Bundespatentgericht:
Beschluss vom 12. November 2001
Aktenzeichen: 9 W (pat) 34/00
(BPatG: Beschluss v. 12.11.2001, Az.: 9 W (pat) 34/00)
Tenor
Auf die Beschwerde wird der angefochtene Beschluß aufgehoben und die Anmeldung zur weiteren Prüfung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.
Gründe
I.
Mit Beschluß vom 21. Januar 2000 hat die Prüfungsstelle für Klasse B 41 F des Deutschen Patent- und Markenamts die am 20. Mai 1998 eingegangene Patentanmeldung mit der Bezeichnung
"Bilddatenorientierte Druckmaschine und Verfahren zum Betreiben der bilddatenorientierten Druckmaschine"
aus Gründen des Bescheids vom 23. Juni 1999 zurückgewiesen. In diesem Bescheid hat sie ausgeführt, daß das Verfahren nach Anspruch 1 keine konkrete, vollständige und nacharbeitbare Lehre zum technischen Handeln umfasse. Ferner seien wesentliche Merkmale des Anmeldungsgegenstands aus den Druckschriften DE 43 28 026 A1, WO 96/06 737 und Druckwelt 5/10. März 1993, S 28 - 31 bekannt.
Gegen diesen Zurückweisungsbeschluß richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie verfolgt die Patenterteilung in beschränktem Umfang weiter und ist der Auffassung, daß das nunmehr Beanspruchte durch den nachgewiesenen Stand der Technik nicht nahegelegt sei.
Die Anmelderin beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die Anmeldung zur weiteren Prüfung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen, hilfsweise das Patent auf der Grundlage der am 12. November 2001 eingereichten Patentansprüche 1 - 14 nebst noch anzupassender Beschreibung zu erteilen.
Der geltende Patentanspruch 1 lautet:
Verfahren zur Steuerung oder Regelung des Ablaufs von Betriebsvorgängen zur Farbreproduktion einer mittels digitaler Bilddaten gesteuerten Druckmaschine mit einem Kurzfarbwerk, deren Stell- und Schaltvorgänge von einer Druckmaschinensteuerung bestimmt werden, die Druckmaschinensteuerung einen Rechner mit mehreren Eingabe- und Ausgabestellen für elektrische Signale, ein in einem Speicher des Rechners abgelegtes Programm für die Signalverarbeitung, sowie elektronische Überwachungselemente für unterschiedliche Betriebszustände der Druckmaschine umfaßt und ausserdem mit einem Expertensystem für eine dezentrale Rechnerstruktur kommuniziert, bei dem ein im Sinne einer vorausschauenden Farbsteuerung/Dichteregelung über ausgedehnte Druckversuche aufgebautes, im Expertensystem abgelegtes Basiswissen in Form von charakteristischen Kennliniendaten über das Zusammenwirken unterschiedlicher Betriebsmedien, die Druckfarbe, Feuchtmittel (bei Naßoffset), Bedruckstoffe, Druckmaschinenwerkstoffe und andere am Druck beteiligte Materialien umfassen, in der Druckmaschine ständig bereitgestellt und weiter aufgebaut wird, und der Ablauf der Betriebsvorgänge zur Farbreproduktion der Druckmaschine drei Verfahrensschritte zur Verbesserung der Qualität durchläuft, nämlich a) vor dem Druck in einem ersten Verfahrensschritt zur Verbesserung der Qualität mit Hilfe des Expertensystems eine Basiskalibration der Druckmaschine durchgeführt wird, in der bezogen auf mechanische und elektrische Kennwerte, in Form von Stellungsrückmeldungen von Zylinderanstellpositonen und/oder von Rakelpositionen, eine Nullung der Druckmaschine durchgeführt wird und mittels vom Expertensystem bereitgestellter Kennlinien die basiskalibrierte Übertragungskennlinie der Bilddaten auf einen aktuellen Bedruckstoff errechnet wird, b) während des Drucks in einem zweiten Verfahrensschritt zur Verbesserung der Qualität ein Vergleich der Ist-Kennlinien aus der Basiskalibration der Druckmaschine mit den Soll-Kennlinien, die das Expertensystem bereitstellt, durchgeführt wird und dann die Dichtewerte der Bilddaten in Abhängigkeit dieses Vergleichs angepaßt werden und c) während des Drucks in einem dritten Verfahrensschritt zur Verbesserung der Qualität eine ständige Farbdichteregelung vorgenommen wird, in der zur Steuerung der Volltondichte die Position einer an einer Farbauftragswalze anliegenden Rakel mittels eines Stellgliedes verstellt wird, oder zur Steuerung von Rastertönen die Zustellung eines Übertragungszylinders an einen Formzylinder verändert wird.
Rückbezogene Patentansprüche 2 bis 14 sind dem Patentanspruch 1 nachgeordnet.
II.
Die Beschwerde ist frist- und formgerecht eingelegt und auch im übrigen zulässig. Sie führt aufgrund von PatG § 79 Abs 3 Nr 1 zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt.
1. Die Patentansprüche sind zulässig.
Patentanspruch 1 geht inhaltlich auf den ursprünglichen Patentanspruch 1 zurück, in Verbindung mit der ursprünglichen Beschreibung Seite 8, 2. Abs, bis Seite 16, 1. Abs, und den Figuren 3 und 6. Insbesondere ergibt sich aus der Beschreibung S 14, 2. Abs, wo ausgeführt ist, daß das Expertensystem mit einem Leitstandsrechner zusammenwirkt, für den Fachmann klar ersichtlich, daß die Druckmaschine eine Druckmaschinensteuerung aufweist, die im Leitstandsrechner angesiedelt ist, oder mit diesem zusammenarbeitet. Eine solche Druckmaschinensteuerung dient, wie der Fachmann weiß, üblicherweise dazu, mittels eines abgespeicherten Programms elektrische Eingangssignale zu verarbeiten, zB von elektronischen Überwachungselementen für unterschiedliche Betriebssysteme der Druckmaschine, und Ausgangssignale für die Stell- und Schaltvorgänge der Maschine auszugeben. Der zuständige Fachmann ist hier ein Informatiker mit beruflicher Erfahrung auf dem Gebiet der Druckmaschinensteuerung.
Die Patentansprüche 2 bis 14 entsprechen den ursprünglichen Patentansprüchen 5 - 7, 10 - 14, 16, 18, 20 - 22.
Der ursprünglich verwendete unbestimmte technische Begriff "Qualitätsschleife" wird durch den Begriff "Verfahrenschritt zur Verbesserung der Qualität" ersetzt. Damit soll zum Ausdruck gebacht werden, daß es sich bei der Qualitätsschleife nicht um eine Schleife in einem Softwareprogramm handelt, sondern um einen Schritt in einem Arbeitsverfahren. Mit dem nunmehr verwendeten Begriff wird die Anmeldung nicht unzulässig erweitert, sondern der ursprüngliche Begriff wird präzisiert.
2. Das nunmehr Beanspruchte vermittelt eine vollständige und vom Fachmann nachvollziehbare Lehre zum technischen Handeln.
Gemäß PatG § 35 (2) ist die Erfindung in der Anmeldung so deutlich und vollständig zu offenbaren, daß ein Fachmann sie ausführen kann. Mithin ist die Anmeldung mit dem Wissen des Fachmanns auch hinsichtlich der Vollständigkeit der offenbarten Lehre zu bewerten. Die Offenbarung in einer Anmeldung ist somit keine Gebrauchsanweisung für jedermann, sondern wendet sich an den einschlägigen Fachmann. Das Fachwissen des jeweils einschlägigen Fachmanns ist daher maßgebend dafür, wie ausführlich die Darstellung der technischen Lehre sein muß (BGH GRUR 84, 272 Isolierglasscheibenrandfugenfüllvorrichtung). Die Anmelderin kann deshalb dem Patentanspruch eine allgemeine Fassung geben, die seine Offenbarung und der Stand der Technik zulassen. Mithin kann die Angabe eines Prinzips genügen, wenn die konkreten Mittel dem Fachmann geläufig oder in den sonstigen Unterlagen erwähnt sind (BGH GRUR 80, 849 Antiblockiersystem).
Diese für die Vollständigkeit der beanspruchten Lehre geltenden Grundsätze sind auch beim vorliegenden Patentbegehren eingehalten.
Der geltende Patentanspruch 1 enthält nunmehr Angaben darüber, welche Daten das Basiswissen des Expertensystems umfassen muß, welche Verfahrenschritte zur Verbesserung der Qualität das Expertensystem darauf basierend bereitstellt und mit welchen Teilen der Druckmaschine des Expertensystems kommuniziert. Der Fachmann ist damit in die Lage versetzt, ein solches Expertensystem in seinem Aufbau und seiner Entscheidungskonstruktion zu verstehen und entsprechende Programme hierfür, zB in Fuzzy-Logik zu entwickeln.
3. Der Beschluß der Prüfungsstelle für Klasse B 41 F des Deutschen Patent- und Markenamts vom 21. Januar 2000 ist zu Recht ergangen. Der damals geltende Patentanspruch 1 war wegen fehlender konkreter, vollständiger und nacharbeitbarer Lehre zum technischen Handeln, sowie wegen fehlender erfinderischer Tätigkeit gegenüber den Gegenständen nach der DE 43 28 026 A1, der WO 96/06 737 und der Druckwelt 5/10. März 1993, S 28 bis 31, nicht gewährbar. Darauf hat die Prüfungsstelle die Anmelderin in ihrem Bescheid vom 23. Juni 1999 mit zutreffender Begründung hingewiesen.
Die angefochtene Entscheidung war dennoch aufzuheben und die Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen.
Der nunmehr geltende Patentanspruch 1 ist durch Aufnahme von Merkmalen aus der Beschreibung sowie aus dem ursprünglichen Patentanspruch 1 in erheblichem Maße gegenüber dem dem angefochtenen Beschluß zugrundeliegenden Patentbegehren geändert worden. Der neue Patentanspruch 1 umfaßt eine Vielzahl neuer Merkmale, wie die Eingabedaten für das Expertensystem und die drei Verfahrensschritte zur Verbesserung der Qualität, die die Druckmaschine zur Farbreproduktion durchläuft. Auf die Kombination der Vielzahl der zusätzlichen Merkmale mit denen des ursprünglichen Patentanspruchs 1 konnte im bisherigen Prüfungsverfahren noch nicht näher eingegangen werden.
Somit liegt eine für die Entscheidung wesentliche neue Tatsache zur Beurteilung vor, zu der die Prüfungsstelle noch nicht sachlich Stellung genommen hat. Insofern ist eine abschließende Sachentscheidung des Senats derzeit weder zweckmäßig noch geboten.
4. Zur weiteren Behandlung der Sache wird noch bemerkt, daß die vorliegende Beschreibung wegen der noch ausstehenden Ermittlung des in Betracht zu ziehenden Standes der Technik vom Senat noch nicht vollständig auf Klarheit und Zweckmäßigkeit sowie auf ausreichende Darstellung des Standes der Technik usw. überprüft worden ist. Diese Überprüfung wäre daher vom Patent- und Markenamt vor einer etwaigen Erteilung des Patents auch dann vorzunehmen, wenn kein neuer Stand der Technik ermittelt werden sollte.
Bei dieser Sachlage ist im Sinne der Beschlußformel zu erkennen.
Petzold Winklharrer Dr. Fuchs-Wissemann Küstnerprö
BPatG:
Beschluss v. 12.11.2001
Az: 9 W (pat) 34/00
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