Bundespatentgericht:
Beschluss vom 9. Juli 2003
Aktenzeichen: 5 W (pat) 427/02

(BPatG: Beschluss v. 09.07.2003, Az.: 5 W (pat) 427/02)

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluß des Deutschen Patent- und Markenamts - Gebrauchsmusterabteilung I - vom 8. Januar 2002 aufgehoben.

Das Gebrauchsmuster 94 10 228 wird gelöscht.

Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge trägt der Antragsgegner.

Gründe

I.

Der Antragsgegner ist Inhaber des am 24. Juni 1994 angemeldeten, am 1. September 1994 in das Register eingetragenen Gebrauchsmusters 94 10 228, das eine "Vorrichtung für Heberleitungen von Sielleitungen" betrifft und dessen Schutzdauer verlängert wurde.

Die mit dem Gebrauchsmusterunterlagen eingereichten Schutzansprüche 1 bis 4, die auch der Eintragung zugrundegelegt wurden, haben folgenden Wortlaut:

1. Vorrichtung für Heberleitungen zum Heben von Abwasser über ihren Spiegel durch Luftdruck, die als Bypass für zu sanierende Sielleitungen angeordnet sind und eine kontinuierliche energielose Förderung bewirken, dadurch gekennzeichnet, dass die Heberleitung (2) im Bereich ihres höchsten Punktes mit einem Unterdruckbehälter (3) zum Sammeln von Luft aus dem Abwasser angeordnet ist, der mit einer Pumpe (7) zum Absaugen der aufgenommenen Luft verbunden ist, wobei die Pumpe (7) über Sensoren (8,9) entsprechend der gesammelten Luft wasserstandsabhängig steuerbar ist.

2. Vorrichtung für Heberleitungen nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass der Unterdruckbehälter (3) über eine konisch in Richtung des Unterdruckbehälters (3) sich verengendes Verbindungsstück (4) mit der Heberleitung (2) verbunden ist.

3. Vorrichtung für Heberleitungen nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass der Eintrittsbereich (11) des Unterdruckbehälters (3) nach dem Verbindungsstück (4) sich in Richtung des Unterdruckbehälters (3) erweitert.

4. Vorrichtung für Heberleitungen nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, dass die Sensoren (8,9) zur Steuerung der Pumpe (7) für den Unterdruck durch zwei beabstandete Tauchelektroden gebildet sind.

Am 29. März 2000 hat der Antragsteller die Löschung des Gebrauchsmusters beantragt und fehlende Schutzfähigkeit geltend gemacht. Zum Stand der Technik hat er auf folgende Druckschriften verwiesen:

DE-PS 562 090 DE 43 35 021 A1 GB 2 118 251 A Lexikon Elektrotechnik/Elektronik, Verlag Europa-Lehrmittel, Prof. Springer, 1990, Seite 165 Dubbel - Taschenbuch für den Maschinenbau, Springer-Verlag, 1990, Seite W 14 GB 2 239 269 A PATENT ABSTRACTS OF JAPAN vol. 010 no. 066 (M-461), 15. März 1986 & JP-A-60 209 700 (MAOKA SETSUKEI:KK), 22. Oktober 1985 Der Antragsteller vertritt die Auffassung, dass der Gegenstand nach Schutzanspruch 1 gegenüber der deutschen Patentschrift 562 090 nicht mehr neu sei bzw. diese Druckschrift in Verbindung mit der GB 2 239 269 A und der deutschen Offenlegungsschrift 43 35 021 zum Gegenstand nach Schutzanspruch 1 führe. Auch im Hinblick auf die Entgegenhaltung JP 60 209 700 beruhe der Gegenstand nach Schutzanspruch 1 nicht auf einem erfinderischen Schritt. Bei den Unteransprüchen 2 bis 4 handelt es sich nach Ansicht des Antragstellers um einfache handwerkliche Maßnahmen, denen keine erfinderische Bedeutung zukommt.

Der Antragsgegner hat dem Löschungsantrag widersprochen. Aufgrund der parallelen deutschen und europäischen Patenterteilungsverfahren weist der Antragsgegner ergänzend noch auf die deutschen Patentschriften 169 886 und 151 763 hin. Diese Patentschriften wie auch die vom Antragsteller genannten Druckschriften seien jedoch ungeeignet, zum Gegenstand nach Schutzanspruch 1 hinzuführen, da sie sich nicht mit der Förderung von Rohabwasser und der Sanierung von Sielleitungen befassten. Hierfür würden bisher nur Bypass-Leitungen verwendet, die höhengleich zu der zu sanierenden Leitung verlegt wurden oder die mit einer Pumpstation ausgestattet waren.

In der mündlichen Verhandlung vor der Gebrauchsmusterabteilung am 8. Januar 2002 hat der Antragsgegner einen neuen Schutzanspruch 1 vorgelegt und mit diesem das Streitgebrauchsmuster verteidigt. Dieser Schutzanspruch hat folgenden Wortlaut:

Leitungssystem bestehend aus einer zu sanierenden Abwasserleitung (1) und einer im Bypass zu ihr angeordneten Heberleitung (2) zum kontinuierlichen energielosen Fördern des Abwassers über den Spiegel der Abwasserleitung durch Luftdruck während der Sanierung der Abwasserleitung (1), wobei im Bereich des höchsten Punktes der Heberleitung (2) ein Unterdruckbehälter (3) zum Sammeln von Luft aus dem Abwasser angeordnet ist, der mit einer Pumpe (7) zum Absaugen der aufgenommenen Luft verbunden ist, wobei die Pumpe (7) über Sensoren (8, 9) entsprechend der gesammelten Luft wasserstandsabhängig steuerbar ist.

Außerdem hat er erklärt, dass die Angaben zum Stand der Technik in der Beschreibungseinleitung des Streitgebrauchsmusters (S 1 Abs 2) unzutreffend und lediglich die Ausführungen, die auf S 4 letzter und vorletzter Absatz seines Schriftsatzes vom 17. Juli 2000 beschrieben sind (höhengleiche Bypass-Leitung, Bypass-Leitung mit Pumpstation), vorbekannt seien.

Aufgrund der mündlichen Verhandlung hat die Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patent- und Markenamts durch Beschluss vom 8. Januar 2002 den Löschungsantrag mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass dem Gebrauchsmuster der Hauptanspruch vom 8. Januar 2002 und die eingetragenen Schutzansprüche 2 bis 4, nunmehr auf den genannten Hauptanspruch zurückbezogen, zugrundegelegt werden, und die Kosten des Löschungsverfahrens dem Antragsteller auferlegt.

In den Gründen des Beschlusses wird ausgeführt, dass von einer Bypass-Ausführung mit einer Pumpstation auszugehen sei. Die bekanntgewordenen Heberleitungen seien nicht zur Förderung von Rohabwasser und zur Sanierung von Abflussleitungen vorgesehen. Infolgedessen könnten diese Druckschriften keine Anregungen geben, die vorbekannte Ausführung entsprechend den Merkmalen des Schutzanspruchs 1 auszubilden. Auch der Zeitfaktor sei hier ein Indiz für das Vorliegen eines erfinderischen Schrittes.

Gegen diesen Beschluss hat der Antragsteller Beschwerde eingelegt.

Im Beschwerdeverfahren hat der Antragsteller noch auf die deutsche Patentschrift 282 209 und das Pumpenhandbuch von KSB - Klein, Schanzlin und Becker Aktiengesellschaft Frankenthal, 1968, Seiten 47 bis 50 hingewiesen. Außerdem hat er vorgetragen, dass es auch schon vor dem Anmeldetag des Streitgebrauchsmusters üblich gewesen war, Heberleitungen mit Entlüfter zur Sanierung von Abwasserleitungen einzusetzen. Solche Sanierungen seien in den 80er Jahren in Hamburg vorgenommen worden. Hierzu hat der Antragsteller unter Hinweis auf die Zeitschrift "abwassertechnik" Heft 5/1994, Seiten 15, 16 und den Prospekt "Heber-Technik" der Uwe Peter Tiefbau GmbH eidesstattliche Versicherungen zu von damals damit befassten Personen vorgelegt.

Der Antragsgegner hält diese eidesstattlichen Versicherungen nicht für glaubhaft und ist weiterhin der Ansicht, dass der Gegenstand nach Schutzanspruch 1 erfinderisch sei.

In der mündlichen Verhandlung am 9. Juli 2003 hat der Antragsgegner vier weitere Fassungen des Schutzanspruchs 1 vorgelegt, mit denen er neben dem Hauptantrag (Schutzanspruch 1 vom 8. Januar 2002) als Hilfsanträge 1 bis 4 das Gebrauchsmuster verteidigt. Sie lauten:

Hilfsantrag 1: Vorrichtung bestehend aus einer zu sanierenden Abwasserleitung (Sielleitung) (1) und einer im Bypass zu ihr angeordneten Heberleitung (2) zum kontinuierlichen energielosen Fördern des Abwassers über den Spiegel der Abwasserleitung (Sielleitung) durch Luftdruck während der Sanierung der Abwasserleitung (1), wobei im Bereich des höchsten Punktes der Heberleitung (2) ein Unterdruckbehälter (3) zum Sammeln von Luft aus dem Abwasser angeordnet ist, der mit einer Pumpe (7) zum Absaugen der aufgenommenen Luft verbunden ist, wobei die Pumpe (7) über Sensoren (8, 9) entsprechend der gesammelten Luft wasserstandsabhängig steuerbar ist.

Hilfsantrag 2: Vorrichtung für Heberleitungen (2) zum Heben von Abwasser über ihren Spiegel durch Luftdruck, die als Bypass für zu sanierende Sielleitungen (1) angeordnet sind und eine kontinuierliche energielose Förderung bewirken, wobei die Heberleitung (2) im Bereich ihres höchsten Punktes mit einem Unterdruckbehälter (3) zum Sammeln von Luft aus dem Abwasser angeordnet ist, der mit einer Pumpe (7) zum Absaugen der aufgenommenen Luft verbunden ist, wobei die Pumpe (7) über Sensoren (8, 9) entsprechend der gesammelten Luft wasserstandsabhängig steuerbar ist.

Hilfsantrag 3: Vorrichtung für Heberleitungen (2) zum Heben von Abwasser über ihren Spiegel durch Luftdruck, die als Bypass in Form von Ersatzleitungen für zu sanierende abschaltbare Sielleitungen (1) angeordnet sind und eine kontinuierliche energielose Förderung bewirken, wobei die Heberleitung (2) im Bereich ihres höchsten Punktes mit einem Unterdruckbehälter (3) zum Sammeln von Luft aus dem Abwasser angeordnet ist, der mit einer Pumpe (7) zum Absaugen der aufgenommenen Luft verbunden ist, wobei die Pumpe (7) über Sensoren (8, 9) entsprechend der gesammelten Luft wasserstandsabhängig steuerbar ist.

Hilfsantrag 4: Vorrichtung für Heberleitungen (2) zum Heben von Abwasser über ihren Spiegel durch Luftdruck, die als Bypass für zu sanierende Sielleitungen (1) angeordnet sind und eine kontinuierliche energielose Förderung bewirken, wobei die Heberleitung (2) im Bereich ihres höchsten Punktes mit einem Unterdruckbehälter (3) zum Sammeln von Luft aus dem Abwasser angeordnet ist, der mit einer Pumpe (7) zum Absaugen der aufgenommenen Luft verbunden ist, wobei die Pumpe (7) über Sensoren (8, 9) entsprechend der gesammelten Luft wasserstandsabhängig über Fremdenergie steuerbar ist.

Der Antragsteller vertritt die Auffassung, dass der Schutzanspruch 1 gemäß Hauptantrag wie auch die Hauptansprüche gemäß den Hilfsanträgen 1 bis 4 unzulässig erweitert worden seien. Darüber hinaus beruhe der Gegenstand nach diesen Schutzansprüchen im Hinblick auf den Stand der Technik, insbesondere auf die deutsche Patentschrift 282 209 und das Pumpenhandbuch von KSB nicht auf einem erfinderischen Schritt.

Der Antragsteller beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Gebrauchsmuster zu löschen.

Der Antragsgegner beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen, hilfsweise im Umfang der Schutzansprüche 1 nach Hilfsantrag 1 bis 4 und der hierauf bezogenen eingetragenen Schutzansprüche 2 bis 4.

Der Antragsgegner ist der Ansicht, dass die Schutzansprüche 1 gemäß den Haupt- und den Hilfsanträgen zulässig seien und der Gegenstand nach Schutzanspruch 1 gemäß Hauptantrag oder zumindest gemäß den Hilfsanträgen 1 bis 4 auch schutzfähig sei.

II.

Die zulässige Beschwerde des Antragstellers ist begründet. Denn der Löschungsantrag ist nach § 15 Abs 1 Nr 1 GebrMG begründet. Es mangelt dem verteidigten Gegenstand an der Schutzfähigkeit.

1. Zum Hauptantrag:

a) Der Schutzanspruch 1 gemäß Hauptantrag ist unzulässig, da der Gegenstand dieses Schutzanspruches über den des eingetragenen Schutzanspruches 1 hinausgeht.

Der verteidigte Schutzanspruch 1 gemäß Hauptantrag betrifft ein Leitungssystem, bestehend aus einer zu sanierenden Abwasserleitung und einer im Bypass zu ihr angeordneten Heberleitung zum kontinuierlichen energielosen Fördern des Abwassers über den Spiegel der Abwasserleitung durch Luftdruck während der Sanierung der Abwasserleitung. Hierdurch wird ein Abwasserleitung und Heberleitung umfassendes System beansprucht, bei dem entsprechend den weiteren Merkmalen des Schutzanspruchs 1 eine Luftsammel- und Absaugvorrichtung für die Heberleitung ausgebildet wird.

In einem engeren Rahmen ist dagegen der Gegenstand nach dem eingetragenen Schutzanspruch 1 zu sehen. Dieser ist in sachlicher Hinsicht auf die Ausbildung einer Luftsammel- und Absaugvorrichtung für eine Heberleitung beschränkt. Denn zunächst ist der Schutzanspruch 1 gemäß seinem Wortlaut auf eine Vorrichtung für eine Heberleitung gerichtet, und im weiteren wird diese Vorrichtung als Luftsammel- und Absaugvorrichtung entsprechend den Merkmalen des kennzeichnenden Teils des Schutzanspruchs 1 ausgeführt. Die weiteren Angaben im eingetragenen Schutzanspruch 1, wonach die Heberleitungen als Bypass für zu sanierende Siel- bzw Abwasserleitungen angeordnet sind, beziehen sich auf die Heberleitung und nur mittelbar auf die Sanierung von Siel- bzw. Abwasserleitungen. Die Luftsammel- und Absaugvorrichtung selbst wird jedoch dadurch gegenständlich nicht weiter ausgebildet, und eine solche Einsatzweise ist auch für die Funktion der Luftsammel- und Absaugvorrichtung nicht zwingend, da diese Vorrichtung generell bei Heberleitungen verwendbar ist. Somit handelt es sich, was die Bypass-Anordnung und die Sanierung der Siel- bzw. Abwasserleitungen betrifft, um zusätzliche Erläuterungen und Angaben, die lediglich auf eine Einsatzmöglichkeit der Heberleitung hinweisen und sich somit in einer bloßen Zweckbestimmung für die Heberleitung erschöpfen. Bei dieser Sachlage hat der Gegenstand des Schutzanspruchs 1 gemäß Hauptantrag eine unzulässige Erweiterung erfahren, da mit diesem Schutzanspruch 1 über den eingetragenen Gegenstand hinaus das gesamte Leitungssystem beansprucht wird, das aus einer zu sanierenden Abwasserleitung und einer im Bypass zu ihr angeordneten Heberleitung besteht. Auch der Umstand, dass der Antragsgegner geltend macht, die in der Beschreibungseinleitung des Streitgebrauchsmusters angesprochenen Ausführungen seien irrtümlich als Stand der Technik angegeben worden, kann nicht zu einer anderen Bewertung des Schutzanspruchs 1 gemäß Hauptantrag führen. Für die Zulässigkeitsfrage des Schutzanspruchs spielt es nämlich keine Rolle, ob ein Merkmal in den eingetragenen Unterlagen als bekannt bezeichnet wird oder nicht.

b) Zulässig ist der Schutzanspruch 1 auf der Basis der eingetragenen Fassung, bei der der Begriff "Sielleitungen" durch den engeren Begriff "Abwasserleitungen" ersetzt ist. Dieser Gegenstand ist zwar gegenüber dem bisher nachgewiesenen Stand der Technik neu, doch beruht er nicht auf einem erfinderischen Schritt.

Aus der deutschen Patentschrift 282 209 ist eine Heberleitung bekannt, die nach dem gleichen Förderprinzip wie beim Gegenstand nach dem zulässigen Schutzanspruch 1 arbeitet, und die auch zur Förderung von Abwasser einsetzbar ist. Dies ergibt sich aus der Beschreibungseinleitung der deutschen Patentschrift 282 209, wo auf die verschiedenen Einsatzmöglichkeiten von Heberleitungen hingewiesen und dabei auch die Kanalisation der Städte erwähnt wird. Somit ist dieser Druckschrift eine Heberleitung zu entnehmen, die zum Heben von Abwasser über ihren Spiegel durch Luftdruck vorgesehen ist und eine kontinuierliche energielose Förderung bewirkt. Im vorbekannten Fall ist zum Sammeln der Luft aus dem Abwasser auch im Bereich des höchsten Punktes der Heberleitung ein Unterdruckbehälter angeordnet, der mit einer Pumpe - dort in Form einer Wasserstrahlpumpe - zum Absaugen der aufgenommenen Luft verbunden ist (vgl Fig 1).

Hiervon unterscheidet sich der Gegenstand nach dem zulässigen Schutzanspruch 1 noch dadurch, dassdie Heberleitungen als Bypass für zu sanierende Abwasserleitungen angeordnet sind unddie Pumpe über Sensoren entsprechend der gesammelten Luft wasserstandsabhängig steuerbar ist.

Wie schon zur Zulässigkeit des Schutzanspruchs 1 gemäß Hauptantrag ausgeführt wurde, kommt der Angabe, dass die Heberleitungen als Bypass für zu sanierende Abwasserleitungen angeordnet sind, nicht die Bedeutung eines die konkrete Ausgestaltung mitbestimmenden Merkmals zu. Der Schutzanspruch 1 ist dadurch nicht beschränkt. Folglich vermag diese Angabe auch nichts dazu beizutragen, den erfinderischen Schritt zu begründen. Der Einsatz von Heberleitungen bietet sich grundsätzlich überall dort an, wo von einem höheren Flüssigkeitsniveau zu einem tieferen gefördert werden soll. Solche Bedingungen sind ersichtlich auch bei einer zu sanierenden und dabei zwangsläufig unterbrochenen Abwasserleitung gegeben. Für diesen Verwendungsaspekt bedurfte es somit auch keiner besonderen Erkenntnisse.

Das noch verbleibende Merkmal, dass die Pumpe über Sensoren entsprechend der gesammelten Luft wasserstandsabhängig gesteuert wird, bietet sich für den Fachmann - einen Fachhochschulingenieur des Wasserbaus und der Abwassertechnik, der im Bedarfsfall einen Maschinenbauer zu Rate zieht - aus dem Pumpenhandbuch von KSB Seiten 47, 48 an. Bei der dort beschriebenen Ausführung werden im Scheitelpunkt der Heberleitung Luft und Gase abgeschieden und abgepumpt. Das abgeschiedene Gasvolumen soll dabei durch eine automatisch arbeitende Luftpumpe mit vorgeschaltetem Vakuumkessel abgesaugt werden. Dies setzt eine entsprechende Regelung voraus, die in Abhängigkeit vom Gasvolumen arbeitet und die Pumpe mittels Sensoren steuert. Dabei ist es für den Fachmann selbstverständlich, dass das Gasvolumen über die Wasserstandhöhe erfassbar ist und dementsprechende Sensoren einzusetzen sind. Durch das Pumpenhandbuch von KSB, Seiten 47 bis 50 und die dortigen Hinweise zur geregelten Absaugung des Gasvolumens werden dem Fachmann somit Anregungen gegeben, die Ausführung nach der deutschen Patentschrift 282 209 entsprechend den Merkmalen des eingetragenen Schutzanspruchs 1 weiterzubilden.

Hierbei kann auch der Einwand des Antragsgegners bezüglich der Ausführungen der deutschen Patentschrift 282 209, die mit einem Hilfsheber mit darin eingebauten Wasserstrahlpumpen ausgebildet sind, welche hier ungeeignet seien, nicht zu einer anderen Beurteilung führen. Denn zum einen ist der zulässige bzw eingetragene Schutzanspruch 1 nicht auf eine bestimmte Pumpe und Antriebsart beschränkt. Zum anderen wird auch in jener Druckschrift darauf hingewiesen, dass die Absaugung generell durch eine fremde Kraftquelle erfolgen kann (vgl S 1, Zeilen 7, 8).

Angesichts des zuvor erörterten Standes der Technik misst der Senat dem als Beweisanzeichen geltend gemachten Zeitfaktor keine entscheidungserhebliche Bedeutung zu bei dem Schluss, dass keine besonderen Schwierigkeiten zu überwinden waren, um zum Gegenstand nach dem zulässigen bzw eingetragenen Schutzanspruch 1 zu gelangen, 2) Zum Hilfsantrag 1 Der Schutzanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 unterscheidet sich von dem des Hauptantrages vor allem dadurch, dass der Begriff "Leitungssystem" durch den Begriff "Vorrichtung" ersetzt wurde. Durch diese Begriffsänderung ist jedoch der Umfang der Merkmale unverändert geblieben, der Gegenstand nach Schutzanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 umfasst vielmehr weiterhin die Abwasserleitung. Der Schutzanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 ist somit aus den zuvor unter 1a dargelegten Gründen nicht zulässig.

Die Zurückführung des Anspruchs auf den zulässigen Umfang führt wiederum zu einem Schutzanspruch 1 auf der Basis der eingetragenen Anspruchsfassung. Ein derartiger Gegenstand ist aber, wie unter 1b im einzelnen ausgeführt wurde, nicht schutzfähig.

3) Zum Hilfsantrag 2 Der Schutzanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 ist gegenüber der eingetragenen Fassung nur insoweit unterschiedlich, als der Anspruch nunmehr einteilig formuliert und dabei die Worte "dadurch gekennzeichnet" durch das Wort "wobei" ersetzt wurden. Inhaltlich und merkmalsmäßig hat der eingetragene Schutzanspruch 1 dadurch keine Änderung erfahren. Der Schutzanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 ist damit zulässig.

Der Gegenstand dieses Schutzanspruches ist jedoch aus den bereits unter 1b dargelegten Gründen nicht schutzfähig.

4. Zum Hilfsantrag 3 Der Schutzanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 weist gegenüber der Anspruchsfassung des Hilfsantrages 2 die zusätzlichen Angaben "in Form von Ersatzleitungen" und "abschaltbare" auf, die hinter dem Wort "Bypass" bzw vor dem Wort "Sielleitungen" eingefügt wurden. Diese hinzugekommenen Angaben ergeben sich für den Fachmann aus den beschriebenen und dargestellten Ausführungsbeispielen. Die Zulässigkeit des Schutzanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 3 ist somit gegeben.

Die Einfügungen sind jedoch nur von klarstellender Art und schränken den Schutzanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 nicht weiter ein. Der Schutzanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 ist in sachlicher Hinsicht nicht anders zu beurteilen als der Schutzanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 und gemäß den dortigen Ausführungen nicht bestandsfähig.

5. Zum Hilfsantrag 4 Gegenüber dem Schutzanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 soll beim Schutzanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 die Pumpe "über Fremdenergie" steuerbar sein. Dieses Merkmal ist in den Unterlagen des Streitgebrauchsmusters nicht offenbart. Dort ist nur von einer Pumpe die Rede, und es wird auch nicht näher auf die Art der Energieversorgung der Pumpe eingegangen. Um einen zulässigen Schutzanspruch 1 zu erreichen, muss dieses hinzugekommene Merkmal gestrichen werden, was wiederum zur Anspruchsfassung gemäß Hilfsantrag 2 führt. Hierzu wurde bereits festgestellt, dass dieser Schutzanspruch 1 nicht bestandfähig ist (vgl die Ausführungen zu 1b).

6. Auch bezüglich der eingetragenen Schutzansprüche 2 bis 4, die Ausgestaltungen des Gegenstandes nach Schutzanspruch 1 betreffen, ist der Löschungsanspruch aus § 15 Abs 1 Nr 1 GebrMG gegeben, da insoweit ein eigenständiger erfinderischer Gehalt nicht ersichtlich und auch nicht geltend gemacht ist.

7. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 18 Abs 2 Satz 2 GebrMG iVm § 84 Abs 2 PatG und §§ 91 Abs 1, 97 Abs 1 ZPO in entsprechender Anwendung. Dass die Billigkeit eine andere Kostenentscheidung erfordert (vgl PatG § 84 Abs 2 Satz 2) ist nicht ersichtlich.

Goebel Schmidt-Kolb Sperling Pr






BPatG:
Beschluss v. 09.07.2003
Az: 5 W (pat) 427/02


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