Bundespatentgericht:
Beschluss vom 29. November 2005
Aktenzeichen: 27 W (pat) 273/04

(BPatG: Beschluss v. 29.11.2005, Az.: 27 W (pat) 273/04)

Tenor

Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 13. September 2004 aufgehoben.

Aufgrund des Widerspruchs aus der Gemeinschaftsmarke 002 538 007 wird die Löschung der Marke 303 47 153 angeordnet.

Gründe

I.

Gegen die Eintragung der Bildmarke 303 47 153 Grafik der Marke 30347153.0 für folgende Waren:

Klasse 25: Bekleidungsstücke, insbesondere Damen- und Herrenoberbekleidung, Sportbekleidung, Gürtel, Schuhwaren einschließlich Sportschuhe, Kopfbedeckungenist Widerspruch eingelegt worden aus der Gemeinschaftsmarke 002 538 007 Vergrößerneingetragen für folgende Waren:

Klasse 23: Garne und Fäden für textile Zwecke, Klasse 25: Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen.

Die Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch mit dem angefochtenen Beschluss zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, trotz bestehender teilweiser Identität bzw. hochgradiger Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Waren bestehe keine Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG, da sich die beiden Marken deutlich voneinander unterschieden. Die angegriffene Marke beinhalte eine in Form von schwarzen Balken, die kreuzförmig angeordnet seien, gestaltete Abbildung, wobei der rechts oben befindliche Balken mit den restlichen Balken nicht verbunden sei, sondern hiervon gleichsam losgelöst erscheine, während die Widerspruchsmarke eine an den Großbuchstaben "X" erinnernde Darstellung, die aus zwei gekreuzten Balken bestehe und die rechts und links von zwei pfeilförmigen, in die Bildmitte zeigenden grafischen Elementen umgeben sei. Sie weise insgesamt - im Gegensatz zu dem visuellen Gesamteindruck der angegriffenen Marke - ein von Symmetrie geprägtes visuelles Erscheinungsbild auf. Verwechslungen in schriftbildlicher Hinsicht seien daher nicht zu befürchten. Ein identischer Sinngehalt der Marken sei nicht gegeben. Der angegriffenen Marke könne nicht ohne weiteres ein bestimmter Aussage- oder Begriffsinhalt zugeordnet werden. Insbesondere weiche sie von der verkehrsüblichen Schreibweise des Buchstabens "X" aufgrund der Loslösung des rechten oberen Balkenelements derart ab, dass das Publikum sie nicht als Wiedergabe dieses Buchstabens ansehen werde. Dem in der Widerspruchsmarke enthaltenen Großbuchstaben "X" komme auch keine selbständig kollisionsbegründende Wirkung zu. Die weiteren Markenelemente träten nicht so in den Hintergrund, dass sie für den Verkehr an Bedeutung verlören und dies er ihnen daneben keinen besonderen Hinweis auf die Herkunftsstätte der mit dem Gesamtzeichen versehenen Ware entnehmen könne. Zudem wohne dem Buchstaben "X" als gängiges Kürzel für "extra" und - etwa auf dem Bekleidungssektor - als gängige Größenangabe, wie "XS", "XL", "XXL", ein beschreibender Anklang inne. Daher fehle diesem Element die Eignung, selbständig kollisionsbegründend zu wirken.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie begehrt weiterhin die Löschung der angegriffenen Marke und ist der Auffassung, die Widerspruchsmarke sei durchschnittlich kennzeichnungskräftig. In beiden Marken könne der Großbuchstabe "X" problemlos erkannt werden, weswegen eine Verwechslungsgefahr sowohl in klanglicher als auch in begrifflicher Hinsicht zu bejahen sei.

Die Markeninhaberin begehrt dagegen die Zurückweisung der Beschwerde und verteidigt den angegriffenen Beschluss als zutreffend. Der visuelle Gesamteindruck beider Marken sei grundsätzlich verschieden. Die Marken würden zudem in der Praxis nicht gesprochen, sondern nur als Bildmarke wahrgenommen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 MarkenG ist die Löschung der angegriffenen Marke gerechtfertigt, denn es besteht die Gefahr von Verwechslungen mit der älteren Widerspruchsmarke im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.

Nach den genannten Vorschriften ist eine Marke zu löschen, wenn wegen ihrer Ähnlichkeit mit einer angemeldeten oder eingetragenen Marke mit älterem Zeitrang und der Identität oder der Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, einschließlich der Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden. Die Verwechslungsgefahr nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles umfassend zu beurteilen. Hierzu gehören in erster Linie die Ähnlichkeit der Marken, die Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen sowie die Kennzeichnungskraft der älteren Marke, wobei diese Faktoren derart in Wechselbeziehung zueinander stehen, dass ein geringerer Grad an Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen durch einen höheren Grad an Ähnlichkeit der Marken oder an Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (vgl. EuGH GRUR Int. 1998, 875, Tz. 17, 18 - Canon; GRUR Int. 1999, 734 Tz. 19, 20 - Lloyd; BGH GRUR 2003, 1044, 1045 - Kelly; GRUR 2004, 594, 596 - Ferrari-Pferd; GRUR 2005, 427, 428 - Lila-Schokolade).

Die Voraussetzungen einer Verwechslungsgefahr sind vorliegend erfüllt. Angesichts der Zeichenidentität in klanglicher und begrifflicher Hinsicht sowie der Identität der sich gegenüberstehenden Waren (alle Waren der Klasse 25 bis auf Gürtel) bzw. engen Ähnlichkeit - letzteres betreffend die "Gürtel" der angegriffenen Marke, die nicht nur als Accessoires, sondern insbesondere als bereits in die Kleidung eingearbeitete Gürtel den "Bekleidungsstücken" der Widerspruchsmarke eng ähnlich sind - ist eine beachtliche Gefahr der Verwechslung der Vergleichsmarken nicht auszuschließen.

Die Widerspruchsmarke weist als Bildmarke eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft auf. Anzeichen für eine Schwächung lassen sich entgegen der Auffassung der Markenstelle nicht daraus ableiten, dass der Grossbuchstabe "X" auf dem Modesektor im Rahmen von Größenangaben Verwendung findet. Dies trifft nur für Kombinationen mit den Buchstaben "S" oder "L" zu, die schon in Alleinstellung als Größenangabe für Oberbekleidung Verwendung finden und durch das vorangestellte "X" erweitert werden (XS, XL). Diese konkreten Größenangaben mögen daher beschreibend sein. Ein solcher Fall liegt aber nicht vor. Vielmehr wird hier der Buchstabe "X" in Alleinstellung verwendet. Eine Größenangabe "X" existiert aber nach den Recherchen des Senats in der Modebranche nicht, so dass ein die Kennzeichnungskraft schwächender beschreibender Anklang nicht erkennbar ist.

Bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit hat die Markenstelle übersehen, dass Marken nicht nur in visueller oder begrifflicher Hinsicht auf den Betrachter wirken, sondern auch in klanglicher Hinsicht. Um die Markenähnlichkeit zu bejahen, reicht in der Regel bereits die Ähnlichkeit in einem der genannten Wahrnehmungsbereiche aus (vgl. EuGH GRUR 1998, 387, 390 Tz. 23 - Sabèl/Puma). Schon bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr nach dem Sinngehalt beider Marken hätte die Markenstelle allerdings zu einer Löschung der angegriffenen Marke kommen müssen, denn es kann nach Auffassung des Senats kein Zweifel daran bestehen, dass der Verkehr - ungeachtet der nicht schulbuchmäßigen Wiedergabe des Buchstaben "X" in der angegriffenen Marke - beide Marken nach ihrem Sinngehalt als "X" auffassen wird, womit ihre - identische - Bedeutung vollständig ausgeschöpft ist. Auch in klanglicher Hinsicht ist es äußerst nahe liegend, dass der Verkehr beide Marken als "X" und damit identisch benennen und aussprechen wird. Nach der Art der Gestaltung der Marken ist eine alternative sinnvolle Art der Benennung nicht greifbar. Der Markeninhaberin kann auch nicht in ihrer Auffassung gefolgt werden, die Marken würden im Verkehr nicht benannt, weil sie als Bildmarken im Gedächtnis haften blieben. Das wird den Gegebenheiten im Verkehr nicht gerecht, denn dort müssen Marken zwangsläufig benannt werden, weil sie anderenfalls nicht gehandelt werden könnten. Auch das von der Markeninhaberin genannte Beispiel des Krokodils des Unternehmens Lacoste, das der Verkehr nicht als Krokodil benenne, rechtfertigt keine andere Beurteilung, sondern zeigt lediglich, dass Marken vom Verkehr nicht ausschließlich nach ihrem äußeren Erscheinungsbild benannt werden, sondern dass der Verkehr bekanntere Marken auch nach dem Hersteller benennt, wenn er die Marke zutreffend zuordnen kann.

III.

Es sind keine Gründe ersichtlich, von dem Grundsatz des § 71 Abs. 1 S. 2 MarkenG abzuweichen, wonach jeder Beteiligte seine Kosten selbst trägt.

Dr. Albrecht Dr. van Raden Prietzel-Funk Pü






BPatG:
Beschluss v. 29.11.2005
Az: 27 W (pat) 273/04


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