Bundespatentgericht:
Beschluss vom 11. Mai 2000
Aktenzeichen: 25 W (pat) 121/99
(BPatG: Beschluss v. 11.05.2000, Az.: 25 W (pat) 121/99)
Tenor
Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die am 2. November 1996 angemeldete Bezeichnung Mobigel ist am 27. Januar 1997 für
"Pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege; diätetische Erzeugnisse/Lebensmittel für medizinische Zwecke; diätetische Lebensmittel zur Gesundheitspflege auf der Basis von Vitaminen, Mineralstoffen, Spurenelementen, entweder einzeln oder in Kombination; Babykost; Pflaster, Verbandmaterial"
in das Markenregister eingetragen worden.
Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der älteren, seit 1943 für
"Arzneimittel, pharmazeutische Drogen und Präparate, Pflaster, Verbandstoffe, diätetische Nährmittel"
eingetragenen Marke 554 355 Mobilat, deren Benutzung nicht bestritten ist.
Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluß vom 25. März 1999 durch einen Beamten des höheren Dienstes die Verwechslungsgefahr zwischen den Marken verneint und den Widerspruch zurückgewiesen. Die Marken könnten sich auf identischen Produkten begegnen. Der danach an die Beurteilung der Markenähnlichkeit anzulegende strenge Maßstab werde dadurch gemindert, daß auch auf allgemeine Verkehrskreise abzustellen sei, die Produkten auf dem Arzneimittel- und Gesundheitsgebiet mit einer erhöhten Aufmerksamkeit begegneten. Obwohl die beiderseitigen Bezeichnungen in der Silbenzahl und in den Eingangslauten "Mobi" übereinstimmten, sei eine Verwechslungsgefahr noch sicher auszuschließen. Der Bestandteil "Mobi" mit dem Hinweis auf "mobil, Mobilität, Mobilisierung" werde von den Verkehrskreisen als beschreibend für den Verwendungszweck der Ware erfaßt und gelte somit als recht kennzeichnungsschwach. Die daher aufmerksamer betrachteten Endbestandteile "gel/lat" wiesen hinreichend deutliche Abweichungen auf.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden mit dem Antrag, den Beschluß der Markenstelle vom 25. März 1999 aufzuheben, die Verwechslungsgefahr zu bejahen und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.
Die Waren könnten identisch und darüber hinaus in hohem Maße ähnlich sein. Mit Beschluß vom 25. April 1997 habe der 33. Senat des Bundespatentgerichts (33 W (pat) 221/96) festgestellt, daß wegen der langjährigen und intensiven Benutzung von "Mobilat" auf dem Gebiet der Analgetika und Antirheumatika von einer starken Kennzeichnungskraft dieser Marke auszugehen sei. "Mobilat" sei ua auch in Gelform als "Mobilat Gel" im Handel und werde in großem Umfang als OTC-Präparat verkauft. Die allgemeinen Verkehrskreise würden "Mobilat Gel" für "Mobigel" halten und umgekehrt, weil der Eindruck erweckt werde, es handele sich bei "Mobigel" um eine Abkürzung von "Mobilat Gel". Unter diesen Umständen sei der Markenabstand keineswegs ausreichend. Die Marken stimmten in der Anzahl der Buchstaben und Silben sowie im Sprechrhythmus und in dem Wortanfang "Mobi-" überein. Dieser Wortteil sei nicht als kennzeichnungsschwach anzusehen, sondern enthalte vielmehr eine weitere Übereinstimmung im Hinblick auf den Sinngehalt. Die Unterschiede in den Wortenden seien nicht markant genug, um den erforderlichen Markenabstand einzuhalten. Es bestehe in hohem Maße die Gefahr, daß die Marken miteinander in Verbindung gebracht werden.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat sich im Beschwerdeverfahren nicht zur Sache geäußert und auch keinen Antrag gestellt.
Wegen der Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluß der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts sowie auf den Inhalt der Verfahrensakten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
Der nach § 42 Abs 2 Nr 1 MarkenG erhobene Widerspruch ist von der Markenstelle zu Recht gemäß § 43 Abs 2 Satz 2 MarkenG zurückgewiesen worden. Es besteht auch nach Auffassung des Senats keine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.
Da Benutzungsfragen im vorliegenden Verfahren nicht aufgeworfen sind, ist bei den Waren von der Registerlage auszugehen. Danach können sich die jeweiligen Präparate aufgrund der in beiden Warenverzeichnissen enthaltenen weiten Oberbegriffe auf identischen Produkten begegnen. Da die Waren auch rezeptfrei erhältliche Arzneimittel und Erzeugnisse umfassen können, sind Endverbraucher als Verkehrskreise uneingeschränkt zu berücksichtigen.
Für die vorliegende Entscheidung kann im Hinblick auf die dem Senat aufgrund des Vorbringens der Widersprechenden zur intensiven Benutzung und Marktstellung und die dazu in früheren Verfahren eingereichten Unterlagen bekannte Benutzungslage ein überdurchschnittlicher Bekanntheitsgrad bei den betroffenen Verkehrskreisen und ein entsprechend erweiterter Schutzumfang der Widerspruchsmarke unterstellt werden. An sich bedürfte es insoweit allerdings geeigneter Unterlagen nicht nur für den Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marke - hier 2. November 1996 -, sondern auch für den Zeitpunkt der Entscheidung im vorliegenden Beschwerdeverfahren (vgl insoweit Althammer/Ströbele, MarkenG, 5. Aufl, § 9 Rdn 21 mwM; BPatGE 38, 105, 111, 112 "Lindora/Linola").
Die Widersprechende kann sich somit zum Beleg einer starken Kennzeichnungskraft ihrer Marke schon allein deshalb nicht auf den Beschluß des 33. Senat des Bundespatentgerichts (33 W (pat) 221/96) vom 25. April 1997 berufen, weil in jener Entscheidung für den über drei Jahre späteren Zeitpunkt der Entscheidung im vorliegenden Beschwerdeverfahren keine Feststellungen zu einem erhöhtem Schutzumfang derselben Widerspruchsmarke getroffen werden konnten. Unabhängig davon ist anzumerken, daß der 33. Senat in seinem Beschluß auch lediglich in einem einzigen Satz ausgeführt hat, daß "zugunsten der Widersprechenden ... ferner aufgrund der von ihr unbestritten geltend gemachten langjährigen und intensiven Benutzung ... auf dem Gebiet der Analgetika und Antirheumatika von einer starken Kennzeichnungskraft dieser Marke auszugehen" sei, ohne daß - mangels einer dort gesehenen Veranlassung - unter Würdigung des Vorbringens der Widersprechenden im einzelnen eine derartige Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke konkret festgestellt oder näher begründet worden ist. Im übrigen sind Unterlagen zum Nachweis einer gesteigerten Kennzeichnungskraft für jedes einzelne Verfahren, in dem sie geltend gemacht wird, gesondert vorzulegen, so daß eine Verweisung auf Unterlagen in anderen Verfahren insoweit grundsätzlich nicht ausreicht (vgl zur Vorlage von Unterlagen zur Glaubhaftmachung der Benutzung: Althammer/Ströbele, MarkenG, 5. Aufl, § 43 Rdn 27 mwN).
Zwar ist auch im vorliegenden Verfahren die Behauptung der Widersprechenden, die Widerspruchsmarke besitze eine starke Kennzeichnungskraft von der Inhaberin der angegriffenen Marke nicht bestritten worden. Gleichwohl führt auch dies nicht dazu, daß bei der Entscheidung von einer derart gesteigerten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke auszugehen ist, weil die Kennzeichnungskraft einer Marke keine Tatsache darstellt, die als solche behauptet oder bestritten werden könnte, sondern eine rechtliche Wertung, die dem Gericht aufgrund des Sach- und Streitstandes bzw der präsenten Beweis- oder sonstigen Glaubhaftmachungsmittel obliegt (vgl hierzu ebenfalls BPatG "Lindora/Linola", aaO).
Auch bei der angesichts der genannten verwechslungsfördernden Umstände gebotenen Anlegung strenger Maßstäbe hält die angegriffene Marke jedoch selbst im Bereich identischer Waren den zur Vermeidung von Verwechslungen im Sinne des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG erforderlichen Abstand von der Widerspruchsmarke ein.
Die beiden Einwort-Marken stimmen zwar in dem Anfangsbestandteil "Mobi-" überein. Es sind jedoch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß jedenfalls in der älteren Marke dem Bestandteil "Mobi-" allein eine kennzeichnende Funktion zukommt und die Schlußsilbe "-lat" insoweit zu vernachlässigen wäre. Eine lediglich mitprägende Wirkung auf den Gesamteindruck reicht dabei nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich nicht einmal bei mehrgliedrigen Marken aus, um die weiteren Bestandteile bei der Beurteilung des Gesamteindrucks und der Verwechslungsgefahr in den Hintergrund treten zu lassen (vgl BGH MarkenR 2000, 21 - RAUSCH/ELFI RAUCH). Vielmehr stellt sich die Widerspruchsmarke als einheitliches Wort dar, dessen Gesamteindruck von allen Silben gleichermaßen bestimmt wird. Demgegenüber vermittelt der Endbestandteil "-gel" der angegriffenen Marke ein derart auffallend unterschiedliches Gesamtklangbild, daß ein Auseinanderhalten der zudem noch relativ leicht erfaßbaren Marken bei mündlicher Markenbenennung jederzeit gewährleistet ist.
Im schriftbildlichen Gesamteindruck halten die Marken in allen üblichen Wiedergabeformen aufgrund der auffallenden figürlichen Unterschiede zwischen "-gel" und "-lat" am Schluß der Bezeichnungen ebenfalls einen ausreichenden Abstand ein. Bei einer - im übrigen der Eintragung im Markenregister jeweils entsprechenden - Schreibweise der Markenwörter mit großem Anfangsbuchstaben und nachfolgender Kleinschreibung kommt durch die in "-lat" enthaltene Oberlänge des "l" gegenüber der Unterlänge des "g" in dem Wortteil "-gel" an entsprechender Wortstelle der angegriffenen Marke ein weiteres Unterscheidungsmerkmal hinzu. Hierbei ist noch zu berücksichtigen, daß das Schriftbild der Marken erfahrungsgemäß sehr viel besser eine ruhige oder auch wiederholte Wahrnehmung der Bezeichnung gestattet als das schnell verklingende gesprochene Wort, wodurch Markenabweichungen im Schriftbild eher auffallen.
In beachtlichem Umfang trägt auch der in dem Markenbestandteil "-gel" enthaltene Bedeutungsinhalt zur Unterscheidbarkeit der Bezeichnungen bei. Denn "Gel" ist als Begriff zur Bezeichnung der entsprechenden Abgabeform nicht nur in Alleinstellung bekannt, sondern auch in zahlreichen Arzneimittelkennzeichen als Bestandteil enthalten. Aufgrund der Silbengliederung (Mobigel) und Mitbetonung der Endsilbe - wird dieser Begriffsinhalt auch sofort und unmittelbar erkannt (vgl BGH GRUR 1992, 130 "BALL/Bally").
Soweit die Widersprechende wegen des übereinstimmenden Sinngehalts des gemeinsamen Bestandteils "Mobi" eine Verwechslungsgefahr im Sinne eines gedanklichen Inverbindungbringens für gegeben hält, kann einer solchen begrifflichen Übereinstimmung im Sinne von "beweglich, mobil, Mobilität" allein keine kollisionsbegründende Bedeutung beigemessen werden. Denn ein solcher Sinngehalt hat für die im Bereich möglicher Warenidentität liegenden "Pharmazeutischen Erzeugnisse" bzw "Arzneimittel" - insbesondere Analgetika und Antirheumatika, für die "Mobilat" nach der Roten Liste 2000 tatsächlich verwendet und eine starke Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke geltend gemacht wird - einen warenbeschreibenden Charakter und wäre anders als die konkreten Markenwörter nicht Gegenstand des markenrechtlichen Schutzes (vgl hierzu Althammer/Ströbele, MarkenG, 5. Aufl, § 9 Rdn 95 mwN).
Entgegen der Auffassung der Widersprechenden kann schließlich bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt des gedanklichen Inverbindungbringens anstelle der eingetragenen älteren Marke "Mobilat", auf die hier allein der Widerspruch gestützt ist, nicht die auch in der Roten Liste 2000 (Nr 05 697) als eigenständige Verwendungsform aufgeführte Bezeichnung "Mobilat Gel" berücksichtigt werden, weil insoweit grundsätzlich von der registrierten Form der Marke auszugehen ist (vgl hierzu BGH GRUR 1996, 775, 777 "Sali Toft"). Der Frage, ob die allgemeinen Verkehrskreise "Mobilat Gel" für "Mobigel" halten würden und umgekehrt, weil der Eindruck erweckt werde, es handele sich bei "Mobigel" um eine Abkürzung von "Mobilat Gel", könnte damit möglicherweise in einem Verletzungsverfahren, nicht aber im markenrechtlichen Widerspruchsverfahren nachgegangen werden.
Unabhängig davon kann auch nicht jegliche, wie auch immer geartete gedankliche Assoziation zur Bejahung einer entsprechenden Verwechslungsgefahr nach § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG führen (vgl BGH GRUR 1996, 200, 202 "Innovadiclophlont" sowie WRP 1998, 1177 "STEPHANSKRONE I" und WRP 1998, 1179 "STEPHANSKRONE II"; EuGH GRUR 1998, 387 - Sabèl), dh, die Möglichkeit, daß eine gedankliche Verbindung hergestellt werden kann, begründet noch nicht ohne weiteres eine Verwechslungsgefahr (vgl BGH MarkenR 1999, 199, 201 reSp - MONOFLAM/POLYFLAM). Eine solche Verwechslungsgefahr scheidet hier auch schon deshalb aus, weil es sich bei der Endsilbe "-lat" der Widerspruchsmarke zum einen nicht um einen typischen Abspaltungs- bzw Abwandlungsbestandteil etwa zur Angabe der Darreichungsform handelt und dem gemeinsamen Anfangsbestandteil "Mobi-" außerdem wegen seines in nicht unbeachtlichem Umfang auch für allgemeine Verkehrskreise erkennbaren warenbeschreibenden Charakters und seiner Verwendung in nicht der Widersprechenden zuzuordnenden Drittmarken (vgl zB Rote Liste 2000 Nr 64 023 "Mobiforton ...") keine Hinweisfunktion auf das Unternehmen der Widersprechenden zukommt. Es sind schließlich auch keine Umstände vorgetragen oder ersichtlich, daß das Wortelement "Mobi-" aus anderen Gründen als betrieblicher Herkunftshinweis oder als Firmenhinweis Verkehrsgeltung erlangt hätte (vgl BGH GRUR 1996, 267 - AQUA).
Nach alledem war die Beschwerde der Widersprechenden zurückzuweisen.
Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlaß, § 71 Abs 1 MarkenG.
Kliems Engels Brandt Pü
BPatG:
Beschluss v. 11.05.2000
Az: 25 W (pat) 121/99
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