Bundespatentgericht:
Beschluss vom 2. November 2004
Aktenzeichen: 27 W (pat) 387/03

(BPatG: Beschluss v. 02.11.2004, Az.: 27 W (pat) 387/03)

Tenor

1. Auf die Beschwerde wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 18. September 2003 aufgehoben, soweit die Anmeldung für die Waren "elektrische, elektrotechnische und elektronische Apparate und Geräte, soweit in Klasse 9 enthalten; Datenverarbeitungsgeräte und Computer" zurückgewiesen worden ist.

2. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Bezeichnung "Family Care" ist zur Eintragung als Wortmarke angemeldet für ua

"elektrische, elektrotechnische und elektronische Apparate und Geräte, soweit in Klasse 9 enthalten; Datenverarbeitungsgeräte und Computer; Computerprogramme (Software); Versicherungswesen; Finanzwesen; Bank- und Geldgeschäfte; Immobilienwesen, Immobilienfinanzierung; Telekommunikation."

Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung teilweise, nämlich für die genannten Waren und Dienstleistungen zurückgewiesen, weil ihr insoweit jegliche Unterscheidungskraft fehle. Die sprachüblich aus zwei einfachen Begriffen des englischen Grundwortschatzes gebildete Bezeichnung "Family Care" werde zwanglos und ohne weitere Analyse von den maßgeblichen Verkehrskreisen in ihrer Bedeutung als "Familien(für)sorge" verstanden. Diese Bedeutung lasse sich auf einzelne Waren und Dienstleistungen, die unter die Oberbegriffe "elektrische, elektrotechnische und elektronische Apparate und Geräte, soweit in Klasse 9 enthalten; Datenverarbeitungsgeräte und Computer; Computerprogramme (Software); Versicherungswesen; Finanzwesen; Bank- und Geldgeschäfte; Immobilienwesen, Immobilienfinanzierung; Telekommunikation" zu subsumieren seien, als Sachhinweis betreffend Einsatzzweck, Inhalt oder Thematik beziehen. Daher werde der Verkehr die genannte Bezeichnung nur als beschreibende Angabe ansehen, nicht als einen Herkunftshinweis. Die Tatsache einer kanadischen Eintragung der Marke sei insoweit nicht von Bedeutung. Ob außerdem ein Freihaltungsbedürfnis an der Bezeichnung "Family Care" bestehe, könne dahin gestellt bleiben.

Gegen diesen Beschluss hat die Anmelderin Beschwerde eingelegt und beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Marke einzutragen, andernfalls die Rechtsbeschwerde zuzulassen. Sie ist der Ansicht, Unterscheidungskraft sei gegeben, weil der Bezeichnung "Family Care" keine "wirklich konkrete" Aussage über die zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen zu entnehmen sei. Die Bezeichnung werde vom Verkehr nicht verwendet und sei auch lexikalisch nicht nachweisbar. Eine Zuordnung zu Eigenschaften der betreffenden Waren und Dienstleistungen erfordere einige weitere gedankliche Schritte. Die Marke sei allenfalls als sprechendes Kennzeichen anzusehen, das suggestiv allgemeine Assoziationen wecken wolle. Ein Freihaltungsbedürfnis sei mangels ohne weiteres verständlicher, unmittelbar beschreibender Sachangabe ebenfalls nicht gegeben.

II.

Die Beschwerde ist zulässig (§ 165 Abs 4 und 5 MarkenG), aber nur teilweise begründet, nämlich hinsichtlich der Waren "elektrische, elektrotechnische und elektronische Apparate und Geräte, soweit in Klasse 9 enthalten; Datenverarbeitungsgeräte und Computer". Hinsichtlich der weiteren von der Zurückweisung der Anmeldung umfassten Waren und Dienstleistungen steht der Eintragung das absolute Schutzhindernis der mangelnden Unterscheidungskraft (§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG) entgegen.

Unterscheidungskraft im Sinne dieser Vorschrift ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die angemeldeten Waren eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden. Dabei ist grundsätzlich von einem großzügigen Maßstab auszugehen, dh jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um das Schutzhindernis zu überwinden (st. Rspr., vgl BGH, GRUR 1995, 408, 409 - PROTECH; BGH, GRUR 2001, 162, 163 mwN - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION; BGH GRUR 2001, 413, 415 - SWATCH). Steht allerdings bei einer Wortmarke ein für die fraglichen Waren oder Dienstleistungen beschreibender Begriffsinhalt im Vordergrund oder handelt es sich um ein gebräuchliches Wort der deutschen Sprache oder einer bekannten Fremdsprache, das vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, ist die vorerwähnte Unterscheidungseignung zu verneinen (vgl BGH aaO - RATIONAL SOFTWARE COR-PORATION; GRUR 2002, 64 - INDIVIDUELLE; GRUR 2003, 1050, 1051 - Cityservice). Nach diesen Grundsätzen ist die Anmeldemarke nicht schutzfähig, denn ihr fehlt die erforderliche konkrete Eignung, vom Verkehr als betriebliches Unterscheidungsmittel im Hinblick auf die Waren und Dienstleistungen "Computerprogramme (Software); Versicherungswesen; Finanzwesen; Bank- und Geldgeschäfte; Immobilienwesen, Immobilienfinanzierung; Telekommunikation" aufgefasst zu werden.

Bei der angemeldeten Wortmarke "Family Care" handelt es sich um eine zusammengesetzte Bezeichnung, die gebildet ist aus Wörtern des englischen Grundwortschatzes, die als solche auch in der deutschen Umgangs- und Werbesprache häufig verwendet werden. Sie mag in ihrer Gesamtheit lexikalisch nicht nachweisbar sein; angesichts ihrer völlig sprachüblichen Bildung, die keinerlei Besonderheit erkennen lässt, kommt ihr aber jedenfalls keine Originalität in der Gestaltung zu. Beide Wortbestandteile weisen in Bezug auf die genannten Waren und Dienstleistungen einen rein beschreibenden Inhalt auf und ergeben auch in ihrer Kombination keine über die Summe der Einzelbestandteile hinausgehende ungewöhnliche Änderung in sprachlicher oder begrifflicher Hinsicht (vgl EuGH MarkenR 2004, 111 ff Nr 39 - BIOMILD). Die angesprochenen Verkehrskreise, nämlich das allgemeine Publikum, das mit Grundbegriffen der englischen Sprache vertraut ist, werden die Bezeichnung "Family Care" ausschließlich als sachlichem Hinweis auf solche Waren und Dienstleistungen sehen, die einen Bezug zur Sorge bzw Fürsorge für die Familie haben, etwa in einem auf die Rundum-Versorgung speziell von Familien gerichteten Versicherungs- oder Finanzierungspaket bestehen oder sich in sonstiger Weise inhaltlich mit der Betreuung und Sorge für die Zielgruppe der Familien befassen. Soweit die Anmelderin geltend macht, die angemeldete Bezeichnung sei wegen der weitgefächerten Übersetzungsmöglichkeiten des Wortes "care" (Kummer, Sorge, Sorgfalt, Anteilnahme, Aufmerksamkeit, Vorsicht, Pflicht, Mühe, Fürsorge, Obhut, Pflege, Aufsicht, Behandlung) mehrdeutig, kann ihr insofern nicht gefolgt werden, als diese Bedeutungen sämtlich in dieselbe Richtung weisen und die verschiedenen Übersetzungen nur Ausdruck ein und desselben Gedankens sind, dass die betreffenden Computerprogramme sowie die Telekommunikations-, Versicherungs- und Finanzdienstleistungen für die Familiensorge bestimmt sind. Die angemeldete Bezeichnung steht damit in einer Reihe mit den in den einschlägigen Dienstleistungsbereichen üblichen und bekannten Ausdrücken wie Home Care, Health Care oder Life Care. Auch die Tatsache, dass es sich hier um Aussagen handelt, die das dahinter stehende Leistungsangebot nicht im einzelnen konkretisieren, steht ihrem Verständnis als reine Sachangabe nicht entgegen. Derartige verallgemeinernde Sachhinweise, mit denen Waren und Dienstleistungen hinsichtlich ihrer Inhalte und Eigenschaften kurz und prägnant, aber doch gleichzeitig möglichst umfassend beschrieben werden, sind nicht geeignet, vom Verkehr als betriebliches Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden (vgl BGH GRUR 2000, 882 - Bücher für eine bessere Welt; BPatGE 45, 93 - OEKOLAND). Gerade dies ist aber die Voraussetzung für die Schutzfähigkeit der Bezeichnung als Marke (st. Rspr., vgl BGH GRUR 2001, 1151 - marktfrisch; GRUR 2002, 1070 - Bar jeder Vernunft; EuGH MarkenR 2002, 391 - Companyline).

Die Voreintragung der Marke "Family Care" in Kanada spricht zwar, worauf die Anmelderin zutreffend hinweist, indiziell gegen die beschreibende Bedeutung dieser Bezeichnung in dem Land der Sprache dieses Markenworts (vgl BGH aaO - RA-TIONAL SOFTWARE CORPORATION; GRUR 2001, 1046, 1047 - GENESCAN). Einen Eintragungsanspruch kann die Anmelderin hieraus indessen nicht herleiten. Denn es ist ohne weiteres denkbar, dass Markenbegriffe, die in der Ursprungssprache möglicherweise ungewöhnlich gebildet sind oder aus anderen Gründen als unüblich angesehen werden und damit als Marke geschützt werden können, von den hier maßgeblichen inländischen Verkehrskreisen ohne weiteres als klar beschreibend erkannt und verstanden werden. In solchen Fällen ist eine von ausländischen Voreintragungen abweichende nationale Beurteilung der Schutzfähigkeit einer Marke hinzunehmen.

Der Frage eines Freihaltungsbedürfnisses im Sinne des § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG war bei dieser Sach- und Rechtslage nicht weiter nachzugehen.

Die vorgenannten Kriterien, aus denen sich das Schutzhindernis der mangelnden Unterscheidungskraft für die Waren und Dienstleistungen "Computerprogramme (Software); Versicherungswesen; Finanzwesen; Bank- und Geldgeschäfte; Immobilienwesen, Immobilienfinanzierung; Telekommunikation" ergibt, treffen dagegen nicht auf die mit der Anmeldung weiter beanspruchten Waren "elektrische, elektrotechnische und elektronische Apparate und Geräte, soweit in Klasse 9 enthalten; Datenverarbeitungsgeräte und Computer" zu. Bei diesen handelt es sich üblicherweise um universell einsetzbare Geräte, die dadurch gekennzeichnet sind, dass sie gerade nicht auf einen spezifischen Einsatzzweck, etwa in der Familienfürsorge, ausgerichtet sind. Soweit es vereinzelt elektrische Geräte geben mag, die als Hilfsmittel für die Bewältigung und Erleichterung des Alltags speziell in Familien dienen, wie die von der Markenstelle genannten Babyphone, haben solche Geräte mit einer Betreuung oder Sorge für die Familie im eigentlichen Sinne nichts zu tun. Der Begriff "Family Care" wirkt daher auch für solche Waren eigentümlich, so dass ihm nicht jegliche Eignung abgesprochen werden kann, vom Verkehr als betrieblicher Unternehmenshinweis aufgefasst zu werden. Es bestehen auch keine konkreten Anhaltspunkte für die Annahme, dass die angemeldete Bezeichnung in diesem Warenbereich von den Mitbewerbern gegenwärtig oder künftig als beschreibende Angabe benötigt werden könnte.

Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil weder eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden war (§ 83 Abs 1 Nr 1 MarkenG) noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert (§ 83 Abs 2 Nr 2 MarkenG). Zu befinden war vielmehr allein auf der Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung über die Eintragungsfähigkeit der angemeldeten Marke aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten des vorliegenden Falles.

Dr. Schermer Schwarz Dr. van Raden Pü






BPatG:
Beschluss v. 02.11.2004
Az: 27 W (pat) 387/03


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