Bundesgerichtshof:
Urteil vom 15. März 2012
Aktenzeichen: I ZR 128/10

(BGH: Urteil v. 15.03.2012, Az.: I ZR 128/10)

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 22. April 2010 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Klägerin erkannt worden ist.

Im Umfang der Aufhebung und im Kostenpunkt wird das Urteil der 12. Zivilkammer - Kammer für Handelssachen - des Landgerichts Bochum vom 15. September 2009 auf die Berufung der Klägerin abgeändert.

Die Widerklage wird insgesamt abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Die Parteien vertreiben über das Internet Matratzen unterschiedlicher Hersteller an Endkunden.

Der Beklagte stellte Anfang 2008 eine "Bewertung" über die Klägerin in das Internet ein. Er wurde daraufhin von der Klägerin wegen Rufschädigung erfolgreich auf Unterlassung in Anspruch genommen (Teilanerkenntnisurteil des Landgerichts Bochum vom 18. September 2008 - 12 O 174/08).

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist eine vom Beklagten in dem vorbezeichneten Rechtsstreit erhobene Widerklage, der folgender Sachverhalt zugrunde liegt:

Die Klägerin nahm im Sommer 2008 Matratzenbestellungen entgegen, ohne die bestellte Ware kurzfristig liefern zu können. Der Beklagte hat die Ansicht vertreten, das Verhalten der Klägerin verstoße gegen das wettbewerbsrechtliche Irreführungsverbot. Die Klägerin habe mit ihrem Internetauftritt bei den Kunden die Erwartung geweckt, sie könne die von ihr beworbenen Waren unverzüglich liefern. Tatsächlich sei sie dazu jedoch nicht in der Lage gewesen.

Der Beklagte hat die Klägerin deshalb auf Unterlassung und Auskunftserteilung in Anspruch genommen. Ferner hat er die Feststellung der Schadensersatzpflicht der Klägerin begehrt.

Die Klägerin ist der Widerklage entgegengetreten und hat insbesondere geltend gemacht, dem Unterlassungsantrag fehle wegen der darin enthaltenen Begriffe "Markenhersteller" und "unmissverständlich" die erforderliche Bestimmtheit. Das Unterlassungsbegehren sei aber auch unbegründet, weil der 1 Beklagte nicht dargelegt habe, welchen Inhalt die beanstandete Werbung gehabt und welche Vorstellungen sie bei den Verbrauchern hervorgerufen habe.

Das Landgericht hat der Klägerin unter Androhung von Ordnungsmitteln verboten, im geschäftlichen Verkehr Matratzen von Markenherstellern anzubieten, beispielsweise von Metzeler, Frankenstolz, Recticel etc., ohne diese selbst oder abrufbar bei einem Dritten zum unverzüglichen Versand an den Kunden vorrätig zu haben, es sei denn, die Klägerin teilt den tatsächlichen Liefertermin/-frist unmissverständlich im Zusammenhang mit dem jeweiligen Angebot mit.

Darüber hinaus hat das Landgericht die Klägerin zur Auskunftserteilung verurteilt und ihre Schadensersatzverpflichtung festgestellt.

Die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin ist mit Ausnahme eines Teils des mit der Widerklage geltend gemachten Auskunftsverlangens erfolglos geblieben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt, erstrebt die Klägerin die vollständige Abweisung der Widerklage.

Gründe

I. Das Berufungsgericht hat den Unterlassungsantrag für hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) erachtet und in Übereinstimmung mit dem Landgericht angenommen, dass das Unterlassungsbegehren gemäß § 8 Abs. 1 und 3 Nr. 1, § 5 Abs. 5 UWG aF, Nr. 5 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG auch begründet sei. Dazu hat es ausgeführt:

Der Begriff des "Markenherstellers" sei durch das Markengesetz hinreichend deutlich umrissen. Es seien alle mit einer Marke versehenen Matratzen gemeint.

Gegenstand des beantragten Unterlassungsgebots sei die Bewerbung von Markenmatratzen, deren Lieferbarkeit nicht sichergestellt sei, ohne dass die Klägerin auf diesen Umstand hinweise. Der Beklagte habe die zu verbietende Werbung zwar nicht vorgelegt, so dass eine Einbeziehung der konkreten Verletzungsform in den Verbotsausspruch nicht möglich sei. Dies sei im Streitfall aber verzichtbar, weil die abstrakte Fassung des Verbots den Verbotsgegenstand hinreichend umreiße. Der Beklagte habe dazu sechs Fälle vorgetragen, in denen die Klägerin die Bestellungen von Markenmatratzen nicht habe erfüllen können. Damit sei eine den Irreführungsvorwurf rechtfertigende Tathandlung der Klägerin dargetan.

Die Klägerin schulde auch die verlangte Auskunft über den Umfang der Werbung, da dieser Rückschlüsse auf die Anzahl der Kunden zulasse, die von der irreführenden Werbung angesprochen worden sein könnten. Ein Schadensersatzanspruch sei ebenfalls hinreichend dargetan. Die irreführende Werbung über die fehlende Verfügbarkeit einer Ware sei geeignet, Kundenströme umzulenken.

II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision sind begründet. Sie führen zur vollständigen Abweisung der Widerklage.

1. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts genügt der Unterlassungsantrag nicht dem Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

a) Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO darf ein Unterlassungsantrag - und nach § 313 Abs. 1 Nr. 4 ZPO eine darauf beruhende Verurteilung - nicht derart un-11 deutlich gefasst sein, dass der Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts nicht mehr klar umrissen sind, der Beklagte sich deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und im Ergebnis dem Vollstreckungsgericht die Entscheidung darüber überlassen bleibt, was dem Beklagten verboten ist. Der Mangel der Bestimmtheit des Klageantrags ist auch im Revisionsverfahren zu beachten (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 17. August 2011 - I ZR 108/09, GRUR 2011, 1043 Rn. 36 = WRP 2011, 1454 - TÜV II, mwN). Der streitgegenständliche Unterlassungsantrag genügt diesen Anforderungen nicht.

b) Nach dem Unterlassungsantrag soll der Klägerin verboten werden, "Matratzen von Markenherstellern anzubieten, beispielsweise von Metzeler, Frankenstolz, Recticel etc., ohne diese ... zum unverzüglichen Versand an den Kunden vorrätig zu haben ...". Bei der Verwendung auslegungsbedürftiger Begriffe - wie hier des Begriffs "Markenhersteller" - darf über deren Sinngehalt kein Zweifel bestehen, weil nur dann die Reichweite von Antrag und Urteil feststeht (BGH, Urteil vom 16. Juli 2009 - I ZR 56/07, GRUR 2009, 1057 Rn. 11 = WRP 2009, 1377 - Betriebsbeobachtung).

Die Revision macht mit Recht geltend, dass der Sinngehalt des Begriffs "Markenhersteller" nicht eindeutig ist. Er erschließt sich auch nicht mit der gebotenen Deutlichkeit aus dem Klageantrag und dem zu dessen Auslegung heranzuziehenden Vorbringen des Beklagten. Für die Annahme des Berufungsgerichts, ein Markenhersteller im Sinne des Verbotsausspruchs sei jeder Hersteller, dessen Matratzen mit einer Marke versehen seien, bietet der Vortrag des Beklagten zur Widerklage keinerlei Anhaltspunkte. Den Feststellungen des Landgerichts kann ein solches Verständnis ebenfalls nicht entnommen werden. Gerade aus der beispielhaften Aufzählung einzelner Hersteller im Unterlassungsantrag der Widerklage ergibt sich, dass das Verbot nur Hersteller von qualitativ besonders hochwertigen Produkten erfassen soll. Welche konkreten 17 Hersteller dazu zählen, bleibt allerdings unklar, so dass für die Klägerin nicht mit der notwendigen Klarheit erkennbar ist, welche Angebote ihr nach dem Verbotsausspruch untersagt sind.

2. Es kann offenbleiben, ob die Unbestimmtheit des Unterlassungsantrags zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht führen müsste, um dem Beklagten Gelegenheit zu geben, das mit der Widerklage verfolgte Unterlassungsbegehren in einen Antrag zu fassen, der dem Bestimmtheitsgebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO genügt. Denn dem Beklagten steht nach seinem eigenen Vorbringen kein entsprechender materiellrechtlicher Unterlassungsanspruch zu (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 2003 - I ZR 259/00, BGHZ 156, 1, 10 - Paperboy; BGH, GRUR 2009, 1075 Rn. 13 - Betriebsbeobachtung). Der Beklagte hat die Voraussetzungen für einen Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1, § 5 Abs. 5 UWG aF, § 3 Abs. 3 UWG in Verbindung mit Nummer 5 des Anhangs zu dieser Vorschrift nicht schlüssig dargelegt.

a) Nach Nummer 5 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG, durch dieNummer 5 des Anhangs I der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken umgesetzt worden ist, stellt es eine stets irreführende geschäftliche Handlung dar, wenn ein Unternehmer zum Kauf von Waren auffordert (§ 5a Abs. 3 UWG), ohne darüber aufzuklären, dass er hinreichende Gründe hat anzunehmen, er werde nicht in der Lage sein, diese oder gleichwertige Waren oder Dienstleistungen für einen angemessenen Zeitraum in angemessener Menge zu dem genannten Preis bereitzustellen oder bereitstellen zu lassen. Nach dieser Vorschrift ist nicht die unzulängliche Bevorratung der beworbenen Ware, sondern die unzureichende Aufklärung über eine unzulängliche Bevorratung zu beanstanden. Dies entspricht der Sache nach der Regelung in § 5 Abs. 5 Satz 1 UWG 2004. Denn nach dieser Vorschrift stellte es eine irreführende Werbung dar, wenn für eine Ware geworben wurde, die nicht in an-19 gemessener Menge zur Befriedigung der zu erwartenden Nachfrage vorgehalten war (vgl. BGH, Urteil vom 10. Februar 2011 - I ZR 183/09, GRUR 2011, 340 Rn. 18 = WRP 2011, 459 - Irische Butter; Bornkamm in Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Aufl., § 5 Rn. 8.1). Auch nach altem Recht konnte der Werbende eine Irreführung ohne weiteres dadurch ausschließen, dass er in der Werbung die konkrete Warenmenge angab oder durch andere aufklärende Hinweise einer Fehlvorstellung der Werbeadressaten entgegenwirkte (vgl. Bornkamm inHefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 26. Aufl., § 5 Rn. 8.6 mwN).

b) Der Beklagte hat zur Begründung des von ihm geltend gemachten Unterlassungsanspruchs sechs Bestellvorgänge von Verbrauchern vorgetragen, bei denen die Klägerin nicht in der Lage gewesen sei, die bestellten Matratzen zu liefern. Die den Bestellungen vorangegangene Werbung der Klägerin hat der Beklagte nicht vorgelegt. Das Berufungsgericht hat dem keine entscheidende Bedeutung beigemessen, weil die abstrakte Fassung des Unterlassungsantrags den Verbotsgegenstand hinreichend umreiße. Mit den dargestellten Bestellvorgängen werde zwar - so das Berufungsgericht - in erster Linie das Umlenken der Kunden auf andere als die bestellte Ware dokumentiert. Darum gehe es im Streitfall allerdings nicht. Verbotsgegenstand sei vielmehr die Werbung für nicht lieferbare Matratzen. Durch die vom Beklagten geschilderten Bestellvorgänge und deren Ergebnislosigkeit werde belegt, dass die Klägerin die bestellten Matratzen nicht zur Verfügung gehabt habe. Der Beklagte habe zudem unwidersprochen vorgetragen, dass die dargestellten Bestellungen über die Internet-Seite der Klägerin gelaufen seien.

c) Diese Feststellungen rechtfertigen nicht den vom Berufungsgericht angenommenen Verstoß der Klägerin gegen § 5 Abs. 5 Satz 1 UWG aF, § 3 Abs. 3 UWG in Verbindung mit Nummer 5 des Anhangs zu dieser Bestimmung. Die Revision rügt mit Recht, dass dem Vorbringen des Beklagten nicht entnommen werden kann, wie die hier in Rede stehenden Internetangebote der 21 Klägerin im Einzelnen ausgestaltet waren. Insbesondere ist unklar geblieben, ob in der beanstandeten Werbung Preise für die beworbenen Matratzen angegeben waren (§ 5a Abs. 3 UWG) und ob sich möglichweise aus der konkreten Gestaltung der Werbung ergeben hat, dass die beworbenen Waren nicht sofort lieferbar seien. Um beurteilen zu können, ob die beanstandete Werbung wegen Irreführung gegen § 5 Abs. 5 Satz 1 UWG aF sowie § 3 Abs. 3 UWG in Verbindung mit Nummer 5 des Anhangs zu dieser Vorschrift verstoßen hat, hätte es entweder der Vorlage der konkreten Werbung oder der genauen Darlegung ihres Inhalts bedurft. Daran fehlt es hier jedoch gerade. Aus der Ergebnislosigkeit der Bestellvorgänge kann allenfalls auf eine fehlende sofortige Verfügbarkeit der beworbenen Matratzen geschlossen werden, nicht jedoch darauf, dass die Klägerin über diesen Umstand nicht aufgeklärt hat. Für die Annahme des Berufungsgerichts, zugunsten des Beklagten sei davon auszugehen, dass die bestellten Matratzen in den sechs dargestellten Fällen gewissermaßen blank beworben worden seien, fehlt es daher an einer tragfähigen Grundlage im Parteivortrag. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts musste die Klägerin von sich aus nichts dazu vortragen, wie sie die Kunden in den fraglichen sechs Fällen vor einer Bestellung über die bestehende Unsicherheit der Belieferung aufgeklärt hat. Eine Erklärungspflicht der Klägerin hätte nach § 138 Abs. 2 ZPO zunächst einen schlüssigen Vortrag des Beklagten zu den Tatbestandsvoraussetzungen des § 5 Abs. 5 Satz 1 UWG aF sowie des Anhangs Nummer 5 zu § 3 Abs. 3 UWG vorausgesetzt, an dem es im Streitfall jedoch gerade mangelt.

3. Da dem Beklagten der geltend gemachte Unterlassungsanspruch wegen Fehlens einer Verletzungshandlung der Klägerin nicht zusteht, hat er auch keine Ansprüche auf Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzpflicht der Klägerin.

4. Das Berufungsurteil kann unter diesen Umständen keinen Bestand haben, soweit der Widerklage stattgegeben worden ist. Der Senat kann in der 23 Sache entscheiden; einer Zurückverweisung an das Berufungsgericht bedarf es nicht. Insbesondere ist eine Zurückverweisung nicht unter dem Gesichtspunkt der prozessualen Fairness geboten, weil das Berufungsgericht es - aus seiner Sicht folgerichtig - unterlassen hat, den Beklagten auf die Unbestimmtheit seines Antrags sowie auf die Unschlüssigkeit seines Widerklagevorbringens hinzuweisen (vgl. BGH, Urteil vom 2. Februar 2012 - I ZR 81/10, Rn. 27- Tribenuronmethyl, mwN). Ein solcher Hinweis wäre im Streitfall auch dann nicht erforderlich gewesen, wenn das Berufungsgericht zutreffend die Unbestimmtheit des Unterlassungsantrags sowie die Unschlüssigkeit des Klagevorbringens erkannt und beabsichtigt hätte, die Widerklage aus diesem Grund abzuweisen. Denn die Bedenken, die gegen die Zulässigkeit der Widerklageanträge und gegen die Schlüssigkeit des Widerklagevorbringens bestehen, waren bereits Gegenstand der Erörterung in den Instanzen, nachdem die Klägerin in ihrer (Wider-)Klageerwiderung und in ihrer Berufungsbegründung zutreffend auf die Unbestimmtheit der Widerklageanträge und auf die Unschlüssigkeit des Widerklagevorbringens hingewiesen hatte (GA I 177 bis 179 und II 443 bis 446).

III. Danach ist das Berufungsurteil auf die Revision der Klägerin im Kostenpunkt und insoweit aufzuheben, als zu ihrem Nachteil erkannt worden ist. Die Widerklage ist auf die Berufung der Klägerin insgesamt abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Bornkamm Pokrant Schaffert Kirchhoff Koch Vorinstanzen:

LG Bochum, Entscheidung vom 15.09.2009 - 12 O 174/08 -

OLG Hamm, Entscheidung vom 22.04.2010 - I-4 U 205/09 - 26






BGH:
Urteil v. 15.03.2012
Az: I ZR 128/10


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