Landesarbeitsgericht Hamm:
Beschluss vom 8. März 2006
Aktenzeichen: 13 TaBV 189/05

(LAG Hamm: Beschluss v. 08.03.2006, Az.: 13 TaBV 189/05)

Tenor

Auf die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Paderborn vom 10.11.2005 - 2 BV 17/05 - abgeändert.

Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit wird für das Verfahren im Allgemeinen auf 14.169,38 € festgesetzt.

Gründe

I.

Im Ausgangsverfahren hat die Arbeitgeberin am 06.04.2005 die gerichtliche Ersetzung der vom Betriebsrat verweigerten Zustimmung zur Einstellung von acht Leiharbeitnehmern geltend gemacht. Sie hat ferner die Feststellung verlangt, dass die vorläufige Einstellung der 8 Leiharbeitnehmer zum 04.04.2005 aus sachlichen Gründen dringend erforderlich gewesen ist.

Bereits zuvor und auch danach hatte die Arbeitgeberin in den Monaten Februar bis Juni 2005 beim Betriebsrat vergeblich die Zustimmung zur Einstellung von weiteren Leiharbeitnehmern zu unterschiedlichen Zeitpunkten und in unterschiedlichen Einsatzbereichen geltend gemacht (2 BV 10/05, 2 (3) BV 20/05, 2 BV 22/05, 2 BV 24/05, 2 BV 30/05, 2 (1) BV 33/05, 2 BV 36/05 Arbeitsgericht Paderborn). Der Betriebsrat hat den beantragten Einstellungen jeweils mit gleichlautendem Schreiben widersprochen.

Nach übereinstimmender Erledigungserklärung hat das Arbeitsgericht unter Zugrundelegung eines Monatsverdienstes von 1.145,00 € für einen Leiharbeitnehmer durch Beschluss vom 10.11.2005 den Gegenstandswert für das Verfahren im Allgemeinen auf 10.306,00 € festgesetzt und zur Begründung unter anderem ausgeführt, dass angesichts der Tatsache, dass hier die Leiharbeitnehmer 8 - 15 einer einheitlichen Einstellungsmaßnahme der Arbeitgeberin betroffen seien, jeweils nur 25 Prozent des Ausgangswertes in Höhe von 5.152,50 € in Ansatz zu bringen seien.

Gegen diesen Beschluss hat die Verfahrensbevollmächtigte des Betriebsrats Beschwerde eingelegt, der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat.

II.

Die zulässige Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats ist begründet.

1. Die Wertfestsetzung richtet sich vorliegend nach § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG (früher: § 8 Abs. 2 BRAGO). Hiernach ist der Gegenstandswert in Fällen der vorliegenden Art nach billigem Ermessen zu bestimmen. Die Wertfestsetzung nach billigem Ermessen kommt auch im Anwendungsbereich des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG erst hinter allen sonstigen Bewertungsfaktoren zum Zuge. Wo ein objektiver Wert festgestellt werden kann, kommt es in erster Linie auf die Feststellung dieses Wertes an. Für das arbeitsgerichtliche Beschlussverfahren folgt hieraus, dass die wirtschaftliche Bedeutung des jeweiligen Streitgegenstands vielfach im Vordergrund stehen muss (LAG Hamm, Beschluss vom 24.11.1994 - LAGE BRAGO § 8 Nr. 27; LAG Hamm, Beschluss vom 12.06.2001 - LAGE BRAGO § 8 Nr. 50; Wenzel, GK-ArbGG, § 12 Rz. 194, 441 ff. m.w.N.).

a) Die wirtschaftliche Bedeutung der Angelegenheit rechtfertigt es, in Beschlussverfahren nach § 99 BetrVG, in denen es um die Einstellung, Umgruppierung oder Versetzung von Arbeitnehmern geht, sich an dem Streitwertrahmen des § 42 Abs. 4 GKG (früher: § 12 Abs. 7 ArbGG) zu orientieren. Folgerichtig wird bei der Wertfestsetzung in betriebsverfassungsrechtlichen Streitigkeiten nach den §§ 99 ff. BetrVG vielfach auf die Bewertung einer entsprechenden Klage im Urteilsverfahren, also auf § 42 Abs. 4 GKG (früher: § 12 Abs. 7 ArbGG) zurückgegriffen (LAG Hamm, Beschluss vom 18.04.1985 - LAGE ZPO § 3 Nr. 3; LAG Hamm, Beschluss vom 19.03.1987 - LAGE ArbGG 1979 § 12 Streitwert Nr. 70; LAG Hamm, Beschluss vom 23.02.1989 - LAGE BRAGO § 8 Nr. 12; Wenzel, a.a.O., § 12 Rz. 482 m.w.N.). Von dieser Rechtsprechung, der auch die derzeit zuständigen Beschwerdekammern des erkennenden Gerichts gefolgt sind (LAG Hamm, Beschluss vom 04.06.2003 - 10 TaBV 53/03 -; LAG Hamm, Beschluss vom 17.11.2004 - 10 TaBV 106/04 -; LAG Hamm, Beschluss vom 22.02.2005 - 13 TaBV 119/04 -; LAG Hamm, Beschluss vom 25.04.2005 - 13 TaBV 39/05 -) und an der sich durch die Übernahme des § 12 Abs. 7 ArbGG (alt) in § 42 Abs. 4 GKG (neu) zum 01.07.2004 nichts geändert hat, ist auch das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Beschluss dem Grunde nach ausgegangen.

Dementsprechend ist bei Einstellungen grundsätzlich das für ein Vierteljahr zu leistende Arbeitsentgelt bei der Wertfestsetzung in Ansatz zu bringen. Dies macht bei einem durchschnittlichen Monatsverdienst eines Leiharbeitnehmers von 1.145,00 € einen Betrag in Höhe von 3.435,00 € aus.

b) Zu Recht hat das Arbeitsgericht auch den neben dem Zustimmungsersetzungsantrag nach § 100 Abs. 2 Satz 3 BetrVG gestellten Antrag auf Feststellung, dass die vorläufige Durchführung der streitigen Einstellungen aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war, zusätzlich bewertet. Dieser Antrag legitimiert nämlich die vorläufige Durchführung der personellen Maßnahmen bis zum Abschluss des Verfahrens nach § 99 Abs. 4 BetrVG. Insoweit ist es wegen der lediglich vorübergehenden Bedeutung der begehrten Feststellung angemessen, 50 % des Wertes eines entsprechenden Zustimmungsersetzungsverfahrens in Ansatz zu bringen (LAG Hamm, Beschluss vom 19.03.1987 - LAGE ArbGG 1979 § 12 Streitwert Nr. 70; LAG Hamm, Beschluss vom 23.02.1989 - LAGE BRAGO § 8 Nr. 12; Wenzel, a.a.O., § 12 Rz. 487). Auch dieser Rechtsprechung haben sich die derzeit zuständigen Beschwerdekammern des Landesarbeitsgerichts angeschlossen.

Insoweit errechnet sich für einen Leiharbeitnehmer insgesamt ein Gegenstandswert von 5.152,50 €.

c) Zutreffend ist auch der Ausgangspunkt des Arbeitsgerichts, wonach bei einem Streit über mehrere personellen Maßnahmen im Sinne des § 99 BetrVG Einzelwerte zu bilden und analog § 5 ZPO zusammenzurechnen sind (LAG Hamm, Beschluss vom 19.03.1987 - LAGE ArbGG 1979 § 12 Streitwert Nr. 70; Wenzel, a.a.O., § 12 Rz. 450, 485 f. m.w.N.).

Allerdings ist eine Herabsetzung des sich so ergebenden Wertes regelmäßig dann geboten, wenn - wie im vorliegenden Fall - mehrere personelle Einzelmaßnahmen auf eine einheitliche unternehmerische Entscheidung zurückzuführen sind und die Einzelfälle keine Besonderheiten aufweisen. Die Bedeutung einer jeden einzelnen Maßnahme nimmt umso mehr ab, je mehr Arbeitnehmer von der Gesamtmaßnahme betroffen sind (LAG Berlin, Beschluss vom 18.03.2003 - LAGE BRAGO § 8 Nr. 13 = NZA-RR 2003, 437). Vor diesem Hintergrund ist es in Fällen der vorliegenden Art gerechtfertigt, in Anlehnung an die Staffelung der Arbeitnehmerzahlen in § 9 BetrVG den Wert jeder einzelnen personellen Maßnahme typisierend festzulegen, um auf diese Weise zu einer gleichförmigen und damit den Gleichbehandlungsgrundsatz wahrenden Rechtsanwendung zu gelangen. Nach der Rechtsprechung der zuständigen Beschwerdekammern des erkennenden Gerichts ist dabei die erste personelle Maßnahme mit dem vollen Wert und die weiteren Maßnahmen mit prozentualen Anteilen des Ausgangswerts nach folgender Staffel zu berücksichtigen: Maßnahmen 2 bis 20 = jeweils 25 % des Ausgangswerts; Maßnahmen 21 bis 50 = jeweils 12,5 % des Ausgangswerts; Maßnahmen 51 bis 100 = jeweils 10 % des Ausgangswerts etc. (LAG Hamm, Beschluss vom 14.02.2005 - 13 TaBV 100/04 -; LAG Hamm, Beschluss vom 22.02.2005 - 13 TaBV 119/04; LAG Hamm, Beschluss vom 28.04.2005 - 10 TaBV 45/0; -, LAG Hamm, Beschluss vom 22.08.2005 - 10 TaBV 94/05).

2. In Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich vorliegend ein Gesamtgegenstandswert in Höhe von 14.169,38 €. Insoweit ist hinsichtlich des ersten Leiharbeitnehmers von einem Betrag in Höhe von 5.152,50 € auszugehen, und für die weiteren sieben Leiharbeitnehmer sind jeweils 25 Prozent des genannten Ausgangswertes in Ansatz zu bringen, insgesamt also 9016, 88 €.

Denn entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts ergibt sich aus dem Vorbringen der Beteiligten nicht, dass die vorliegend streitbefangen gewesenen Einstellungen von insgesamt acht Leiharbeitnehmern auf eine einheitliche, mit den übrigen Beschlussverfahren in Zusammenhang stehende unternehmerische Entscheidung zurückzuführen war. Gegen eine solche einheitliche unternehmerische Entscheidung spricht schon, dass die acht Leiharbeitnehmer hier zu einem anderen Zeitpunkt, nämlich zum 04.04.2005, eingestellt werden sollten, und dann auch nicht in der U-Rohrfertigung, sondern in der Kurzfix-Fertigung.

Allein der Umstand, dass weitgehend die gleichen Rechts- und Tatsachenfragen zu klären waren, vermag ohne weitere Anhaltspunkte eine Herabsetzung des Gegenstandswertes auch nicht zu rechtfertigen.

Dr. Müller






LAG Hamm:
Beschluss v. 08.03.2006
Az: 13 TaBV 189/05


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