Bundespatentgericht:
Beschluss vom 25. April 2002
Aktenzeichen: 15 W (pat) 21/00

(BPatG: Beschluss v. 25.04.2002, Az.: 15 W (pat) 21/00)

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Das Patent wird unter Änderung der Bezeichnung in "Verwendung einer wässrigen Schreibflüssigkeit zur Erzeugung von trocken abwischbaren farbigen Markierungen" gemäß Hauptantrag mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:

4 Patentansprüche und Beschreibung Seiten 1 - 6, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung.

Gründe

I Auf die am 6. März 1992 eingereichte Patentanmeldung P 42 07 176.3-43 der Pelikan AG, inzwischen Pelikan GmbH, 30177 Hannover, DE, wurde ein Patent mit der Bezeichnung

"Wäßrige Schreibflüssigkeit"

erteilt. Die Patenterteilung wurde am 21. Dezember 1995 veröffentlicht.

Nach Prüfung der erhobenen Einsprüche wurde das Patent mit Beschluss der Patentabteilung 43 vom 8. März 2000 widerrufen.

Diesem Beschluss lag die mit Schriftsatz vom 26. Mai 1998 eingereichte Anspruchsfassung mit folgenden 4 Patentansprüchen zugrunde:

"1. Verwendung, einer wäßrigen Schreibflüssigkeit zur Erzeugung von trocken abwischbaren farbigen Markierungen auf glatten, nichtsaugenden Oberflächen, die ein wasserunlösliches Farbmittel sowie ein Polymer enthält, dadurch gekennzeichnet, daß das Polymer ein Acryl-Homopolymer oder -Copolymerisat und/oder ein Methacryl-Homopolymerisat einer Filmbildungstemperatur von über 60¡C sowie einer Teilchengröße von 0,02 bis 1 µm ist.

2. Verwendung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß das Mengenverhältnis des Polymers zu den Farbmittel 6:1 bis 1:1 beträgt.

3. Verwendung nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß die Schreibflüssigkeit ein Konservierungsmittel in Form eines Isothiazolinon-Derivats enthält.

4. Verwendung nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, daß die Schreibflüssigkeit zum Beschreiben glatter nichtsaugender Oberflächen in Form von Folien, Glas und Emaille sowie zum Beschreiben von Kunststoffschreib- und Emailleschreibtafeln herangezogen wird."

Im Beschluss wurde zunächst ausgeführt, dass es dahingestellt bleiben könne, ob die Anspruchsfassung in Bezug auf das Merkmal "glatt" unzulässig abgeändert sei. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 beruhe aber im Hinblick auf den aus DE 39 38 001 A1 (1) bekannten Stand der Technik in Verbindung mit JP-A-3-237 171 (2) (in deutscher Übersetzung vorliegend) jedenfalls auf keiner erfinderischen Tätigkeit.

Die Beschwerde der Patentinhaberin richtet sich gegen diesen Beschluss.

Die Patentinhaberin hat in der mündlichen Verhandlung gemäß Hauptantrag neue Patentansprüche 1 bis 4 überreicht, die wie folgt lauten:

"1. Verwendung einer wässrigen Schreibflüssigkeit zur Erzeugung von trocken abwischbaren farbigen Markierungen auf nichtsaugenden Oberflächen, bestehend aus:

a) einem wasserunlöslichen Farbmittel;

b) einem Polymer, das ein Acryl-Homopolymerisat oder -Copolymerisat und/oder ein Methacryl-Homopolymerisat einer Filmbildungstemperatur von über 60¡C ist und in Form einer wässrigen Kunststoffdispersion mit einer Teilchengröße von 0,02 bis 1 µm vorliegt;

c) 0,1 bis 0,5 Gew.-% Netzmittel undd) dem Rest an Wasser.

2. Verwendung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß das Mengenverhältnis des Polymers zu den Farbmittel 6:1 bis 1:1 beträgt.

3. Verwendung nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß die Schreibflüssigkeit zusätzlich ein Konservierungsmittel, vorzugsweise in Form eines Isothiazolinon-Derivats, enthält.

4. Verwendung nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, daß die Schreibflüssigkeit zum Beschreiben nichtsaugender Oberflächen in Form von Folien, Glas und Emaille sowie zum Beschreiben von Kunststoffschreib- und Emailleschreibtafeln herangezogen wird."

In der mündlichen Verhandlung hat die Patentinhaberin weiter in einem Hilfsantrag neue Patentansprüche 1 bis 3 formuliert. Diese Anspruchsfassung unterscheidet sich von der Anspruchsfassung gemäß Hauptantrag durch Aufnahme der Merkmale aus dem Patentanspruch 4 des Hauptantrags in den Patentanspruch 1. Sie hat folgenden Wortlaut:

"1. Verwendung einer wässrigen Schreibflüssigkeit zur Erzeugung von trocken abwischbaren farbigen Markierungen auf nichtsaugenden Oberflächen in Form von Folien, Glas, Emaille, Kunststoffschreib- und Emailletafeln bestehend aus:

a) einem wasserunlöslichen Farbmittel;

b) einem Polymer, das ein Acryl-Homopolymerisat oder -Copolymerisat und/oder ein Methacryl-Homopolymerisat einer Filmbildungstemperatur von über 60¡C ist und in Form einer wässrigen Kunststoffdispersion mit einer Teilchengröße von 0,02 bis 1 µm vorliegt;

c) 0,1 bis 0,5 Gew.-% Netzmittel undd) dem Rest an Wasser.

2. Verwendung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass das Mengenverhältnis des Polymers zum Farbmittel 6:1 bis 1:1 beträgt.

3. Verwendung nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass die Schreibflüssigkeit zusätzlich ein Konservierungsmittel, vorzugsweise in Form eines Isothiazolinon-Derivats, enthält."

Zur Begründung ihrer Beschwerde hat die Patentinhaberin vorgetragen, die Druckschriften (1) und (2) stünden der Lehre gemäß Hauptantrag deswegen nicht patenthindernd entgegen, weil sich der Patentgegenstand von ihren Gegenständen durch Fehlen organischer Lösungsmittel bzw durch das Weglassen des dort obligatorischen Trennmittels und in der Filmbildungstemperatur des eingesetzten Harzes unterscheide, und weil die entsprechenden, streitpatentgemäßen Merkmale durch diese Druckschriften auch nicht nahegelegt seien. Insbesondere befasse sich (2) ausschließlich mit von Papier radierbaren Tintenzusammensetzungen und würde daher vom Fachmann bei Überlegungen zur Verwendung von gegenüber (1) weiterentwickelten Tintenzusammensetzungen mit Bezug auf von nichtsaugenden Oberflächen abwischbaren Markierungen nicht in Betracht gezogen. Im übrigen hat sie auf die schriftlich vorgebrachten Argumente verwiesen.

Die Einsprechende I hat dem Vorbringen der Patentinhaberin widersprochen und im wesentlichen geltend gemacht, dass es den Gegenständen der Anspruchsfassungen gemäß Haupt- und Hilfsantrag an der erfinderischen Tätigkeit fehle, weil der Fachmann ausgehend von (1) ohne Schwierigkeiten die Druckschrift (2) in Betracht gezogen hätte, um dort grundsätzliche Lehren bezüglich der Filmbildungstemperatur der in löschbaren Tinten enthaltenen Harze zu entnehmen und damit ohne weiteres zur streitpatentgemäßen Lehre gekommen wäre.

Die zur Verhandlung nicht erschienene Einsprechende II hatte ihre Bedenken bezüglich der Patentierbarkeit der zum Zeitpunkt des Eingangs der Beschwerdebegründung vorliegenden Anspruchsfassung, welche sich von der nunmehr gültigen unterscheidet, im schriftlichen Verfahren zum Ausdruck gebracht.

Die Patentinhaberin stellt den Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten:

Gemäß Hauptantrag: Ansprüche 1-4 und Beschreibung Seiten 1-6 jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung Gemäß Hilfsantrag: Ansprüche 1-3, überreicht in der mündlichen Verhandlung, und einer ggf anzupassenden Beschreibung Die Einsprechende I stellt den Antrag, die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Einsprechende II hat mit Schriftsatz vom 20. September 2000 beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

II Die Beschwerde der Patentinhaberin ist zulässig (PatG § 73). Nach Beschränkung des Patentgegenstands führt sie mit dem Hauptantrag auch zum Erfolg.

Bezüglich ausreichender Offenbarung der Gegenstände der Patentansprüche 1 bis 4 gemäß Hauptantrag bestehen keine Bedenken, da deren Merkmale sowohl aus den ursprünglich eingereichten Unterlagen (vgl zum Patentanspruch 1 die ursprünglichen Ansprüche 1 und 2 iVm S 3 Z 7-22 verbunden mit S 3 Abs 2 Z 5-6, und Anspruch 3 iVm S 5 Z 9-10 sowie zu den Patentansprüchen 2 bis 4 die ursprünglichen Ansprüche 4, 5 iVm Anspruch 6 und S 1 Abs 2 Z 7 iVm S 4 Abs 4 Z 1-5) als auch aus der deutschen Patentschrift DE 42 07 176 C2 (vgl den Patentanspruch 1 iVm Sp 2 Z 39 sowie Z 15-32 und Sp 3 Z 15-19 sowie zu den Ansprüchen 2 und 3 die Patentansprüche 2 und 3 iVm Patentanspruch 1 und zu Anspruch 4 die Sp 1 Z 12-15 mit Sp 2 Z 65 bis Sp 3 Z 1) zu entnehmen bzw daraus herleitbar sind.

Auch die Neuheit der Verwendung einer wässrigen Schreibflüssigkeit zur Erzeugung von trocken abwischbaren farbigen Markierungen nach Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag ist anzuerkennen:

In keiner der Druckschriften DE 39 38 001 A1 (1) und JP-A-3-237 171 (2), die in Form der eingereichten deutschen Übersetzung berücksichtigt wird, ist eine solche Verwendung einer wässrigen Schreibflüssigkeit vorbeschrieben, welche neben Wasser und Farbmittel nur noch aus 0,1 bis 0,5 Gew.-% Netzmittel und einem streitpatentgemäßen Polymer mit einer Teilchengröße von 0,02 bis 1 µm und einer Filmbildungstemperatur von über 60¡C besteht.

In (1) ist eine Tintenzusammensetzung auf Wasserbasis zum Schreiben auf Leuchtschrifttafeln beschrieben, die nach dem dortigen Patentanspruch 1 neben Wasser und Harzteilchen aus streitpatentgemäßen Polymeren (vgl (1) S 3 Z 16-17) und mit streitpatentgemäßer Teilchengröße (vgl (1) S 3 Z 20) zwingend - ein bei Zimmertemperatur filmbildendes Harz, das u.a. als wässrige Emulsion vorliegen kann (vgl (1), Anspruch 2 auf S 9, Z 45-46), und - eine wässrige Emulsion einer nicht- oder nur schwach flüchtigen Verbindung aus der Gruppe von aliphatischen Carbonsäureestern, höheren Kohlenwasserstoffen und höheren Alkoholen als Trennmittel (vgl (1) S 4 Z 40-43)

enthält.

Der Gegenstand gemäß Hauptantrag unterscheidet sich davon durch die Abwesenheit der beiden letztgenannten Komponenten.

Vom Gegenstand nach (2) unterscheidet er sich dadurch, dass dort für eine löschbare, wässrige Tintenzusammensetzung kein Netzmittel verwendet wird und dadurch, dass nach (2) organische Lösungsmittel in Mengen von mehr als 0,5 Gew.-% eingesetzt werden ("Patentanspruch" auf S 2 von (2) in Form der deutschen Übersetzung).

Die Verwendung einer wässrigen Schreibflüssigkeit zur Erzeugung von trocken abwischbaren farbigen Markierungen gemäß Patentanspruch 1 des Hauptantrags beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Wie bereits ausgeführt, unterscheidet sich der Gegenstand von Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag vom Gegenstand gemäß (1) durch die konkrete Angabe einer Filmbildungstemperatur von über 60¡C für das enthaltene Harz, durch das Weglassen des Trennmittels und dadurch, dass überhaupt nur eine Harzfraktion enthalten ist (statt der polymeren Hohlkügelchen neben dem bei Raumtemperatur filmbildenden Harz).

Selbst wenn man nun in Fortbildung der Lehre gemäß (1) eine Filmbildungstemperatur von über 60¡C für das streitpatentgemäße Harz als durch (2) nahegelegt betrachtet (vgl (2) S 3 Z 35 bis S 4 Z 11), so verbleibt neben dem Weglassen des bei Raumtemperatur filmbildenden Harzes noch zusätzlich das Weglassen des Trennmittels:

Bezüglich dieses Trennmittels wird in (1) ausgeführt, dass bei einer Zugabe von weniger als 0,5 Gew.-%, "die erhaltene Tintenzusammensetzung nicht leicht auslöschbar oder von einer Tafel abtrennbar" sei (vgl (1) S 4 Z 66 bis S 5 Z 1). Die Anwesenheit dieser Komponente wird also als unabdingbar für das bestimmungsgemäße Funktionieren der Tintenzusammensetzung angesehen. Auch in einer Zusammensetzung nach (2) sind grundsätzlich mit (1) vergleichbare Komponenten enthalten. Im wesentlichen sind dort für das mit mehr als 0,5 Gew.-% enthaltene wasserlösliche organische Lösungsmittel nämlich schwerflüchtige Glykole (vgl (2) S 5 Z 14-18) und damit zu den höheren Alkoholen gemäß (1) physikalisch nicht unähnliche Verbindungen beschrieben.

Weder durch (1) noch durch (2) oder eine Zusammenschau von beiden ist der Fachmann also angeleitet, in der Rezeptur für eine wässrige, abwischbare Schreibflüssigkeit ohne das Trennmittel gemäß (1) auszukommen.

Nach alledem ist der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag patentfähig. Das gleiche gilt für die weiteren, auf diesen Patentanspruch rückbezogenen Ansprüche, welche bevorzugte, nicht selbstverständliche Ausführungsformen des Patentgegenstands betreffen.

Bei dieser Sachlage brauchte auf den Hilfsantrag nicht näher eingegangen zu werden.

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Beschluss v. 25.04.2002
Az: 15 W (pat) 21/00


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