrift DE 40 33 534 C2 Bezug genommen.
Die Klägerin behauptet, der Gegenstand des Streitpatents sei weder neu, noch beruhe er auf erfinderischer Tätigkeit. Zur Begründung trägt sie vor, eine Vorrichtung mit den Merkmalen des Patentgegenstandes sei bereits seit dem Jahr 1988 verwendet worden. Hierfür bietet sie Zeugenbeweis an und legt Kopien diverser Unterlagen vor und bezieht sich im Übrigen auf folgende Druckschriften und Dokumente:
(1) DE 33 46 628 C2
(1a) DE 33 46 628 A1
(2) US 4 676 938
(3a) Kopie v. 2 Blatt "Maschinenkarte" für einen Thermoformautomat F 743 mit Bestelldatum 28.07.1987 und Auslieferungsdatum 8. April 1988 der Maschinenbau Gabler GmbH Lübeck
(3b) Kopie einer Zeichnung "Antrieb Folientransport" mit Bezugszeichen
(3c) Kopie Stückliste "Antrieb Folientransport"
(3d) Kopie von 6 Fotografien des "Thermoformautomaten F743" mit Erläuterungen versehen
(3e) E-mail des Kunden, bei dem der "Thermoformautomat F743" seit 1988 eingesetzt wird.
Die Klägerin beantragt, das deutsche Patent 40 33 534 für nichtig zu erklären.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie bestreitet insbesondere, dass der von der Klägerin als offenkundig vorbenutzt angesehene Thermoformautomat F743 der Öffentlichkeit zugänglich gewesen sei und vertritt die Auffassung, dass das Streitpatent auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
Gründe
I.
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die mündliche Verhandlung hat keine Kenntnisse oder Erfahrungen des Fachmanns ergeben, unter deren Berücksichtigung es für ihn aufgrund des Stands der Technik nahe lag, die streitpatentgemäße Lösung aufzufinden. Nachdem das Patent ordnungsgemäß erteilt worden ist, könnte der Patentinhaberin die dadurch vermittelte Rechtsstellung nur genommen werden, wenn zweifelsfrei feststünde, dass sie diese zu Unrecht erlangt hätte (vgl. BGH GRUR 1991, 522, 523 - Feuerschutzabschluss m. w. N.).
II.
1. Das Streitpatent betrifft eine Vorrichtung zum Formen, Stanzen und Stapeln von tiefgezogenen Teilen aus thermoplastischem Kunststoff. Solche Vorrichtungen sind etwa aus der DE 33 46 628 bekannt, wo sowohl die vertikale Bewegung des Formtisches als auch dessen Schwenkbewegung über Kurvenscheiben zwangsweise vorgenommen wird. Dadurch ist nur ein einziger festgelegter Ablauf der beiden Bewegungen zueinander gegeben, sofern nicht ein Tausch der relativ teuren und präzise aufeinander abgestimmten Kurvenscheiben erfolgt (Sp. 1 Z. 16-18).
2. Vor diesem Hintergrund bezeichnet es die Patentschrift als zu lösendes technisches Problem, die Vorrichtung so auszubilden, dass eine Veränderung des Bewegungsablaufes der Schwenkbewegung zur Hubbewegung des Formtisches möglich ist, ohne dass Umbauten an der Vorrichtung erforderlich sind, dies vielmehr allein durch die Programmierung der Steuerung ermöglicht wird (Sp. 1 Z. 19-25), ohne auf die Vorteile der vorbekannten Vorrichtung verzichten zu müssen. Dazu wird als Lösung vorgeschlagen, den Antrieb für die Schwenkbewegung des Formtisches vom Antrieb der Hubbewegung zu trennen und als Servomotor auszubilden (Sp. 1 Z. 32-34).
3. Demzufolge lehrt das Streitpatent in seinem Anspruch 1 eine Vorrichtung zum Formen, Stanzen und Stapeln von tiefgezogenen Teilen aus thermoplastischen Kunststoff mit folgenden Merkmalen:
1. mit einer Heizung, 2. einem intermittierenden Transport für die Kunststoff-Folie, 3. mit einem Formstation bestehend aus, 3.1 einem Oberteil, das 3.1.1 an einer starren Querbrücke montiert ist, 3.2 einem Unterteil, das 3.2.1 an einem Formtisch angeordnet ist, der 3.2.2 zur Querbrücke axial verschiebbar ist, 3.2.2.1 der Antrieb für die Axialverschiebung erfolgt über eine Kurvenscheibe, 3.2.3 der Formtisch ist zur Mittelachse der Querbrücke schwenkbar, 3.2.3.1 der Antrieb für die Schwenkbewegung des Formtisches erfolgt über einen Servomotor, der 3.2.3.2 am Maschinengestell angeordnet ist und der 3.2.3.3 mit seiner Antriebseinrichtung am Formtisch angreift, 4. mit einer Auswerfereinrichtung für die geformten Teile.
Die Merkmale 3.2.3.1 bis 3.2.3.3, die die Schwenkbewegung des Formtisches betreffen, lassen zweifelsfrei erkennen, dass beim Streitpatent der Bewegungsablauf für die Axialverschiebung des Formtisches von der Schwenkbewegung des Formtisches dadurch entkoppelt ist, dass für die Axialbewegungen wohl die Kurvenscheiben beibehalten wurden, jedoch für die Schwenkbewegung des Formtisches nunmehr ein Servomotor verwendet wird. Dadurch müssen die beiden Bewegungsabläufe nicht mehr zeitaufwändig über die Anpassung von Kurvenscheiben aneinander angepasst werden. Sondern die Schwenkbewegung kann durch einen einfachen Eingriff in die Programmsteuerung dem neuen Ablauf der Vorrichtung angeglichen werden.
III.
1. Der Senat konnte nicht feststellen, dass die unstrittig gewerblich anwendbare Vorrichtung zum Formen, Stanzen und Stapeln nach Patentanspruch 1 gegenüber dem angeführten Stand der Technik nicht patentfähig ist.
1.1 Es konnte nicht festgestellt werden, dass die Erfindung des Streitpatents als nicht neu gilt.
So zeigt weder die DE 33 46 628 A1 (1a) noch die US 4 676 938 (2) einen Servomotor, der als Antrieb für die Schwenkbewegung des Formtisches einer Vorrichtung zum Stanzen und Formen am Maschinengestell angeordnet ist und für die Schwenkbewegung am Formtisch angreift. Die Vorbenutzung zeigt zwar Servomotoren, jedoch dienen diese Motoren dem Antrieb der Folientransportvorrichtung und nicht der Schwenkbewegung des Formtisches.
Die in der mündlichen Verhandlung überreichte DE 36 04 255 C2 zeigt einen Elektromotor der am Formtisch angreift. Dieser Motor führt jedoch nur eine vertikale Bewegung des Formtisches aus und dient nicht der Schwenkbewegung des Formtisches.
1.2. Die Klägerin vermochte den Senat auch nicht davon zu überzeugen, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
Beim Streitgegenstand wird eine Folie intermittierend durch eine Heizstation und eine Formstation geführt. Die geformten Teile werden dann über eine Auswerfereinrichtung abgeführt und die Restfolie (ohne die ausgestanzten Teile) wieder aufgerollt. Um bei einer Veränderung des Bewegungsablaufes der Schwenkbewegung zur Bewegung der Hubbewegung des Formtisches Umbauten zur vermeiden, wird beim Streitgegenstand der Antrieb für die Schwenkbewegung des Formtisches am Maschinengestell angeordnet und als Servomotor ausgebildet, wobei die Antriebseinrichtungen des Servomotors am Formtisch angreifen. Dadurch kann auf jede Veränderung allein durch eine andere Programmierung der Steuerung reagiert werden. So kann auf einfache Weise der Ablauf der Schwenkbewegung an das zu fertigende Produkt und das eingesetzte Form/Stanzwerkzeug optimal angepasst werden (Sp. 1, Z. 23 bis 31). Denn es ist kein Austausch der Kurvenscheiben erforderlich und die Bewegungsabläufe des Formtisches sind dadurch entkoppelt.
Für diese Maßnahmen erhält der Fachmann, ein Dipl.-Ing. (FH) der Fachrichtung Kunststofftechnologe mit mehrjähriger Erfahrung auf dem Gebiet der Konstruktion von Form- und Stanzmaschinen aus dem Stand der Technik keine Anregungen.
Auszugehen ist von der bereits im Prüfungsverfahren genannten DE 33 46 628 C2 bzw. DE 33 46 628 A1, die auf die Beklagte zurückgeht. Aus dieser Druckschrift sind sämtliche im Oberbegriff des Patentanspruchs 1 des Streitpatents genannten Merkmale (Merkmale 1. bis 3.2.3 und 4.) bekannt. Die Klägerin führt nun aus, dass die Kurvenscheiben für die Schwenkbewegung entweder auf derselben Hauptwelle wie die Kurvenscheiben zur Bewegung des Tisches sitzen oder auf einer synchron dazu angetriebenen Welle (erster Absatz der S. 6 handgeschrieben bzw. S. 5 gedruckt der DE 33 46 628 A1). Gemäß ihrer in der mündlichen Verhandlung überreichten Figur 4 würde - nach Ansicht der Klägerin - dann die synchron angetrieben Welle einen eigenen Motor aufweisen. Dies mag zwar so sein, jedoch beschreibt die DE 33 46 628 A1 an keiner Stelle, dass die synchron angetriebene Welle einen eigenen Motor aufweist. Zudem würde auch das Anbringen eines eigenständigen Motors an der für die Schwenkbewegung zuständigen Welle nichts daran ändern, dass die Schwenkbewegung des Formtisches über Kurvenscheiben und Kurvenrollen gesteuert wird. Somit wird die Aufgabe der optimalen Anpassung des Form/Stanzwerkzeuges an das zu fertigende Produkt dadurch nicht gelöst. Denn eine Veränderung des Bewegungsablaufs wird nicht über eine andere Programmierung einer Steuerung kompensiert, sondern über den als nachteilig angesehenen Austausch von Kurvenscheiben bzw Kurvenrollen und damit mit zeitaufwendigen Umbauten.
Bei der Vorrichtung nach der US 4 676 938 ist ein vertikal verfahrbares Oberteil vorhanden, in das der Mischkopf für das reaktive Schäumungsmittel integriert ist. Der Formtisch zur Aufnahme des Werkzeugunterteils ist ebenfalls vertikal verfahrbar und wird zur Herstellung des Teiles auf das Oberteil zugefahren. Nach Beendigung des Formvorganges und der Hinterschäumung werden die beiden Formteile getrennt und das Formunterteil gekippt (Fig. 10). Es wird hier nicht der Formtisch sondern das Formunterteil über den Zylinder (52) gekippt und zwar um das Entformen der großflächigen Teile (Türverkleidungen für Automobile siehe z. B. Sp. 3, Z. 20) zu erleichtern.
Auch liegt bei der US 4 676 938 kein intermittierender Transport einer Folienbahn vor, sondern es wird ein Folienabschnitt einer Heizstation zugeführt, anschließend geformt und in der Form hinterschäumt. Es liegen somit keine, wie beim Streitgegenstand, schnell ablaufende Betriebsabläufe vor, sondern eine Einzelfertigung z. B. von Türverkleidungen. Dies erkennt man bereits auch daran, dass der verformte Folienabschnitt in der Form hinterschäumt wird. Infolgedessen kann die Form erst geöffnet werden, wenn die Reaktionszeit des ausschäumenden Kunststoffes abgelaufen ist. Erst dann erfolgt die Schwenkung des Formtisches.
Somit liegt weder eine Schwenkbewegung des Formtisches noch eine Befestigung des Schwenkzylinders am Maschinengestell vor. Diese Druckschrift kann daher keinen Hinweis auf die patentgemäße Lehre geben. Auch nicht im Zusammenhang mit der (D1), da es sich hier um zwei grundlegend verschiedene Verfahrensabläufe der Vorrichtungen handelt.
In der in der mündlichen Verhandlung überreichten DE 36 04 255 C2 wird eine Form- oder Stanzstation in einer Vorrichtung zum Verformen einer Folienbahn aus thermoplastischem Kunststoff beschrieben, bei der an einer Traverse ein Motor so angeordnet ist, dass seine Achse mit der Betätigungsrichtung eines Kniehebels fluchtet. Über den Kniehebel wird in vertikaler Richtung ein Formtisch verfahren. Um nunmehr eine Vergleichmäßigung der Tischfahrgeschwindigkeit zu erzielen, ist der Motor frequenzabhängig geregelt (Sp. 3, Z. 30 ff.). Somit liegt bei dieser Vorrichtung lediglich eine Hubbewegung und keine Hub- und Schwenkbewegung des Formtisches vor, so dass auch dieser Druckschrift kein Hinweis auf die patentgemäße Lehre entnommen werden kann.
Die zum Beweis der Vorbenutzung vorgelegten Fotos und Blätter (3a bis 3c) zeigen bzw. beschreiben den Folientransport der tiefzuziehenden Folie. Der Folientransport ist wohl zwangsweise auf die Umformung und den Abtransport der Folien abgestimmt. Jedoch hat dieser nichts mit der Schwenkbewegung des Formtisches zu tun, denn der Folientransport findet taktweise und im Arbeitsbereich der Vorrichtung in senkrechter Richtung zum Tiefziehen und Stanzen der herzustellenden Produkte statt. Es mag sein, dass, wie die Klägerin behauptet Servomotoren zum Einsatz gelangt sind, jedoch nicht zum Entkoppeln des Betriebsablaufes der Hub- und Schwenkbewegung des Formtisches. Somit kann auch dieser Vortrag keinen Hinweis auf die streitgemäße Vorrichtung geben. Es kann daher dahingestellt werden, ob der Thermoformautomat F 743 (3a bis 3c) offenkundig geworden ist.
Dem aufgezeigten Stand der Technik sind zwar Einzelheiten der patentgemäßen Vorrichtung zu entnehmen. Jedoch ist der übergeordnete Gedanke die Hub- und Schwenkbewegung so zu entkoppeln, dass bei Änderung des herzustellenden Produktes einzig eine andere Programmierung der Steuerung und kein Umbau von Kurvenscheiben und Kulissen mit entsprechender Anpassung an den neuen Betriebsablauf erforderlich ist, dem vorgelegten Stand der Technik nicht zu entnehmen, so dass auch eine Kombination der einzelnen im Verfahren befindlichen Druckschriften nicht zur patentgemäßen Lehre führen kann.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 ZPO.
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BPatG:
Urteil v. 13.11.2007
Az: 4 Ni 31/06
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