Bundespatentgericht:
Beschluss vom 19. November 2002
Aktenzeichen: 17 W (pat) 45/01

(BPatG: Beschluss v. 19.11.2002, Az.: 17 W (pat) 45/01)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die vorliegende Patentanmeldung ist beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der Bezeichnung:

"Vorrichtung und Verfahren zum Abtasten und Verarbeiten von Bildern"

angemeldet worden.

Sie wurde von der Prüfungsstelle für Klasse G 06 T des Deutschen Patent- und Markenamts durch Beschluss vom 2. Mai 2001 mit der Begründung zurückgewiesen, dass die beanspruchte Vorrichtung nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe.

Die Anmelderin hat Beschwerde eingelegt mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das nachgesuchte Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

Patentanspruch 1 vom 26. April 2001, hilfsweise in der in der mündlichen Verhandlung überreichten Fassung, Patentansprüche 2 bis 6 vom 15. Oktober 1998, eingegangen am 19. Oktober 1998, Beschreibung mit zu verschiedenen Zeitpunkten eingereichten Seiten, Zeichnungen mit zu verschiedenen Zeitpunkten eingereichten Figuren 1 bis 19.

Der geltende Anspruch 1 nach Hauptantrag lautet:

"Vorrichtung zum Abtasten und Verarbeiten von Bildern miteiner matrixförmigen Anordnung (1) von Fotodetektoren (2) variabler Empfindlichkeit, undeiner Steuerschaltung (4) zum Zuführen einer Spannung an die Fotodetektoren (2) zur Empfindlichkeitssteuerung, wobei die Empfindlichkeit der Fotodetektoren (2) eine Funktion von der angelegten Spannung ist, dadurch g e k e n n z e i c h n e t , daß durch die Steuerschaltung (4) jeder Reihe der Anordnung (1) selektiv eine Spannung zuführbar ist, die Empfindlichkeit der Fotodetektoren (2) sowohl positive als auch negative Werte annehmen kann und ein neuronales Netzwerk (5) vorgesehen ist zur Verarbeitung des von Spalten der Anordnung (1) nach Erde fließenden Stromes."

Der Patentanspruch 1 nach dem Hilfsantrag lautet:

"Vorrichtung zum Abtasten und Verarbeiten von Bildern mit einem Bildsensor und einem neuronalen Netzwerk zur Verarbeitung der von dem Bildsensor abgetasteten Bilder, wobei der Bildsensor aufweist:

eine matrixförmige Anordnung (1) von Fotodetektoren (2) variabler Empfindlichkeit, undeiner Steuerschaltung (4) zum Zuführen einer Spannung an die Fotodetektoren (2) zur Empfindlichkeitssteuerung, wobei die Empfindlichkeit der Fotodetektoren (2) eine Funktion von der angelegten Spannung ist, wobei durch die Steuerschaltung (4) jede Reihe der Anordnung (1) selektiv eine Spannung zuführbar ist, und die Empfindlichkeit der Fotodetektoren (2) sowohl positive als auch negative Werte annehmen kann und wobei das neuronale Netzwerk (5) vorgesehen ist zur Verarbeitung des von Spalten der Anordnung (1)nach Erde fließenden Stromes."

Zur Begründung ihrer Beschwerde führt die Anmelderin aus, dass bei den bisher bekannten Vorrichtungen die Erfassung und die Verarbeitung eines Bildes in voneinander getrennten Vorrichtungen durchgeführt werde. Bei der Vorrichtung nach dem Anspruch 1 gemäß Hauptantrag würden beide Funktionen von einer Vorrichtung ausgeführt. Eine solche Vorgehensweise sei durch den entgegengehaltenen Stand der Technik nicht nahegelegt. Insbesondere zeige die im Zurückweisungsbeschluss genannte Druckschrift 3 (Aufsatz von Nitta ua) keine Verschaltung im Sinne des Anspruchs 1, wie sich aus den überreichten Schaltungsbildern ergebe. Es sei daher anzuerkennen, dass die beanspruchte Vorrichtung auf erfinderischer Tätigkeit beruhe. Mit dem Patentanspruch 1 gemäß dem Hilfsantrag werde noch deutlicher herausgestellt, dass Bildsensor und neuronales Netzwerk eine Einheit bildeten.

II.

Die in rechter Frist und Form erhobene Beschwerde ist zulässig. Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet, da der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in den beantragten Fassungen nicht auf erfinderischer Tätigkeit (§§ 1 und 4 PatG) beruht.

1. Die Anmeldung betrifft eine Vorrichtung zum Abtasten und Verarbeiten von Bildern. Gemäß der in der Beschreibung genannten Aufgabenstellung soll eine solche Vorrichtung so verbessert werden, dass verschiedene visuelle Informationen mit hoher Geschwindigkeit aufgenommen und verarbeitet werden können (vgl S 16, Abs 3 der Beschreibung vom 14. November 2002).

2. Der Patentanspruch 1 nach dem Hauptantrag lehrt hierzu, Fotodetektoren, deren Empfindlichkeit eine Funktion einer (an einem Eingang) angelegten Spannung ist, in Form einer Matrix anzuordnen.

Die Empfindlichkeit der Fotodetektoren wird von einer Steuerschaltung gesteuert, deren Ausgänge jeder Reihe (Zeile) der Fotodetektoren der Matrix selektiv eine bestimmte Spannung zuführen. Abhängig von dieser Spannung kann die Empfindlichkeit der Fotodetektoren einer Reihe sowohl positive wie negative Werte annehmen, dh bei einer bestimmten Lichtintensität einen positiven oder negativen Strom liefern.

Die Ausgänge der Fotodetektoren sind spaltenweise verbunden und werden den Eingängen eines neuronalen Netzwerks zur Verarbeitung zugeführt.

Angaben über die Art der Verarbeitung durch das neuronale Netzwerk oder über die von der Steuerschaltung an die Reihen der Fotodetektormatrix ausgegebenen Spannungen enthält der Patentanspruch 1 nicht. Es ist daher davon auszugehen, dass im Vordergrund des Anspruchs nicht die Durchführung einer bestimmten Verarbeitungsoperation steht, die mit der Vorrichtung besonders vorteilhaft ausführbar sein soll, sondern die Verschaltung der Fotodetektormatrix in der dargelegten Weise und die weitere Verarbeitung von deren Ausgangsignalen durch ein neuronales Netzwerk.

3. Die Vorrichtung nach dem Anspruch 1 gemäß Hauptantrag ist durch den Stand der Technik nahegelegt.

Im Aufsatz von C.C. Sun ua "A New Semiconductor Device-The Gate-Controlled Phododiode: Device Concepts and Experimental Results", veröffentlicht im IEEE Journal of Quantum Electronics, Vol. 25, No. 5, Mai 1989, S 896 - 903 (D 4), wird ein Fotodetektor (Gate-Controlled Phododiode, "GCPD") vorgestellt, dessen Empfindlichkeit (Quantum efficiency) durch Anlegen einer Spannung an einem Eingang (gate) variabel gesteuert werden kann. In der Einleitung auf S 896 ist erläutert, dass derartige Fotodetektoren (GCPD) in einer zweidimensionalen Matrix (array) angeordnet werden können und Anwendung bei der optischen Signalverarbeitung, bspw der optischen Matrix-Multiplikation oder Matrix-Inversion finden. Die Anwendung als Matrix-Vektor-Multiplizierer wird im Abschnitt "V. Potential Applications" (S 902 u 903) an Hand der Figur 12 näher erläutert. Die für diese Verarbeitungsoperation vorgeschlagene Verschaltung der Fotodetektoren zu einer Matrix stimmt - abgesehen von einer Vertauschung der Bezeichnungen von Spalten und Reihen (Zeilen) - mit der nach dem Patentanspruch 1 überein. Von einer nicht dargestellten Steuerschaltung wird jeder Reihe (column) der matrixförmigen Anordnung selektiv eine Spannung (X1, X2, X3) zur Empfindlichkeitssteuerung zugeführt. Die an den Ausgängen der Fotodetektoren auftretenden Fotoströme werden spaltenweise (row) zusammengefasst und liefern das Produkt (Y1...Y3) der momentan an der Fotodetektormatrix auftretenden Intensitäten (A11...A33) mit dem zur Empfindlichkeitssteuerung zugeführten Spannungsvektor (X1...X3).

Von dieser bekannten Vorrichtung zum Abtasten und Verarbeiten von Bildern unterscheidet sich der Gegenstand des Patentanspruchs 1 zum einen dadurch, dass dort Fotodetektoren verwendet werden, deren Empfindlichkeit, abhängig von der angelegten Spannung, sowohl positive als auch negative Werte annehmen kann, und zum anderen dadurch, dass das an den Spalten anliegende Ergebnis durch ein neuronales Netzwerk weiter verarbeitet werden kann.

Eine Anregung in Hinblick auf diese Maßnahmen erhält der Fachmann, ein Informatiker oder Datenverarbeitungsingenieur mit mehrjähriger Erfahrung auf dem Gebiet der Bildverarbeitung, jedoch aus dem ebenfalls entgegengehaltenen Aufsatz von Y. Nitta ua "Variablesensitivity photodetector that uses a metalsemiconductormetal structure for optical neural networks", veröffentlicht in Optics Letters, Vol. 16, No. 8, 15. April 1991, S 611 bis 613 (D 3).

Dort wird die Entwicklung eines neuen Fotodetektors vorgestellt, dessen Empfindlichkeit (sensitivity) auf Grund seiner symmetrischen Metall-Halbleiter-Metall (MSM)-Struktur sowohl positive als auch negative Werte annehmen kann (vgl S 611, linke Spalte, letzter Abs). Wie im letzten Absatz dieses Aufsatzes auf S 613 erläutert, kann dieser neue Fotodetektor auch in einer zweidimensionalen Matrix (array) angeordnet und als Vektor-Matrix-Multipizierer verwendet werden. Es wird weiter ausgeführt, dass eine solche Matrix eine bedeutende Rolle bei der optischen Signalverarbeitung, besonders mit neuronalen Netzwerken (neural networks) spielt.

Diese Ausführungen legten es dem Fachmann zum einen nahe, bei einer matrixförmigen Anordnung zur Verarbeitung von Bildern, wie sie aus dem Aufsatz von C. Sun (D 4) bekannt war, die neu entwickelten Fotodetektoren mit positiver und negativer Empfindlichkeit einzusetzen. Denn er konnte ohne weiteres absehen, dass der Einsatz dieser neuen Detektoren gegenüber den älteren den Vorteil mit sich brachte, nicht nur positive, sondern auch negative Werte verarbeiten zu können.

Entgegen der Auffassung der Anmelderin legten diese Ausführungen dem Fachmann auch nahe, die Ausgänge der matrixförmigen Anordnung einem neuronalen Netzwerk zur weiteren Verarbeitung zuzuführen. Denn da der Anspruch nicht auf die (vorteilhafte) Durchführung einer bestimmten Verarbeitungsoperation gerichtet ist, sondern generell auf die Abtastung und Verarbeitung von Bildern, musste der Fachmann die matrixförmige Anordnung als Teil einer umfangreicheren optischen Verarbeitungsvorrichtung begreifen, für die - wie im Aufsatz von Y. Nitta (D3) dargestellt - neuronale Netzwerke besonders gut geeignet sind. Es lag daher nahe, die Ausgangssignale der matrixförmigen Anordnung einem neuronalen Netzwerk zur weiteren Verarbeitung zuzuführen, bspw um einen der in der Beschreibung an Hand der Figuren 6 bis 9 erläuterten konkreten Bilderkennungsprozesse durchzuführen.

Die Vorrichtung nach dem Patentanspruch 1 gemäß dem Hauptantrag beruht sonach nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

4. Der Patentanspruch 1 in der Fassung nach dem Hilfsantrag unterscheidet sich vom Hauptantrag durch die Aufnahme des Merkmals, dass die Vorrichtung aus einem Bildsensor und einem neuronalen Netzwerk zur (weiteren) Verarbeitung der von dem Bildsensor abgetasteten Bilder besteht.

Der Auffassung der Anmelderin nach soll mit dieser Fassung klar zum Ausdruck gebracht werden, dass - abweichend vom Stand der Technik - die Abtastung und Verarbeitung der Bilder von einer einzigen aus Bildsensor und neuronalem Netzwerk bestehenden Einheit geleistet wird, wodurch die Verarbeitung visueller Informationen mit hoher Geschwindigkeit erfolgen könne.

Diese Argumentation vermag nicht durchzugreifen. Denn der von der Anmelderin hierbei unterstellte Stand der Technik, wie er auf den S 8, Abs 2 bis S 10 Abs 1 der Beschreibungseinleitung iVm Fig 1 und 2 als CCD-Kamera mit Bildzwischenspeicher und serieller Verarbeitung mit einem Rechner dargestellt ist, entspricht nicht dem für die Betrachtung der erfinderischen Tätigkeit objektiv zugrunde zu legenden relevanten Stand der Technik. Dieser ergibt sich aus den beiden vorveröffentlichten Aufsätzen von C.C. Sun (D 4) und Y. Nitta (D 3). Diesen beiden Aufsätzen entnimmt der Fachmann bereits Vorrichtungen, bei denen eine matrixförmige Anordnung von Fotodetektoren nicht nur die Funktion der Bildabtastung, sondern zugleich auch die einer (Vor-) Verarbeitung ausführt und zudem Ausgangssignale parallel zu einer Weiterverarbeitung durch ein neuronales Netzwerk ausgibt. Der Vorteil der höheren Verarbeitungsgeschwindigkeit, den die Anmelderin als Aufgabe nennt, ist daher auch diesen beiden bekannten Vorrichtungen zu eigen.

Auch die Vorrichtung gemäß dem Patentanspruch 1 nach dem Hilfsantrag beruht sonach gegenüber dem aus diesen beiden Aufsätzen entnehmbaren Stand der Technik nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

Nachdem die Vorrichtung nach dem Patentanspruch 1 weder in der Fassung nach dem Hauptantrag noch nach dem Hilfsantrag auf erfinderischer Tätigkeit beruht, war die Beschwerde der Anmelderin gegen den Zurückweisungsbeschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 06 T des Deutschen Patent- und Markenamts zurückzuweisen.

Dr. Geis Dr. Schmitt Prasch Schuster Bb Bb






BPatG:
Beschluss v. 19.11.2002
Az: 17 W (pat) 45/01


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