Landgericht Köln:
Urteil vom 28. September 2012
Aktenzeichen: 2 O 457/08

(LG Köln: Urteil v. 28.09.2012, Az.: 2 O 457/08)

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin

1. 2.086.080 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2. Dezember 2010 zu zahlen, Zug um Zug gegen Rückgabe des von der Beklagten auf ihrer Auktion 896 „Moderne Kunst“ vom 29. November 2006 als Werk Heinrich Campendonks verkauften Gemäldes „Rotes Bild mit Pferden“, Lot 51, signiert und datiert „Heinrich Campendonk 1914“;

2. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 432.000 € vom 5. Juli 2008 bis zum 31. März 2011 zu zahlen;

3. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 361.920 € vom 5. Juli 2008 bis zum 27. Dezember 2011 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des in Ziffer 1 näher bezeichneten Gemäldes in Annahmeverzug befindet.

Die Klage wird im Übrigen abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte. Die Kosten der Nebenintervention werden der Streithelferin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte, ein im Jahr 1845 gegründetes und international bekanntes Kunstauktionshaus mit Sitz in Köln, auf Schadensersatz in Anspruch. Die Klägerin erwarb am 29. November 2006 auf der Auktion 896 „Moderne Kunst“ der Beklagten ein Ölgemälde mit dem Titel „Rotes Bild mit Pferden“, das mit „Campendonk 1914“ signiert ist, aber nicht vom Maler Heinrich Campendonk (1889 - 1957) stammt.

Im September 2006 hatte die Streithelferin das Gemälde bei der Beklagten eingeliefert und erklärt, es stamme aus der „Sammlung Werner Jägers“. Werner Jägers (1912 - 1992) war ein Kölner Kaufmann, dessen Enkelin die Streithelferin ist. Tatsächlich hatte Werner Jägers, wie die Streithelferin wusste, nie Kunst gesammelt. Die angebliche „Sammlung Werner Jägers“ war eine Erfindung der Streithelferin, ihrer Schwester A1 jun. und ihres Schwagers, A2. Die erfundene Sammlung diente diesen dreien als Provenienzangabe für Gemälde, die A2 seit mehreren Jahren fälschte und über bekannte Auktionshäuser zu hohen Preisen veräußerte. Die Streithelferin wusste bei Einlieferung des Roten Bildes mit Pferden, dass es von ihrem Schwager hergestellt worden war.

Der Beklagten war die „Sammlung Werner Jägers“ als Provenienzangabe von Gemälden bekannt, da sie bereits sechs Werke aus dieser angeblichen Quelle veräußert hatte. Bei diesen veräußerten Werken war kein Fälschungsverdacht aufgekommen. Anders war es hingegen bei einem Werk, das A1 im Jahr 1995 bei der Beklagten unter Verweis auf die „Sammlung Jägers“ eingeliefert hatte. Bezüglich dieses Bildes, das von Hans Purrmann stammen sollte und einen Galerieaufkleber „Sammlung Flechtheim“ auf der Rückseite trug, hatte sich ein Fälschungsverdacht ergeben; die Beklagte hatte das Bild daraufhin der Einlieferin zurückgegeben.

Auch das „Rote Bild mit Pferden“ trägt auf der Rückseite des Rahmens einen Aufkleber mit dem holzschnittartigen Schriftzug „Sammlung Flechtheim“. Auf dem Aufkleber ist handschriftlich vermerkt: „Nr. 11“ sowie „Heinrich Campendonk, Seeshaupt, Rotes Bild mit Pferden“. Der Aufkleber zeigt desweiteren das Holzschnitt-Porträt eines Mannes. Aufkleber mit diesem Motiv und dem Schriftzug „Sammlung Flechtheim“ waren der Fachwelt schon zuvor bekannt. Es gab hingegen keinen Beleg, dass die Sammlung Flechtheim tatsächlich einen solchen Aufkleber verwendet hatte.

Im bereits damals vorliegenden Campendonk-Werkverzeichnis der Kunstsachverständigen Dr. G ist unter Nr. 462 vermerkt:

„Ö* (ohne Abbildung)

Rotes Bild mit Pferden, 1914

Öl a. €

Maße, Signatur und Verbleib unbekannt“

Desweiteren heißt es im Werkverzeichnis:

„Ausst.: 1920, Düsseldorf, Galerie Flechtheim

Lit./Abb.: A. Kat. Düsseldorf 1920, S. 6, Nr. 11“

Für die weiteren Einzelheiten der Angaben im Werkverzeichnis wird auf die Anlage K 4 Bezug genommen.

Im Jahr 1920 hatte in der Galerie Flechtheim in Düsseldorf eine Ausstellung stattgefunden, zu der ein Katalog (siehe Anlage K 5) existiert. Auf S. 6 sind die ausgestellten Ölgemälde und Aquarelle von Heinrich Campendonk mit ihren Titeln aufgelistet. Neben der Jahreszahl 1914 findet sich dort die laufende Nummer 11 mit dem Titel „Rotes Bild mit Pferden“. Eine Abbildung dieses Gemäldes enthält der Flechtheim-Katalog nicht, ebenso wenig weitere, das Gemälde individualisierende Angaben.

Heinrich Campendonk gehörte zu den Künstlern, deren Werke den Nationalsozialisten als entartet galten. Er wanderte in den 1930er-Jahren in die Niederlande aus. Viele seiner Werke gelten als verschollen.

Die Beklagte prüfte die Echtheit des Gemäldes kunsthistorisch durch eigene Mitarbeiter. Ob und welche weiteren Maßnahmen sie zur Prüfung der Authentizität des Bildes ergriff, ist streitig. Jedenfalls kontaktierte sie per Brief und per E-Mail die Werkverzeichnisverfasserin, Frau Dr. G, die sich jedoch nicht zurückmeldete. Die Beklagte ließ weder die Angaben der Einlieferin zur Provenienz des Kunstwerkes überprüfen, noch ließ sie es naturwissenschaftlich untersuchen.

Die Beklagte nahm das streitgegenständliche Werk in den Katalog ihrer Auktion 896, die am 29. November 2006 stattfand, auf und wählte einen Bildausschnitt als Motiv der Titelseite. In der Katalogbeschreibung ordnete sie das Gemälde Heinrich Campendonk zu, verwies auf den Werkverzeichniseintrag für das Gemälde „Rotes Bild mit Pferden“ und beschrieb das Gemälde als um 1930 bei Flechtheim erworben, wobei in Bezug auf die Ausstellung angegeben ist:

„Düsseldorf 1920 (Galerie Flechtheim), Heinrich Campendonk, Nr. 11 mit Abb. S. 6“.

(Hervorhebung nur hier)

Den Aufkleber „Sammlung Flechtheim“ bildete die Beklagte im Katalog ab. Weiter führte die Beklagte im Auktionskatalog aus, seit dem Erwerb bei Flechtheim sei das Gemälde „in Familienbesitz, Privatsammlung Frankreich“ gewesen; ein Hinweis auf die „Sammlung Jägers“ fehlte auf ausdrücklichen Wunsch der Einlieferin.

Im Katalogtext heißt es unter anderem:

„… scheint doch auch das vorliegende, lange verschollene und im buchstäblichen Sinn phantastische Gemälde mit dem Titel ‚Rotes Bild mit Pferden‘, durch die Farbe bestimmt, von irgendeinem roten Stern.“

[…]

„Aus Campendonks ‚Rotem Bild mit Pferden‘ läßt sich als Bildzelle ein Motiv isolieren, das wir beim vorliegenden Katalog für den Umschlag wählten. Es ist die leicht abgewandelte Wiederholung eines in der Literatur zu Campendonk vielfach publizierten, leider im Rand stark beschädigten Aquarells ‚Paar auf dem Balkon‘ (G 150 A mit Farbtafel 19, s. Abb.). […] Im Gemälde sind diese motivlichen Zitate großartig in die rote Waldlandschaft eingefügt, umfangen von diesem Bogen in Grün und Orange. Es wäre nicht Campendonk, würde er nicht eigenartige Symbole hinzufügen […]“

[…]

„In diesem Jahr 1914, aus dem auch Campendonks berühmter ‚Sechster Tag‘ stammt (G 459 Ö, heute Wilhelm-Lehmbruck-Museum, Duisburg), findet Campendonks Werk zu seinem künstlerischen Höhepunkt. […]“

Die Beklagte gab einen Schätzpreis von 800.000 bis 1.200.000 € an. Für weitere Einzelheiten der Ausführungen im Auktionskatalog wird auf die Anlage K 3 Bezug genommen.

Den Katalog sandte die Beklagte unter anderem an Frau Dr. G, die sich hierauf nicht äußerte.

In Ziffer 3 der Versteigerungsbedingungen heißt es, die Katalogangaben seien nach bestem Wissen und Gewissen erstellt, aber keine Garantien im Rechtssinne und auch nicht Bestandteil der vertraglich vereinbarten Beschaffenheit. In Ziffer 4 verpflichtete sich die Beklagte, „bei Abweichungen von Katalogbeschreibungen, welche den Wert ... aufheben oder nicht unerheblich mindern“, ihre Rechte gegenüber dem Einlieferer geltend zu machen und dem Erwerber den gesamten Kaufpreis zu erstatten, wenn der Einlieferer erfolgreich in Anspruch genommen wird. Bei „erwiesener Unechtheit“ verpflichtete sie sich zur Rückzahlung der Kommission und schloss die Haftung wegen Mängeln im Übrigen aus. Für die weiteren Einzelheiten der Versteigerungsbedingungen wird auf die Anlage K 6 Bezug genommen.

Auf der Auktion am 29. November 2006 ließ sich die Klägerin von Herrn L vertreten, einem Kunstsachverständigen aus Paris mit eigener Expertise. Sie erwarb das Gemälde zum Kaufpreis von 2.400.000 € zuzüglich 456.000 € Aufgeld (19% des Zuschlagspreises) und 24.000 € als Umlage für das Folgerecht gemäß § 26 UrhG (1% des Zuschlagspreises). Bis zum 26.12.2006 überwies die Klägerin der Firma M SA in Brüssel, welche die Rechnung gestellt hatte, insgesamt 2.880.000 €. Die Beklagte behielt gemäß den Versteigerungsbedingungen das Aufgeld sowie ein Abgeld in Höhe von 361.920 € (13% des Zuschlagspreises zzgl. USt in Höhe von 16%) ein. Den restlichen Zahlbetrag - mit Ausnahme der Folgerechtsumlage - kehrte sie an die Streithelferin aus.

Bereits Anfang Dezember hatte die Galerie B’s, die von der Klägerin mit der Abwicklung des Geschäfts beauftragt worden war, der Beklagten mitgeteilt, hinsichtlich der Echtheit des Gemäldes solle bei Frau Dr. G eine Expertise eingeholt werden. Die Erstellung der Expertise verzögerte sich, weil Frau Dr. G auf einer naturwissenschaftlichen Untersuchung durch das Doerner Institut in München bestand. Am 17. März 2008 legte das Doerner Institut sein Gutachten vor (Anlage K 22), in dem es an der Echtheit des streitgegenständlichen Gemäldes zweifelte. Die Materialanalyse war zum Ergebnis gelangt, auf der Bildvorderseite befänden sich zwei Schichten, die Titanweiß in der Modifikation des Rutils enthielten; dieser Stoff sei erst ab 1937/38 industriell hergestellt worden.

Mit Schreiben vom 13. Juni 2008 erklärte die Prozessbevollmächtigte der Klägerin im Namen der Galerie B’s als Vertreterin der Klägerin gegenüber der Beklagten den Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte sie zur Rückzahlung des Kaufpreises bis zum 4. Juli 2008 auf.

Am 25. August 2008 legte der Physiker und Kunsthistoriker Dr. F, den die Klägerin hiermit beauftragt hatte, eine weitere naturwissenschaftliche Untersuchung des Gemäldes vor (Anlage K 38). Auch diese gelangte zum Ergebnis, das Bild enthalte Titanweiß in der Form des Rutils. Hierzu führte Dr. F aus, dieses Pigment sei vor 1916 nur experimentell hergestellt und nur von wenigen Künstlern, die mit Forschern in Kontakt gestanden hätten, probeweise eingesetzt worden. Erst nach dem 1. Weltkrieg habe es in industriell hergestellten Farben Verwendung gefunden, allerdings nicht in solchen für Künstler. Erst seit den 1940er-Jahren sei Titanweiß in der Form des Rutils in einer größeren Anzahl von Bildern enthalten.

Auf eine Strafanzeige der Klägerin vom 17. Juni 2010 gegen die Streithelferin stellte sich heraus, dass der Großvater der Streithelferin, Werner Jägers, nie eine Kunstsammlung besessen hatte. Zum gleichen Ergebnis kam auch ein von T von der Galerie T & S am 9. August 2010 beauftragter privater Ermittler, der nach Befragen von Familienmitgliedern und Nachfahren Werner Jägers seinem Auftraggeber am 11. August 2010 mitteilte, dieser sei kein Kunstsammler gewesen.

Mit Schreiben vom 28. Oktober 2010 erklärte die Klägerin die Anfechtung ihrer auf Kauf des streitgegenständlichen Gemäldes gerichteten Erklärung vom 29. November 2006. Mit gleichem Schreiben bot sie der Beklagten die jederzeitige Rückgabe des Gemäldes an.

Ursprünglich hat die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie - die Klägerin - 2.880.000 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 4.7.2008 zu zahlen, Zug um Zug gegen Rückgabe des von der Beklagten auf ihrer Auktion 896 „Moderne Kunst“ vom 29. November 2006 als Werk Heinrich Campendonks verkauften Gemäldes „Rotes Bild mit Pferden“, Lot 51, signiert und datiert „Heinrich Campendonk 1914“. In der mündlichen Verhandlung vom 23.4.2009 hat die Klägerin den Zinsantrag gemäß Schriftsatz vom 16.4.2009 auf 8 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz erweitert (Bl. 388).

Mit Schriftsatz vom 17.11.2010 (Bl. 894), der Beklagten zugestellt am 1.12.2010 (Bl. 930), hat die Klägerin die Klage um den Feststellungs-Antrag erweitert, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des genannten Gemäldes in Annahmeverzug befinde.

Nachdem die Beklagte am 31.3.2011 einen Betrag von 432.000 € an die Klägerin gezahlt hat, haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend in Höhe dieses Betrags in der Hauptsache für erledigt erklärt, nämlich durch klägerischen Schriftsatz vom 14.6.2011 (Bl. 1194) und durch Erklärung der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 29.9.2011 (Bl. 1498).

Nachdem die Klägerin am 27.12.2011 einen Scheck der Beklagten über weitere 361.920 € eingelöst hat, haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend auch in Höhe dieses Betrags in der Hauptsache für erledigt erklärt, nämlich durch klägerischen Schriftsatz vom 12.1.2012 (Bl. 1651) und durch Schriftsatz der Beklagten vom 1.2.2012 (Bl. 1698), eingegangen bei Gericht am selben Tag.

Die Klägerin beantragt nunmehr sinngemäß,

die Beklagte zu verurteilen, an sie - die Klägerin -

1. 2.086.080 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 4.7.2008 zu zahlen, Zug um Zug gegen Rückgabe des von der Beklagten auf ihrer Auktion 896 „Moderne Kunst“ vom 29. November 2006 als Werk Heinrich Campendonks verkauften Gemäldes „Rotes Bild mit Pferden“, Lot 51, signiert und datiert „Heinrich Campendonk 1914“;

2. Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 432.000 € vom 4.7.2008 bis zum 31.3.2011 zu zahlen;

3. Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 361.920 € vom 4.7.2008 bis zum 27.12.2011 zu zahlen;

sowie festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des in Ziffer 1 näher bezeichneten Gemäldes in Annahmeverzug befindet.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Streithelferin war in der mündlichen Verhandlung vom 30. August 2012 anwaltlich nicht vertreten und hat keinen Antrag gestellt.

Die Beklagte behauptet, sie habe vor Erstellung des Katalogs eine mündliche Expertise des Sohnes von Heinrich Campendonk, Q, und des Enkels, P, eingeholt, die beide die hierfür nötige Sachkunde gehabt und die Echtheit des Bildes bestätigt hätten. Der „Sammlung Flechtheim“-Aufkleber in der konkreten Aufmachung sei ihr schon im Zeitpunkt der Einlieferung bekannt gewesen, unter anderem aus einem Christie’s-Katalog von 1995 sowie aus weiteren Katalogen der Jahre 2003 und 2006.

Zu all dem erklärt sich die Klägerin mit Nichtwissen.

Die Beklagte behauptet desweiteren, es entspreche marktüblichen Usancen, selbst bei hochpreisigen Arbeiten ein naturwissenschaftliches Gutachten nur bei auftretenden Zweifeln oder bei Künstlern, die in einem besonderen Fälschungsfokus stehen, einzuholen.

Gründe

Die zulässige Klage ist bis auf einen Teil der geltend gemachten Zinsen begründet.

I. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 2.086.080 € wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen gemäß den §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB, weil die Beklagte im Auktionskatalog Angaben machte, die den Gesamteindruck vermittelten, die Zuschreibung des Gemäldes zu Heinrich Campendonk sei sicher, ohne dafür eine hinreichende Tatsachengrundlage gehabt zu haben.

1. Die Vertragsverhandlungen der Parteien begannen mit dem Überreichen des Auktionskatalogs, so dass ab diesem Zeitpunkt Ansprüche aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen in Betracht kommen. Dem stehen der spätere Abschluss eines Kaufvertrags - durch Erteilung des Zuschlags - sowie der Vorrang der kaufrechtlichen Sachmängelhaftung nicht entgegen. Denn der Kaufvertrag ist gemäß § 142 Abs. 1 BGB als von Anfang an nichtig anzusehen, nachdem die Klägerin ihre auf Abschluss des Vertrags gerichtete Erklärung vom 29. November 2006 durch Schreiben vom 28. Oktober 2010 wegen arglistiger Täuschung angefochten hat.

a. Diese Anfechtung ist wirksam. Die Klägerin wurde von der Streithelferin auf zwei Wegen getäuscht. Diese hatte gegenüber der Beklagten wahrheitswidrig erklärt, das Gemälde stamme aus der Sammlung ihres Großvaters Werner Jägers, und durch Einliefern des Gemäldes mit dem rückseitigen Aufkleber der Galerie Flechtheim konkludent zum Ausdruck gebracht, die Herkunft des Gemäldes lasse sich auf diese Galerie zurückverfolgen. Hierdurch täuschte sie auch die Klägerin, denn für die Täuschungshandlung im Sinne des § 123 Abs. 1 Alt. 1 BGB ist es nicht erforderlich, sich persönlich gegenüber dem Getäuschten zu äußern. Die Streithelferin brachte dem Vertreter der Klägerin ihre Erklärung durch den Galerieaufkleber „Sammlung Flechtheim“ zur Kenntnis und löste dadurch eine Fehlvorstellung über die Gemäldeherkunft aus oder verstärkte diese zumindest.

Des Weiteren setzte die Streithelferin die gutgläubig handelnde Beklagte arglistig als Werkzeug ein, um ihre Erklärung an die Klägerin weiterzuleiten. Der Täuschende kann sich zur Übermittlung seiner Täuschung am Geschäft unbeteiligter Boten ebenso bedienen wie anderer Übermittlungsformen. Für die Person des arglistig Täuschenden kommt es nicht darauf an, wer die Täuschungserklärung gegenüber dem Getäuschten ausspricht, sondern wer sie veranlasst hat. Die Gutgläubigkeit des Übermittelnden beseitigt die arglistige Täuschung nicht (Palandt-Ellenberger, BGB, 71. Auflage, 2012, § 123, Rn. 13 aE; BGH v. 8.2.1989 - IVa ZR 197/87, VersR 1989, 465).

Auf den bei ihrem Vertreter hervorgerufenen Irrtum über die Herkunft des Gemäldes, der diesen zur Abgabe seines Gebotes bestimmte, kann die Klägerin sich berufen (§ 166 Abs. 1 BGB).

Die Streithelferin handelte arglistig, insbesondere auch im Hinblick auf die Übermittlung der von ihr vorgegebenen Herkunft des Gemäldes an die Klägerin. Denn wegen ihres wirtschaftlichen Interesses am Auktionsausgang beabsichtigte sie, dass die Beklagte das Gemälde den Interessenten als echten, von der Galerie Flechtheim erworbenen Campendonk anbieten sollte. Es reicht aus, dass ihre Absicht die Übermittlung der von ihr veranlassten Fehlinformation an eine unbestimmte Vielzahl von Personen umfasste; die Person des Erklärungsempfängers bedarf keiner Spezifizierung.

b. Die Klägerin konnte ihre Anfechtung gegenüber der Beklagten auf die Täuschung durch die Streithelferin stützen, weil es sich bei einer Kommittentin nicht um eine Dritte im Sinne von § 123 Abs. 2 BGB handelt (Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-Krüger, HGB, 2. Auflage, § 383, Rn. 44). Bei der gebotenen funktionellen Betrachtungsweise stand die Streithelferin als Vertragspartnerin der Erklärungsempfängerin (Beklagten) auf deren Seite (vgl. dazu Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 7. Aufl., § 123, Rn. 29). Zudem handelte es sich beim Ausführungsgeschäft in wirtschaftlicher Hinsicht um ein Geschäft der Kommittentin, an die der Kaufpreis abzüglich Abgeld ausgekehrt wurde.

c. Die Klägerin hat die Anfechtung am 28. Oktober 2010 und damit innerhalb der Jahresfrist nach § 124 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 BGB fristgerecht erklärt, weil sie erst auf ihre Strafanzeige vom 17. Juni 2010 hin sichere Kenntnis davon erlangte, durch die Streithelferin arglistig getäuscht worden zu sein. Ein Verdacht, wie er sich schon zuvor durch die beiden naturwissenschaftlichen Gutachten ergeben hatte, genügt für den Fristbeginn nicht (Palandt-Ellenberger, aaO, § 124, Rn. 2). Dies gilt auch für Fälle wie diesen, in denen sich der Verdacht schon erhärtet hat, weil die Verwendung von Titanweiß in Künstlerfarben im Jahr 1914 äußerst selten war.

2. Die Anwendung der §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist ebenso wenig durch die Anfechtungsvorschriften gesperrt. Jedenfalls dann, wenn dem Anfechtenden durch Eingehung des Vertrages ein Vermögensschaden entstanden ist - wie hier der Klägerin, die einen Kaufpreis zahlte, der für ein gefälschtes Bild nicht angemessen war -, schließen die §§ 119, 123 BGB die Haftung für c.i.c. nicht aus (BGH v. 26.9.1997 - V ZR 29/96, NJW 1998, 302).

3. Mit Beginn der Vertragsverhandlungen durch Überreichen des Auktionskatalogs traf die Beklagte die Pflicht, auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen der Klägerin Rücksicht zu nehmen, § 241 Abs. 2 BGB. Die Pflicht konkretisierte sich darin, im Katalog zutreffende Angaben auf gesicherter Grundlage zu machen. Die Beklagte hat diese Pflicht fahrlässig verletzt.

a. Die Angaben der Beklagten im Katalog vermittelten den Gesamteindruck, die Zuschreibung des Bildes zu Heinrich Campendonk sei sicher. Sie nahm Bezug auf das Werkverzeichnis der Frau Dr. G sowie den Katalog der Flechtheim-Ausstellung aus dem Jahr 1920, von dem sie - unrichtig - angab, er enthalte eine Abbildung des Gemäldes. Die weitere Angabe, das Gemälde befinde sich seit dem Erwerb von der Galerie Flechtheim in Privatbesitz, war geeignet, beim Leser des Katalogs die Vorstellung hervorzurufen, der Weg des Bildes seit seiner Entstehung sei lückenlos geklärt. Zudem verglich die Beklagte das Werk mit einem anderen Campendonk-Werk und stellte fest, es weise typische Merkmale auf, insbesondere verwende es ein anderweitig bekanntes Campendonk-Motiv. Der Verweis darauf, Campendonk habe im Jahr 1914 seinen künstlerischen Höhepunkt erreicht, konnte im Gesamtzusammenhang nur so verstanden werden, das auch das angebotene, angeblich im Jahr 1914 gemalte Bild von ihm stamme. Nicht zuletzt gab die Beklagte einen Schätzpreis von 800.000 € bis 1.200.000 € an, der für ein Gemälde, das nur möglicherweise von Campendonk stammt, ersichtlich nicht erzielbar gewesen wäre.

b. Für eine sichere Zuschreibung des Bildes zu Heinrich Campendonk fehlte eine hinreichend tragfähige Grundlage. Über das im Jahr 1914 entstandene Ölgemälde „Rote Bild mit Pferden“ gibt es keine gesicherten Angaben, die das Bild über seinen Titel hinaus individualisieren könnten, insbesondere sind die Maße unbekannt, und es existiert keine Abbildung des Gemäldes. Sicher ist nur, dass Campendonk ein Werk mit diesem Titel fertigte und dass dieses im Jahr 1920 in der Galerie Flechtheim ausgestellt wurde. Hinsichtlich des weiteren Wegs des Bildes verließ sich die Beklagte auf die Angaben der Einlieferin, die sie ungeprüft übernahm. Der rückseitige Aufkleber „Sammlung Flechtheim“ war nicht geeignet zu belegen, dass das eingelieferte Bild in der Galerie Flechtheim ausgestellt worden war - erst recht nicht, dass es mit dem Bild Nr. 11 aus dem Katalog von 1920 identisch war -, denn es gibt keine Nachweise, dass die Galerie Flechtheim einen Aufkleber in der konkreten Aufmachung jemals verwendet hätte. Die Tatsache allein, dass ein solcher Aufkleber schon in der Vergangenheit bei Auktionen aufgetaucht war, ohne dass die Echtheit bezweifelt worden wäre, belegte nicht dessen Echtheit oder gar die des Bildes, sondern bedeutete nur, dass ungeklärt war, ob der Aufkleber echt war oder nicht.

Die sichere Zuschreibung des Bildes hatte auch nicht deswegen eine hinreichende Grundlage, weil die Beklagte das Bild durch eigene Experten kunsthistorisch hatte begutachten lassen. Eine solche, naturgemäß subjektive, weil wertende Begutachtung kann nur begrenzten Erkenntniswert haben, da sie Fälschungen mit umso geringerer Wahrscheinlichkeit aufdeckt, je begabter der Fälscher ist. Wird ein Gemälde eingeliefert, das einen zumindest sechsstelligen Erlös verspricht, so muss der Auktionator - unter der Annahme, das Bild könne gefälscht sein - in Betracht ziehen, dass der Fälscher sein Handwerk versteht, da er sonst nicht bereit wäre, das mit der Einlieferung verbundene Entdeckungsrisiko einzugehen. Hinzu kommt, dass die hauseigenen Experten nicht gänzlich unabhängig sind. Als Angestellte oder freie Mitarbeiter des Auktionshauses können sie in Zweifelsfällen von der Überlegung beeinflusst sein, dass es für die Beklagte günstiger wäre, wenn das zu prüfende Bild, das einen hohen Umsatz erwarten lässt, echt wäre.

Dahin stehen kann, ob die Beklagte darüber hinaus kunsthistorische Expertisen des Sohnes und des Enkels von Heinrich Campendonk einholte. Diese haben zwar den Vorzug, von der Beklagten gänzlich unabhängig zu sein. Auch ihr Urteil ist jedoch notwendigerweise subjektiv und daher mit Unsicherheiten behaftet.

c. Die Beklagte handelte fahrlässig, weil sie die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht ließ (§ 276 Abs. 2 BGB). Abzustellen ist insoweit auf die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns (§§ 347 Abs. 1, 384 Abs. 1 HGB), weil die Beklagte als Auktionatorin ein Kommissionsgeschäft durchführte.

Die im Verkehr „erforderliche“ Sorgfalt ist nicht identisch mit der üblichen Sorgfalt. Die Anforderungen, die § 276 Abs. 2 BGB stellt, werden durch übliches oder einem verbreiteten Brauch entsprechendes, weniger sorgfältiges Verhalten der betreffenden Verkehrskreise nicht reduziert (BGH v. 27.11.1952 - VI ZR 25/52, BGHZ 8, 138, Rn. 7, 8; BGH v. 11.2.1957 - VII ZR 256/56, BGHZ 23, 288, 290; BGH v. 9.2.1965 - VI ZR 253/63, NJW 1965, 1075, Rn. 19). Auf „eingerissene Nachlässigkeit und Unsitte“ der beteiligten Verkehrskreise ist nicht Rücksicht zu nehmen (BGH v. 7.4.1952 - III ZR 363/51, BGHZ 5, 318, Rn. 5). Auch Handelsgewohnheiten können den objektiven Maßstab der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt nicht mindern (Palandt-Bassenge, 71. Aufl., § 932, Rn. 10). Eine leichtsinnige Handlungsweise verliert nicht dadurch ihren Charakter, dass sie von einer Vielzahl von Personen oder ganz allgemein in einem bestimmten Geschäftszweig geübt wird (BGH v. 2.12.1958 - VIII ZR 212/57, LM Nr. 12 zu § 932 BGB). Umgekehrt ist anerkannt, dass Sorgfaltspflichten im konkreten Einzelfall über ein - in Rechtsvorschriften oder technischen Regeln konkretisiertes - Verhaltensprogramm hinausgehen können (BGH v. 7.10.1986 - VI ZR 187/85, NJW 1987, 372).

Nach alledem kommt es auf das Maß an Umsicht und Sorgfalt an, das nach dem Urteil besonnener und gewissenhafter Angehöriger des maßgeblichen Verkehrskreises zu beachten ist (OLG Köln v. 11.1.1990 - 7 U 121/89, NJW-RR 1990, 793, Rn. 8). Ein gewissenhafter Angehöriger kann sich nicht auf das berufen, was die etwas weniger gewissenhaften Beteiligten üblich gemacht haben.

Der maßgebliche Verkehrskreis ist derjenige der ordentlichen Kaufleute (§§ 347, 384 HGB). Ein ordentlicher Kaufmann hat sich grundsätzlich an einem höheren Sorgfaltsmaßstäben zu orientieren als Angehörige von nichtkaufmännischen Verkehrskreisen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, in welchem Umfang das Handelsgewerbe betrieben wird (Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-Joost, aaO, § 347, Rn. 28; RG v. 24.11.1922 - III 79/22, RGZ 105, 389). Auch hängt das Ausmaß der Sorgfaltspflicht davon ab, in welchem Umfang die Geschäftspartner der Kaufleute Risiken eingehen (Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-Joost, aaO).

Welche Maßnahmen der Auktionator ergreifen muss, um von der Echtheit eines Gemäldes ausgehen zu dürfen, lässt sich nicht allgemein beantworten, sondern hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere von der Frage, in welchem Umfang die Qualität des in Frage stehenden Gemäldes, sein unmittelbarer Eindruck, die Umstände der Einlieferung, die Plausibilität der behaupteten Provenienz und das Einfügen dieser Umstände in den bekannten Kontext des behaupteten Werkes Zweifel an der Authentizität des Gemäldes begründeten oder beruhigten. Der Umfang der Prüfungspflicht des Kunsthändlers bestimmt sich weiter nach der Bedeutung des Werkes; bei einem gewöhnlichen Gemälde aus der Vielzahl der in Auktionen zur Versteigerung gelangenden Gegenstände sind dem Kunsthändler weniger eingehende Prüfungen zumutbar als bei Werken wie dem vorliegenden, die der Auktionator zu einem ungewöhnlich hoch festgesetzten Mindestgebot - Gleiches muss für einen Mindestschätzpreis gelten, hier 800.000 € - in seinen Katalog aufnimmt (vgl. BGH v. 13. Februar 1980 - VIII ZR 26/79, NJW 1980, 1619).

Die Beklagte hätte vor Veröffentlichung des Katalogs ein naturwissenschaftliches Gutachten hinsichtlich des vermeintlichen Campendonk-Gemäldes einholen müssen. Entscheidend wirkt sich aus, dass die Beklagte im Katalog vorbehaltlos und ohne jede Einschränkung die Urheberschaft Heinrich Campendonks behauptet hat. Auch durch die Abbildung eines Ausschnitts des Gemäldes auf der Titelseite des Auktionskatalogs, die - unzutreffende - Behauptung einer Abbildung des Gemäldes im Katalog von Flechtheim, den Bezug auf den Werkverzeichniseintrag und die Ausführungen der Beklagten zu Motiv und Symbolik ergab sich das Gesamtbild einer sicheren Zuschreibung des Gemäldes zu Heinrich Campendonk. Insbesondere weil jegliche Hinweise auf Restzweifel fehlen und die Beklagte ein hohes Renommée genießt, wurde der Klägerin in Anbetracht des tatsächlichen Prüfungsumfangs durch die Beklagte fahrlässig ein nicht zutreffender Eindruck vom Maß der von ihr selbst noch durchzuführenden Nachforschungen vermittelt (vgl. LG Bielefeld v. 20. September 1988 - 23 O 101/88, NJW 1990, 1999 zum Renommée eines Auktionshauses).

Das Einholen eines naturwissenschaftlichen Gutachtens ist nicht stets erforderlich, zumal wegen des damit verbundenen Substanzeingriffs, der den Wert schmälern kann. Hier war ein Gutachten jedoch geboten, um eine vorbehaltlose Zuschreibung des Gemäldes zu Heinrich Campendonk zu rechtfertigen. Das streitgegenständliche Gemälde wäre als Original ein Rekordfund gewesen, für den sich nach dem Schätzpreis der Beklagten (800.000 € bis 1.200.000 €) auch ein Rekordpreis abzeichnete. Das Bild war nicht nur jahrzehntelang verschollen gewesen, es existierte auch keine bekannte Abbildung dieses Gemäldes mehr. Deshalb konnte eine vorbehaltlose Zuschreibung nicht allein auf die Signatur, die Angaben der Einlieferin und eine kunsthistorische Prüfung gestützt werden. Ein ordentlicher Auktionator hätte entweder die Zuschreibung zu Campendonk durch Zusätze wie „nach kunsthistorischer Analyse handelt es sich um ein Gemälde Heinrich Campendonks“ relativiert oder eine weitergehende Zuschreibung auch auf ein naturwissenschaftliches Gutachten gestützt. Seiner Sorgfalt hätte es jedoch nicht entsprochen, eigene Nachprüfungen der potentiellen Ersteigerer durch das Erwecken des Eindrucks zweifelloser Zuschreibung unwahrscheinlicher zu machen, ohne die Zuschreibung auch auf ein naturwissenschaftliches Gutachten stützen zu können.

Der Notwendigkeit eines naturwissenschaftlichen Gutachtens - für den Fall einer sicheren Zuschreibung im Katalog - lässt sich nicht entgegen halten, es greife in die Substanz ein und verringere damit den Wert. Ist unklar, ob ein Werk echt ist oder nicht, dann wird ein Gutachten, das trotz sorgfältiger Analyse keine Anzeichen für eine Fälschung aufdeckt, den Wert des Bildes sogar erhöhen, weil die Wahrscheinlichkeit, dass es sich um ein Original handelt, hierdurch steigt. Ergibt das Gutachten Anhaltspunkte für eine Fälschung, dann kommt es auf den Wertverlust durch den Substanzeingriff ohnehin nicht mehr an.

Ebenso wenig kann es auf die Kosten einer solchen Untersuchung oder mögliche Wartezeiten bei geeigneten Laboren ankommen, wenn es, wie hier, um ein Werk mit einem Mindestschätzpreis von 800.000 € geht. In Relation zu diesem Preis - und der sich hieraus mindestens ergebenden Kommission der Beklagten in Höhe von 256.000 € netto - fallen Gutachtenkosten im vierstelligen Bereich nicht ins Gewicht. Auch die Wartezeit muss ins Verhältnis zur Bedeutung der Angelegenheit gesetzt werden; ohnehin ist nicht vorgetragen oder ersichtlich, dass sich die Einlieferin einem hypothetischen Vorschlag der Beklagten, das Bild untersuchen zu lassen, unter Hinweis auf die Wartezeit widersetzt hätte.

Ein naturwissenschaftliches Gutachten wird auch nicht dadurch entbehrlich, dass der Auktionator - wie hier die Beklagte - durch eine kunsthistorische Begutachtung sowie durch Angaben des Einlieferers zur Provenienz, denen er folgt, subjektiv sicher ist, es handele sich um ein Original, weil keine Anzeichen für eine Fälschung offenbar geworden sind. Die von der Beklagten nach Einlieferung zu prüfende Hypothese lautete nicht, ob es sich bei dem Gemälde um eine Fälschung handelte. Die Frage war vielmehr, ob das Bild echt ist, denn diesen Eindruck vermittelte die Beklagte im Katalog. Für den Echtheitsbeweis genügt es nicht, dass Fälschungsindizien fehlen, solange die Prüfung nicht umfassend ist. Umfassend konnte sie im vorliegenden Fall nur nach naturwissenschaftlicher Untersuchung sein. Denn bei einem Bild, über das es kaum gesicherte Erkenntnisse gibt, bietet nur die objektivgegenständliche Untersuchung eine hinreichende Richtigkeitsgewähr, weil sie die subjektiven Unwägbarkeiten von kunsthistorischen, wertenden Einschätzungen sowie die Unschärfe der Erinnerung von Zeitzeugen betreffend die Provenienz vermeidet.

Schließlich kann die Beklagte nicht mit dem Einwand durchdringen, die potentiellen Erwerber erwarteten eine naturwissenschaftliche Untersuchung nicht, da sie wüssten, dass sie nicht den marktüblichen Usancen entspreche. Zum einen steht nicht fest, ob die interessierten möglichen Käufer in ihrer Gesamtheit oder auch nur Mehrheit tatsächlich mit den Gepflogenheiten des Auktionshandels hinreichend vertraut sind. Zum anderen kommt es für das Maß des entgegen gebrachten Vertrauens auch darauf an, wer es in Anspruch nimmt. Von der Beklagten, die sich auf eine mehr als 160jährige Tradition beruft und die international vernetzt ist, wird mehr erwartet als von einem nur regional oder erst seit wenigen Jahren tätigen Auktionshaus. Schon für ein solches gilt aber der Grundsatz des Bundesgerichtshofs (Urt. v. 13.2.1980 - VIII ZR 26/79, NJW 1980, 1619), dass der Auktionator gegenüber dem Ersteigerer die Stellung eines Sachkenners einnimmt, der im Gegensatz zum Ersteigerer selbst die Möglichkeit hat, die Vertrauenswürdigkeit der Einlieferer zu prüfen und selbst zu entscheiden, welche Werke er zur Auktion annimmt; hierauf kann und darf der Ersteigerer ein Vertrauen stützen, das nach Ansicht des Bundesgerichtshofs, der sich die Kammer anschließt, schutzwürdig ist.

4. Die Pflichtverletzung der Beklagten ist kausal für den Vermögensschaden der Klägerin geworden. Bei Einhaltung ordnungsgemäßer Sorgfalt durch die Beklagte hätte die Klägerin das Gemälde nicht so oder nicht zu diesem Preis erworben. Dies gilt sowohl für den Fall, dass die Zuschreibung des Gemäldes zu Campendonk im Katalog mit Einschränkungen versehen worden wäre als auch für den Fall, dass die Beklagte ein naturwissenschaftliches Gutachten eingeholt hätte. Ein Gutachten hätte das Vorhandensein von Titanweiß in der Modifikation des Rutils offenbar werden lassen und damit zwar nicht die Unechtheit des Bildes bewiesen, aber die Echtheit unwahrscheinlich gemacht.

5. Die Beklagte schuldet Ersatz des gesamten der Klägerin durch die Vertragsdurchführung entstandenen Schadens. Damit schuldet sie insbesondere den jetzt noch klageweise geltend gemacht Betrag von 2.086.080 € (Kaufpreis abzüglich Auf- und Abgeld).

II. Die Klägerin hat gegen die Beklagte auch einen Anspruch auf Feststellung, dass diese sich mit der Rücknahme des Gemäldes in Annahmeverzug befindet. Die Beklagte geriet gemäß § 293 BGB in Annahmeverzug, als sie die ihr mit Schreiben der Klägerin vom 28. Oktober 2010 angebotene Rückgabe des Gemäldes nicht annahm.

III. 1. Der Zinsanspruch aus 2.086.080 € ergibt sich nach den §§ 291, 288 Abs. 1 BGB ab dem 2. Dezember 2010. Hinsichtlich dieses Betrags (Kaufpreis abzüglich Auf- und Abgeld) ist Rechtshängigkeit erst mit Zustellung des nach der Anfechtungserklärung geänderten Antrags vom 17. November 2010 am 1. Dezember 2010 eingetreten. Der zuvor geltend gemachte Anspruch wegen Rücktritts vom Kaufvertrag scheiterte am Haftungsausschluss in Ziffer 4 S. 3 der Versteigerungsbedingungen.

Der Zinssatz beträgt nur 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz (§ 288 Abs. 1 BGB). Der geltend gemachte Zinssatz von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ist nicht gerechtfertigt, weil es sich bei einer Schadensersatzforderung nicht um eine Entgeltforderung im Sinne von Absatz 2 der genannten Vorschrift handelt.

2. Hinsichtlich des Kommissionsteils (Summe von Auf- und Abgeld) in Höhe von 817.920 € ergibt sich ein Zinsanspruch aus §§ 288 Abs. 1 S. 1, 286 Abs. 1 BGB seit dem 5. Juli 2008. Die Kommission war auch gemäß Ziffer 4 S. 2 der Versteigerungsbedingungen zurückzuzahlen, die Unechtheit des Gemäldes war dem Beklagten seit Erstellung des Gutachtens des Doerner Instituts bekannt. Eine Auslegung der Versteigerungsbedingungen nach §§ 133, 157 BGB ergibt, dass die Kommission i.S.d. Ziffer 4 S. 2 der Versteigerungsbedingungen Auf- und Abgeld erfasste. Die Versteigerungsbedingungen differenzieren bereits im Wortlaut der Bezeichnungen zwischen der Kommission in Ziffer 4 S. 2 und dem Aufgeld in Ziffer 8 S. 1 der Versteigerungsbedingungen. Die Haftungsbeschränkung dient zudem erkennbar dem Zweck, den Kommissionär vom Risiko der Geltendmachung von Rückzahlungsansprüchen frei zu stellen, von diesem erhaltene Beträge jedoch an den Käufer eines unechten Kunstwerks auszukehren. Die Klausel kann nicht so verstanden werden, dass sie darauf angelegt sein soll, den Verwender über die Abnahme des Weiterleitungsrisikos hinaus zu begünstigen und ihm in Form des Abgelds einen finanziellen Vorteil aus der Veräußerung eines Kunstwerks zu belassen, das sich innerhalb von drei Jahren als unecht herausstellt.

Der Zinsanspruch ist nach § 188 Abs. 1 BGB um einen Tag zu kürzen, weil die von der Klägerin gesetzte Zahlungsfrist erst mit Ablauf des 4. Juli 2008 endete. In Höhe von 432.000 € können Zinsen seit dem 31. März 2011 wegen Erlöschens der Hauptforderung durch Erfüllung nicht mehr geltend gemacht werden; in Höhe weiterer 361.920 € gilt Entsprechendes seit dem 27. Dezember 2011.

Für den Zinssatz gelten die obigen Ausführungen (1.) entsprechend.

IV. Die nicht nachgelassenen Schriftsätze der Beklagten vom 25.9.2012 und vom 26.9.2012 haben vorgelegen und sind beraten worden. Sie bieten keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, § 156 ZPO.

V. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91a Abs. 1 S. 1, 92 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1, 101 Abs. 1 Alt. 2 ZPO. Die Teilabweisung der Zinsanträge bleibt ohne Kostenfolge, auch soweit die Zinsen nach den Teil-Erledigterklärungen zu selbständigen Hauptforderungen geworden sind. Denn die Zuvielforderung der Klägerin war verhältnismäßig geringfügig und hat keine höheren Kosten veranlasst.

Auch soweit die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, hat die Beklagte die Kosten zu tragen. Dies entspricht der Billigkeit unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands. Denn ohne die erledigenden Ereignisse - Zahlung von 432.000 € sowie von 361.920 € durch die Beklagte - wäre die Beklagte voraussichtlich auch in dieser Höhe unterlegen, weil sie den gesamten der Klägerin durch die Vertragsdurchführung entstandenen Schaden schuldet (s.o. I. 5.).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 und 2 ZPO.

Streitwert:

· bis 30.11.2010: 2.880.000 €

· 1.12.2010 - 28.9.2011: 2.900.000 €

· 29.9.2011 - 31.1.2012: 2.568.000 €

· seit 1.2.2012: 2.316.000 €.

Die Streitwerte ab dem 1.12.2010 enthalten jeweils 20.000 € für den Feststellungsantrag.

Die Streitwerte ab dem 29.9.2011 berücksichtigen jeweils neben der durch Teilerledigterklärung reduzierten Hauptforderung die auf die erledigten Forderungen entfallenden Zinsen, die zur Hauptforderung geworden sind.






LG Köln:
Urteil v. 28.09.2012
Az: 2 O 457/08


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/7e0103ebac9f/LG-Koeln_Urteil_vom_28-September-2012_Az_2-O-457-08




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share