Bundespatentgericht:
Beschluss vom 14. November 2000
Aktenzeichen: 24 W (pat) 319/99

(BPatG: Beschluss v. 14.11.2000, Az.: 24 W (pat) 319/99)

Tenor

1) Der Beschluß der Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 2. August 1999 ist wirkungslos, soweit die Löschung der Marke 395 14 803 für die Waren "Schleifmittel" angeordnet worden ist.

2) Auf die Beschwerde der Markeninhaberin wird der Beschluß der Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 2. August 1999 aufgehoben, soweit wegen des Widerspruchs aus der Marke 133 621 die Löschung der Marke 395 14 803 für die Waren "chemische Erzeugnisse für gewerbliche und wissenschaftliche Zwecke" angeordnet worden ist.

Insoweit wird der Widerspruch aus der Marke 133 621 zurückgewiesen.

3) Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegen die am 20. Juli 1996 veröffentlichte Eintragung der nachstehend wiederge-

gebenen mehrfarbigen Wort-Bild-Marke 395 14 803 siehe Abb. 1 am Endemit dem Warenverzeichnis

"chemische Erzeugnisse für gewerbliche und wissenschaftliche Zwecke; Klebstoffe für gewerbliche Zwecke; Wasch- und Bleichmittel; Putz-, Polier-, Fettentfernungs- und Schleifmittel; Seifen; Parfümerien, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Haarwässer; Zahnputzmittel; pharmazeutische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege"

ist Widerspruch erhoben aufgrund der am 27. August 1910 eingetragenen Wortmarke 133 621 SATINA, welche im Zeitpunkt der Widerspruchserhebung für die Waren

"Arzneimittel, chemische Produkte für medizinische und hygienische Zwecke, pharmazeutische Drogen und Präparate, Desinfektionsmittel, Brunnen- und Badesalze, Parfümerien, kosmetische Mittel, ätherische Öle, Seifen, Wasch- und Bleichmittel"

geschützt war.

Die Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen Patent- und Markenamts hat aufgrund des Widerspruchs aus der Marke 133 621 die angegriffene Marke teilweise gelöscht und zwar für die Waren

"chemische Erzeugnisse für gewerbliche und wissenschaftliche Zwecke; Wasch- und Bleichmittel; Putz-, Polier-, Fettentfernungs- und Schleifmittel; Seifen; Parfümerien, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Haarwässer; Zahnputzmittel; pharmazeutische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege".

Im übrigen hat sie den Widerspruch aus dieser Marke zurückgewiesen. Die Markenstelle hält die angegriffene Marke im Umfang der von der Löschung betroffenen Waren mit der Widerspruchsmarke für verwechselbar. Insoweit bestehe Ähnlichkeit zwischen den beiderseitigen Waren sowie zwischen dem die angegriffene Marke prägenden Wortbestandteil "SATIVA" und der Widerspruchsmarke "SATINA" in klanglicher und in schriftbildlicher Hinsicht. Im übrigen stünden die verbleibenden Waren der angegriffenen Marke den Widerspruchswaren zu fern, um eine Ähnlichkeit anzunehmen, so daß insoweit die Vergleichsmarken nicht verwechselbar seien.

Die Markeninhaberin hat Beschwerde eingelegt.

Sie hat mit Schriftsatz vom 10. September 1999 die Benutzung der Widerspruchsmarke für "Wasch- und Reinigungsmittel" bestritten. Im übrigen meint sie die angegriffene Wort-Bild-Marke unterscheide sich von der Widerspruchsmarke "SATINA" so deutlich, daß eine Verwechslungsgefahr nicht bestehe.

Das Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke umfaßt nach einem zwischenzeitlich durchgeführten Teillöschungsverfahren jetzt nur noch die Waren

"Parfümerien, kosmetische Mittel, Seifen".

Die Widersprechende hat schriftsätzlich den Widerspruch bezüglich der angegriffenen Waren "Klebstoffe für gewerbliche Zwecke" zurückgenommen.

Die Widersprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen mit der Maßgabe, daß sich der Widerspruch nicht gegen die Ware "Schleifmittel" richtet.

Sie hält in dem noch streitgegenständlichen Warenumfang die Vergleichsmarken für verwechselbar ähnlich und nimmt insoweit Bezug auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Markeninhaberin ist nur teilweise begründet.

1. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist der die Teillöschung der angegriffenen Marke anordnende Teil des angefochtenen Beschlusses nur noch bezüglich der Waren "chemische Erzeugnisse für gewerbliche und wissenschaftliche Zwecke; Wasch- und Bleichmittel, Putz-, Polier-, Fettentfernungsmittel; Seifen; Parfümerien, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Haarwässer; Zahnputzmittel; pharmazeutische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege", nachdem die Widersprechende ihren Widerspruch nicht mehr gegen die Waren "Schleifmittel" richtet. Nicht beschwerdegegenständlich ist der den Widerspruch im übrigen zurückweisende Teil des angefochtenen Beschlusses. Die Widersprechende hat keine Beschwerde eingelegt, so daß dieser Teil unanfechtbar geworden ist. Demzufolge ist auch die Rücknahme des Widerspruchs bezüglich der Waren "Klebstoffe für gewerbliche Zwecke" unbeachtlich, da für diese Waren der Widerspruch bereits rechtskräftig zurückgewiesen worden ist.

2. Nachdem in dem angefochtenen Beschluß die Löschung der angegriffenen Marke auch für die Ware "Schleifmittel" angeordnet worden ist und die Widersprechende im Beschwerdeverfahren bezüglich dieser Ware den Widerspruch zurückgenommen hat, ist gemäß § 82 Abs 1 Satz 1 MarkenG iVm § 269 Abs 3 Satz 1 und 3 ZPO auszusprechen, daß der Beschluß insoweit wirkungslos ist (vgl BGH Mitt 1998, 264 "Puma"). Dieser Ausspruch erfolgt aus Gründen der Rechtssicherheit und in Berücksichtigung des Amtsermittlungsgrundsatzes von Amts wegen (vgl dazu auch Baumbach/Lauterbach, ZPO, 59. Aufl, § 269 Rdn 46).

3. Hinsichtlich der übrigen von der Teillöschung erfaßten Waren der angegriffenen Marke ist bei der Entscheidung über den Widerspruch das gesamte Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke zu berücksichtigen. Die von der Markeninhaberin erhobene Einrede der Nichtbenutzung der Widerspruchsmarke für die Waren "Wasch- und Reinigungsmittel" geht nämlich ins Leere, nachdem das Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke nachträglich im Wege der Teillöschung auf "Parfümerien, kosmetische Mittel, Seifen" beschränkt worden ist und die ursprünglich ebenfalls enthaltenen Waren "Wasch- und Bleichmittel" gestrichen worden sind. Da die Markeninhaberin trotz eines entsprechenden Hinweises des Senats im Zusatz zur Terminsladung keine weitere Erklärung darüber abgegeben hat, ob und inwieweit sie die Nichtbenutzungseinrede unter Berücksichtigung der zwischenzeitlichen Beschränkung des Warenverzeichnisses der Widerspruchsmarke weiterhin aufrecht erhält, ist von dem Wortlaut ihrer im Schriftsatz vom 10. September 1999 erhobenen Einrede auszugehen, welche die im Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke verbliebenen Waren nicht umfaßt.

4. Die insoweit zugrunde zu legenden Waren "Parfümerien, kosmetische Mittel, Seifen" der Widerspruchsmarke sind - im Gegensatz zu den von der Markenstelle als die Ähnlichkeit begründend angesehen ursprünglichen Widerspruchswaren "Desinfektionsmittel" - mit den von der Teillöschung betroffenen Waren

"chemische Erzeugnisse für gewerbliche und wissenschaftliche Zwecke"

der angegriffenen Marke nicht als ähnlich iSv § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG zu bewerten. Der Warenbegriff "chemische Erzeugnisse für gewerbliche Zwecke" ist nach anerkannter Spruchpraxis beschränkt auf chemisch wirksame Erzeugnisse der chemischtechnischen Industrie, die als Zwischenprodukte oder Hilfsmittel für andere Industrien bestimmt sind (vgl Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 11. Aufl, S 103 reSp mwNachw). Für das Verhältnis von Vor- und Fertigprodukten gilt der allgemeine Erfahrungssatz, daß sie vom Verkehr regelmäßig nicht als ähnlich angesehen werden, da sie meist in verschiedenen Betrieben hergestellt und vertrieben werden, unterschiedlichen Zwecken dienen und sich nicht an die gleichen Abnehmer wenden. Eine andere Betrachtungsweise kann ausnahmsweise angezeigt sein, wenn die Vorprodukte maßgeblich die Eigenschaften sowie die Wertschätzung des Endprodukts bestimmen und die Marke des Vorprodukts auch den Abnehmern der Fertigerzeugnisse gegenübertritt. Dies kann neben anderen Werbemaßnahmen insbesondere dadurch erreicht werden, daß das Kennzeichen als sogenannte "begleitende Marke" nicht nur für das Vorprodukt, sondern auch in den weiteren Fertigungsstufen bis zum Enderzeugnis verwendet wird. Der Ausnahmetatbestand dieser stark wettbewerbsrechtlich geprägten "mittelbaren" Warenähnlichkeit läßt aber eine sehr zurückhaltende Anwendung als geboten erscheinen (vgl hierzu im einzelnen Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl, § 9 Rdn 64, 70 ff; vgl auch BGH GRUR 2000, 886, 887 "Bayer/BeiChem"). Für das vorliegend entscheidungserhebliche Verhältnis von "chemischen Erzeugnissen für gewerbliche Zwecke" als Vorprodukten und "Parfümerien, kosmetischen Mitteln, Seifen" als Fertigerzeugnissen vermag der Senat keine der beiden Voraussetzungen einer mittelbaren Ähnlichkeit zu bejahen. So ist jedenfalls bei den genannten beiderseitigen Warenoberbegriffen weder von einer allgemeinen Branchenübung auszugehen, wonach Eigenschaften und Wertschätzung von Kosmetika in der Verkehrsmeinung durch bestimmte Erzeugnisse der chemischen Industrie maßgeblich beeinflußt werden, noch ist eine häufige Verwendung von Marken für Chemikalien in den weiteren Fertigungsstufen der Herstellung von kosmetischen Produkten festzustellen. Dieses Ergebnis steht nicht im Widerspruch zu der in BPatGE 39, 105, 107 ff "Plantapret" getroffenen Feststellung, daß ein (zu den chemischen Erzeugnissen für gewerbliche Zwecke zählendes) "Grundprodukt in Form eines Tensids als Zusatz für Haar- und Körperwaschmittel" mit "Seifen, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege" mittelbar ähnlich sein kann. Die Tatsache, daß - wie im damaligen Fall - die Ähnlichkeit einer speziellen, eng begrenzten Einzelware mit anderen Waren zu bejahen ist, bedeutet nämlich nichts zwangsläufig, dass auch jeder Oberbegriff, unter den die Einzelware subsumiert werden kann, mit den fraglichen Gegenwaren als ähnlich zu erachten ist. Vielmehr ist für die Beurteilung der Ähnlichkeit von Warenoberbegriffen deren schwerpunktmäßige Bestimmungen erforderlich. Das gilt vor allem für breit gefächerte, umfangreiche Oberbegriffe, bei denen nicht einmal alle darunter fallenden Einzelwaren untereinander ähnlich sind (vgl Althammer/Ströbele, aaO, § 9 Rdn 48 mwNachw). Daß die Angabe "chemische Erzeugnisse für gewerbliche Zwecke" insoweit zu den ausgedehntesten Sammelbegriffen für unterschiedlichste (und deshalb unähnliche) Waren gehört, ist seit jeher anerkannt (vgl zB DPA Mitt 1961, 139). Insoweit vermag der Senat aus möglichen Berührungspunkten zwischen speziellen Tensiden und kosmetischen Mitteln nicht auf eine generelle Warenähnlichkeit zwischen chemischen Mitteln für gewerbliche Zwecke und Kosmetika zu schließen. Der weitere angegriffene Warenbegriff "chemische Erzeugnisse für wissenschaftliche Zwecke" umfaßt nach allgemeiner Spruchpraxis im wesentlichen nur solche Erzeugnisse, die als Reagenzien verwendet werden können (vgl Richter/Stoppel, aaO, S 102 liSp mwNachw). Insoweit liegt die Unähnlichkeit zu "Parfümerien, kosmetischen Mitteln, Seifen" auf der Hand. Demzufolge ist die Beschwerde der Markeninhaberin hinsichtlich der von der Teillöschung ihrer Marke erfaßten Waren "chemische Erzeugnisse für gewerbliche und wissenschaftliche Zwecke" begründet.

5. Unbegründet ist die Beschwerde dagegen bezüglich der übrigen von der Teillöschung betroffenen noch streitgegenständlichen Waren

"Wasch- und Bleichmittel; Putz-, Polier-, Fettentfernungsmittel; Seifen; Parfümerien, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Haarwässer; Zahnputzmittel; pharmazeutische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege".

In diesem warenmäßigen Umfang hat die Markenstelle zu Recht gemäß § 43 Abs 2 Satz 1 MarkenG dem Widerspruch stattgegeben, weil die Marken insoweit der Gefahr von Verwechslungen im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG unterliegen. Die vorgenannten Waren liegen im Ähnlichkeitsbereich der Widerspruchswaren. So sind "Seifen; Parfümerien, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege" weitgehend identisch in beiden Warenverzeichnissen enthalten. Hinsichtlich "ätherischen Ölen, Haarwässern; Zahnputzmitteln" besteht eine hochgradige Ähnlichkeit zu den Widerspruchswaren "Parfümerien, kosmetische Mittel, Seifen". Die weiteren Waren "Wasch- und Bleichmittel; Putz-, Polier-, Fettentfernungsmittel" sind nach ständiger Spruchpraxis der Widerspruchsware "Seifen" ähnlich (vgl Richter/Stoppel, aaO, S 300 f). Entsprechendes gilt für "pharmazeutische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege" im Verhältnis zur Widerspruchsware "kosmetische Mittel" (vgl Richter/Stoppel aaO; S 202, 241 f).

Die angegriffene Marke weist auch hinreichende klangliche Ähnlichkeiten gegenüber der Widerspruchsmarke auf, welcher mangels gegenteiliger Umstände eine zumindest normale Kennzeichnungskraft zuzubilligen ist. Hierbei ist die Markenstelle zu Recht davon ausgegangen, daß der Gesamteindruck der angegriffenen Marke durch deren Wortbestandteil "SATIVA" geprägt wird. Insoweit kann auf den allgemeinen Erfahrungssatz zurückgegriffen werden, daß beim Zusammentreffen von Wort- und Bildelementen sich der Verkehr bei klanglicher Wiedergabe in erster Linie an dem Wort als einfachster und kürzester Bezeichnungsform orientiert (vgl Althammer/Ströbele, aaO, § 9 Rdn 194 mwNachw). Ein Abweichen von diesem Erfahrungssatz ist im vorliegenden Fall um so weniger angezeigt, als der Bildbestandteil der angegriffenen Marke eher als Hintergrundgestaltung aufgefaßt wird, dem jedenfalls keine eigenständige betriebskennzeichnende Bedeutung zuzusprechen ist. Die insoweit zu vergleichenden Markenwörter "SATIVA" und "SATINA" sind phonetisch so ähnlich, daß ein Verhören als unausbleiblich erscheint. Sie unterscheiden sich lediglich in den Mitlauten "V" und "N". In den ohnehin weniger beachteten und auch unbetonten Schlußsilben beider Wörter treten diese relativ klangschwachen und keineswegs markant verschiedenen Konsonanten nicht hinreichend deutlich hervor, um die Gefahr von Verwechslungen ausschließen zu können.

6. Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage besteht kein Anlaß, aus Gründen der Billigkeit gemäß § 71 Abs 1 und 4 MarkenG einer der Verfahrensbeteiligten die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen.

Ströbele Werner Schmittbr/Bb Abb. 1 http://agora/bpatgkollision/docs/24W(pat)319-99.1.3.gif






BPatG:
Beschluss v. 14.11.2000
Az: 24 W (pat) 319/99


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