Bundesverfassungsgericht:
Beschluss vom 21. Juli 2005
Aktenzeichen: 1 BvR 2561/03
(BVerfG: Beschluss v. 21.07.2005, Az.: 1 BvR 2561/03)
Tenor
Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 15.000 € (in Worten: fünfzehntausend Euro) festgesetzt (§ 61 Abs. 1 Satz 1 RVG in Verbindung mit § 113 Abs. 2 Satz 3 BRAGO).
Gründe
A.
I.
1. a) Der Beschwerdeführer besitzt die deutsche und die syrische Staatsangehörigkeit. Er soll zur Strafverfolgung an das Königreich Spanien ausgeliefert werden und befindet sich seit dem 15. Oktober 2004 in Auslieferungshaft. Gegen den Beschwerdeführer besteht ein "Europäischer Haftbefehl", den das Zentrale Amtsgericht Nr. 5 der Audiencia Nacional in Madrid am 16. September 2004 erlassen hat. Ihm wird die Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung und Terrorismus vorgeworfen. Als eine Schlüsselfigur im europäischen Teil des Terrornetzwerks Al-Qaida soll er das Netzwerk im Bereich der Finanzen und der Kontaktpflege zwischen seinen Mitgliedern unterstützt haben. Diese Vorwürfe werden im Europäischen Haftbefehl auf umfangreiche Schilderungen von Besuchen des Beschwerdeführers in Spanien und von Treffen sowie Telefonaten mit mutmaßlichen Straftätern gestützt.
Nach Ansicht der spanischen Ermittlungsbehörden könnten die Handlungen des Beschwerdeführers eine Straftat der Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation gemäß Art. 515.2 und Art. 516.2 des spanischen Strafgesetzbuches sein, deren Strafrahmen eine Freiheitsentziehung bis zu 20 Jahren zulässt.
b) Zunächst ersuchte das Königreich Spanien auf der Grundlage eines internationalen Haftbefehls vom 19. September 2003 um die Auslieferung des Beschwerdeführers. Mit Schreiben vom 9. Januar 2004 teilte das Bundesministerium der Justiz der Hamburger Justizbehörde mit, dass eine Auslieferung des Beschwerdeführers im Hinblick auf dessen deutsche Staatsangehörigkeit nicht in Betracht komme. Die Generalstaatsanwaltschaft Hamburg informierte durch das Bundeskriminalamt die spanischen Behörden hierüber und teilte ihnen zugleich mit, dass die spanischen Erkenntnisse in ein deutsches Ermittlungsverfahren gegen den Beschwerdeführer eingeflossen seien.
c) Am 14. September 2004 nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union vom 21. Juli 2004 Europäisches Haftbefehlsgesetz (EuHbG), BGBl I S. 1748 - wurden die Hamburgischen Strafverfolgungsbehörden vom Bundeskriminalamt darauf hingewiesen, dass die Ausschreibung des Beschwerdeführers im Schengener Informationssystem zur Festnahme zwecks Auslieferung nach Spanien, die einem Europäischen Haftbefehl gleichgestellt ist, noch Bestand habe. Daraufhin wurde das Auslieferungsverfahren wieder aufgenommen. Auf Anfrage teilte der Generalbundesanwalt mit Schreiben vom 1. Oktober 2004 mit, dass gegen den Beschwerdeführer ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung gemäß § 129a Abs. 1 StGB und wegen des Verdachts der Geldwäsche gemäß § 261 StGB geführt werde. Die Ermittlungen seien noch nicht abgeschlossen; sie beträfen in erster Linie den Zeitraum von 1993 bis 2001. Da keine Anhaltspunkte für entsprechende Aktivitäten nach dem Jahr 2001 vorlägen, werde nicht wegen eines Verdachts der Mitgliedschaft in oder der Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung gemäß § 129b StGB strafbar seit dem 30. August 2002 ermittelt.
d) Auf der Grundlage dieser Informationen erklärte die Justizbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Justiz am 14. Oktober 2004, dass von der Ablehnungsbefugnis des § 83b Abs. 1 des Gesetzes über die Internationale Rechtshilfe in Strafsachen IRG (BGBl I 1982 S. 2071) kein Gebrauch gemacht werde. Die Vorschrift regelt Bewilligungshindernisse und erlaubt es der Bewilligungsbehörde, ein Auslieferungsersuchen unter anderem dann abzulehnen, wenn gegen den Verfolgten ein strafrechtliches Verfahren wegen derselben Tat im ersuchten Staat durchgeführt wird oder ein solches Verfahren eingestellt oder abgelehnt wurde.
2. a) Das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg erließ am 15. Oktober 2004 Haftbefehl gegen den Beschwerdeführer und ordnete die vorläufige Auslieferungshaft an. Dem Beschwerdeführer werde zur Last gelegt, seit 1997 in Spanien, Deutschland und Großbritannien als eine der Schlüsselfiguren des terroristischen Netzwerks Al-Qaida im Bereich der logistischen und finanziellen Unterstützung dieser Organisation aktiv gewesen zu sein. So habe er sich an dem Kauf eines Schiffes für Osama Bin Laden beteiligt. Er habe sich auch mit der Verwaltung des Schiffes, insbesondere mit der Übermittlung von Dokumenten und der Bezahlung von Rechnungen befasst und sei der ständige Ansprechpartner und Assistent Bin Ladens in Deutschland gewesen. Darüber hinaus sei er Ende des Jahres 2000 im Auftrag des Netzwerks mit dem Ziel in den Kosovo gereist, zur Verschleierung anderer Absichten einen Krankenwagen dorthin zu bringen.
b) Mit Beschluss vom 5. November 2004 ordnete das Oberlandesgericht an, dass die vorläufige Auslieferungshaft als Auslieferungshaft fortdauere. Zugleich wurde der Antrag zurückgewiesen, das Auslieferungsverfahren auszusetzen und beim Bundesverfassungsgericht eine Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit des Europäischen Haftbefehlsgesetzes einzuholen.
Es liege ein Auslieferungsersuchen der spanischen Behörden in Form des Europäischen Haftbefehls vom 16. September 2004 vor. Das Auslieferungsersuchen leide nicht an formalen Mängeln, die zu seiner Unwirksamkeit führten.
Auslieferungshindernisse seien ebenfalls nicht ersichtlich. Die beiderseitige Strafbarkeit sei nach § 81 Nr. 4 IRG nicht zu prüfen, wenn die dem Ersuchen zu Grunde liegende Tat nach dem Recht des ersuchenden Staates eine Strafbestimmung verletze, die zu den in Art. 2 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses des Rates über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten vom 13. Juni 2002 - RbEuHb - (ABl Nr. L 190 vom 18. Juli 2002, S. 1 ff.) in Bezug genommenen Deliktsgruppen gehöre. Diese Voraussetzung sei hier erfüllt, weil es um die Delikte der Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung und Terrorismus gehe. Auf eine Strafbarkeit nach deutschem Recht komme es deshalb nicht an. Eine Erklärung der spanischen Justizbehörden, dass der Beschwerdeführer nach einer Verurteilung die Haftstrafe - soweit gewünscht - in Deutschland verbüßen könne (vgl. § 80 Abs. 1 IRG), liege vor. Des Weiteren habe die Justizbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Justiz erklärt, dass von der Ablehnungsbefugnis nach § 83b Nr. 1 IRG kein Gebrauch gemacht werde.
Das Rückwirkungsverbot des Art. 103 Abs. 2 GG werde durch die Auslieferung nicht verletzt. Der Beschwerdeführer solle nicht von einem deutschen Gericht wegen einer Tat, deren Strafbarkeit vor ihrer Begehung nicht gesetzlich bestimmt gewesen sei, bestraft werden. Vielmehr solle er an einen Mitgliedstaat der Europäischen Union übergeben werden, gegen dessen Strafnormen er im Ausland zu einem Zeitpunkt verstoßen haben solle, als die Tat dort nach dem Recht des ersuchenden Staates strafbar gewesen sei.
Eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG komme nicht in Betracht, weil das deutsche Europäische Haftbefehlsgesetz nicht verfassungswidrig sei. Es sei in einem ordnungsgemäßen Verfahren erlassen worden. Insoweit habe keine Bedeutung, dass mit dem Gesetz ein Rahmenbeschluss des Rates umgesetzt worden sei. Die Auslieferung Deutscher sei nach der Grundgesetzänderung gemäß Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG in Verbindung mit einem Ausführungsgesetz zulässig.
Schließlich werde dem Beschwerdeführer durch die Auslieferung nach Spanien auch nicht eine fremde Rechtsordnung "übergestülpt", vielmehr solle er sich lediglich nach dem zur Tatzeit geltenden spanischen Recht vor einem spanischen Gericht verantworten, das für ihn zuständig gewesen wäre, wenn er vor seiner Rückkehr nach Deutschland in Spanien verhaftet worden wäre.
Der Verzicht auf das Erfordernis der beiderseitigen Strafbarkeit sei kein Verstoß gegen rechtsstaatliche Grundsätze im Sinne des Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG. Die Bekämpfung von terroristischen Vereinigungen durch die Bestrafung von Mitgliedern und Unterstützern solcher Organisationen in rechtsstaatlichen Verfahren vor den ordentlichen Gerichten der EU-Mitgliedstaaten erscheine in allen diesen Ländern zum wirksamen Schutz der Allgemeinheit als geboten. Ein Verstoß gegen den Grundsatz nulla poena sine lege sei ebenfalls nicht zu besorgen, weil es für eine Auslieferung nicht ausreiche, dass die dem Verfolgten zur Last gelegte Tat einer der in Bezug genommenen Deliktsgruppen des Rahmenbeschlusses zugehörig sei. Die dem Ersuchen zu Grunde liegende Tat müsse zugleich auch nach dem Recht des ersuchenden Staates eine Strafvorschrift verletzen.
c) Mit dem hier angegriffenen Beschluss vom 23. November 2004 erklärte das Oberlandesgericht die Auslieferung des Beschwerdeführers für zulässig. Die formellen und materiellen Voraussetzungen der Auslieferung lägen vor, Auslieferungshindernisse bestünden nicht. Das Oberlandesgericht ergänzte die Gründe seines Beschlusses vom 5. November 2004 dahingehend, dass die Rücküberstellung des Beschwerdeführers zur Strafvollstreckung nach Deutschland auch nicht gegen den ordre public verstoße. § 80 Abs. 1 IRG, der die Verbüßung einer im Ausland verhängten Freiheitsstrafe im Heimatstaat vorsehe, greife nicht nachteilig in die Rechte des Beschwerdeführers ein. Die gegenteilige Argumentation des Beschwerdeführers beruhe auf der vom Gericht nicht geteilten Prämisse, dass die Überstellung eines Deutschen an das Ausland unzulässig sei.
Auch führe die Straflosigkeit seines Verhaltens in Deutschland zur Tatzeit im Zusammenhang mit seiner deutschen Staatsangehörigkeit nicht dazu, dass er vor ausländischer Strafverfolgung sicher sei, solange er die Bundesrepublik Deutschland nicht verlasse. Ein Deutscher könne auch dann an einen Mitgliedstaat der Europäischen Union ausgeliefert werden, wenn er außerhalb Deutschlands eine Straftat begangen und sich dadurch nach dem Recht des ersuchenden Staates strafbar gemacht haben solle.
3. Die Justizbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg bewilligte die Auslieferung am 24. November 2004. Die Bewilligung wurde mit der Bedingung verbunden, dass dem Beschwerdeführer nach Verhängung einer rechtskräftigen Freiheitsstrafe oder sonstigen Sanktion angeboten werde, ihn für die Vollstreckung nach Deutschland zurückzuüberstellen.
II.
Mit Beschluss vom 24. November 2004 hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts auf Antrag des Beschwerdeführers eine einstweilige Anordnung erlassen, mit der die für denselben Tag geplante Übergabe des Beschwerdeführers an die Behörden des Königreichs Spanien bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde, längstens für die Dauer von sechs Monaten, ausgesetzt worden ist (EuGRZ 2004, S. 667).
Die einstweilige Anordnung wurde mit Beschluss vom 28. April 2005 für weitere drei Monate, längstens bis zu einer Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde, wiederholt.
III.
Mit der Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts, mit dem seine Auslieferung für zulässig erklärt wurde, sowie gegen die Bewilligungsentscheidung der Justizbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg. Er macht die Verletzung seiner Rechte aus Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 16 Abs. 2 und Art. 19 Abs. 4 GG sowie aus Art. 103 Abs. 2 GG geltend.
1. a) Es fehle sowohl dem Europäischen Haftbefehlsgesetz als auch dem Rahmenbeschluss an der demokratischen Legitimation. Das deutsche Parlament habe nicht darüber entscheiden können, dass deutsche Bürger für Verhaltensweisen mit Kriminalstrafe belegt werden, die nach deutschem Recht straflos sind. Der Vorbehalt der Rechtsstaatlichkeit in dem insoweit einschlägigen Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG sei nicht gewahrt.
Gesetze würden vom Parlament beschlossen und nicht von Regierungsvertretern erlassen. Der Rahmenbeschluss im Bereich der "dritten Säule" der Europäischen Union bringe faktisch schwerwiegende Eingriffe in grundlegende bürgerliche Freiheiten mit sich. Der Verzicht auf die Prüfung der beiderseitigen Strafbarkeit bedeute die faktische Geltung ausländischen materiellen Strafrechts im Inland.
b) Der Verzicht auf die Prüfung der beiderseitigen Strafbarkeit kollidiere mit dem Rückwirkungsverbot des Art. 103 Abs. 2 GG. Die entsprechende Regelung im Europäischen Haftbefehlsgesetz könne deshalb nur für die Zukunft gelten, mithin für Fälle, in denen der Bürger Gelegenheit gehabt habe, sich darauf einzurichten, dass ihn die Straflosigkeit seines Verhaltens in Deutschland im europäischen Rechtsraum nicht schützen werde. Entscheidend sei, dass er sich nach dem Recht seines Heimatstaates straflos verhalten habe und sich nicht darauf habe einstellen können, dass ihm sein Heimatstaat den Schutz der Voraussehbarkeit staatlichen Strafens zu einem späteren Zeitpunkt entziehen werde.
Ein Verzicht auf die beiderseitige Strafbarkeit sei verfassungsrechtlich nur akzeptabel, wenn die Tathandlung im ersuchenden Staat stattgefunden habe, weil dies dem Grundsatz entspreche, dass man sich an die Gesetze des Aufenthaltsortes zu halten habe. Bedenklich seien alle Fälle, in denen die Jurisdiktionsgewalt des ersuchenden Staates an Umstände anknüpfe, die nicht die Tathandlung beschrieben oder nicht auf dem Territorium des ersuchenden Staates stattgefunden hätten. Das Rechtsstaatsprinzip gebiete es deshalb, dass im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung untersucht werde, ob dem Verfolgten in dem Europäischen Haftbefehl ein Verhalten zur Last gelegt werde, das ein Rechtsstaat mit einsichtigen Gründen unter Strafe stellen dürfe.
c) Im vorliegenden Verfahren werde kein Verhalten geschildert, dessen Strafwürdigkeit auf der Hand liege. Wenn Alltagshandlungen des Beschwerdeführers oder die Fahrt mit einem Krankenwagen in den Kosovo von Hintergedanken begleitet gewesen sein sollten, bedürfe es deren Darstellung.
d) Die geplante Rücküberstellung werfe zwei verfassungsrechtliche Probleme auf. Zum einen verstoße die Vollstreckung einer spanischen Strafe in Deutschland gegen den ordre public, wenn die Tat in Deutschland nicht strafbar sei. Diese Problematik sei bereits im Gesetzgebungsverfahren gesehen, aber nicht hinreichend berücksichtigt worden. Zum anderen sei die Auslieferung eines Deutschen nach dem Umsetzungsgesetz bereits dann zulässig, wenn die Rücküberstellung vom ersuchenden Staat angeboten worden sei. Diese Regelung bleibe hinter dem Rahmenbeschluss zurück, der in Art. 5 Nr. 3 vorsehe, dass der Verfolgte nach Verhängung der Sanktion "in den Vollstreckungsmitgliedstaat rücküberstellt wird". Das Recht auf Rücküberstellung sei ein subjektives Recht des Beschwerdeführers, das den EU-Mitgliedstaaten, die Probleme mit der Auslieferung ihrer eigenen Staatsangehörigen hätten, die Akzeptanz des Europäischen Haftbefehls erleichtern solle. Bei dem Rückkehrrecht handele es sich um einen Rechtsanspruch des Verfolgten, der sich aus dem Gebot der Resozialisierung ergebe. Die Bundesrepublik Deutschland dürfe nicht darin frei sein, ob sie ein Rücküberstellungsangebot des ersuchenden Staates annehme, weil der von § 80 Abs. 1 IRG beabsichtigte Schutz deutscher Staatsangehöriger dann nicht erreicht werde.
2. Auch die Bewilligungsentscheidung sei verfassungsrechtlich zu beanstanden. Das Gesetz über die Internationale Rechtshilfe in Strafsachen sehe nach seiner Änderung durch das Europäische Haftbefehlsgesetz nunmehr ausdrücklich Ermessensgründe vor, aus denen die Auslieferung eines Deutschen abgelehnt werden könne. Da die Auslieferung Deutscher an rechtsstaatliche Grundsätze gebunden sei, zu denen auch die Rechtsweggarantie gehöre, bedürfe die gesetzlich angeordnete Unanfechtbarkeit der Bewilligungsentscheidung der verfassungsgerichtlichen Nachprüfung. Der Gesetzgeber habe mit § 74b IRG eine Regelung in das Auslieferungsrecht aufgenommen, nach der die Anfechtung der Bewilligungsentscheidung ausdrücklich ausgeschlossen sei.
Die Bewilligungsentscheidung beschränke sich auf die Bemerkung, dass von der Möglichkeit, die Auslieferung im Hinblick auf die deutsche Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers nicht zu bewilligen, kein Gebrauch gemacht werde. Die Erwägungen für diese Ermessensausübung seien nicht erkennbar. Die Bewilligung enthalte lediglich den Hinweis, dass dem Gedanken der Resozialisierung dadurch hinreichend Rechnung getragen sei, dass Spanien die Rücküberstellung des Beschwerdeführers zur Strafvollstreckung nach einer möglichen Verurteilung angeboten habe. Die Entscheidungskriterien der Justizbehörde hätten nicht im Dunkeln bleiben dürfen. So sei zu erwägen gewesen, dass die Erkenntnisse der spanischen Behörden in das deutsche Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts eingeflossen seien und sich daraus keine Hinweise auf ein strafbares Verhalten des Beschwerdeführers in Deutschland ergeben hätten, welche sicherheitspolitischen Belange für und gegen die Bewilligung gesprochen hätten und ob dem Resozialisierungsinteresse des Beschwerdeführers auch dann Rechnung getragen werden könne, wenn das Rücküberstellungsangebot Spaniens aus rechtlichen Gründen von Deutschland nicht angenommen werde.
Mit der Änderung des Gesetzes über die Internationale Rechtshilfe in Strafsachen habe die Bewilligungsentscheidung ihre Rechtsnatur verändert. Sie erschöpfe sich nicht mehr nur in einer Verbalnote an den ersuchenden Staat, sondern richte sich an den Verfolgten selbst. Das folge aus der Pflicht zur Begründung sowohl von stattgebenden als auch von ablehnenden Bewilligungsentscheidungen (§ 79 IRG). Ferner sei die Bewilligungsentscheidung dem Verfolgten bekannt zu geben. Eine solche Bekanntgabe sei unter dem alten Rechtszustand nicht vorgesehen gewesen.
Die Nichtanfechtbarkeit der Bewilligungsentscheidung verstoße gegen die Rechtsweggarantie aus Art. 19 Abs. 4 GG. Die Bewilligungsentscheidung sei nach dem Gesetz über die Internationale Rechtshilfe in Strafsachen ein justizfreier Hoheitsakt. Der Verfolgte habe jedoch einen Anspruch darauf, dass die Behörde das ihr zustehende Ermessen fehlerfrei ausübe. Die bisherige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Anfechtbarkeit der Bewilligungsentscheidung sei zu überprüfen, weil die Bewilligungsbehörde sich seit der Änderung des Gesetzes über die Internationale Rechtshilfe in Strafsachen nicht mehr an allgemeinpolitischen und außenpolitischen Belangen orientieren dürfe.
IV.
1. Die Bundesregierung hat schriftsätzlich durch ihren Bevollmächtigten, Prof. Dr. Johannes Masing (a), und durch den von der Bundesregierung bestellten Gutachter, Prof. Dr. Martin Böse (b), Stellung genommen.
a) Die Bundesregierung vertritt die Auffassung, dass die Verfassungsbeschwerde unzulässig (1), hilfsweise, dass sie unbegründet ist. Die Stellungnahme beruht auf der Annahme des Vorrangs zwingender Vorgaben aus Rechtsinstrumenten des EU-Vertrages gegenüber nationalem Recht, auch gegenüber nationalen Grundrechten. Soweit Art. 16 Abs. 2 GG anwendbar sei, befinde sich das neue Auslieferungsrecht im Einklang mit dessen Vorgaben (2). Gegen die Ausgestaltung der Bewilligungsentscheidung als justizfreien Hoheitsakts bestünden keine verfassungsrechtlichen Bedenken (3). Sollte das Bundesverfassungsgericht Bedenken gegen die Vereinbarkeit der angegriffenen Entscheidungen mit den deutschen Grundrechten haben, komme eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof in Betracht (4).
(1) Die Verfassungsbeschwerde sei unzulässig, weil sowohl die Verletzung eigener Rechte als auch die Anwendbarkeit und Verletzung deutscher Grundrechte nicht hinreichend substantiiert worden seien. Ferner sei der Grundsatz der Subsidiarität nicht eingehalten worden.
Der Beschwerdeführer sei durch den Ausschluss der Anfechtbarkeit der Bewilligungsentscheidung nach § 74b IRG nicht beschwert. Das Oberlandesgericht habe im Vorgriff auf die noch nicht ausgesprochene Bewilligung bereits hilfsweise - die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Argumente geprüft. Es habe ausdrücklich festgestellt, dass in der angekündigten Bewilligung der Auslieferung kein erkennbarer Ermessensfehlgebrauch liege. Die später ausgesprochene Bewilligung habe keine neuen Erwägungen hinzugefügt, so dass der Beschwerdeführer in der Sache den Rechtsschutz vor dem Oberlandesgericht präventiv erlangt habe.
Die angegriffenen Entscheidungen seien Rechtsakte, die weithin auf zwingendem, gegenüber dem deutschen Recht vorrangigem Europarecht beruhten und deshalb nach dem derzeitigen Stand der Integration nicht am Maßstab der deutschen Grundrechte zu prüfen seien. Rahmenbeschlüsse seien für die Mitgliedstaaten der Europäischen Union hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich. Sie seien europarechtlich von den Mitgliedstaaten unabhängig von der innerstaatlichen Rechtsordnung ohne Abstriche umzusetzen. Ein nationaler Verfassungsvorbehalt bestehe insoweit nicht.
Soweit die Anwendung der deutschen Grundrechte nicht schon wegen des Anwendungsvorranges ausgeschlossen sei, sei deren Verletzung nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Die Verfassungsbeschwerde sei auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines unzureichenden Grundrechtsschutzes auf europäischer Ebene zulässig. Die Substantiierungserfordernisse an Verfassungsbeschwerden im Hinblick auf einen "ausbrechenden Rechtsakt" seien nicht erfüllt.
(2) Art. 16 Abs. 2 GG sei grundsätzlich nur insoweit anwendbar als das Unionsrecht den Mitgliedstaaten Gestaltungsspielräume belasse. Die Auslieferung deutscher Staatsangehöriger unter gleichen Bedingungen wie die Auslieferung von Angehörigern anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union bei gegenseitiger Anerkennung der Haftbefehle könne als Prinzip durch Art. 16 Abs. 2 GG von vornherein nicht in Frage gestellt werden. Dieser Vorrang stehe nicht in Konflikt mit der Änderungsgeschichte des Art. 16 Abs. 2 GG und dem Verständnis des verfassungsändernden Gesetzgebers. Die Verfassungsrechtslage habe seinerzeit nicht nachgezeichnet, sondern geändert werden sollen. Die Teilnahme an einem flexibleren europäischen Auslieferungsrechtsregime habe, bei gleichzeitigem Festhalten an elementaren Maßgaben, eröffnet werden sollen. Der im Juni 2002 ergangene Rahmenbeschluss gehe nun als verbindliche Regelung mit der Wirkung im Wesentlichen einer Richtlinie über die bisherige Rechtslage hinaus und verdränge soweit er die Auslieferung auch eigener Staatsangehöriger gebiete Art. 16 Abs. 2 GG schon als Maßstab.
Art. 16 Abs. 2 GG erlange im Rahmen der Ausgestaltung der Verweigerungsgründe nach Art. 4 RbEuHb grundsätzlich Anwendung. Etwaige Maßnahmen könnten jedoch nur soweit zum Tragen kommen, als sie das Regelungskonzept des Rahmenbeschlusses nicht unterliefen und diskriminierungsfrei umgesetzt würden. Eine privilegierte Anknüpfung an die deutsche Staatsangehörigkeit scheide aus, weil der Rahmenbeschluss ein Regime etabliere, in dem die nationalstaatliche Unterscheidung zwischen verschiedenen Staatsangehörigkeiten aufgehoben und "einzelstaatlich-personenbezogene Statusunterschiede durch europarechtlich-sachbezogene Rechtskriterien" ersetzt würden.
Der Auslieferungsschutz deutscher Staatsangehöriger könne durch ein formelles Parlamentsgesetz eingeschränkt werden. Ein solches Gesetz liege mit dem Europäischen Haftbefehlsgesetz vor. Eine Auslieferung könne danach nur angeordnet werden, wenn die "rechtsstaatlichen Grundsätze" gewahrt seien. Sowohl aus der Formulierung als auch aus dem Ziel der Verfassungsvorschrift ergebe sich, dass diese Grundsätze nicht mit den innerstaatlich geltenden Anforderungen aus dem grundgesetzlichen Rechtsstaatsprinzip gleichgesetzt werden könnten. Andererseits verweise die Vorschrift auf mehr als einen völkerrechtlichen Mindeststandard. In Bezug genommen werde vielmehr eine "übergreifend europäisch-nordamerikanische Verfassungstradition" mit den sich aus ihr ergebenden Kernstandards der Rechtsstaatlichkeit für das Strafverfahren. Der Gesetzgeber dürfe von der Wahrung dieser Standards in der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten ausgehen, weil sie schon Voraussetzung für die Mitgliedschaft in der Union seien. Im Einzelfall könne sich ein Verfolgter auf den ordre public in § 73 Satz 2 IRG berufen, der dem gesamteuropäischen ordre public in Art. 6 EU entspreche.
(3) Eine Rechtsschutzverweigerung gegenüber dem Beschwerdeführer liege in der Unanfechtbarkeit der Bewilligungsentscheidung deshalb nicht, weil das Oberlandesgericht die vom Beschwerdeführer angeführten Gesichtspunkte hilfsweise im Rahmen des Zulässigkeitsverfahrens geprüft habe. Im Übrigen sei § 74b IRG in Bezug auf den vorliegenden Fall auch in der Sache verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Da aus materiellen Grundrechtsverbürgungen keine subjektiven Rechte im Hinblick auf die Bewilligungserwägungen des § 83b IRG abzuleiten seien, bestünden gegen die Entscheidung des deutschen Gesetzgebers, die Bewilligungsentscheidung weiterhin als justizfreien Hoheitsakt auszugestalten, keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Es folge zudem weder aus Art. 16 Abs. 2 GG noch aus sonstigen Grundrechten ein Anspruch des Bürgers, bei konkurrierenden Zuständigkeiten mehrerer Staaten von der deutschen Strafjustiz abgeurteilt zu werden.
(4) Soweit das Bundesverfassungsgericht Bedenken gegen die Vereinbarkeit der angegriffenen Entscheidungen mit den deutschen Grundrechten für begründet halte, sei eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof zu erwägen. Die grundsätzliche Zuständigkeit des Europäischen Gerichtshofs für die Auslegung von Rahmenbeschlüssen sei gegeben. Der Gerichtshof sei nach Art. 35 Abs. 1 EU für Vorlagen aus den Mitgliedstaaten zuständig, soweit die Mitgliedstaaten eine Anerkennungserklärung abgegeben hätten. Eine solche Erklärung der Bundesrepublik Deutschland liege vor; durch das Gesetz betreffend die Anrufung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens auf dem Gebiet der polizeilichen Zusammenarbeit und der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen nach Artikel 35 des EU-Vertrages vom 6. August 1998 - EuGH-Gesetz - (BGBl I S. 2035) sei die Zuständigkeit des Gerichtshofs auch innerstaatlich verbindlich geworden. Das deutsche Recht sichere, anders als von Art. 35 Abs. 3 EU vorgeschrieben, auch eine Vorlagepflicht der letztinstanzlichen Gerichte und damit das Auslegungs- und Verwerfungsmonopol des Europäischen Gerichtshofs für solche Akte. Entsprechend der Regelung in Art. 234 Abs. 3 EG seien damit alle deutschen Gerichte, deren Entscheidungen nicht mehr mit Rechtsmitteln angefochten werden könnten, zur Vorlage verpflichtet. Die verfahrensrechtliche Angleichung der unionsrechtlichen Vorabentscheidung an das Gemeinschaftsrecht erlaube es, die zu Art. 234 Abs. 3 EG geltenden Maßstäbe auf die Verfahren nach Art. 35 Abs. 1 EU zu übertragen.
b) Die ergänzende Stellungnahme des von der Bundesregierung bestellten Gutachters enthält Ausführungen zu den verfassungsrechtlichen Fragen, die im Rahmen der Verfassungsbeschwerde im Zusammenhang mit dem Grundsatz der beiderseitigen Strafbarkeit aufgeworfen werden.
Der Beschwerdeführer sei durch den Verzicht auf die Prüfung der beiderseitigen Strafbarkeit nicht beschwert. Nach allgemeiner Ansicht sei der dem Ersuchen zu Grunde liegende Sachverhalt so umzustellen, dass ein entsprechender Bezug zu dem ersuchten Staat hergestellt werde.
Der in § 81 Nr. 4 IRG statuierte Verzicht auf eine Prüfung der beiderseitigen Strafbarkeit im Einzelfall in den in Art. 2 Abs. 2 RbEuHb genannten Deliktsgruppen verstoße nicht gegen den nulla poena-Grundsatz. Der Anwendungsbereich des Art. 103 Abs. 2 GG sei in Bezug auf eine Auslieferung nicht eröffnet, da in der Auslieferung keine missbilligende hoheitliche Reaktion auf ein strafbares Verhalten liege.
Mit dem Verzicht auf eine Prüfung der beiderseitigen Strafbarkeit im Einzelfall werde die Strafbarkeit nach spanischem Recht weder begründet noch ausgeweitet. Das Erfordernis der beiderseitigen Strafbarkeit könne den Verfolgten nur vor einer Auslieferung schützen, nicht aber davor, von dem ausländischen Staat strafrechtlich verfolgt zu werden. Gegenstand eines Vertrauensschutzes sei nicht die materielle Straflosigkeit, sondern nur die auf der Verfahrenssituation beruhende "faktische" Sicherheit vor Verfolgung. Art. 103 Abs. 2 GG gelte jedoch nach allgemeiner Auffassung nicht für das Strafverfahrensrecht.
Die Vorhersehbarkeit staatlichen Strafens sei nicht eingeschränkt. Der Verzicht auf die Prüfung der beiderseitigen Strafbarkeit nach Art. 2 Abs. 2 RbEuHb beziehe sich im Wesentlichen auf Deliktsgruppen, in denen die Harmonisierung des materiellen Strafrechts weit fortgeschritten, eine beiderseitige Strafbarkeit mithin regelmäßig gegeben sei. Dies gelte vor allem in den im Falle des Beschwerdeführers einschlägigen Deliktsbereichen, der Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung und Terrorismus. Zur Bestimmung des Inhalts der erstgenannten Deliktsgruppe könne die Gemeinsame Maßnahme des Rates betreffend die Strafbarkeit einer Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung vom 21. Dezember 1998 herangezogen werden. Der Inhalt des Begriffs "Terrorismus" ergebe sich aus dem Rahmenbeschluss zur Terrorismusbekämpfung vom 13. Juni 2002.
Die Einbeziehung ausländischer krimineller Vereinigungen in den Anwendungsbereich des jeweiligen innerstaatlichen Straftatbestands sei damit durch das EU-Recht vorgezeichnet. Der Beschwerdeführer habe nicht darauf vertrauen können, dass die von Deutschland aus erfolgte Unterstützung einer terroristischen Vereinigung in anderen EU-Mitgliedstaaten nicht strafrechtlich verfolgt werden könne. Dies gelte umso mehr vor dem Hintergrund, dass ein solches Verhalten bereits vor Einführung des § 129b StGB strafbar gewesen sei. Die in der Gemeinsamen Maßnahme betreffend die Strafbarkeit der Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung vom 21. Dezember 1998 enthaltenen Vorgaben seien nicht nur für den Gesetzgeber, sondern auch für die Rechtsprechung verbindlich. Es bestehe nämlich eine Pflicht zur europarechtskonformen Auslegung des deutschen Strafrechts. § 129 und § 129a StGB seien so auszulegen gewesen, dass vor der gesetzlichen "Klarstellung" durch § 129b StGB auch die Unterstützung einer kriminellen Vereinigung im EU-Ausland erfasst gewesen sei.
Dass auf das Verhalten des Beschwerdeführers spanisches Strafrecht Anwendung finde, sei nicht auf die Umsetzung des Rahmenbeschlusses zum Europäischen Haftbefehl durch den deutschen Gesetzgeber zurückzuführen, sondern beruhe auf dem spanischen Strafanwendungsrecht. Die Frage, inwieweit Spanien seine Strafgewalt auf Handlungen erstrecken dürfe, die auf deutschem Boden begangen worden seien, betreffe nicht den nulla poena-Grundsatz, sondern die völkerrechtlichen Grenzen der Ausdehnung der nationalen Strafgewalt.
Der Verzicht auf die Prüfung der beiderseitigen Strafbarkeit im Einzelfall verstoße auch nicht gegen das allgemeine Rechtsstaatsprinzip. Der ersuchte Staat führe kein eigenes Strafverfahren, sondern unterstütze mit der Auslieferung die Strafverfolgung durch einen anderen Staat. Mit der Auslieferung gebe der ersuchte Staat sein "ius puniendi" zu Gunsten des ersuchenden Staates auf und überantworte den Verfolgten der fremden Strafverfolgung.
Die Bindung der staatlichen Organe an die Grundrechte gelte zwar grundsätzlich auch im Auslieferungsverkehr. Der Prüfungsmaßstab sei jedoch wegen des kollidierenden Verfassungsgutes der Völkerrechtsfreundlichkeit zu reduzieren. Die Auslieferung wegen einer nach deutschem Recht nicht strafbaren Tat sei deshalb nicht ohne weiteres verfassungswidrig.
Hinzu komme, dass das Erfordernis der beiderseitigen Strafbarkeit für Deliktsbereiche entfalle, in denen wie in den hier relevanten Bereichen die Harmonisierung des materiellen Strafrechts durch die Europäische Union so weit fortgeschritten sei, dass die beiderseitige Strafbarkeit regelmäßig gegeben sei. Darüber hinaus habe der Grundsatz der beiderseitigen Strafbarkeit keine grundrechtsschützende Funktion, er diene vielmehr der Wahrung staatlicher Interessen.
§ 81 Nr. 4 IRG verstoße, indem er auf den in Art. 2 Abs. 2 RbEuHb enthaltenen Katalog von Deliktsgruppen verweise, auch nicht gegen den allgemeinen rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgrundsatz. Der Rahmenbeschluss selbst könne als Rechtsakt der Europäischen Union nicht am Maßstab des Grundgesetzes geprüft werden; gegebenenfalls sei eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs einzuholen.
2. a) Die Freie und Hansestadt Hamburg vertrat zunächst in ihrer schriftlichen Stellungnahme die Auffassung, die Verfassungsbeschwerde sei unbegründet. Die angegriffene Bewilligungsentscheidung und der gerügte Beschluss des Oberlandesgerichts hielten einer verfassungsrechtlichen Prüfung ebenso stand wie die den Entscheidungen zu Grunde liegenden Neuregelungen des Gesetzes über die Internationale Rechtshilfe in Strafsachen.
Im Hinblick auf die Rüge einer Verletzung des Rückwirkungsverbots gemäß Art. 103 Abs. 2 GG fehle es bereits an einem Eingriff in den Schutzbereich. Der Beschwerdeführer solle nicht von einem deutschen Gericht wegen einer Tat, deren Strafbarkeit vor ihrer Begehung gesetzlich nicht bestimmt gewesen sei, bestraft werden. Vielmehr solle er an einen Mitgliedstaat der Europäischen Union ausgeliefert werden, nach dessen zur Tatzeit geltendem Recht er sich strafbar gemacht haben solle. Die vorgebliche Rückwirkung betreffe also nicht die Strafbarkeit seines Verhaltens, sondern nur die mit dem Europäischen Haftbefehlsgesetz in Kraft getretene Modifikation der Auslieferungsvoraussetzungen.
Aus diesem Grund lasse sich auch ein Verstoß gegen den nulla poena-Grundsatz nicht feststellen. Die dem Ersuchen zu Grunde liegende Tat sei im konkreten Fall nach dem Recht des ersuchenden spanischen Staates strafbar; insoweit komme es auf die Frage, ob ein bloßer abstrakter Rückgriff auf die in Art. 2 Abs. 2 RbEuHb genannten Deliktsgruppen ausreiche, nicht an.
Die den angegriffenen Entscheidungen zu Grunde liegenden Vorschriften des Gesetzes über die Internationale Rechtshilfe in Strafsachen seien mit Art. 16 Abs. 2 GG vereinbar. Der verfassungsändernde Gesetzgeber habe ausdrücklich festgestellt, dass im Verhältnis zu den anderen EU-Mitgliedstaaten von der Wahrung der "rechtsstaatlichen Grundsätze" auszugehen sei. Bei Auslieferungsersuchen aus diesen Staaten sei deshalb grundsätzlich auf die Wahrung dieser Grundsätze zu vertrauen. Dessen ungeachtet zählten weder das Merkmal der beiderseitigen Strafbarkeit noch die Anfechtbarkeit der Bewilligungsentscheidung zu den unabdingbaren rechtsstaatlichen Grundsätzen des Grundgesetzes.
Der Ausschluss der Anfechtbarkeit der Bewilligungsentscheidung in § 74b IRG bewirke keine Änderung der Rechtslage und sei deshalb wie auch in der Vergangenheit verfassungsgemäß. Die Bewilligung sei Teil der Konkretisierung des "außenpolitisch unbegrenzten Ermessens der Bundesregierung", das ausschließlich das Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem die Rechtshilfe ersuchenden Staat betreffe. Subjektive Rechte des Betroffenen seien nicht beeinträchtigt. Der Beschwerdeführer habe keinen Anspruch darauf, bei Vorliegen der Zulässigkeitsvoraussetzungen nicht ausgeliefert zu werden; soweit Grundrechte berührt würden, seien die entsprechenden Maßnahmen durch die Zulässigkeitsentscheidung des Oberlandesgerichts gedeckt. Das Europäische Haftbefehlsgesetz habe an der Konzeption des Auslieferungsverfahrens nichts geändert. Die Fallgruppen des § 83b IRG, in denen Bewilligungshindernisse enthalten seien, verfolgten ausschließlich außenpolitische Zielsetzungen. Das gelte auch für § 83b Nr. 1 IRG, der nicht dem Schutz deutscher Staatsangehöriger vor Auslieferung diene. Die Schutzaspekte seien nach der Systematik des Gesetzes bereits im Rahmen des Zulässigkeitsverfahrens gemäß § 80 IRG zu berücksichtigen. Da im vorliegenden Fall die beiderseitige Strafbarkeit gegeben sei, scheitere eine Rücküberstellung des Beschwerdeführers zumindest nicht an diesem Merkmal.
b) Mit Schriftsatz vom 12. April 2005 hat die Freie und Hansestadt Hamburg dann mitgeteilt, sie halte an ihrer ursprünglichen Stellungnahme nicht mehr fest.
Das Grundproblem, dass der Beschwerdeführer durch die Auslieferung wegen einer Tat, die nach inländischem Recht nicht strafbar oder jedenfalls zum Zeitpunkt ihrer Begehung noch nicht strafbar gewesen sei, im Ergebnis dennoch einer ausländischen Strafverfolgung ausgesetzt werde, sei in Anbetracht der Gewährleistung des Art. 103 Abs. 2 GG verfassungskonform nicht lösbar. Von ausschlaggebender Bedeutung in diesem Zusammenhang sei, dass die dem Beschwerdeführer vorgeworfenen strafrechtlich relevanten Tatbeiträge nicht nur vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Europäischen Haftbefehlsgesetzes und des § 129b StGB, sondern auch vor der Einfügung des Art. 16 Abs. 2 Satz 2 in das Grundgesetz gelegen hätten.
V.
Das Bundesverfassungsgericht hat am 13. und 14. April 2005 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, in der die Beteiligten ihre Rechtsstandpunkte erläutert und vertieft haben. Das Gericht hat die Professoren Dr. Helmut Fuchs, Dr. Kay Hailbronner und Dr. Thomas Weigend, von der Europäischen Kommission Prof. Dr. Jürgen Grunwald und Dr. Martin Wasmeier, von der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe Generalstaatsanwältin Dr. Christine Hügel und Oberstaatsanwalt Dr. Martin Nothhelfer, von der Generalstaatsanwaltschaft Koblenz Oberstaatsanwalt Harald Kruse sowie Vertreter der Bundesrechtsanwaltskammer und des Deutschen Anwaltvereins als sachkundige Auskunftspersonen (§ 27a BVerfGG) gehört.
B.
Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist begründet.
Das Europäische Haftbefehlsgesetz verstößt gegen Grundrechte und ist materiell verfassungswidrig (I.). Das Gesetz ist nichtig (II.). Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage und sind aufzuheben (III.).
I.
Das Europäische Haftbefehlsgesetz verstößt gegen Art. 16 Abs. 2 Satz 1 GG, weil der Gesetzgeber bei der Umsetzung des Rahmenbeschlusses über den Europäischen Haftbefehl die verfassungsrechtlichen Anforderungen des qualifizierten Gesetzesvorbehalts aus Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG nicht erfüllt hat (1.). Durch den Ausschluss des Rechtswegs gegen die Bewilligung einer Auslieferung in einen Mitgliedstaat der Europäischen Union verstößt das Europäische Haftbefehlsgesetz gegen Art. 19 Abs. 4 GG (2.).
1. Deutsche Staatsangehörige sind durch das Grundrecht aus Art. 16 Abs. 2 GG vor Auslieferung geschützt (a). Dieser Schutz kann allerdings nach dem zweiten Satz dieser Vorschrift durch Gesetz für bestimmte Fälle eingeschränkt werden (b). Bei der Einschränkung unterliegt der Gesetzgeber verfassungsrechtlichen Bindungen. Diese Bindungen ergeben sich sowohl aus dem Tatbestand des Gesetzesvorbehalts als auch aus dem besonderen Schutzgehalt des Grundrechts und aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Der grundrechtseinschränkende Gesetzgeber ist verpflichtet, bei der Verfolgung von Gemeinwohlbelangen den Schutzgehalt des Grundrechts soweit als möglich zu erhalten; er darf es deshalb nur unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes einschränken und hat andere Verfassungsbindungen wie die Rechtsschutzgarantie aus Art. 19 Abs. 4 GG zu beachten (c). Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen wird das Europäische Haftbefehlsgesetz auch mit Blick auf den Rahmenbeschluss über den Europäischen Haftbefehl nicht gerecht (d).
a) Mit dem Satz "Kein Deutscher darf an das Ausland ausgeliefert werden" (Art. 16 Abs. 2 Satz 1 GG) gewährleistete das Grundgesetz bis zu seiner Änderung durch das Gesetz vom 29. November 2000 einen uneingeschränkten Schutz vor der Überstellung eines Deutschen an eine auswärtige Staatsgewalt. Die Auslieferung als traditionelles Institut der internationalen strafrechtlichen Zusammenarbeit von Staaten ist als Grundrechtseingriff dadurch gekennzeichnet, dass eine Person auf Ersuchen zwangsweise aus dem Bereich der inländischen Hoheitsgewalt entfernt und einer ausländischen Hoheitsgewalt überstellt wird (vgl. BVerfGE 10, 136 <139>), damit ein dort betriebenes Strafverfahren abgeschlossen oder eine dort verhängte Strafe vollstreckt werden kann (vgl. BVerfGE 29, 183 <192>).
Das Verbot der Auslieferung (Art. 16 Abs. 2 Satz 1 GG) ist ebenso wie das damit in Zusammenhang stehende Verbot der Ausbürgerung (Art. 16 Abs. 1 GG) nicht nur Ausdruck staatlich beanspruchter Verantwortlichkeit für die eigenen Staatsangehörigen, sondern beide Verbote sind als Freiheitsrechte gewährleistet. Der Zweck des Freiheitsrechts auf Auslieferungsschutz liegt nicht darin, den Betroffenen einer gerechten Bestrafung zu entziehen (BVerfGE 29, 183 <193>). Vielmehr sollen Bürger nicht gegen ihren Willen aus der ihnen vertrauten Rechtsordnung entfernt werden. Jeder Staatsangehörige soll - soweit er sich im Staatsgebiet aufhält - vor den Unsicherheiten einer Aburteilung unter einem ihm fremden Rechtssystem und in für ihn schwer durchschaubaren fremden Verhältnissen bewahrt werden (vgl. BVerfGE 29, 183 <193>; siehe auch von Martitz, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, Bd. I S. 1888; Mettgenberg, Ein Deutscher darf nicht ausgeliefert werden!, 1925, S. 6 ff.; S. 35 ff.; Baier, Die Auslieferung von Bürgern der Europäischen Union an Staaten innerhalb und außerhalb der EU, GA 2001, S. 427 <434 ff.>).
Art. 16 GG gewährleistet als Grundrecht mit seinem Ausbürgerungs- und Auslieferungsverbot die besondere Verbindung der Bürger zu der von ihnen getragenen freiheitlichen Rechtsordnung. Die Staatsangehörigkeit ist die rechtliche Voraussetzung für den gleichen staatsbürgerlichen Status, der einerseits gleiche Pflichten, zum anderen und vor allem aber auch die Rechte begründet, durch deren Gewährleistung die Staatsgewalt in der Demokratie legitimiert wird. Die staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten, die für jeden Einzelnen mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit verbunden sind, bilden zugleich konstituierende Grundlagen des gesamten Gemeinwesens. Der Beziehung des Bürgers zu einem freiheitlichen demokratischen Gemeinwesen entspricht es, dass der Bürger von dieser Vereinigung grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden kann. Das Vertrauen der Bürger in den gesicherten Aufenthalt auf dem Gebiet des Staates, zu dem sie eine verfassungsrechtlich gewährleistete Verbindung in Form der Staatsangehörigkeit haben, wird auch durch das Völkerrecht anerkannt. Staaten haben die völkerrechtliche Pflicht, ihre eigenen Staatsangehörigen aufzunehmen, ihnen also die Einreise in das Staatsgebiet und den Aufenthalt dort zu gestatten (vgl. Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl. 1984, § 1202 m.w.N.; ausführlich Hailbronner, in: ders./Renner, Staatsangehörigkeitsrecht, 3. Aufl. 2001, Einl. E, Rn. 113 ff.). Dieses Einreiserecht ist das Korrelat zu dem Recht der Staaten, Ausländer aus ihrem Staatsgebiet auszuweisen.
Das Grundrecht, das die Staatsangehörigkeit und den Verbleib in der eigenen Rechtsordnung garantiert, hat einen hohen Rang. Es gründet in seiner Ausgestaltung auch auf Erfahrungen aus der neueren deutschen Geschichte, in der die nationalsozialistische Diktatur unmittelbar nach dem Staatsstreich 1933 vor allem diejenigen Deutschen jüdischen Glaubens oder jüdischer Abstammung nach und nach aus dem Schutz der deutschen Staats- und Volkszugehörigkeit formalrechtlich dadurch verdrängte und vertrieb, dass die Staatsangehörigkeit als Institution entwertet wurde, und für aktivberechtigte Staatsangehörige einen neuen "völkischen Status" an deren Stelle setzte (siehe § 2 Reichsbürgergesetz vom 15. September 1935, RGBl I S. 1146; vgl. Grawert, Staatsvolk und Staatsangehörigkeit, in: Isensee/Kirchhof <Hrsg.>, Handbuch des Staatsrechts, Bd. II, 3. Aufl. 2004, § 16 Rn. 44). Hinter der Gewährleistung des Art. 16 GG steht aber auch die seit der französischen Revolution gemeineuropäische Überzeugung, dass Bürger nur in einer statusrechtlich gesicherten Weise ihre politische und zivilrechtliche Rechtsstellung genießen können (vgl. Randelzhofer, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz Kommentar, Art. 16 Abs. 1 Rn. 2).
Damit das Auslieferungsverbot aber nicht zu einem Freibrief für kriminelles Handeln eigener Staatsangehöriger im Ausland wird und um der mit dem Schutzversprechen einhergehenden Verantwortung für deren Handeln gerecht zu werden, erstreckt sich die Strafgewalt der Bundesrepublik Deutschland grundsätzlich auch auf Straftaten im Ausland (vgl. §§ 5 ff. StGB und § 1 VStGB), so dass regelmäßig eine Verfolgung von Straftaten, die Deutsche im Ausland begangen haben, möglich ist.
b) Der Eingriff in den Schutzbereich des Grundrechts aus Art. 16 Abs. 2 Satz 1 GG ist ausschließlich unter den Voraussetzungen des Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG gerechtfertigt. Das Grundgesetz gestattet seit Inkrafttreten von Art. 1 des 47. Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes vom 29. November 2000 (BGBl I S. 1633) unter bestimmten Voraussetzungen die Auslieferung eines deutschen Staatsangehörigen an einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einen internationalen Gerichtshof. Es öffnet auch insofern die innerstaatliche Rechtsordnung für das Europa- und Völkerrecht sowie die internationale Zusammenarbeit in den Formen einer kontrollierten Bindung, um den Respekt vor friedens- und freiheitswahrenden internationalen Organisationen und dem Völkerrecht zu erhöhen und das Zusammenwachsen der europäischen Völker in einer Europäischen Union zu fördern (Art. 23 Abs. 1 GG).
aa) Mit der Eröffnung einer solchen Eingriffserlaubnis in das zuvor Deutschen unbeschränkt gewährleistete Grundrecht auf Auslieferungsfreiheit ist kein verfassungswidriges Verfassungsrecht gesetzt worden. Eine Änderung des Grundgesetzes wäre unzulässig, wenn sie die Grenzen des Art. 79 Abs. 3 GG überschritte. Die Auslieferung Deutscher verstößt, jedenfalls bei Beachtung der verfassungsrechtlichen Bindungen, nicht gegen die in Art. 1 und Art. 20 GG niedergelegten Grundsätze. Weder wird durch eine rechtsstaatlichen Grundsätzen gehorchende Auslieferung Deutscher deren Menschenwürde verletzt noch werden dadurch die Staatsstrukturprinzipien des Art. 20 GG angetastet (vgl. bereits BVerfGE 4, 299 <303 f.>; 29, 183 <193>).
bb) Die Auslieferung auch eigener Staatsangehöriger entspricht einer allgemeinen überstaatlichen und völkerrechtlichen Entwicklung, gegen die das völkerrechtsfreundliche Grundgesetz keine unübersteigbaren Hürden errichtet. Die Bundesrepublik Deutschland ist als Mitglied der Vereinten Nationen verpflichtet, die Resolutionen des Sicherheitsrates nach Kapitel VII der Satzung grundsätzlich zu befolgen und umzusetzen (vgl. Frowein/Krisch, in: Simma <Hrsg.>, The Charta of the United Nations, 2. Aufl. 2002, Bd. 1, S. 701 <708 f.>, Rn. 21 ff.). Die beiden Resolutionen 827 und 955 des Sicherheitsrates, mit denen ad hoc die internationalen Strafgerichtshöfe für das ehemalige Jugoslawien und Ruanda in Den Haag und Arusha errichtet wurden, sehen die Auslieferung eigener Staatsangehöriger vor, weil regelmäßig erst dadurch die beabsichtigte internationale Strafverfolgung von mutmaßlichen Kriegsverbrechern ermöglicht wird (siehe das Gesetz über die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien vom 10. April 1995, BGBl I S. 485 sowie das Gesetz für die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof für Ruanda vom 4. Mai 1998, BGBl I S. 843; dazu Uhle, Auslieferung und Grundgesetz Anmerkungen zu Art. 16 II GG, NJW 2001, S. 1889 <1890>).
Für das völkervertragliche Statut des ständigen Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag (vgl. Gesetz zum Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs vom 17. Juli 1998 IStGH-Statutgesetz, BGBl 2000 II S. 1393, in Kraft getreten am 1. Juli 2002, Bek. vom 28. Februar 2003, BGBl 2003 II S. 293) wurde insoweit auf diese beiden Vorbilder zurückgegriffen, allerdings mit der wichtigen Maßgabe, dass die internationale Zuständigkeit nur subsidiär begründet ist. Die Vertragsparteien des Statuts haben ohne weiteres die Möglichkeit, die Auslieferung eigener Staatsangehöriger durch eine geeignete nationale Strafverfolgung abzuwenden (zum Grundsatz der Komplementarität siehe Art. 1 und Art. 17 des Statuts und Art. 1 § 1 Abs. 1 des Gesetzes vom 21. Juni 2002 zur Ausführung des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs vom 17. Juli 1998, BGBl I S. 2144). Damit wird die Verantwortung für die Ahndung bestimmter Straftaten durch eine abgestimmte Kompetenzzuweisung geteilt. In den Prozess der Herausbildung einer internationalen Strafjustiz für Verbrechen gegen die Humanität, der mit den Kriegsverbrechertribunalen von Nürnberg und Tokio nach dem Zweiten Weltkrieg begonnen hat, fügt sich die Bundesrepublik Deutschland als Mitglied der internationalen Staatengemeinschaft in besonderer, auch historisch begründeter Verantwortung ein (zur strafrechtlichen Verfolgung von Völkermord siehe den Beschluss der 4. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Dezember 2000 - 2 BvR 1290/99 -, NJW 2001, S. 1848 ff.).
Als Mitgliedstaat der Europäischen Union ist Deutschland weitere Verpflichtungen eingegangen. Mit der Ratifikation der Verträge von Amsterdam und von Nizza hat sich die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet, an dem Auf- und Ausbau des "Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts" teilzunehmen. Die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten erfolgt im Bereich der intergouvernementalen "dritten Säule" des Rechts der Europäischen Union. Art. 31 Abs. 1 lit. b EU sieht in diesem Zusammenhang vor, auch die Auslieferung zwischen den Mitgliedstaaten zu erleichtern. Die Europäische Union verfolgt damit das Ziel, den Prozess des Zusammenwachsens und die Öffnung der Grenzen für Personen, Waren, Dienstleistungen und Kapital mit einer besseren Zusammenarbeit der Strafverfolgungsbehörden zu verbinden. Dies soll durch eine weitere Verrechtlichung der Beziehungen der Mitgliedstaaten untereinander erreicht werden, also unter anderem durch einen Verzicht der mitgliedstaatlichen Regierungen auf ihr im herkömmlichen Rechtsverkehr der Staaten untereinander übliches politisches Ermessen, wie es gerade im Auslieferungsrecht - in Deutschland im Rahmen der Bewilligung - besteht.
cc) Die Möglichkeit der Einschränkung des bislang absolut geltenden Auslieferungsverbots Deutscher führt auch nicht zu einer Entstaatlichung der vom Grundgesetz verfassten Rechtsordnung, die wegen der unantastbaren Grundsätze des Art. 20 GG der Dispositionsfreiheit des verfassungsändernden Gesetzgebers entzogen wäre (vgl. BVerfGE 89, 155 <182 ff.>). Insbesondere wird damit das Institut der Staatsbürgerschaft weder aufgegeben noch substantiell entwertet oder durch eine europäische Unionsbürgerschaft ersetzt, so dass deren Bedeutung für das Demokratieprinzip des Grundgesetzes hier keiner Erörterung bedarf. Die Unionsbürgerschaft ist - ungeachtet ihrer sonstigen Bedeutung (vgl. BVerfGE 89, 155 <184>) - ein abgeleiteter und die mitgliedstaatliche Staatsangehörigkeit ergänzender Status (Art. 17 Abs. 1 Satz 2 EG); auch Art. I-10 Abs. 1 Satz 2 des Vertrages über eine Verfassung für Europa hält daran fest, wenn er bestimmt, dass die Unionsbürgerschaft zur nationalen Staatsbürgerschaft hinzutritt, ohne diese zu ersetzen. Dem entsprechend ist auch das gemeinschaftsrechtliche Verbot der Diskriminierung nach der Staatsangehörigkeit nicht umfassend angelegt, sondern gilt im Einklang mit dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung nur für die vertraglich festgelegten Ziele, insbesondere im Rahmen der Grundfreiheiten. Dies trägt zugleich dazu bei, dass die Mitgliedstaaten ihre auch vom Unionsrecht geschützte nationale Identität bewahren können (Art. 6 Abs. 3 EU), die in der jeweiligen grundlegenden politischen und verfassungsrechtlichen Struktur zum Ausdruck kommt (vgl. Hilf/Schorkopf, in: Grabitz/Hilf <Hrsg.>, Recht der Europäischen Union, Art. 6 EU Rn. 78 ff. und Art. I-5 Abs. 1 des Vertrages über eine Verfassung für Europa).
Wegen der bereichsspezifischen Begrenzung des europäischen Diskriminierungsverbots aus Gründen der mitgliedstaatlichen Staatsangehörigkeit lässt sich insoweit für die Auslieferung Deutscher an andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union eine nach den Vorgaben des Grundgesetzes unzulässige Entstaatlichung nicht feststellen. Nicht nur verbleiben dem Staat Aufgaben von substantiellem Gewicht; es handelt sich bei der Einschränkung des Auslieferungsschutzes auch nicht um den Verzicht auf eine bereits für sich genommen essentielle Staatsaufgabe. Die in der "dritten Säule" der Europäischen Union praktizierte Zusammenarbeit einer begrenzten gegenseitigen Anerkennung, die keine allgemeine Harmonisierung der mitgliedstaatlichen Strafrechtsordnungen vorsieht, ist gerade auch mit Blick auf den Grundsatz der Subsidiarität (Art. 23 Abs. 1 GG) ein Weg, um die nationale Identität und Staatlichkeit in einem einheitlichen europäischen Rechtsraum zu wahren.
c) Der Gesetzgeber kann nicht unbeschränkt vom Verbot der Auslieferung Deutscher abweichen.
aa) Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG erlaubt als qualifizierter Gesetzesvorbehalt eine Auslieferung Deutscher nur, "soweit rechtsstaatliche Grundsätze gewahrt sind". Diese Voraussetzung für eine Auslieferung ist nicht nur die Wiederholung der ohnehin für Grundrechtseinschränkungen nicht verfügbaren Geltung des Rechtsstaatsprinzips, insbesondere des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Vielmehr handelt es sich um eine auf den ersuchenden Mitgliedstaat und den Internationalen Gerichtshof bezogene Erwartung im Sinne einer Strukturentsprechung, wie sie auch Art. 23 Abs. 1 GG formuliert. Der die Auslieferung Deutscher erlaubende Gesetzgeber muss insoweit prüfen, ob diese rechtsstaatlichen Voraussetzungen von den ersuchenden Stellen erfüllt werden.
Der grundrechtseinschränkende Gesetzgeber muss sich insofern davon überzeugen, dass die Beachtung rechtsstaatlicher Grundsätze durch die die Strafgewalt über einen Deutschen beanspruchende Stelle gewährleistet ist. Dabei wird in Rechnung zu stellen sein, dass jeder Mitgliedstaat der Europäischen Union die in Art. 6 Abs. 1 EU genannten Grundsätze und somit auch den Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit zu achten hat und somit eine Grundlage für gegenseitiges Vertrauen besteht. Das entbindet allerdings den Gesetzgeber nicht davon, bei nachhaltiger Erschütterung dieses Vertrauens in die Rechtsstaatlichkeit der allgemeinen Verfahrensbedingungen in einem Mitgliedstaat zu reagieren, und zwar unabhängig von einem Verfahren gemäß Art. 7 EU.
Die besondere im Wortlaut des Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG genannte Schranke verdrängt indes nicht die für jedes grundrechtseinschränkende Gesetz bestehenden Grenzen der Verfassung. Das ein Grundrecht einschränkende Gesetz muss seinerseits allen verfassungsrechtlichen Bindungen entsprechen, darf keine Kollisionen mit anderen Verfassungsbestimmungen hinnehmen und muss unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgebots den Eingriff schonend ausgestalten.
bb) Der Gesetzgeber war jedenfalls verpflichtet, die Umsetzungsspielräume, die der Rahmenbeschluss den Mitgliedstaaten belässt, in einer grundrechtsschonenden Weise auszufüllen. Eine im Vergleich zur Umsetzung von Richtlinienrecht der Europäischen Gemeinschaft besondere Verantwortung für die verfassungsgemäße Umsetzung ergibt sich auch aus dem Umstand, dass es sich um Maßnahmen aus dem Bereich der "dritten Säule" der Europäischen Union handelt. Der Rahmenbeschluss über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union vom 13. Juni 2002 ist ein sekundärer Unionsrechtsakt, der die Zielvorgabe des EU-Vertrages rechtlich ausfüllt. Der Rahmenbeschluss ist nach Art. 34 Abs. 2 lit. b EU im Hinblick auf das "zu erreichende Ziel" verbindlich. Die unionsrechtliche Handlungsform ist zwar in ihrer Konzeption der Richtlinie des supranationalen Gemeinschaftsrechts nachgebildet, weicht jedoch in mehrfacher Hinsicht von dieser Sekundärrechtsquelle ab. Ein Rahmenbeschluss ist nicht unmittelbar wirksam (Art. 34 Abs. 1 lit. b EU), er bleibt für seine innerstaatliche Gültigkeit darauf angewiesen, dass er von den Mitgliedstaaten in das nationale Recht umgesetzt wird. Mit dem in den EU-Vertrag aufgenommenen Ausschluss der unmittelbaren Anwendbarkeit wollten die Mitgliedstaaten insbesondere verhindern, dass die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur unmittelbaren Anwendbarkeit von Richtlinien auch auf den Rahmenbeschluss erstreckt wird (zur sogenannten "vertikalen Direktwirkung" von Richtlinien siehe EuGH, verb. Rs. C-6/90 und C-9/90, Slg. 1991, I-5357 Rn. 11 Francovich u.a.; Rs. C-62/00, Slg. 2002, I-6325 Rn. 25 Marks & Spencer; zusammenfassend Borchardt, Die rechtlichen Grundlagen der Europäischen Union, 2. Aufl. 2002, Rn. 341 ff.).
Als Handlungsform des Unionsrechts steht der Rahmenbeschluss außerhalb der supranationalen Entscheidungsstruktur des Gemeinschaftsrechts (vgl. zum Unterschied von Unions- und Gemeinschaftsrecht BVerfGE 89, 155 <196>). Das Unionsrecht ist trotz des fortgeschrittenen Integrationsstandes weiterhin eine Teilrechtsordnung, die bewusst dem Völkerrecht zugeordnet ist. So muss ein Rahmenbeschluss einstimmig vom Rat gefasst werden, er bedarf der Umsetzung durch die Mitgliedstaaten, und die Umsetzung ist nicht gerichtlich durchsetzbar. Das Europäische Parlament, eigenständige Legitimationsquelle des europäischen Rechts, wird in dem Rechtsetzungsprozess lediglich angehört (vgl. Art. 39 Abs. 1 EU), was im Bereich der "dritten Säule" den Anforderungen des Demokratieprinzips entspricht, weil die mitgliedstaatlichen Legislativorgane die politische Gestaltungsmacht im Rahmen der Umsetzung, notfalls auch durch die Verweigerung der Umsetzung, behalten.
cc) Gemäß Art. 4 Nr. 7 lit. a und b RbEuHb kann die Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls verweigert werden, wenn dieser sich auf Straftaten erstreckt, die nach den Rechtsvorschriften des Vollstreckungsmitgliedstaates ganz oder zum Teil in dessen Hoheitsgebiet oder an einem diesem gleichgestellten Ort begangen worden sind, oder die außerhalb des Hoheitsgebiets des Ausstellungsmitgliedstaates begangen wurden und die Rechtsvorschriften des Vollstreckungsmitgliedstaates die Verfolgung von außerhalb seines Hoheitsgebiets begangenen Straftaten gleicher Art nicht zulassen.
Diese Bestimmungen lassen eine Begrenzung der Auslieferung durch innerstaatliches Recht zu. Der Gesetzgeber war beim Erlass des Umsetzungsgesetzes zum Rahmenbeschluss verpflichtet, das Ziel des Rahmenbeschlusses so umzusetzen, dass die dabei unumgängliche Einschränkung des Grundrechts auf Auslieferungsfreiheit verhältnismäßig ist. Insbesondere hat der Gesetzgeber über die Beachtung der Wesensgehaltsgarantie hinaus dafür Sorge zu tragen, dass der Eingriff in den Schutzbereich des Art. 16 Abs. 2 GG schonend erfolgt. Dabei muss er beachten, dass mit dem Auslieferungsverbot gerade auch die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes für den von einer Auslieferung betroffenen Deutschen gewahrt werden sollen. Die Verlässlichkeit der Rechtsordnung ist wesentliche Voraussetzung für Freiheit, das heißt für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf und seine Umsetzung. In dieser Hinsicht verlangt bereits das Rechtsstaatsprinzip, dass der Grundrechtsberechtigte sich darauf muss verlassen können, dass sein dem jeweils geltenden Recht entsprechendes Verhalten nicht nachträglich als rechtswidrig qualifiziert wird (vgl. zur zeitlichen Komponente der Anwendung von Rechtsvorschriften BVerfGE 45, 142 <167 f.>; 63, 343 <357>).
Das Vertrauen des Verfolgten in die eigene Rechtsordnung ist von Art. 16 Abs. 2 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip dann in besonderer Weise geschützt, wenn die dem Auslieferungsersuchen zu Grunde liegende Handlung ganz oder teilweise auf deutschem Staatsgebiet, auf deutschen Schiffen und Luftfahrzeugen oder an Orten unter deutscher Hoheitsgewalt begangen wurde. Straftatvorwürfe mit einem insofern maßgeblichen Inlandsbezug sind bei tatverdächtigen deutschen Staatsangehörigen prinzipiell im Inland durch deutsche Strafermittlungsbehörden aufzuklären.
Ein maßgeblicher Inlandsbezug liegt jedenfalls dann vor, wenn wesentliche Teile des Handlungs- und Erfolgsortes auf deutschem Staatsgebiet liegen. In dieser Konstellation treffen die Verantwortung des Staates für die Unversehrtheit seiner Rechtsordnung und die grundrechtlichen Ansprüche des Verfolgten dergestalt zusammen, dass regelmäßig ein Auslieferungshindernis entsteht. Wer als Deutscher im eigenen Rechtsraum eine Tat begeht, muss grundsätzlich nicht mit einer Auslieferung an eine andere Staatsgewalt rechnen. Wäre dies anders, so geriete eine so beschaffene Einschränkung des Schutzes vor Auslieferung bereits in die Nähe des Wesengehalts des Grundrechts. Für den Verfolgten bedeutet die Überstellung in eine andere, auch in eine durch die europäische Integration näher gerückte, mitgliedstaatliche Rechtsordnung nicht nur eine verfahrensrechtliche Schlechterstellung, die in Sprachhindernissen, kulturellen Unterschieden sowie andersartigem Prozessrecht und Verteidigungsmöglichkeiten liegen kann. Sie bindet ihn auch im Ergebnis an ein materielles Strafrecht, das er demokratisch mitzugestalten nicht in der Lage war, das er - anders als das deutsche Strafrecht - nicht kennen muss und das ihm in vielen Fällen wegen mangelnder Vertrautheit der jeweiligen nationalen öffentlichen Kontexte auch keine hinreichend sichere Parallelwertung in der Laiensphäre erlaubt.
Anders fällt die Beurteilung aus, wenn die vorgeworfene Tat einen maßgeblichen Auslandsbezug hat. Wer in einer anderen Rechtsordnung handelt, muss damit rechnen, auch hier zur Verantwortung gezogen zu werden. Dies wird regelmäßig der Fall sein, wenn die Tathandlung vollständig oder in wesentlichen Teilen auf dem Territorium eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union begangen wurde und der Erfolg dort eingetreten ist. Der Umstand, dass es dem Verfolgten nach Begehung einer Tat möglicherweise gelingt, in seinen Heimatstaat zu fliehen, ist insoweit nicht von ausschlaggebender Bedeutung. Der Auslandsbezug ist auch und gerade dann anzunehmen, wenn die Tat von vornherein eine typische grenzüberschreitende Dimension hat und eine entsprechende Schwere aufweist, wie beim internationalen Terrorismus oder beim organisierten Drogen- oder Menschenhandel; wer sich in solche verbrecherische Strukturen einbindet, kann sich auf den Schutz der Staatsangehörigkeit vor Auslieferung nicht in vollem Umfang berufen.
Während in den genannten Fallgestaltungen das Ergebnis der Verhältnismäßigkeitsprüfung in aller Regel vorgezeichnet ist, bedarf es der konkreten Abwägung im Einzelfall, wenn ganz oder teilweise in Deutschland gehandelt worden, der Erfolg aber im Ausland eingetreten ist. In diesen Fällen werden insbesondere das Gewicht des Tatvorwurfs und die praktischen Erfordernisse und Möglichkeiten einer effektiven Strafverfolgung mit den grundrechtlich geschützten Interessen des Verfolgten unter Berücksichtigung der mit der Schaffung eines Europäischen Rechtsraums verbundenen Ziele zu gewichten und zueinander ins Verhältnis zu setzen sein.
Soweit der Gesetzgeber die ihm durch Art. 4 Nr. 7 lit. a RbEuHb eröffneten Spielräume nicht durch tatbestandliche Konkretisierung nutzt, hat er mit seinem gesetzlichen Prüfungsprogramm dafür Sorge zu tragen, dass die das Gesetz ausführenden Stellen in einem Auslieferungsfall in eine konkrete Abwägung der widerstreitenden Rechtspositionen eintreten. Die Vorgaben von Art. 20 und Art. 1 GG an den verfassungsändernden Gesetzgeber sind nicht bereits dadurch erfüllt, dass Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG abstrakt und generell die Einhaltung rechtsstaatlicher Grundsätze in der ersuchenden Rechtsordnung einfordert und das deutsche Ausführungsgesetz eine entsprechende Konkordanz rechtsstaatlicher Mindeststandards feststellt. Das Grundgesetz fordert bei der Auslieferung von Personen, insbesondere von eigenen Staatsangehörigen, zusätzlich die konkrete Prüfung in jedem Einzelfall, ob die entsprechenden Rechte des Verfolgten gewahrt sind. Diese Prüfung ist gerade auch deshalb notwendig, weil die souveräne Strafgewalt anderer Staaten prinzipiell nicht an das Territorialitätsprinzip gebunden ist und nach klassischer völkerrechtlicher Vorstellung neben dem Erfordernis eines geringfügigen Bezuges der inkriminierten Handlung zum strafenden Staat dadurch begrenzt wird, dass es die freie Entscheidung aller anderen Staaten ist, ob sie Rechtshilfe in Strafsachen leisten (vgl. Maierhöfer, Weltrechtsprinzip und Immunität: das Völkerstrafrecht vor den Haager Richtern: Besprechung des Urteils des IGH vom 14. Februar 2002 <Demokratische Republik Kongo gegen Belgien>, EuGRZ 2003, S. 545 ff.). Insofern hat der Rahmenbeschluss lediglich das Muster einer gerichtlich nicht kontrollierbaren politischen Entscheidung hin zu einer juristischen Abwägung verschoben, bei der die Vereinfachungsziele des Rahmenbeschlusses angemessen zu würdigen sind.
d) Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen wird das Europäische Haftbefehlsgesetz nicht gerecht. Der vom Gesetz eingeschlagene Weg zur Erreichung der Ziele des Rahmenbeschlusses greift unverhältnismäßig in die Auslieferungsfreiheit nach Art. 16 Abs. 2 GG ein.
aa) Der Gesetzgeber hat es versäumt, den grundrechtlich besonders geschützten Belangen deutscher Staatsangehöriger bei der Umsetzung des Rahmenbeschlusses hinreichend Rechnung zu tragen. § 80 IRG unterscheidet insofern zwischen Deutschen, die an einen Mitgliedstaat der Europäischen Union ausgeliefert werden sollen, und Nichtdeutschen nur, indem er von der in Art. 5 Abs. 3 des Rahmenbeschlusses über den Europäischen Haftbefehl eingeräumten Möglichkeit Gebrauch macht, die Auslieferung eigener Staatsangehöriger an Bedingungen hinsichtlich der Rücküberstellung zur Strafverbüßung zu knüpfen. Nach § 80 IRG ist die Auslieferung eines Deutschen zum Zwecke der Strafverfolgung nur dann zulässig, wenn der ersuchende Mitgliedstaat anbietet, den Deutschen nach Verhängung der rechtskräftigen Freiheitsstrafe oder einer sonstigen Sanktion auf seinen Wunsch hin in den Geltungsbereich des Gesetzes über die Internationale Rechtshilfe in Strafsachen zurückzuüberstellen.
Auslieferungsschutz besteht darüber hinaus nur in dem auch für Ausländer geltenden Umfang. Danach bleibt es dabei, dass die Auslieferung insbesondere dann nicht zulässig ist, wenn ernstliche Gründe für die Annahme bestehen, dass der Verfolgte im Fall seiner Auslieferung wegen seiner Rasse, seiner Religion, seiner Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Anschauungen verfolgt oder bestraft oder dass seine Lage aus einem dieser Gründe erschwert werden würde (§ 6 Abs. 2 IRG). Diese Schutzvorschrift gilt auch bei Auslieferungen auf Grund eines Europäischen Haftbefehls (§ 82 IRG).
Weiterhin ist nach § 9 Nr. 1 IRG die Auslieferung wegen Taten untersagt, für die die deutsche Gerichtsbarkeit begründet ist, wenn ein Gericht oder eine Behörde im Geltungsbereich dieses Gesetzes gegen den Verfolgten wegen der Tat ein Urteil oder eine Entscheidung mit entsprechender Rechtswirkung erlassen oder die Eröffnung des Hauptverfahrens ablehnt (§ 204 StPO), einen Antrag auf Erhebung der öffentlichen Klage verworfen hat (§ 174 StPO) oder das Verfahren nach Erfüllung von Auflagen und Weisungen (§ 153a StPO) oder schließlich das Verfahren gemäß § 45, § 47 JGG eingestellt wurde. Mit dieser Vorschrift wird das grundsätzlich nur innerstaatlich geltende Verbot der Doppelbestrafung auf die Auslieferung zum Zweck einer weiteren Strafverfolgung erstreckt. Zugleich wird aber auch dem verfassungsrechtlich gebotenen Auslieferungsschutz für die Fälle genügt, in denen ein Deutscher vor der Entscheidung über die Auslieferung sich bereits in Deutschland mit entsprechenden verfahrensabschließenden Entscheidungen zu verantworten hatte. Kommt das Auslieferungsersuchen allerdings einer solchen Verfahrensbeendigung zuvor oder wird in Deutschland gar kein entsprechendes Verfahren eröffnet, steht nach dem in der Fassung des Europäischen Haftbefehlsgesetzes geltenden Gesetz über die Internationale Rechtshilfe in Strafsachen der Auslieferung eines Deutschen, dem eine Tat mit Inlandsbezug vorgeworfen wird, nichts entgegen. Aus der Sicht des Grundrechtsberechtigten besteht insofern für ihn eine gesetzliche Schutzlücke.
bb) Eine besondere grundrechtliche Eingriffswirkung entsteht dort, wo der Bürger für nicht ohne weiteres erwartbare Fernwirkungen seines Handelns in Deutschland von anderen Mitgliedstaaten zur Verantwortung gezogen werden soll oder er mit sachlich und personell ausgedehnten Strafverfolgungsansprüchen einzelner Mitgliedstaaten konfrontiert wird. Diese Eingriffswirkung wird noch verstärkt, wenn die von dem ersuchenden Staat vorgeworfene Handlung nach deutschem Recht straflos ist.
Der Gesetzgeber hätte eine grundrechtsschonendere Umsetzung wählen können, ohne gegen die bindenden Ziele des Rahmenbeschlusses zu verstoßen, denn der Rahmenbeschluss enthält Ausnahmemöglichkeiten, die es der Bundesrepublik Deutschland ermöglichen, den aus Art. 16 Abs. 2 GG folgenden grundrechtlichen Anforderungen Rechnung zu tragen. Art. 4 Nr. 7 RbEuHb erlaubt es den vollstreckenden Justizbehörden der Mitgliedstaaten, die Vollstreckung des Haftbefehls zu verweigern, wenn er zum einen sich auf Straftaten erstreckt, die nach den Rechtsvorschriften des Vollstreckungsmitgliedstaates ganz oder zum Teil in dessen Hoheitsgebiet oder an einem gleichgestellten Ort begangen worden sind (Art. 4 Nr. 7 lit. a RbEuHb) oder wenn der Haftbefehl sich zum anderen auf Straftaten erstreckt, die außerhalb des Ausstellungsmitgliedstaates begangen wurden und die Rechtsvorschriften des Vollstreckungsmitgliedstaates die Verfolgung von außerhalb seines Hoheitsgebiets begangenen Straftaten gleicher Art nicht zulassen (Art. 4 Nr. 7 lit. b RbEuHb). Jedenfalls bei Taten mit maßgeblichem Inlandsbezug in dem dargelegten Sinn musste der Gesetzgeber die tatbestandliche Möglichkeit und die Rechtspflicht schaffen, die Auslieferung Deutscher zu verweigern.
Ferner hatte der Gesetzgeber über eine Verstärkung der Rechtsstellung Deutscher über das in § 9 IRG Geregelte hinaus zu entscheiden. Der Rahmenbeschluss erlaubt es, die Auslieferung zu verweigern, wenn wegen derselben Handlung, auf Grund deren der Europäische Haftbefehl ausgestellt worden ist, der Vollstreckungsmitgliedstaat den Betroffenen strafrechtlich verfolgt (Art. 4 Nr. 2 RbEuHb) oder die Ermittlungsbehörden beschlossen haben, wegen der Straftat, auf Grund deren der Europäische Haftbefehl ausgestellt worden ist, kein Verfahren einzuleiten oder das Verfahren einzustellen (Art. 4 Nr. 3 RbEuHb). Insofern kommt dem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren eine zusätzliche individualrechtsschützende Funktion zu, die bei der innerstaatlichen Umsetzung des Rahmenbeschlusses hätte beachtet werden müssen. In diesem Zusammenhang hätte der Gesetzgeber auch die Regelungen der Strafprozessordnung daraufhin überprüfen müssen, ob und inwieweit Entscheidungen der Staatsanwaltschaft, von einer Strafverfolgung abzusehen, im Hinblick auf eine mögliche Auslieferung an einen Mitgliedstaat gerichtlich überprüfbar sein müssen. Auch hierdurch kann bereits im Vorfeld einer Entscheidung über die Auslieferung sichergestellt werden, dass ein Deutscher, der die Bundesrepublik Deutschland nicht verlassen und sich nach deutschem Recht nicht strafbar gemacht hat, auch nicht ausgeliefert wird.
cc) Die Ausschöpfung dieser durch das Rahmenrecht vorgegebenen Spielräume bei der Umsetzung in das nationale Recht hätte einen Verstoß des Europäischen Haftbefehlsgesetzes gegen das Grundrecht auf Auslieferungsschutz und die insoweit anwendbaren rechtsstaatlichen Grundsätze vermieden. Auf die zum Schutz der betroffenen Grundrechte gebotene Ausschöpfung dieses Rahmens insoweit zu verzichten, war der Gesetzgeber nicht befugt, auch nicht unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit. Der Gesetzgeber hat die ihm von Art. 16 Abs. 2 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip aufgegebene Abwägung zwischen dem grenzüberschreitenden europäischen Strafverfolgungsinteresse und den aus dem Statusrecht als Deutscher folgenden Schutzanspruch verfehlt. Er hat bereits den durch den besonderen Gesetzesvorbehalt des Art. 16 Abs. 2 GG erteilten Abwägungsauftrag nicht gesehen, ihn jedenfalls in der Sache nicht durch ein ausreichendes Maß an Auslieferungsschutz ausgeführt.
Wenn der deutsche Gesetzgeber auf der Grundlage des Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG den Auslieferungsschutz Deutscher in verfassungsgemäßer Weise einschränken will, muss er die Vollstreckungsbehörde mit rechtsstaatlich bestimmten Tatbeständen zumindest in den Stand setzen, das insoweit geschützte Vertrauen des Staatsangehörigen in die deutsche Rechtsordnung im Einzelfall entsprechend diesen verfassungsrechtlichen Grundsätzen zu gewichten. Die allgemeine Bindung des Richters an Grundrechte in Verbindung mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Art. 1 Abs. 3 GG) genügt diesen Anforderungen an ein grundrechtsbeschränkendes Gesetz nicht.
dd) Sofern die verfassungsrechtlich notwendige Unterscheidung zwischen einer vorgeworfenen Straftat mit Inlandsbezug von einer solchen mit maßgeblichem Auslandsbezug gewahrt würde, schiede eine Kollision mit dem besonderen Rückwirkungsverbot nach Art. 103 Abs. 2 GG von vornherein aus, so dass dessen Tragweite für Konstellationen wie diese nicht abschließend bestimmt werden muss. Der Grundsatz, wonach eine Tat nur bestraft werden kann, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde, ist eine spezielle rechtsstaatliche Garantie des Vertrauens in die Verlässlichkeit der Rechtsordnung, die eine klare Orientierung zu geben hat, was strafbar und was straflos ist. Ohne eine solch verlässliche Orientierung vermag sich individuelle Freiheit nicht zu entfalten: Wer mit einer unvorhersehbaren rückwirkenden Änderung von Strafnormen rechnen muss, kann seine Handlungsfreiheit nicht mehr mit der nötigen Sicherheit ausüben und verliert in einem der grundrechtssensibelsten Bereiche seine Stellung als selbstverantwortliches Subjekt. Das Rückwirkungsverbot gilt zwar nur bei Änderungen des materiellen Strafrechts und nicht bei solchen des Verfahrensrechts, zu dem auch das Auslieferungsrecht gerechnet wird (vgl. OLG Braunschweig, Beschluss vom 3. November 2004 - Ausl. 5/04 -, NStZ-RR 2005, S. 18 <19>; BVerfGE 109, 13 <37>). Einer materiellen rückwirkenden Rechtsänderung könnte es jedoch gleichstehen, wenn sich ein bislang vor Auslieferung absolut geschützter Deutscher für Taten in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union verantworten muss, die keinen maßgeblichen Auslandsbezug aufweisen und zum Zeitpunkt ihrer Begehung in Deutschland straffrei waren.
ee) Die aufgezeigten Defizite der gesetzlichen Regelung werden auch nicht dadurch hinreichend kompensiert, dass nach § 80 Abs. 1 IRG die Auslieferung eines Deutschen zum Zwecke der Strafverfolgung nur zulässig ist, wenn gesichert ist, dass der ersuchende Mitgliedstaat nach Verhängung einer rechtskräftigen Freiheitsstrafe oder sonstigen Sanktion anbieten wird, den Verfolgten auf seinen Wunsch zur Vollstreckung nach Deutschland zurückzuüberstellen. Die Strafvollstreckung im Inland ist zwar grundsätzlich eine Schutzmaßnahme für die eigenen Staatsbürger, aber sie betrifft lediglich die Vollstreckung und nicht die Strafverfolgung.
Zudem wird der Gesetzgeber zu prüfen haben, ob das Zulässigkeitshindernis der fehlenden Zusicherung des ersuchenden Staates, die Rücküberstellung des Verfolgten zur Strafvollstreckung dem ersuchten Staat anzubieten, eine zureichende Maßnahme ist. Mit dem Erfordernis der Rücküberstellung soll nach dem Willen des Gesetzgebers dem Grundsatz der Resozialisierung entsprochen werden. Der Gesetzgeber hat jedoch bereits im Gesetzgebungsverfahren eingeräumt, dass es Einzelfälle geben könne, in denen die Rücküberstellung einer auszuliefernden Person an der fehlenden Strafbarkeit des Verfolgten in Deutschland scheitern könne (vgl. BTDrucks 15/1718, S. 16). Die bloße Zusage einer Rücküberstellung ist insoweit unzureichend, weil damit noch nichts über die Möglichkeit der Strafverbüßung in Deutschland gesagt ist.
2. Die fehlende Anfechtbarkeit der Bewilligungsentscheidung in einem Verfahren betreffend die Auslieferung in einen Mitgliedstaat der Europäischen Union nach dem achten Teil des Gesetzes über die Internationale Rechtshilfe in Strafsachen (vgl. §§ 78 ff. IRG) verstößt gegen Art. 19 Abs. 4 GG. Die gerichtliche Anfechtbarkeit der Bewilligungsentscheidung im Auslieferungsverfahren wurde zwar von der Praxis und in der Literatur bislang abgelehnt, weil die außen- und allgemeinpolitischen Aspekte zum Kernbereich der Exekutive gehörten. Dies kann aber nicht mehr gelten, wenn die Bewilligungsentscheidung die gesetzliche Einschränkung eines Grundrechts konkretisiert.
a) Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet ein Grundrecht auf wirksamen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt (aa), soweit diese in die Rechte des Betroffenen eingreifen (bb).
aa) Art. 19 Abs. 4 GG enthält ein Grundrecht auf effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt (vgl. BVerfGE 8, 274 <326>; 67, 43 <58>; 96, 27 <39>; 104, 220 <231>; stRspr). Die grundgesetzliche Garantie umfasst den Zugang zu den Gerichten, die Prüfung des Streitbegehrens in einem förmlichen Verfahren sowie die verbindliche gerichtliche Entscheidung (vgl. BVerfGE 107, 395 <401>). Der Bürger hat einen substantiellen Anspruch auf eine möglichst wirksame gerichtliche Kontrolle (vgl. BVerfGE 40, 272 <275>; 93, 1 <13>; stRspr).
Zur Gewährleistung wirksamen Rechtsschutzes gehört vor allem, dass dem Richter eine hinreichende Prüfungsbefugnis hinsichtlich der tatsächlichen und rechtlichen Seite eines Streitfalls zukommt, damit er einer Rechtsverletzung abhelfen kann. Das Gebot effektiven Rechtsschutzes schließt allerdings nicht aus, dass je nach Art der zu prüfenden Maßnahme wegen der Einräumung von Gestaltungs-, Ermessens- und Beurteilungsspielräumen eine unterschiedliche Kontrolldichte zustande kommt (vgl. BVerfGE 61, 82 <111>; 84, 34 <53 ff.>).
bb) Die Rechtsweggarantie setzt voraus, dass dem Betroffenen eine Rechtsposition zusteht; die Verletzung bloßer Interessen reicht nicht aus (vgl. BVerfGE 31, 33 <39 ff.>; 83, 182 <194>). Diese Rechtsposition kann sich aus einem anderen Grundrecht oder einer grundrechtsgleichen Gewährleistung ergeben, aber auch durch Gesetz begründet sein, wobei der Gesetzgeber bestimmt, unter welchen Voraussetzungen dem Bürger ein Recht zusteht und welchen Inhalt es hat (vgl. BVerfGE 78, 214 <226>; 83, 182 <195>).
Diese Grundsätze gelten auch, wenn ein Gesetz eine Maßnahme in das Ermessen der zuständigen Behörde stellt. Gibt das Entscheidungsprogramm des Gesetzes der Behörde auf, bei der Ermessensausübung auch rechtlich geschützte Interessen des Betroffenen zu berücksichtigen, so greift die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG. Schützt die Norm demgegenüber keine rechtlichen Interessen des Betroffenen, muss die Ermessensentscheidung für ihn nicht justitiabel sein; im Grenzbereich verdient die grundrechtsfreundliche Interpretation den Vorzug (vgl. BVerfGE 96, 100 <114 f.> m.w.N.).
Im Hinblick auf die Bewilligung im klassischen Auslieferungsverfahren hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Rechtsprechung bislang offen gelassen, ob die Bewilligungsentscheidung mit der Verfassungsbeschwerde angegriffen werden kann, ist aber von einer in jedem Fall nur eingeschränkten Prüfungsmöglichkeit ausgegangen (vgl. BVerfGE 63, 215 <226>; Beschluss des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts <Vorprüfungsausschuss> vom 16. März 1983 - 2 BvR 429/83 -, EuGRZ 1983, S. 262 f.; aus der neueren Rechtsprechung der Fachgerichte vgl. OVG Berlin, Beschluss vom 26. März 2001 - 2 S 2/01 -, OVGE 23, 232 = NVwZ 2002, S. 114 einerseits und Beschluss des VG Berlin vom 12. April 2005 - VG 34 A 98.04 - andererseits). Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat in einer Entscheidung zur parallelen Problematik der Überstellung von Strafgefangenen die Nichtanfechtbarkeit der Exekutiventscheidung als mit Art. 19 Abs. 4 GG vereinbar angesehen, weil durch die Entscheidung keine rechtlichen Interessen des Betroffenen berührt worden seien (vgl. BVerfGE 96, 100 ff.).
cc) Die Bewilligung ist die Entscheidung der Exekutive, dem Ersuchen eines ausländischen Staates auf Auslieferung einer gesuchten Person stattzugeben. In der Bundesrepublik Deutschland liegt die Zuständigkeit für die Bewilligung bei der Bundesregierung und wird durch das Bundesministerium der Justiz im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt ausgeübt. Der Bund hat die Ausübung seiner Befugnisse zur Entscheidung über eingehende Ersuchen auf der Grundlage von § 74 Abs. 2 IRG teilweise auf die Länder übertragen, die ihrerseits die Befugnisse auf ihre nachgeordneten Behörden delegieren können (vgl. die am 1. Mai 2004 in Kraft getretene Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Landesregierungen über die Zuständigkeit im Rechtshilfeverkehr mit dem Ausland in strafrechtlichen Angelegenheiten vom 28. April 2004, Bundesanzeiger 2004, S. 11494). In dieser Regelung kommt zum Ausdruck, dass Auslieferungen als Teil der auswärtigen Beziehungen einzuordnen sind, für die der Bund gemäß Art. 32 Abs. 1 GG die ausschließliche Zuständigkeit hat (vgl. BVerfGE 96, 100 <117>).
Aus der historisch begründeten Zweiteilung des deutschen Auslieferungsverfahrens in das Zulässigkeits- und das Bewilligungsverfahren folgte bislang eine Unterscheidung im Hinblick auf die Funktion der beiden Verfahrensstadien und die damit einhergehenden Rechtsschutzmöglichkeiten des Verfolgten. Das Zulässigkeitsverfahren diente und dient in der hergebrachten Zweiteilung dem präventiven Rechtsschutz des Verfolgten, während das Bewilligungsverfahren die Berücksichtigung außen- und allgemeinpolitischer Aspekte des jeweiligen Falles ermöglichen soll. Daher war die gerichtliche Anfechtung der Bewilligungsentscheidung in der Praxis nicht möglich und wurde auch in der Literatur überwiegend abgelehnt (vgl. Vogler, Auslieferungsrecht und Grundgesetz, 1970, S. 306 ff. m.w.N.; ders., in: Grützner/Pötz, Internationaler Rechtshilfeverkehr in Strafsachen, 2. Aufl. 2004, § 12 Rn. 20 ff.; ferner BVerfGE 63, 215 <226>).
b) Das Europäische Haftbefehlsgesetz hat das Bewilligungsverfahren bei Auslieferungen in Mitgliedstaaten der Europäischen Union um Ermessenstatbestände erweitert (aa), die dem Schutz des Verfolgten dienen und deshalb der Rechtsschutzgarantie unterworfen sind (bb). Ein effektiver Rechtsschutz setzt zwingend voraus, dass die Auslieferungsunterlagen vollständig vorliegen (cc).
aa) Durch die Änderung von Art. 16 Abs. 2 GG und das Inkrafttreten des Europäischen Haftbefehlsgesetzes haben sich die rechtlichen Rahmenbedingungen für Auslieferungen in Mitgliedstaaten der Europäischen Union grundlegend verändert. Im Grundsatz gilt nunmehr, dass zulässige Ersuchen von Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf Auslieferung oder Durchlieferung nur abgelehnt werden können, soweit dies im achten Teil des Gesetzes über die Internationale Rechtshilfe in Strafsachen vorgesehen ist (vgl. § 79 Satz 1 IRG). Durch diese Grundregel wird das im klassischen Auslieferungsrecht dem ersuchten Staat zustehende weite Ermessen prinzipiell beseitigt und das Verfahren - wie vom zu Grunde liegenden Europäischen Rahmenbeschluss beabsichtigt - über die schon zuvor bestehenden vertraglichen Bindungen hinaus verrechtlicht. Das Auslieferungsersuchen kann nur noch unter den ausdrücklich im nationalen Gesetz genannten Gründen verweigert werden, die ihrerseits den Zielvorgaben des Rahmenbeschlusses entsprechen müssen.
Das Europäische Haftbefehlsgesetz versucht, den grundrechtlich geschützten Interessen der Bürger durch die teilweise Übernahme der im Rahmenbeschluss vorgesehenen Gründe, aus denen die Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls abgelehnt werden kann (vgl. Art. 4 RbEuHb), Rechnung zu tragen. Der Rahmenbeschluss hat den Mitgliedstaaten der Europäischen Union dabei einen Spielraum gegeben, die in Art. 4 des Rahmenbeschlusses aufgezählten Ablehnungsgründe als fakultative oder obligatorische Auslieferungshindernisse im nationalen Recht zu konkretisieren. Der deutsche Gesetzgeber hat sich bei der Umsetzung von Art. 4 im Wesentlichen für eine Ermessenslösung entschieden (vgl. § 83b IRG: "Die Bewilligung der Auslieferung kann abgelehnt werden, wenn [ ]") und sie gleichzeitig zu einem Bestandteil des Bewilligungsverfahrens gemacht. § 83b IRG nennt insgesamt fünf verschiedene Sachverhaltskonstellationen, die die Ablehnung eines Auslieferungsersuchens tragen können. In der Gesetzesbegründung zu § 83b IRG heißt es, dass die Entscheidung über das Vorliegen von Bewilligungshindernissen im Einzelfall von der Bewilligungsbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen mit einem weiten, auch außenpolitischen Gründen zugänglichen Spielraum getroffen werde. Die Bewilligungsbehörde könne Bewilligungshindernisse durch die Stellung von Bedingungen beseitigen, so dass alle Umstände des Einzelfalles angemessen berücksichtigt werden könnten (BTDrucks 15/1718, S. 15).
bb) Die Ergänzung des Bewilligungsverfahrens um benannte Ablehnungsgründe führt dazu, dass die Bewilligungsbehörde bei Auslieferungen in einen Mitgliedstaat der Europäischen Union nicht mehr nur über unbenannte außen- und allgemeinpolitische Aspekte des Auslieferungsersuchens entscheidet, sondern in einen Abwägungsprozess eintreten muss, der insbesondere die Strafverfolgung im Heimatstaat zum Gegenstand hat. Folglich wird den zuständigen deutschen Behörden einerseits ein Beurteilungs- und Ermessensspielraum zugewiesen, während andererseits zugleich eine verfassungsrechtlich begründete Schutzpflicht gegenüber deutschen Staatsangehörigen besteht. Diese Verrechtlichung der Bewilligung einer Auslieferung in einen Mitgliedstaat der Europäischen Union erfüllt bereits die Voraussetzungen des Art. 19 Abs. 4 GG. Die bei der Bewilligung zu treffende Abwägungsentscheidung dient dem Schutz der Grundrechte des Verfolgten und darf richterlicher Überprüfung nicht entzogen werden. Die Prüfung, ob die dem Ersuchen zu Grunde liegende Tat nach dem Recht des ersuchenden Mitgliedstaates mit lebenslanger Freiheitsstrafe oder einer sonstigen lebenslangen freiheitsentziehenden Sanktion bedroht ist oder der Verfolgte zu einer solchen Strafe verurteilt worden war und eine Überprüfung der Vollstreckung der verhängten Strafe oder Sanktion auf Antrag oder von Amts wegen nicht spätestens nach 20 Jahren erfolgt (§ 83b Nr. 4 IRG), ist keine Frage außenpolitischer Beurteilungsfreiheit, sondern eine, die in gravierender Weise den Grundrechtsschutz des Verfolgten bis hin zur Garantie der Menschenwürde betrifft. Soweit der Gesetzgeber im Hinblick auf den Schutz eigener Staatsbürger von Verfassungs wegen weitere Tatbestände regeln muss, die bei einer Entscheidung über die Auslieferung zu berücksichtigen sind, fordert Art. 19 Abs. 4 GG ebenfalls, dass die Auslieferungsentscheidung insoweit gerichtlich überprüfbar ist.
Dass auch der Gesetzgeber die subjektivrechtliche Bedeutung der Bewilligungsentscheidung erkannt hat, zeigt sich daran, dass die Bewilligungsentscheidung zu begründen ist (vgl. § 79 Satz 2 IRG). Diese Regelung, die in der Fassung des Gesetzes über die Internationale Rechtshilfe vor dem Inkrafttreten des Europäischen Haftbefehlsgesetzes nicht enthalten war, ist erst im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens dahingehend ausgestaltet worden, dass nicht nur der ersuchende Staat wie ursprünglich vorgesehen , sondern auch der Verfolgte eine Begründung erhält. Die Regelung verpflichtet dazu, dem Verfolgten die begründete Bewilligungsentscheidung zur Kenntnis zu geben, so dass weitere Kriterien erfüllt sind, die Bewilligung als klassischen Verwaltungsakt einzuordnen (vgl. § 41 Abs. 1 VwVfG), der der Überprüfung durch die rechtsprechende Gewalt unterliegt.
cc) Zur gebotenen Effektivität des Rechtsschutzes gehört auch, dass die Auslieferungsunterlagen oder ein ihnen gleichstehender Europäischer Haftbefehl eine den betroffenen Grundrechten angemessene gerichtliche Überprüfung erlauben. Damit unvereinbar ist, dass § 83a IRG zwar auf die Auslieferungsunterlagen Bezug nimmt und für den Europäischen Haftbefehl bestimmte Mindestangaben formuliert, aber deren vollständiges Vorliegen anders als § 10 IRG für herkömmliche Auslieferungsverfahren - nicht zu einer zwingenden Voraussetzung der Zulässigkeitsentscheidung macht. Die Ausgestaltung des § 83a Abs. 1 IRG als Soll-Vorschrift hat bereits in der kurzen Zeit nach dem Inkrafttreten des Europäischen Haftbefehlsgesetzes dazu geführt, dass die Vollständigkeit der Auslieferungsunterlagen in konkreten Auslieferungsverfahren unter Hinweis auf den Gesetzeswortlaut als für die Zulässigkeit eines Ersuchens entbehrlich angesehen wurde (siehe OLG Stuttgart, Beschluss vom 7. September 2004 - 3 Ausl. 80/04 -, NJW 2004, S. 3437 <3438>; vgl. auch Seitz, a.a.O., S. 546 <548>). Die Abweichung von der zwingenden Formulierung des § 10 IRG lässt sich auch nicht damit rechtfertigen, dass ein "Sollen" regelmäßig eine Rechtsbindung erzeugt, aber bei Vorliegen besonderer Umstände ein Abweichen erlaubt. Für einen effektiven Schutz des Grundrechts aus Art. 16 Abs. 2 GG müsste dann der Gesetzgeber klarstellen, wann solche Umstände gegeben sind.
II.
Das Europäische Haftbefehlsgesetz ist nichtig (§ 95 Abs. 3 Satz 2 BVerfGG); eine verfassungskonforme Auslegung oder die Feststellung einer Teilnichtigkeit scheiden aus, weil der deutsche Gesetzgeber in normativer Freiheit unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Maßstäbe erneut über die Ausübung des qualifizierten Gesetzesvorbehalts in Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG entscheiden können muss (1.). Solange der Gesetzgeber kein neues Ausführungsgesetz zu Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG erlässt, ist die Auslieferung eines deutschen Staatsangehörigen an einen Mitgliedstaat der Europäischen Union unzulässig (2.).
1. Die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Auslieferung Deutscher sowie die Grundsätze der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit gebieten es, dass das Ausführungsgesetz zu Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG aus sich heraus verständlich ist und die Auslieferungsentscheidungen hinreichend vorherbestimmt. Die verfassungsrechtlich gebotene Konkretisierung bedarf einer Abbildung im Gesetzestext, die durch eine verfassungskonforme Auslegung des Europäischen Haftbefehlsgesetzes oder dessen Teilnichtigkeit nicht erreichbar ist.
Der Gesetzgeber wird die Gründe für die Unzulässigkeit der Auslieferung Deutscher neu zu fassen haben und die Einzelfallentscheidung über die Auslieferung als abwägenden Vorgang der Rechtsanwendung ausgestalten. Das primäre Unionsrecht thematisiert zwar mit Art. 6 EU die Frage der Homogenität der Strukturen zwischen den Mitgliedstaaten. Die bloße Existenz dieser Vorschrift, eines die Strukturprinzipien absichernden Sanktionsmechanismus (Art. 7 EU), und eines gesamteuropäischen Standards des Menschenrechtsschutzes durch die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten rechtfertigen aber nicht die Annahme, dass die rechtsstaatlichen Strukturen unter den Mitgliedstaaten der Europäischen Union materiell synchronisiert sind und eine entsprechende nationale Einzelfallprüfung deshalb überflüssig ist. Insoweit kann durch das Inkraftsetzen eines strikten Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung und der damit verbundenen weitgehenden gegenseitigen Vertrauensbekundung der Staaten untereinander die verfassungsrechtliche Gewährleistung der Grundrechte nicht eingeschränkt werden (vgl. dazu auch Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, - Waite und Kennedy, NJW 1999, S. 1173 <1175>; Matthews, NJW 1999, S. 3107 <3108>).
Des Weiteren sind Änderungen bei der Ausgestaltung der Bewilligungsentscheidung und ihres Verhältnisses zur Zulässigkeit notwendig. Der Ausschluss der Anfechtbarkeit der Bewilligungsentscheidung (§ 74b IRG) ist eine zentrale Vorschrift des Gesetzes, die stellvertretend für die Gesamtkonzeption des zweistufigen deutschen Auslieferungsverfahrens steht. Es war der erklärte Wille des Gesetzgebers, den Rahmenbeschluss unter Beibehaltung der bestehenden Struktur des deutschen Auslieferungsrechts umzusetzen. Die Anreicherung des Bewilligungsverfahrens um weitere ermessensgebundene Tatbestände führt zu einer qualitativen Veränderung der Bewilligung, die mit einer Rechtsschutzmöglichkeit verbunden werden muss.
Ist die Bewilligungsentscheidung zumindest bei der Auslieferung Deutscher anfechtbar, muss der Gesetzgeber über die Konzeption der Auslieferung an Mitgliedstaaten der Europäischen Union erneut eine Grundentscheidung treffen, die möglicherweise auch zu einer Veränderung des Auslieferungsrechts im Verhältnis zu Drittstaaten führen könnte. So ist etwa die Frage des Rechtswegs zu klären, weil für die Anfechtung eines Verwaltungsaktes grundsätzlich der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet ist (§ 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO), es sei denn, der Gesetzgeber nimmt eine Sonderzuweisung vor, wie dies im klassischen Auslieferungsverfahren mit der sachlichen Alleinzuständigkeit nach § 13 IRG der Fall ist.
Ferner könnte bei gerichtlicher Anfechtbarkeit der Bewilligungsentscheidung der Grund dafür entfallen, auf präventiven Rechtsschutz durch ein Zulässigkeitsverfahren zurückzugreifen. Der Gesetzgeber könnte deshalb zu dem Ergebnis kommen, das Auslieferungsverfahren zu einem herkömmlichen Verwaltungsverfahren mit nachgelagertem Rechtsschutz umzugestalten.
Der Teilverzicht auf den Grundsatz der beiderseitigen Strafbarkeit (§ 81 Nr. 4 IRG) ist ebenfalls eine zentrale Grundentscheidung des Gesetzgebers, die allerdings durch den Rahmenbeschluss vorgegeben ist. Es kann offen bleiben, ob es mit dem gebotenen grundrechtlichen Schutzniveau vereinbar ist, nicht die Entscheidung eines Mitgliedstaates für die Straffreiheit einer Handlung, sondern umgekehrt die Entscheidung für die Strafbarkeit zur maßgeblichen Grundlage des Mechanismus der gegenseitigen Anerkennung zu machen. Denn darauf kommt es jedenfalls für Fälle mit Inlandsbezug nicht an, weil der Gesetzgeber den Rahmenbeschluss entsprechend den verfassungsrechtlichen Vorgaben umsetzen kann.
2. Solange der Gesetzgeber kein neues Ausführungsgesetz zu Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG erlässt, ist die Auslieferung eines deutschen Staatsangehörigen an einen Mitgliedstaat der Europäischen Union nicht möglich. Im Übrigen können Auslieferungen auf der Grundlage des Gesetzes über die Internationale Rechtshilfe in Strafsachen in der Fassung vor dem Inkrafttreten des Europäischen Haftbefehlsgesetzes erfolgen.
III.
Der Beschluss des Oberlandesgerichts (1.) und die Bewilligungsentscheidung der Freien und Hansestadt Hamburg (2.) beruhen auf einem verfassungswidrigen Gesetz und sind deshalb aufzuheben (§ 95 Abs. 3 Satz 2 BVerfGG).
1. Der Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 23. November 2004 ist auf der Grundlage eines verfassungswidrigen Gesetzes ergangen und kann schon deshalb keinen Bestand haben.
2. Auch die Bewilligungsentscheidung beruht auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage und ist bereits aus diesem Grund aufzuheben.
Die Bewilligungsbehörde hat das ihr zustehende Ermessen im Übrigen fehlerhaft ausgeübt. Sie hat nicht erkannt, dass die Bewilligung der Auslieferung eines deutschen Staatsangehörigen besonderen verfassungsrechtlichen Vorgaben unterliegt, die bei der Prüfung der Bewilligungshindernisse des § 83b IRG und bei der Frage der Rücküberstellung nach § 80 Abs. 1 IRG in den Abwägungsprozess einbezogen werden müssen. So hat sie zwar die Bewilligung mit der Bedingung verknüpft, dass die spanischen Behörden die Rücküberstellung nach einer Verurteilung anbieten werden, die Frage, ob eine solche Vollstreckungshilfe nach dem deutschen Recht überhaupt zulässig ist, jedoch nicht weiter erörtert.
Darüber hinaus wird in der Bewilligung angegeben, dass der Generalbundesanwalt gegen die Auslieferung des Beschwerdeführers in Anbetracht des deutschen strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens keine Einwände erhebe. Der Generalbundesanwalt hat in seinem Schreiben lediglich den Stand der Ermittlungen gegen den Beschwerdeführer zusammengefasst und darauf hingewiesen, dass die Ermittlungen wegen Verstoßes gegen § 129a StGB noch nicht abgeschlossen seien.
Der Schutz deutscher Staatsangehöriger gebietet es, die Durchführung eines innerstaatlichen strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens bei der Entscheidung über die Bewilligung der Auslieferung jedenfalls zu berücksichtigen. Dabei werden strafrechtliche Ermittlungen in Deutschland mit einem entsprechenden Inlandsbezug der vorgeworfenen Tathandlung regelmäßig dazu führen, dass ein Bewilligungshindernis vorliegt; insoweit verdichtet sich das Ermessen der Bewilligungsbehörde, und es bedarf besonderer Begründung, aus welchen Gründen einem Auslieferungsersuchen dennoch stattgegeben wird. Die bloße Möglichkeit einer Auslieferung an einen Mitgliedstaat der Europäischen Union ist keine rechtspolitische Option, über die allein nach Gesichtpunkten der Opportunität oder Effektivität der Strafrechtspflege entschieden werden darf.
C.
Die Bundesrepublik Deutschland hat dem Beschwerdeführer gemäß § 34a Abs. 2 BVerfGG seine notwendigen Auslagen aus dem Verfahren der einstweiligen Anordnung und der Verfassungsbeschwerde zu erstatten. Die Pflicht zur Kostentragung trifft im vorliegenden Fall allein den Bund. Die Freie und Hansestadt Hamburg hat zwar die Auslieferung bewilligt, dabei hat sie aber im Wege der Organleihe eine Zuständigkeit des Bundes ausgeübt. Die Bewilligungsentscheidung wurde im vorliegenden Fall im Einvernehmen mit den zuständigen Behörden des Bundes getroffen.
Sowohl die Bewilligungs- als auch die Zulässigkeitsentscheidung beruhen maßgeblich auf den Vorschriften, die durch das vom Bundesgesetzgeber zu verantwortende Europäische Haftbefehlsgesetz in das Auslieferungsrecht eingefügt wurden.
Der Entscheidung der Mehrheit des Senats vermag ich nur insoweit zu folgen, als das Europäische Haftbefehlsgesetz für nichtig erklärt wird, nicht aber in wesentlichen Teilen der Begründung, vor allem nicht im Hinblick auf die ohne jede materielle Einschränkung für zulässig erachtete Auslieferung deutscher Staatsangehöriger bei Straftaten mit maßgeblichem Auslandsbezug.
Das Gesetz über den Europäischen Haftbefehl ist nicht erst wegen des Versagens des Gesetzgebers bei der Umsetzung des Rahmenbeschlusses verfassungswidrig; es ist bereits deshalb nichtig, weil es gegen die in Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG festgelegten Integrationsschranken verstößt. Denn das Grundgesetz öffnet die innerstaatliche Rechtsordnung für das Europäische Gemeinschafts- und Unionsrecht nur insoweit, als die Voraussetzungen des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG, namentlich diejenigen des Subsidiaritätsprinzips, erfüllt sind. Der Gesetzgeber hat dies bei der Umsetzung des Rahmenbeschlusses zu beachten. Schon daran fehlt es.
1. Das Subsidiaritätsprinzip hat nicht nur eine europäische, unions- und gemeinschaftsrechtliche (Art. 2 Abs. 2 EU; Art. 5 Abs. 2 EG), sondern zugleich auch eine nationale Dimension und Bedeutung. Der Integrationsauftrag des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG zielt auf eine europäische Union ab, die demokratischen, rechtsstaatlichen, sozialen und föderativen Grundsätzen entspricht, dem Grundsatz der Subsidiarität verpflichtet ist und einen dem Grundgesetz im Wesentlichen vergleichbaren Grundrechtsschutz gewährleistet. Die darin zum Ausdruck kommende Struktursicherungsklausel (vgl. amtliche Begründung, BTDrucks 12/6000, S. 20; Streinz, in: Sachs <Hrsg.>, GG, 3. Aufl. 2003, Art. 23 Rn. 15) entfaltet rechtliche Binnenwirkung. Sie verpflichtet die zuständigen Organe der deutschen Integrationsgewalt, vor allem die Bundesregierung, den Deutschen Bundestag und den Bundesrat, aber letztlich auch jede andere Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Gewalt wahrnimmt, verfassungsrechtlich zur Mitwirkung an der Entwicklung einer Union, die den genannten Strukturprinzipien zu entsprechen hat (vgl. Pernice, in: Dreier <Hrsg.>, GG, Art. 23 Rn. 47).
Das politische Gestaltungsermessen der zuständigen Bundesorgane ist unter einen Maßgabevorbehalt gestellt, der zugleich positiv-richtungsweisend und negativ-grenzziehend wirkt (vgl. Rojahn, in: von Münch/Kunig <Hrsg.>, GG, 5. Aufl. 2001, Art. 23 Rn. 17). Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG ist daher nicht nur Verhaltensnorm und Handlungsmaßstab für das Verhalten der deutschen Regierungsvertreter im Europäischen Rat, sondern zugleich auch Beurteilungsnorm und Urteilsmaßstab zur Kontrolle der Integrationsgewalt im Falle einer verfassungsgerichtlichen Überprüfung (vgl. Rojahn, in: von Münch/Kunig <Hrsg.>, a.a.O., Art. 23 Rn. 19). Das gilt vor allem hinsichtlich seiner schrankensetzenden Funktion (vgl. Streinz, in: Sachs <Hrsg.>, a.a.O., Art. 23 Rn. 38; Rojahn, in: von Münch/Kunig <Hrsg.>, a.a.O., Art. 23 Rn. 19). Als Verfassungsbindungsklausel entfaltet die Vorschrift ihre Bedeutung zwar hauptsächlich bei der Übertragung von Hoheitsrechten; sie gilt aber für alle Formen der Mitwirkung an der Europäischen Union, vor allem auch im Rahmen der "dritten Säule" (vgl. Streinz, in: Sachs <Hrsg.>, a.a.O., Art. 23 Rn. 15, 56, 73 und 82; Geiger, JZ 1996, S. 1093 <1095 f.>; Winkelmann, DVBl 1993, S. 1128 ff.; Rojahn, in: von Münch/Kunig <Hrsg.>, a.a.O., Art. 23 Rn. 25a).
Für sämtliche deutsche Stellen, die zur Mitwirkung an der Entwicklung der Europäischen Union berufen sind, begründet Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG darüber hinaus eine Verfassungspflicht (vgl. BVerfGE 89, 155 <210 f.>), die ebenso wie das Mitwirkungsgebot justiziabel ist (vgl. Pernice, in: Dreier, <Hrsg.>, a.a.O., Art. 23 Rn. 49; Streinz, in: Sachs <Hrsg.>, a.a.O., Art. 23 Rn. 40). Gewahrt ist das Subsidiaritätsprinzip nur dann, wenn ihm sowohl durch den Gesetzgeber als auch durch die vollziehende Gewalt bei der konkreten Rechtsanwendung im Einzelfall Rechnung getragen wird.
2. Der in Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG normierte Grundsatz der Subsidiarität steuert die Kompetenz- und Aufgabenallokation zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten mit einer grundsätzlichen Präferenz für die untere Ebene. Die kleinere und damit bürgernähere soziale Einheit soll den Vorrang genießen (vgl. grundlegend Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, 2. Aufl. 2001, S. 223 ff.; Rojahn, in: von Münch/Kunig <Hrsg.>, a.a.O., Art. 23 Rn. 30). Der jeweils größere Verband tritt erst dann ein, wenn der kleinere, bürgernähere nicht oder weniger wirksam zur Aufgabenbewältigung in der Lage ist (vgl. Pernice, in: Dreier <Hrsg.>, a.a.O., Art. 23 Rn. 71; Rojahn, in: von Münch/Kunig <Hrsg.>, a.a.O., Art. 23 Rn. 30).
Das Prinzip der Subsidiarität zielt damit zugleich auf den Schutz der Autonomie des Individuums; es dient der organisatorischen Absicherung größtmöglicher Freiheit und Selbstverantwortung und trägt darüber hinaus auch dem Angewiesensein jedes Einzelnen auf die Gemeinschaft Rechnung. Es schützt die Kompetenzen der Mitgliedstaaten und gewährleistet das Selbstbestimmungsrecht und die individuelle Freiheit des Einzelnen.
3. Hiervon ausgehend kann eine Auslieferung deutscher Staatsangehöriger an Mitgliedstaaten der Europäischen Union zum Zwecke der Strafverfolgung überhaupt nur dann in Betracht kommen, wenn eine Verwirklichung des staatlichen Strafverfolgungsanspruchs durch die deutsche Justiz aus tatsächlichen, in der Sache nachvollziehbaren und darüber hinaus auch im Einzelfall hinreichend nachgewiesenen Gründen scheitert. Nur in diesem Umfang darf der Gesetzgeber den Rahmenbeschluss über den Europäischen Haftbefehl in innerstaatliches Recht transformieren.
Das abweichend hiervon von der Senatsmehrheit offenbar stillschweigend unterstellte Bedürfnis für eine Strafverfolgung deutscher Staatsangehöriger im Ausland existiert infolge des aktiven Personalitätsprinzips (vgl. § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB) in Verbindung mit dem Grundsatz der stellvertretenden Strafrechtspflege nicht. Vielmehr stellen diese Prinzipien und Grundsätze sicher, dass Strafbarkeitslücken regelmäßig nicht entstehen und im Ausland straffällig gewordene Deutsche auch im Inland verfolgt werden können. Zumindest dies muss auch die Senatsmehrheit einräumen (vgl. B.I.1.a), Umdruck S. 32).
Darüber hinaus ist auch in der mündlichen Verhandlung weder deutlich noch sonst ersichtlich geworden, dass das rechtliche Instrumentarium der Strafverfolgungsbehörden nicht ausreichend oder nicht hinreichend effektiv wäre. Eine Auslieferung deutscher Staatsangehöriger an Mitgliedstaaten der Europäischen Union kommt deshalb unter der Geltung des Grundgesetzes nur insoweit in Betracht, als eine Verwirklichung des staatlichen Strafverfolgungsanspruchs im Inland aus tatsächlichen Gründen, beispielsweise infolge der Unerreichbarkeit von Zeugen oder auf Grund sonstiger besonderer Erschwernisse bei der Beweisaufnahme, im konkreten Einzelfall zum Scheitern verurteilt wäre. Nur dann ist die Leistungsfähigkeit der deutschen Justiz erschöpft und der Weg für eine Aufgabenwahrnehmung durch die nächsthöhere Ebene die Mitgliedstaaten der Europäischen Union frei.
4. Demgegenüber vermag die Auffassung der Senatsmehrheit, die mit Recht eine aus der Staatsangehörigkeit abgeleitete Schutzpflicht postuliert, diese jedoch sogleich für den Hauptanwendungsfall des Europäischen Haftbefehls die Straftaten mit maßgeblichem Auslandsbezug ohne verfassungsrechtliche Legitimation wieder zurücknimmt und dadurch eine Auslieferung deutscher Staatsangehöriger in großem Umfang erst ermöglicht, nicht zu überzeugen. Auch die Justiziabilität der Bewilligung allein bewirkt keinen ausreichenden Schutz. Vielmehr ist das Vertrauen des Verfolgten in die eigene Rechtsordnung sowohl von Art. 16 Abs. 2 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip als auch durch das Subsidiaritätsprinzip (Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG) gerade auch dann in besonderer Weise geschützt, wenn die dem Auslieferungsersuchen zu Grunde liegende Handlung maßgeblichen Auslandsbezug aufweist. Vor allem hier müssen sich die Schutzpflicht des Staates und der Grundsatz der Subsidiarität beweisen - nicht erst bei Straftaten mit maßgeblichem Inlandsbezug, wie die Senatsmehrheit meint.
Anstatt den Schutzauftrag der Verfassung mit Leben zu erfüllen, gibt der Senat den Bürgerinnen und Bürgern Steine statt Brot. Zugleich verletzt er die im Rechtsstaatsprinzip wurzelnde Unschuldsvermutung, indem er apodiktisch feststellt, wer sich in verbrecherische Strukturen einbinde, könne sich auf den Schutz der Staatsangehörigkeit bei Auslieferung nicht in vollem Umfang berufen (vgl. B.I.1.c)cc), Umdruck S. 43). Ob dies der Fall ist, steht jedoch im Zeitpunkt der Auslieferung weder fest noch wird dies überhaupt geprüft. Vielmehr haben die Betroffenen bis zum Beweis des Gegenteils für jede Form staatlicher Gewalt als unschuldig zu gelten.
Die Unschuldsvermutung als besondere Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 3 GG) schützt den Beschuldigten vor sämtlichen Nachteilen, die einem Schuldspruch oder einer Strafe gleichkommen, denen aber kein rechtsstaatliches prozessordnungsgemäßes Verfahren zur Schuldfeststellung vorausgegangen ist (vgl. BVerfGE 74, 358 <371>; 82, 106 <115>). Vor allem verbietet sie es, ohne gesetzlichen, prozessordnungsgemäßen Schuldnachweis Maßnahmen gegen einen Beschuldigten zu treffen, die in ihrer Wirkung einer Strafe gleichkommen, und ihn verfahrensbezogen als schuldig zu behandeln. Darüber hinaus verlangt die Unschuldsvermutung den rechtskräftigen Nachweis der Schuld, bevor dem Verurteilten diese im Rechtsverkehr allgemein entgegengehalten werden darf (vgl. BVerfGE 19, 342 <347>; 35, 311 <320>; 74, 358 <371>). Denn erst eine durchgeführte Hauptverhandlung versetzt den Richter in den Stand, sich eine Überzeugung zur Schuldfrage zu bilden. Nur diese schafft die prozessualen Voraussetzungen dafür, überhaupt Feststellungen zur Schuld zu treffen und die Unschuldsvermutung gegebenenfalls zu widerlegen (vgl. BVerfGE 74, 358 <373>).
Dieser Feststellung greift die Senatsmehrheit in rechtsstaatswidriger Weise vor, indem sie die Verfolgten für das Ausliefungsverfahren wie Schuldige behandelt und sich dadurch zugleich der verfassungsrechtlichen Verpflichtung entzieht, die aus der Staatsangehörigkeit folgenden Schutzpflichten in gleicher Weise auch auf die von ihr gebildete Fallgruppe der Straftaten mit maßgeblichem Auslandsbezug zu erstrecken.
5. Infolge der Nichtigerklärung des Gesetzes über den Europäischen Haftbefehl werden die Abgeordneten des Deutschen Bundestages, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen (vgl. Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG), nunmehr in völliger normativer Freiheit Gelegenheit haben, ihrer Verfassungspflicht (vgl. BVerfGE 89, 155 <210 f.>) zu genügen und den Anforderungen des Subsidiaritätsprinzips (Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG) Rechnung zu tragen. Der Gesetzgeber hat den Rahmenbeschluss - sofern er sich hierzu überhaupt noch entschließen sollte - nicht nur dergestalt umzusetzen, dass die Einschränkung des Grundrechts auf Auslieferungsfreiheit verhältnismäßig ist - an sich eine pure Selbstverständlichkeit, die einer Erwähnung nicht bedurft hätte -; er muss vielmehr auch den Grundsatz der Subsidiarität (Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG) in der hier dargelegten Weise beachten.
6. Verletzungen des Subsidiaritätsprinzips durch einfachgesetzliche Normen hat das Bundesverfassungsgericht unter dem Gesichtspunkt des Verstoßes gegen höherrangiges Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) bereits von Amts wegen zu prüfen. Dessen ungeachtet hat das Subsidiaritätsprinzip aber nicht nur objektiv-rechtlichen, sondern zugleich auch subjektiv-rechtlichen Gehalt. Insoweit ist der enge sachliche Zusammenhang mit Art. 38 GG zu sehen. Diese Vorschrift schließt es im Anwendungsbereich des Art. 23 GG aus, die durch Wahl bewirkte Legitimation von Staatsgewalt und Einflussnahme auf deren Ausübung durch die Verlagerung von Aufgaben und Befugnissen des Deutschen Bundestages so zu entleeren oder faktisch zu binden und vorzuformen, dass das demokratische Prinzip verletzt wird (vgl. BVerfGE 89, 155 <172>).
Das Recht eines jeden Deutschen aus Art. 38 GG auf effektive Teilhabe an der Ausübung staatlicher Gewalt kann demnach verletzt sein, wenn die Wahrnehmung der Kompetenzen des Deutschen Bundestages so weitgehend auf ein von den Regierungen gebildetes Organ der Europäischen Union übergeht oder von ihm faktisch vorgeprägt wird, dass die nach Art. 20 Abs. 1 und 2 GG in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG unverzichtbaren Mindestanforderungen demokratischer Legitimation der dem Bürger gegenübertretenden Hoheitsgewalt nicht mehr erfüllt werden (vgl. BVerfGE 89, 155 <172>). Dem Deutschen Bundestag müssen deshalb Aufgaben und Befugnisse von substanziellem Gewicht verbleiben (vgl. BVerfGE 89, 155 <186>). Dies sicherzustellen ist zugleich eine der primären Aufgaben des Subsidiaritätsprinzips. Sein individualschützender Charakter kann deshalb mit der Verfassungsbeschwerde geltend gemacht werden (vgl. Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG).
7. Aus dem Subsidiaritätsprinzip (Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG) erwächst dem Gesetzgeber zugleich auch die bislang allerdings kaum beachtete Verpflichtung, den "Integrationsmehrwert" eines Gesetzgebungsvorhabens im Bereich der "dritten Säule" der Europäischen Union nachvollziehbar zu begründen. Rechtfertigungsbedürftig ist vor allem, dass und gegebenenfalls inwieweit eine zum Regelungsgegenstand erhobene Aufgabe hier die Auslieferung Deutscher zum Zwecke der Strafverfolgung an Mitgliedstaaten der Europäischen Union die Leistungsfähigkeit der Justiz von Bund und Ländern übersteigt und nur auf Unionsebene - durch Auslieferung - effektiv zu bewältigen ist (vgl. hierzu Pernice, in: Dreier <Hrsg.>, a.a.O., Art. 23 Rn. 73; Rojahn, in: von Münch/Kunig <Hrsg.>, a.a.O., Art. 23 Rn. 33).
Die Ausführungen des Gesetzgebers zu einem gegebenenfalls neu zu erlassenden Europäischen Haftbefehlsgesetz werden insoweit der kritischen Prüfung und Begleitung bedürfen. Nach der hier vertretenen Ansicht kann eine rechtlich tragfähige Darlegung des "Integrationsmehrwerts" nur gelingen, wenn der Gesetzgeber die Auslieferung deutscher Staatsangehöriger zum Zwecke der Strafverfolgung strikt auf jene Fallkonstellationen beschränkt, in denen eine Strafverfolgung im Inland über die von der Senatsmehrheit mit Recht vorgesehenen Einschränkungen hinaus aus im Einzelfall nachgewiesenen Gründen tatsächlich scheitert.
8. Durch eine solche dem Subsidiaritätsprinzip Rechnung tragende Umsetzung des Rahmenbeschlusses setzt sich der Gesetzgeber auch nicht in Widerspruch zu europarechtlichen Vorgaben. Art. 4 Nrn. 2 u. 3 des Rahmenbeschlusses erlauben es ausdrücklich, die Auslieferung zu verweigern, wenn wegen derselben Handlung, auf Grund deren der Europäische Haftbefehl ausgestellt worden ist, eine strafrechtliche Verfolgung durch den "Vollstreckungsmitgliedstaat" stattfindet (Art. 4 Nr. 2 RbEuHb) oder die Ermittlungsbehörden beschlossen haben, wegen der Straftat, auf Grund deren der Europäische Haftbefehl ausgestellt worden ist, kein Verfahren einzuleiten oder dieses einzustellen (Art. 4 Nr. 3 RbEuHb). Dies hat auch die Senatsmehrheit festgestellt (vgl. B.I.1.d)bb), Umdruck S. 47 f.). Zu Recht hat sie darüber hinaus die Befugnis der Legislativorgane der Mitgliedstaaten betont, die Umsetzung des Rahmenbeschlusses notfalls auch zu verweigern (vgl. B.I.1.c)bb), Umdruck S. 40).
9. Umso mehr überrascht es, dass die Senatsmehrheit es trotz der unter Bezugnahme auf die Staatsangehörigkeit statuierten Schutzpflichten in Verkennung von Bedeutung und Tragweite nicht nur des Grundsatzes der Subsidiarität (Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG), sondern auch des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (Art. 20 Abs. 3 GG) - für statthaft erachtet, bei Straftaten mit maßgeblichem Auslandsbezug eine Auslieferung deutscher Staatsangehöriger ohne jede materielle Einschränkung vorzusehen. Ein solches, die Unschuldsvermutung und damit eine tragende Säule des Rechtsstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 3 GG) konterkarierendes Vorgehen bleibt unverständlich.
Gleichwohl ist der Gesetzgeber nicht gehindert, von der hier kritisierten Rechtsauffassung keinen Gebrauch zu machen und die ihm zu Gebote stehenden Handlungsspielräume im Interesse der ihm anvertrauten Bürgerinnen und Bürger zu nutzen, die für ihn bis zum Beweis des Gegenteils als unschuldig und damit als uneingeschränkt schutzwürdig zu gelten haben.
Ich teile die Auffassung der Senatsmehrheit, dass der deutsche Gesetzgeber mit dem Erlass des Europäischen Haftbefehlsgesetzes den Grundrechten potentiell Betroffener nicht hinreichend Rechnung getragen hat, kann aber weiten Teilen der Begründung (1. - 5.) und dem Rechtsfolgenausspruch (6.) nicht folgen. Die verfassungsrechtlichen Mängel des Europäischen Haftbefehlsgesetzes rechtfertigen es nicht, das Gesetz für insgesamt nichtig zu erklären.
1. Grundlage des eingeschränkten - Verbots der Auslieferung Deutscher ist Art. 16 Abs. 2 Satz 1 GG. Der Versuch, es in höheren (quasi naturrechtlichen), tieferen (historischen) und weiteren (völkerrechtlichen) Sphären zu verankern, führt in die Irre.
a) Der Grundsatz, dass eigene Staatsangehörige nicht ausgeliefert werden, lässt sich weder aus der Natur der "Beziehung des Bürgers zu einem freiheitlichen demokratischen Gemeinwesen" ableiten noch gibt es eine "seit der französischen Revolution gemeineuropäische Überzeugung", die ihn stützte. Unter anderem in Staaten des angelsächsischen Rechtskreises, denen wir Freiheit und Demokratie verdanken, gilt dieser Grundsatz nicht (s. dazu bereits BVerfGE 4, 299 <303 f.>; für weitere rechtsvergleichende Hinweise Masing, in: Dreier, GG, Bd. 1, 2. Aufl. 2004, Rn. 37 zu Art. 16 GG). Anders als das Verbot der Entziehung der deutschen Staatsangehörigkeit (Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG) gründet der in Art. 16 Abs. 2 GG verankerte Grundsatz der Nichtauslieferung Deutscher auch nicht in Erfahrungen nationalsozialistischen Unrechts. Er findet sich schon in der Weimarer Reichsverfassung (Art. 112 Abs. 3 WRV) und geht auf eine wesentlich ältere Tradition zurück (vgl. Masing, ebd. Rn. 8, m.w.N.). Schließlich kann auch davon, dass das Vertrauen der Bürger in den gesicherten Aufenthalt auf dem Gebiet ihres Heimatstaates in der hier interessierenden Hinsicht völkerrechtlich geschützt wäre, keine Rede sein. Die völkerrechtliche Pflicht der Staaten, ihre eigenen Staatsangehörigen aufzunehmen, auf die der Senat verweist, hat nicht den Hauch eines Gehalts, der die Auslieferung eigener Staatsangehöriger an einen darum ersuchenden Staat verböte oder beschränkte.
Einen hohen Rang hat der grundrechtliche Schutz Deutscher vor Auslieferung demnach nicht deshalb, weil das Grundrecht seine Wurzeln in den angeführten außer- oder vorverfassungsrechtlichen Sachgesetzlichkeiten, Verbindlichkeiten oder historisch begründeten besonderen Verantwortlichkeiten hätte, sondern aufgrund seiner besonderen Ausgestaltung in Art. 16 Abs. 2 GG und weil das geschützte Interesse seiner lebensweltlichen Bedeutung nach schwer wiegt. Dass der Senat demgegenüber das Gewicht des Auslieferungseingriffs allein an Gesichtspunkten festmacht, die nur für das Grundrecht aus Art. 16 Abs. 2 GG gelten sollen, ist geeignet, Missverständnisse in Bezug auf die grundrechtliche Rechtsstellung Nichtdeutscher zu erzeugen. Die Auslieferung und die damit verbundene Inhaftierung greifen in Grundrechte nicht nur dann ein, wenn Deutsche betroffen sind. Auch Ausländer können - in ihren Rechten aus Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG - mit gleicher Härte betroffen und nach Abwägung mit anderen Belangen schutzwürdig sein, wenn sie seit langem in Deutschland leben oder sogar hier geboren und aufgewachsen sind (vgl. die einfachgesetzliche Regelung in § 80 Abs. 3 IRG, die sich nicht in einem grundrechtlich gleichgültigen Raum bewegt).
b) Dass mit der Aufnahme des Art. 16 Abs. 2 Satz 2 in das Grundgesetz die in Art. 79 Abs. 3 GG statuierten Grenzen möglicher Verfassungsänderung überschritten worden sein könnten, ist, wenn man auf in der Verfassung nicht angelegte Überhöhungen des Verbots der Auslieferung eigener Staatsangehöriger verzichtet, ein fernliegender Gedanke. Will man in diesem Zusammenhang ernsthaft feststellen, ob der verfassungsändernde Gesetzgeber mit der Eröffnung der Möglichkeit, unter bestimmten Voraussetzungen auch Deutsche auszuliefern, eine "Entstaatlichung der vom Grundgesetz verfassten Rechtsordnung" bewirkt oder dafür eine unzulässige Ursache gesetzt hat, dann lässt sich eine solche Feststellung jedenfalls nicht mit Ausführungen zur Bedeutung der Unionsbürgerschaft und zur Reichweite des gemeinschaftsrechtlichen Verbots der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit (Art. 12 Abs. 1 EG) begründen.
Es versteht sich, dass das Verbot der Diskriminierung nach Staatsangehörigkeit in seinem Geltungsbereich begrenzt ist (vgl. Wortlaut des Art. 12 Abs. 1 EG) und begrenzt bleiben muss, wenn es nicht auf die Aufhebung der mitgliedstaatlichen Staatsangehörigkeiten und damit auf die Auflösung der Mitgliedstaaten hinauslaufen soll. Mit der Frage, ob es wegen unzulässiger Entstaatlichung gegen Art. 79 Abs. 3 GG verstößt, dass Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG die Auslieferung deutscher Staatsangehöriger ermöglicht, hat dies aber nichts zu tun. Enthielte der EG-Vertrag ein Diskriminierungsverbot, das die mitgliedstaatlichen Staatsangehörigkeiten ihrer Substanz beraubt, dann lägedarin das Entstaatlichungsproblem, nicht in Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG. Die Auskunft, das Diskriminierungsverbot gelte, dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung folgend, nur für bestimmte vertraglich festgelegte Ziele, weicht zudem vom auslegungsbedürftigen - Wortlaut des Art. 12 Abs. 1 EG in schwer verständlicher Weise ab. Für die fallabgehobene Aussendung dunkler Signale an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, der diese Bestimmung kürzlich eher extensiv angewandt hat (vgl. EuGH, Urteil vom 15. März 2005 - C-209/03 -, EuZW 2005, S. 276 ff.), sollten Urteile des Bundesverfassungsgerichts nicht zur Verfügung stehen.
2. Um ein undeutliches Signal handelt es sich auch bei der Feststellung, die in der "Dritten Säule" der Europäischen Union praktizierte "Zusammenarbeit einer begrenzten gegenseitigen Anerkennung, die keine allgemeine Harmonisierung der mitgliedstaatlichen Strafrechtsordnungen vorsieht", sei "gerade auch mit Blick auf den Grundsatz der Subsidiarität (Art. 23 Abs. 1 GG) ein Weg, um die nationale Identität und Staatlichkeit in einem einheitlichen europäischen Rechtsraum zu wahren." Soweit dieses Signal sich gegen eine allgemeine Harmonisierung der mitgliedstaatlichen Strafrechtsordnungen richtet, ist es schon deshalb überflüssig, weil an eineallgemeine Harmonisierung der mitgliedstaatlichen Strafrechtsordnungen niemand denkt; nach geltendem Recht verbietet sie sich nicht erst subsidiaritätshalber, sondern schon weil der EU-Vertrag (Art. 29, 34 EU) dafür keine Kompetenzgrundlage bietet.
Zu widersprechen ist dagegen, soweit darüber hinaus angedeutet wird, dass der Weg gegenseitiger Anerkennung von Haftbefehlen unter Verzicht auf das Erfordernis gegenseitiger Strafbarkeit aus Subsidiaritätsgründen vorzugswürdig und damit auch unionsrechtlich (Art. 2 Abs. 2 EU) verbindlich vorzuziehen sei gegenüber Lösungen, die die gegenseitige Strafbarkeit durch materielle Harmonisierung des Strafrechts sicherstellen. Abgesehen davon, dass keine dieser in der mündlichen Verhandlung erörterten Alternativen das unionsrechtliche System des Europäischen Haftbefehls trifft: Dem Subsidiaritätsprinzip als einer flexiblenKompetenzzuordnungsregel lassen sich nach meiner Auffassung derartige Maßgaben für die Auswahl zwischen funktionsgleichen alternativen Regelungsinhalten nicht entnehmen. Kompetenzielle und inhaltliche Vorgaben des Verfassungs- und des Unionsrechts Vorgaben bezüglich der Zuständigkeit für bestimmte Regelungsgegenstände und Vorgaben bezüglich der Zulässigkeit bestimmter Regelungsinhalte müssen, auch wenn das in Grenzfällen Schwierigkeiten bereiten kann, möglichst klar voneinander getrennt werden (vgl. bereits abweichende Meinung zu BVerfGE 111, 226, dort S. 278 f.). Wird dem Subsidiaritätsprinzip Herrschaft auch über die Auswahl zwischen inhaltlichen Regelungsalternativen zugeschrieben, die die Grundrechte Betroffener in unterschiedlicher Intensität berühren können, kann das unter anderem dazu führen, dass der Gesichtspunkt der Kompetenzschonung den Gesichtspunkt der Grundrechtsschonung verdrängt.
3. Gang und Ergebnisse der Verhältnismäßigkeitsprüfung, die der Senat vornimmt, kann ich in Teilen nicht mitvollziehen.
a) Ob die Regelungen des Europäischen Haftbefehlsgesetzes im Hinblick auf Art. 16 Abs. 2 GG und andere bei Auslieferungen potentiell betroffene Grundrechte dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hinreichend Rechnung tragen, ist eine verfassungsrechtliche Frage, für deren Beantwortung nicht der Rahmenbeschluss über den Europäischen Haftbefehl, sondern das Grundgesetz den Maßstab abgibt. Die Antwort bemisst sich also nicht nach den Spielräumen, die der Rahmenbeschluss über den Europäischen Haftbefehl dem deutschen Gesetzgeber für die Ablehnung von Auslieferungen belässt. Demgemäß ist der deutsche Gesetzgeber auch nicht verpflichtet, die im Rahmenbeschluss vorgesehenen fakultativen Ablehnungsgründe allein deshalb zu nutzen, weil auf diese Weise auslieferungsbedingte Grundrechtseingriffe vermieden werden können. Vielmehr kommt es auf eine Abwägung zwischen den mit dem Rahmenbeschluss und seiner Umsetzung verfolgten Belangen effektiver Strafverfolgung und den Belangen etwaiger Zeugen und Opfer auf der einen und den grundrechtlichen Belangen der unmittelbar Auslieferungsbetroffenen auf der anderen Seite an.
Zu der Abwägung zwischen diesen Belangen haben die Ablehnungsgründe des Art. 4 Nrn. 7a und 7b RbEuHb einen spezifischen Bezug. Sie stellen sicher, dass der Verfolgte wegen einer vorgeworfenen Tat, die nach dem Recht des ersuchten Staates nicht strafbar ist, nur ausgeliefert werden muss, wenn diese Tat im ersuchenden Staat, also dort wo sie strafbar ist, begangen sein soll (andernfalls ist entweder Nr. 7a oder Nr. 7b anwendbar), und dass der Verfolgte nicht ausgeliefert werden muss, wenn die Tat einen Inlandsbezug der Art hat, dass Gründe effektiver Strafverfolgung die Auslieferung möglicherweise gar nicht gebieten (Nr. 7a). Wegen dieses spezifischen Bezugs zu den zentralen Abwägungs- und Vertrauensschutzfragen, die sich im Zusammenhang mit Auslieferungen auf der Grundlage Europäischer Haftbefehle stellen, musste der Gesetzgeber die durch Art. 4 Nrn. 7a und 7b RbEuHb eröffneten Möglichkeiten nutzen.
b) Für unrichtig halte ich die Auffassung, das Europäische Haftbefehlsgesetz weise eine verfassungsrechtlich problematische Schutzlücke darüber hinaus auch hinsichtlich der Möglichkeit auf, die Auslieferung wegen eines in gleicher Sache im Inland laufenden strafrechtlichen Verfahrens (Art. 4 Nr. 2 RbEuHb) oder deshalb abzulehnen, weil ein inländisches Verfahren eingestellt oder schon die Einleitung abgelehnt worden ist (Art. 4 Nr. 3 RbEuHb). Tatsächlich hat der deutsche Gesetzgeber von diesen im Rahmenbeschluss eröffneten Möglichkeiten zwar objektivrechtlich Gebrauch gemacht (§ 83 b Nrn. 1 und 2 IRG), insoweit aber ebensowenig wie in Bezug auf die übrigen Ablehnungsgründe des § 83 b IRG einen einklagbaren Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung eingeräumt. Dazu wird dem Gesetzgeber vorgeworfen, er habe die individualrechtsschützende Funktion nicht beachtet, die in diesem Zusammenhang dem staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren zukomme. Der Senat vermisst hier also offenbar einen rechtlich gesicherten Einfluss des Betroffenen auf die Einleitung eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens, weil ein einklagbarer Anspruch auf grundrechtskonforme Ermessensausübung hinsichtlich der Auslieferungsverweigerung ins Leere läuft, soweit nicht zugleich ein rechtlicher Einfluss auch auf die tatbestandlichen Voraussetzungen des Verweigerungsgrundes eingeräumt wird. Der Gesetzgeber hat daher nach Auffassung des Senats unter anderem auch die Regelungen der Strafprozessordnung daraufhin zu überprüfen, ob Entscheidungen der Staatsanwaltschaft, von einer Strafverfolgung abzusehen, im Hinblick auf eine mögliche Auslieferung gerichtlich überprüfbar sein müssen.
Diese Vision eines verfassungsrechtlich gebotenen Verfahrens zur Erzwingung strafrechtlicher Verfolgung der eigenen Person habe ich nicht. Zu den "strafrechtlichen Verfahren", deren Lauf bzw. schon erfolgte Ablehnung oder Einstellung einen Ablehnungsgrund nach § 83 b Nrn. 1 bzw. 2 IRG bildet, gehört auch das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren. Wer insoweit Einwirkungsmöglichkeiten des potentiell Auslieferungsbetroffenen für verfassungsrechtlich geboten hält, kann - und muss konsequenterweise - diesen Begriff jedenfalls für die Zwecke des Auslieferungsrechts verfassungskonform in einem entsprechend weiten, auch die Prüfung des Anfangsverdachts und etwaige (vgl. Beulke, Strafprozessrecht, 8. Aufl. 2005, S. 179, m.w.N.) sogenannte Vorermittlungen einschließenden Sinn interpretieren. Ein solches Verfahren wird nach § 160 Abs. 1 StPO durch eine Strafanzeige ausgelöst, kann also auch durch Selbstanzeige eingeleitet werden. Gleich wie dieses Verfahren sich entwickelt - ob die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens im engeren Sinne abgelehnt, ob das Verfahren weitergeführt oder eingestellt, ob Anklage erhoben oder beispielsweise nach § 154 b StPO von einer Anklage abgesehen wird - in jedem Fall liegt entweder der Ablehnungsgrund nach § 83 b Nr. 1 IRG (laufendes Verfahren) oder der nach § 83 b Nr. 2 IRG (abgelehntes oder eingestelltes Verfahren) vor. Das Problem unzureichender Einwirkungsmöglichkeit des Betroffenen auf die tatbestandlichen Voraussetzungen der Ablehnungsgründe nach § 83 b Nrn. 1 und 2 IRG (Art. 4 Nrn. 2 und 3 RbEuHb) ließe sich also, wenn es sich tatsächlich um ein verfassungsrechtliches Problem handelte, durch verfassungskonforme Interpretation auflösen.
Der Senat begründet allerdings nicht, weshalb neben der übereinstimmend für erforderlich gehaltenen gesetzgeberischen Umsetzung der Ablehnungsgründe nach Art. 4 Nr. 7 RbEuHb, einschließlich diesbezüglichen Rechtsschutzes, gesonderte rechtsschutzbewehrte Ansprüche in Bezug auf die Nutzung der Ablehnungsgründe nach § 83 b Nrn. 1 und 2 IRG zur Sicherung der Verhältnismäßigkeit der Auslieferung überhaupt noch erforderlich sein sollen. Dazu hätte geklärt werden müssen, inwiefern Auslieferungen auch in Fällen unverhältnismäßig sein könnten, in denen die Gründe des Art. 4 Nr. 7 RbEuHb nicht greifen. Denn eine verfassungsrechtliche Pflicht zur Nutzung von Spielräumen, die der Rahmenbeschluss belässt, kann nicht aus der bloßen Existenz dieser Spielräume folgen (vgl. a).
Eine Austauschbarkeit der Ablehnungsgründe in umgekehrter Richtung (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BTDrucks 15/2677, S. 5) scheitert daran, dass die Ablehnungsgründe des § 83 b Nrn. 1 und 2 IRG nicht beliebig extensiv ausgelegt und angewandt werden können, ohne mit den Vorgaben des Rahmenbeschlusses in Konflikt zu geraten; das soll hier aus Raumgründen nicht im Einzelnen ausgeführt werden.
c) Mit der Feststellung, die Frage der Rücküberstellung zur Vollstreckung einer etwaigen Freiheitsstrafe müsse in den gebotenen "Abwägungsprozess einbezogen" werden und der Gesetzgeber müsseprüfen, "ob das Zulässigkeitshindernis der fehlenden Zusicherung des ersuchenden Staates, die Rücküberstellung des Verfolgten zur Strafvollstreckung dem ersuchten Staat anzubieten, eine zureichende Maßnahme ist", drückt der Senat sich um die Beantwortung der entscheidenden verfassungsrechtlichen Frage.
Es geht hier um die Verhältnismäßigkeit des in der Auslieferung liegenden Grundrechtseingriffs. Dieser Eingriff wird wesentlich gemildert, wenn der Betroffene nur das Strafverfahren im Ausland hinter sich bringen und dort nicht auch noch die womöglich langjährige Strafe verbüßen muss. Auf der anderen Seite ist bis auf weiteres kein einziger Gesichtspunkt wirksamer Strafverfolgung im europäischen Rechtsraum ersichtlich, der einer Rücküberstellung nach Verurteilung entgegenstehen könnte. Für die Erreichung der berechtigten, auch aus verfassungsrechtlicher Sicht gewichtigen Ziele des Rahmenbeschlusses ist es gleichgültig, in welchem Land ein Verurteilter seine Strafe verbüßt. Danach muss es in Bezug auf die besonders zu schützenden Personengruppen (vgl. 1.) als eine zwingende Voraussetzung der Auslieferung gelten, dass die Möglichkeit der Rücküberstellung zur Vollstreckung besteht und später auch genutzt wird.
Für den Fall fehlender gegenseitiger Strafbarkeit eröffnet aber das Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen die Möglichkeit der inländischen Vollstreckung eines ausländischen Strafurteils nicht (§ 49 Abs. 1 Nr. 3 IRG).
Wenn problematisiert wird, ob Rücküberstellungszusicherungen, von denen aus diesem Grund kein Gebrauch gemacht werden kann, den grundrechtlichen Anforderungen genügen, muss geklärt werden, ob eine andere einfachgesetzliche Regelung als die in § 49 Abs. 1 Nr. 3 IRG getroffene verfassungsrechtlich überhaupt zulässig wäre. Es ist also die Frage zu beantworten, ob das Grundgesetz es zulässt, eine Strafe, die über einen Ausgelieferten im Ausland verhängt wurde, nach Rücküberstellung im Inland zu vollstrecken, wenn die zugrundeliegende Tat nach deutschem Recht nicht strafbar ist.
Die Antwort muss positiv ausfallen. Soweit das Grundgesetz, insbesondere Art. 103 Abs. 2 GG, einer Auslieferung trotz fehlender gegenseitiger Strafbarkeit nicht entgegensteht, kann es folgerichtig auch der Abmilderung dieses Grundrechtseingriffs dadurch, dass die Vollstreckung des ausländischen Strafurteils in Deutschland ermöglicht wird, nicht entgegenstehen.
4. Der Senat begreift den Vorbehalt der Wahrung rechtsstaatlicher Grundsätze (Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG) als Aufgabenzuweisung an den Gesetzgeber in dem Sinne, dass es unmittelbar diesem selbst obliege, festzustellen, "dass die Beachtung rechtsstaatlicher Grundsätze durch die die Strafgewalt über einen Deutschen beanspruchende Stelle gewährleistet ist".
Sofern damit dem Gesetzgeber die Befugnis eingeräumt werden soll, hinsichtlich der Wahrung rechtsstaatlicher Grundsätze in den Mitgliedstaaten der EG allgemeine, Behörden und Fachgerichte für die Beurteilung des Einzelfalles bindende Feststellungen zu treffen, ist dem zu widersprechen. Die verbindliche Subsumtion von Sachverhalten unter Rechtsbegriffe ist nach dem Gewaltenteilungsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) grundsätzlich nicht Sache des Gesetzgebers, sondern Sache der ausführenden und der rechtsprechenden Gewalt. An dieser Aufgabenverteilung, die im Hinblick auf Art. 79 Abs. 3 GG auch der verfassungsändernde Gesetzgeber (vgl. Art. 16a Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Satz 1 GG) allenfalls punktuell verschieben darf, hängt die gleichheitssichernde Kraft des Gesetzes, der Schutz vor symbolpolitischer Degeneration der Gesetzessprache und damit auch die Funktionsfähigkeit der Demokratie.
5. Der Beschwerdeführer hat geltend gemacht, die Rechtsgrundlagen seiner Auslieferung litten an einem verfassungswidrigen Demokratiedefizit. In seine Grundrechte dürfe nur aufgrund parlamentsbeschlossenen Gesetzes eingegriffen werden. Das deutsche Parlament habe über die Regelungen des Europäischen Haftbefehlsgesetzes, die eine von gegenseitiger Strafbarkeit der vorgeworfenen Tat unabhängige Auslieferung vorsähen, nicht frei entscheiden können, weil es durch den allein von Regierungsvertretern erlassenen Rahmenbeschluss über den Europäischen Haftbefehl gebunden gewesen sei.
Der Senat stellt dazu fest, es entspreche den Anforderungen des Demokratieprinzips, dass das Europäische Parlament beim Erlass europäischer Rahmenbeschlüsse lediglich angehört wird, denn die mitgliedstaatlichen Legislativorgane behielten die politische Gestaltungsmacht im Rahmen der Umsetzung, die sie notfalls auch verweigern könnten. Dies ist keine Antwort auf den Einwand des Beschwerdeführers, sondern eine Beschreibung des Problems, die nur die Besonderheit aufweist, dass das Problem nicht als solches betrachtet wird. Wo man demokratische Legitimation in der Freiheit des Parlaments zum Verstoß gegen Unionsrecht aufsuchen zu müssen glaubt, liegt etwas im Argen.
Nichtwegen des Befundes, den der Senat feststellt, sondern trotzdem gibt es gute Gründe, aus der schwachen Rolle der Parlamente in dem gestuften Rechtsetzungsprozess, um den es hier geht, nicht den Schluss zu ziehen, dass das Europäische Haftbefehlsgesetz oder gar auch schon das Zustimmungsgesetz zum Amsterdamer Vertrag, mit dem das Institut des Rahmenbeschlusses an die Stelle der früheren "gemeinsamen Maßnahme" (Art. K.3 Abs. 2 b EU a.F.) getreten ist, wegen Verstoßes gegen das Demokratieprinzip verfassungswidrig seien. Nach den im Maastricht-Urteil entwickelten Maßstäben (BVerfGE 89, 155 <181 ff.>) liegt ein verfassungswidriges Demokratiedefizit nicht vor. Art. 79 Abs. 3 GG als verfassungsrechtliche Grenze der europäischen Integration ist in diesem Urteil zu Recht mit Vorsicht gehandhabt worden, denn Sinn dieser Bestimmung ist es, einen Rückfall unseres Landes in Diktatur und Barbarei auszuschließen, und nichts dient diesem Ziel mit höherer Wahrscheinlichkeit als Deutschlands Integration in die Europäische Union.
Nicht zuletzt deshalb ist auf diesem Gebiet auch die Verlässlichkeit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts von besonderer Bedeutung. Unvorhersehbare Kehrtwenden verbieten sich, auch wenn am Beispiel des Rahmenbeschlusses über den Europäischen Haftbefehl Demokratiedefizite, die die Rechtsetzung im europäischen Mehrebenensystem nicht nur bei den Rahmenbeschlüssen, sondern auch in etlichen anderen Bereichen aufweist, schärfer ins Auge treten als bisher. Darum wäre es notwendig gewesen, in Auseinandersetzung mit den Einwänden des Beschwerdeführers die zukunftsgerichteten Maßstäbe der Maastricht-Entscheidung zu präzisieren, statt zu einer Rechtfertigung zu greifen, die das Problem verdeutlicht, indem sie es verneint.
Schon das Maastricht-Urteil hat dem experimentellen und prozesshaften Charakter der Europäischen Integration und dem in der Zielrichtung des Art. 79 Abs. 3 GG angelegten Spannungsverhältnis zwischen Integrationsoffenheit und deren Grenzen Rechnung getragen, indem es nicht nur das damals zu beurteilende Vertragsgesetz auf seine Vereinbarkeit mit Art. 79 Abs. 3 GG hin geprüft, sondern für die Zukunft einen Ausbau der demokratischen Grundlagen der Union, schritthaltend mit der Integration, gefordert hat (BVerfGE 89, 155 <186>). Tatsächlich hat die weitere Entwicklung in vielen Bereichen Demokratisierungsfortschritte gebracht. Weiterhin hinkt aber der Unionisierung von Entscheidungskompetenzen die Demokratisierung der Entscheidungsprozesse mit beträchtlichem Abstand nach (näher dazu Maurer, Parlamentarische Demokratie in der Europäischen Union, 2002, S. 120 ff. <134>, m.w.N.). Es musste deshalb die Frage beantwortet werden, ob von einem ausreichenden "Schritthalten" die Rede sein kann, wenn neben der Unionisierung von Entscheidungskompetenzen auch die Demokratisierung bereichsweise voranschreitet, zugleich aber immer neue Nachholbedarfe geschaffen werden. Defizite, aus denen sich die Notwendigkeit beschleunigten Aufholens ergibt, sind dabei nicht notwendigerweise der Unionsebene zuzurechnen und auf dieser Ebene auszugleichen. Vor allem dort, wo Rechtsetzung auf der europäischen Ebene, wie im Fall der Rahmenbeschlüsse, Einstimmigkeit im Rat voraussetzt (s. Art. 34 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe b i.V.m. Art. 23 Abs. 1 Satz 2 EU), kann und muss die noch ausstehende Entwicklung hin zu einer besseren demokratischen Fundierung auch dadurch erfolgen, dass auf nationaler Ebene in Recht und Praxis der parlamentarische Einfluss auf das Stimmverhalten der Regierungsvertreter im Rat verstärkt wird.
6. Eine Rechtfertigung für die Nichtigerklärung des Europäischen Haftbefehlsgesetzes kann ich nicht erkennen. Das Gesetz ist verfassungswidrig insofern, als es Regelungen nicht enthält, die in Bezug auf bestimmte Personen- und sie betreffende Fallgruppen die Wahrung der Verhältnismäßigkeit der Auslieferung ermöglichen und durch ausreichenden Rechtsschutz sicherstellen. Um darauf beruhende Verfassungsverstöße auszuschließen, genügt die Feststellung, dass bis zum Inkrafttreten einer verfassungskonformen Regelung Deutsche und schutzwürdige Nichtdeutsche (vgl. 1.) nicht ausgeliefert werden dürfen, soweit es sich um Taten handelt, bei denen die Auslieferung nach Art. 4 Nr. 7a oder Nr. 7b RbEuHb abgelehnt werden könnte (vgl. 3. a), und soweit eine Rücküberstellung zur eventuellen Strafvollstreckung nach geltendem Recht an fehlender gegenseitiger Strafbarkeit scheitert (vgl. 3. c). Zur näheren Bestimmung der Gruppe der im Hinblick auf die Auslieferung schutzwürdigen Nichtdeutschen könnte dabei die in § 80 Abs. 3 IRG durch den Gesetzgeber selbst in verfassungskonformer Weise vorgenommene Abgrenzung herangezogen werden. Bei einem Rechtsfolgenausspruch dieses Inhalts würde sich auch das Problem unzureichenden Rechtsschutzes, das auch nach Auffassung des Senats jedenfalls nicht über diese Personen- und Fallgruppen hinaus besteht, nicht stellen, so dass sich selbst eine Nichtigerklärung des § 74 b IRG (Unanfechtbarkeit der Bewilligungsentscheidung) erübrigt.
Die im Urteil ausgesprochene Nichtigerklärung des Europäischen Haftbefehlsgesetzes vernichtet demgegenüber die einfachgesetzlichen Grundlagen der Auslieferung aufgrund Europäischer Haftbefehle auch insoweit, als sie Fälle betreffen, in Bezug auf die der Senat selbst das Gesetz in keiner Weise als verfassungsrechtlich problematisch beanstandet hat. Aufgrund der Nichtigerklärung des Europäischen Haftbefehlsgesetzes ist beispielsweise auch die Auslieferung von nur kurzfristig sich in Deutschland aufhaltenden Ausländern, ja selbst die Auslieferung von Staatsangehörigen des ersuchenden Staates wegen vorgeworfener Taten, die sie ausschließlich im ersuchenden Staat begangen haben, aufgrund eines Europäischen Haftbefehls bis auf weiteres nicht mehr möglich, obwohl nach den vom Senat aufgestellten Grundsätzen gegen das Europäische Haftbefehlsgesetz, soweit es derartige Fälle betrifft, gar nichts einzuwenden ist. Mit der Nichtigerklärung eines Gesetzes, das in einem großen Teil seiner Anwendungsfälle verfassungsrechtlich unbedenklich angewendet werden könnte, zwingt der Senat die Bundesrepublik Deutschland zu Verstößen gegen das Unionsrecht, die ohne Verfassungsverstoß vermieden werden könnten.
Auf der Grundlage des aus meiner Sicht gebotenen engeren Rechtsfolgenausspruchs müsste die fällige erneute Entscheidung des Oberlandesgerichts nicht notwendigerweise zugunsten des Beschwerdeführers ausfallen. In der angegriffenen Entscheidung hat das Gericht nicht festgestellt, ob die Straftat, die dem Beschwerdeführer im Haftbefehl vom 19. September 2003 vorgeworfen wird, eine in Spanien begangene ist und ob insoweit gegenseitige Strafbarkeit vorliegt. Ob der Fall des Beschwerdeführers überhaupt zu einer der Fallgruppen gehört, in Bezug auf die nach dem oben Ausgeführten die Regelungen des Europäischen Haftbefehlsgesetzes unzureichend sind, ist daher bislang nicht geklärt.
Das Urteil kann ich nicht mittragen. Die Verfassungsbeschwerde wäre zurückzuweisen gewesen. Die Nichtigerklärung des Europäischen Haftbefehlsgesetzes steht mit dem verfassungs- und unionsrechtlichen Gebot, Verletzungen des Vertrags über die Europäische Union möglichst zu vermeiden, nicht im Einklang. Der Senat setzt sich in Widerspruch zur Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften.
I.
Das in Art. 16 Abs. 2 GG normierte Auslieferungsverbot soll zum einen verhindern, dass die deutsche Staatsgewalt dazu beiträgt, Strafansprüche anderer Staaten durchzusetzen, die in den Wertungen der deutschen Rechtsordnung keine Entsprechung finden (1.). Zum andern soll der Verfolgte vor den unter Umständen massiven Erschwernissen bewahrt werden, die mit einem Strafverfahren im Ausland verbunden sind (2.). Beide Schutzziele werden bei verfassungskonformer Auslegung und Anwendung des Europäischen Haftbefehlsgesetzes unter Berücksichtigung des Unionsrechts erreicht. Entsprechendes gilt für die Wahrung der Rechtsschutzgarantie (3.).
1. Schon die Besorgnis, als Deutscher mit Unterstützung durch inländische Behörden Opfer ausgreifender, von den Wertungen der nationalen Rechtsordnung abweichender Strafgesetzgebung eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union zu werden, ist nicht gerechtfertigt.
Die Auslieferung zur Verfolgung nach dem Europäischen Haftbefehlsgesetz setzt in Übereinstimmung mit dem Rahmenbeschluss über den Europäischen Haftbefehl eine Strafdrohung im Ausstellungsstaat von im Höchstmaß mindestens zwölf Monaten Freiheitsstrafe und die beiderseitige Strafbarkeit voraus. Anderes gilt nur, wenn die Tat nach dem Recht des ersuchenden Staats mit einer Strafe von im Höchstmaß mindestens drei Jahren Freiheitsstrafe bedroht ist und eine Strafbestimmung verletzt, die einer der in Art. 2 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses genannten Deliktsgruppen zugehört (§ 81 Nr. 4 i.V.m. § 3 Abs. 1 IRG, Art. 2 Abs. 4, Art. 4 Nr. 1 RbEuHb). Bei diesen Deliktsgruppen kann, soweit sie nicht ohnehin harmonisiert sind oder werden (vgl. z.B. zur Cyberkriminalität Art. 5 ff. des Rahmenbeschlusses über Angriffe auf Informationssysteme vom 24. Februar 2005, ABl Nr. L 69 vom 16. März 2005, S. 67), davon ausgegangen werden, dass sie nach gemeineuropäischer Überzeugung strafwürdiges Unrecht darstellen. Sollte ein Mitgliedstaat sein Strafrecht so gestalten, dass Zweifel über die Zugehörigkeit zu den Deliktsgruppen des Art. 2 Abs. 2 RbEuHb angebracht sind, indem er eine Deliktsgruppe ausdehnend auslegt oder etwa Deliktsgruppen zugehörige, aber untergeordnete Handlungen mit unangemessenen, die Anwendung des Art. 2 Abs. 2 RbEuHb eröffnenden Freiheitsstrafen bedroht, hat der Gerichtshof auf Vorlage des zuständigen Gerichts gemäß Art. 35 Abs. 1 EU in Verbindung mit § 1 EuGHG zu entscheiden. Entsprechendes gilt für den umgekehrten Fall, dass die Bundesrepublik Deutschland bestimmte Handlungen einer Deliktsgruppe nicht zurechnen will - ein eher theoretischer Fall.
Das Unionsrecht ist auch für eine Rechtsentwicklung offen, die es erlaubt, Auslieferungen zu verhindern, wenn ein Mitgliedstaat grundsätzlich auslieferungsfähige Delikte mit unverhältnismäßigen Strafen belegt. Gemäß Art. 1 Abs. 3 RbEuHb berührt der Rahmenbeschluss nicht die Pflicht, die Grundrechte und die allgemeinen Rechtsgrundsätze des Art. 6 EU zu achten; dem entsprechend ist nach § 73 Satz 2 IRG die Leistung von Rechtshilfe unzulässig, wenn die Erledigung zu den in Art. 6 EU enthaltenen Grundsätzen in Widerspruch stünde. Zu diesen Grundsätzen gehört derjenige der Rechtsstaatlichkeit, der den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz umfasst (Art. 6 Abs. 1 EU). Dieser findet ferner in der für die Union und ihre Mitgliedstaaten verbindlichen Menschenrechtskonvention seine Grundlage. Gemäß Art. 6 Abs. 3 EU achtet die Union außerdem die nationale Identität ihrer Mitgliedstaaten. Bereits dies impliziert die Pflicht zu gegenseitiger Rücksichtnahme der Mitgliedstaaten. Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hat in seinem Urteil vom 16. Juni 2005 (Rs. C-105/03 - Pupino) den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten bei der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen auch und gerade für die Umsetzung von Rahmenbeschlüssen hervorgehoben (Rn. 42). Führt man diese Aspekte vor dem Hintergrund einer immer engeren Union der Völker (Art. 1 Abs. 2 EU) zusammen, ergibt sich hinreichend sicher, dass der Gerichtshof - ungeachtet der prinzipiellen Strafgewalt der Mitgliedstaaten, des Fehlens einer allgemeinen Harmonisierung des Strafrechts und der Fortentwicklung der justiziellen Zusammenarbeit im Einzelnen - der europaweiten Durchsetzung der exzessiven Strafgesetzgebung eines Mitgliedstaats mit Hilfe des Europäischen Haftbefehls entgegentreten kann und muss. Gerade um der Effektivität dieses Instruments willen kann die Europäische Rechtsgemeinschaft eine ungleichgewichtige, einseitige Inanspruchnahme strafrechtlicher Sanktionen durch einzelne Mitgliedstaaten nicht durch Auslieferungen an diese unterstützen.
Ich bedauere sehr, dass der Senat sich insoweit einer konstruktiven Mitarbeit an europäischen Lösungen verweigert. Namentlich mit der Behauptung eines inneren Zusammenhangs von Auslieferungsverbot und Staatsangehörigkeit als Status sowie mit dem undefiniert gebliebenen Topos des Vertrauens in die Verlässlichkeit der eigenen Rechtsordnung betont er einseitig die nationale Perspektive, statt einen Ausgleich zwischen den Bindungen des nationalen und des europäischen Rechts herzustellen. Dass er weder begrifflich noch in einer Diskussion möglicher Konsequenzen auf das Urteil des Gerichtshofs in der Sache Pupino eingeht, dient dem Recht nicht.
2. Das Europäische Haftbefehlsgesetz bietet ausreichende Möglichkeiten, die Übergabe an den ersuchenden Staat in den Fällen abzulehnen, in denen die mit einem Strafverfahren im Ausland für den Verfolgten verbundenen Belastungen außer Verhältnis zu den Vorteilen stehen, die für eine Strafverfolgung im ersuchenden Staat geltend gemacht werden können.
Aufgrund des weit reichenden Geltungsanspruchs des deutschen Strafrechts (§§ 3 bis 7 StGB) und seiner hohen Pönalisierungsdichte sind praktisch kaum Fälle vorstellbar, in denen die Staatsanwaltschaft gegen einen Deutschen wegen einer Tat, derentwegen seine Auslieferung erstrebt wird, nicht einzuschreiten hätte (§ 152 Abs. 2 StPO). Wegen der Aufnahme von Ermittlungen kann die Bewilligung der Auslieferung gemäß § 83b Nr. 1 und 2 IRG abgelehnt werden, und zwar unabhängig vom Ausgang des Ermittlungsverfahrens (vgl. ferner § 9 IRG). Einer ausdrücklichen Übernahme des Art. 4 Nr. 7 RbEuHb bedurfte es deshalb nicht (so ausdrücklich für Art. 4 Nr. 7 lit. a RbEuHb Bericht des Rechtsausschusses BtDrucks 15/2677 S. 5; für lit. b ergibt sich dies aus § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB). Von diesen Regelungen nicht erfasst werden zwar Fälle, in denen trotz grundsätzlicher Auslieferungsfähigkeit ein Ermittlungsverfahren nicht eingeleitet werden darf (vgl. § 344 StGB), doch besteht insoweit kein Regelungsbedarf. Soweit die Tat - wie im hier zu entscheidenden Fall - in der Bundesrepublik nicht verfolgt werden kann, weil es an der inländischen Strafbarkeit zum Zeitpunkt der Tat fehlt, ergibt sich dies daraus, dass dieser Umstand dem Verfolgten weder nach den Grundsätzen des allgemeinen Auslieferungsrechts noch nach den verfassungsrechtlichen Grenzen rückwirkender Gesetzgebung zugute kommt. Welche sonstigen Konstellationen in Betracht zu ziehen sein könnten, ist nicht ersichtlich, und wenn es sie geben sollte, sind sie auf die im Folgenden dargestellte Weise zu lösen.
Das Problem besteht mithin nicht, wie der Senat meint, im Fehlen einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage für die Verweigerung von Auslieferungen insbesondere für Fälle mit ausschließlichem oder überwiegendem Inlandsbezug, sondern darin, dass die verfassungsrechtlich gebotene Verhältnismäßigkeitsprüfung im Gesetz nicht ausdrücklich erwähnt ist (vgl. zur ansatzweisen Erörterung im Gesetzgebungsverfahren BTDrucks 15/1718 S. 28 und 30). Eine derartige Erwähnung ist indes von Verfassungs wegen nicht geboten.
Jedenfalls nach der Klarstellung des Schutzgehalts und der Normstruktur des Art. 16 Abs. 2 GG durch das Bundesverfassungsgericht dahin, dass die Auslieferung Deutscher nur nach Maßgabe einer Abwägung nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zulässig ist, soweit der Rahmenbeschluss die Verweigerung der Auslieferung erlaubt, versteht es sich von selbst, dass Behörden und Gerichte dieses Verfassungsgebot beachten. Es besteht nicht der geringste Anlass zu besorgen, dass die für die Erhebung der öffentlichen Klage zuständigen Staatsanwaltschaften und die für die Bewilligung der Auslieferung zuständigen Generalstaatsanwaltschaften ihre Entscheidungsspielräume nach § 154b StPO bzw. § 83b IRG nicht in der verfassungsunmittelbar gebotenen Weise wahrnehmen. Der Senat selbst hat in seinem Beschluss vom 12. April 2005 2 BvR 1027/02 - zur Beschlagnahme von Datenträgern besondere gesetzliche Vorkehrungen zur Durchsetzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht für geboten gehalten.
Desgleichen ist davon auszugehen, dass die Oberlandesgerichte bei ihrer Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung die von Art. 16 Abs. 2 GG gebotenen Prüfungen vornehmen. Die Oberlandesgerichte sind hieran auch nicht durch § 73 Satz 2 IRG gehindert, wonach die Auslieferung auf einen Europäischen Haftbefehl hin unzulässig ist, wenn sie den Grundsätzen des Art. 6 EU widerspricht. Dieser Regelung zu entnehmen, sie stehe einer verfassungsgebotenen Verhältnismäßigkeitsprüfung entgegen, lässt jedenfalls die Normhierarchie außer Acht. Von Verfassungs wegen gebotene Verhältnismäßigkeitserwägungen sind unabhängig von ihrer ausdrücklichen Erwähnung im Gesetzestext anzustellen (vgl. hierzu BVerfGE 61, 126 <134 f.> und zuletzt Beschluss des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Mai 2005 1 BvR 1072/01 -, Umdruck S. 25). Ebenso wenig lässt sich aus der gesetzlichen Ausgestaltung der Bewilligungshindernisse ein Argument gegen die Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis der Oberlandesgerichte herleiten. Insbesondere überzeugt die Erwägung nicht, die Zuordnung des Fehlens der gebotenen Überprüfung einer lebenslangen Freiheitsstrafe im ersuchenden Staat zu den fakultativen Bewilligungshindernissen (§ 83b Nr. 4 IRG) schließe es aus, dass das Gericht eine Auslieferung im Hinblick auf BVerfGE 45, 187 <245 f.> für unzulässig erklärt.
Einer gesetzlichen Regelung bedürfte es allenfalls dann, wenn die Verhältnismäßigkeitsprüfung ohne wertende Vorgaben strukturlos wäre und damit den Grundsätzen hinreichender Berechenbarkeit staatlicher Eingriffe nicht genügte. Dies ist aber nicht der Fall. Es liegt auf der Hand, dass neben Umständen der persönlichen Lebensführung - dabei sind insbesondere die für Art. 6 GG, Art. 8 EMRK bedeutsamen Gegebenheiten in den Blick zu nehmen - und einer realisierbaren Rücküberstellung zur Strafvollstreckung in Deutschland der Grad des Inlandsbezugs der vorgeworfenen Tat für die Beantwortung der Frage, ob sich der Verfolgte vor einem ausländischen Gericht verantworten muss, von erheblicher Bedeutung sein wird, aber nicht immer entscheidend sein kann (z.B. wenn ein Deutscher im Inland ein schweres Verbrechen gegen einen Unionsangehörigen begangen hat, alle wesentlichen Beweismittel aber nur im Heimatstaat des Opfers verfügbar sind). Die maßgeblichen Gesichtspunkte für die Einzelabwägung in den Fällen, in denen der Ortsbezug der strafbaren Handlung das Ergebnis der Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht vorzeichnet, ergeben sich aus der Natur der Sache und sind vom Senat zutreffend umschrieben worden. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die - auch in diesem Verfahren angeklungene - Befürchtung eines unter Umständen sogar mit deutschen Stellen abgesprochenen - forum shopping zu Lasten des Verfolgten von den Gerichten nicht nur unter dem Aspekt der Verhältnismäßigkeit unterbunden werden kann, sondern auch gemäß § 73 Satz 2 IRG in Verbindung mit Art. 6 EU, wenn darin ein Missbrauch des Übergabeverfahrens liegt.
Der Regelungsauftrag an den Gesetzgeber ist nicht nur überflüssig, mit den Grundsätzen einer guten Gesetzgebung unvereinbar und belastet die Gesetzgebungsorgane unnötig. Die Nichtigerklärung des Europäischen Haftbefehlsgesetzes verstößt auch gegen das unionsrechtliche Gebot, die vom Rahmenbeschluss verfolgten Ziele nach Möglichkeit zu erreichen (EuGH, Urteil vom 16. Juni 2005, a.a.O., Rn. 43, 47). Dieses Gebot stellt sich hier als ein der innerstaatlichen Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, dem Willen des Gesetzgebers bei verfassungsrechtlichen Mängeln so weit wie möglich Geltung zu belassen, paralleles Gebot der Normerhaltung dar.
3. Art. 19 Abs. 4 GG verlangt, dass ein Gericht die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vor einer Auslieferung überprüft. Dazu sind die Oberlandesgerichte im Rahmen ihrer Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung verpflichtet. Eine Rechtsschutzlücke besteht nicht.
Das Europäische Haftbefehlsgesetz sieht in seiner durch Art. 16 Abs. 2 GG gebotenen Auslegung folgende Entscheidungsstruktur vor: Die Strafverfolgungsbehörden haben, sofern dazu im Einzelfall Anlass besteht, gegebenenfalls nach Rücksprache mit den Strafverfolgungsbehörden des ersuchenden Staats und unter Einschaltung von Eurojust die konkreten Aspekte effektiver Strafverfolgung und die grundrechtlich geschützten Belange des Verfolgten - diese alsobjektiv-rechtliche Wertungsvorgaben - zu würdigen. Kommen sie zu dem Schluss, dass sie die Auslieferung bewilligen wollen, sind ihre Erwägungen soweit dem Oberlandesgericht zu unterbreiten, dass dieses den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, nunmehr alssubjektives Recht des Betroffenen auf Abwehr ungesetzlicher Auslieferung, überprüfen kann. Dabei hat das Gericht - unbeschadet seiner Befugnis zur eigenständigen und umfassenden Prüfung der rechtlichen Voraussetzungen der Auslieferung - Wertungen und Einschätzungen der Strafverfolgungsbehörden, die sich auf die Strafverfolgung beziehen, grundsätzlich hinzunehmen und seiner Entscheidung zu Grunde zu legen. Diese €Arbeitsteilung€ folgt einerseits der gesetzlichen Entscheidung für die Unanfechtbarkeit der Bewilligungsentscheidung (§ 74b IRG) und greift deren Ratio auf, Erwägungen und Einschätzungen zur Zweckmäßigkeit nationaler oder transnationaler Strafverfolgung in der Hand der Exekutive zu belassen. Sie sichert andererseits dem Verfolgten effektiven Rechtsschutz in dem ihm zustehenden Umfang und wird zudem dem Beschleunigungsanliegen des Europäischen Übergabeverfahrens gerecht.
Der Senat lässt sich demgegenüber ausschließlich von der Vorstellung leiten, der gebotene Rechtsschutz müsse durch gerichtliche Überprüfung der Bewilligungsentscheidung oder eine gleichwertige Umstrukturierung des Auslieferungsverfahrens gewährt werden. Dazu konstruiert er mit einfach-rechtlichen Argumenten, deren Tragfähigkeit hier nicht weiter nachgegangen werden soll, eine subjektiv-rechtliche Komponente des Versagungsermessens der Bewilligungsbehörde, was die Verfassungswidrigkeit der ausdrücklich angeordneten Unanfechtbarkeit der Bewilligungsentscheidung nach sich zieht, und folgert wegen der Gestaltungsmöglichkeiten, die dem Gesetzgeber danach offen stehen, dass das Europäische Haftbefehlsgesetz als Ganzes nichtig ist. Diese Gesetzesauslegung gegen den Gesetzgeber ist nicht zu rechtfertigen und steht mit dem bereits erwähnten verfassungs- und unionsrechtlich begründeten Grundsatz der Normerhaltung in Widerspruch. Die schlechthin unhaltbare Ansicht des Senats, die Regelung des § 83a IRG über die Auslieferungsunterlagen verletze Art. 19 Abs. 4 GG, weil sie die erforderlichen Angaben lediglich enthalten sollen, also dem Wortlaut der Vorschrift nach nicht müssen, illustriert, wie wenig er sich im vorliegenden Zusammenhang an die gängigen Auslegungsgrundsätze gebunden sieht.
II.
Auch von seinem Standpunkt aus hätte der Senat das Europäische Haftbefehlsgesetz nicht für insgesamt nichtig erklären dürfen. Er stellt sich bereits nicht der Frage, inwieweit es auf eine Verfassungsbeschwerde hin überhaupt gerechtfertigt ist, ein Eingriffsgesetz wegen des Fehlens bestimmter Regelungen insgesamt für nichtig zu erklären, statt lediglich seine Anwendbarkeit für bestimmte Konstellationen zu verneinen. Bejahendenfalls wäre weiter zu fragen gewesen, ob dies auch dann gilt, wenn die als fehlend erachteten Bestimmungen sicher absehbar für den Ausgangsfall im Ergebnis keine Rolle spielen würden. Wenn der Senat ferner meint, eine Teilnichtigkeit komme nicht in Betracht, hätte er das Europäische Haftbefehlsgesetz im Wege einer Übergangsregelung mit Maßgaben für eine verfassungskonforme Handhabung bis zum Erlass eines neuen Gesetzes bestehen lassen müssen. Die Bundesrepublik Deutschland hat sich verpflichtet, den einstimmig im Rat verabschiedeten und hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlichen Rahmenbeschluss über den Europäischen Haftbefehl bis Ende des Jahres 2003 umzusetzen. Ungeachtet dessen, dass der Unionsvertrag insoweit kein Vertragsverletzungsverfahren vorsieht, verstößt eine andauernde Nichtumsetzung gegen die Pflichten der Bundesrepublik Deutschland gegenüber der Union und das Gebot der Rücksichtnahme und Solidarität im Verhältnis zu den anderen Mitgliedstaaten. Dieser Verstoß wiegt umso schwerer, als nach nationalem Verfassungsrecht die Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes gerade nicht zwangsläufig zur Erklärung seiner Nichtigkeit führt. Sowohl die grundgesetzliche Verpflichtung auf die Integration Deutschlands in ein vereintes Europa - vom Senat in jüngster Zeit mehrfach und mit Nachdruck akzentuiert - als auch die unionsrechtliche Pflicht zu gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung in Bezug auf Rahmenbeschlüsse (EuGH, Urteil vom 16. Juni 2005, Rn. 43) zwingen dazu, durch die übergangsweise, wenn auch sachlich reduzierte und verfassungskonform modifizierte Fortgeltung verfassungswidriger Umsetzungsgesetze wenigstens einen möglichst unionsrechtsnahen Rechtszustand herzustellen.
III.
Der Gesetzgeber wird bei der Neuregelung zu bedenken haben, ob es angesichts dessen, dass die Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland am Rahmenbeschluss über den Europäischen Haftbefehl verfassungsrechtlich in Art. 23 GG gründet und dieser das Auslieferungsverfahren innerhalb der Europäischen Union seiner völkerrechtlichen und außenpolitischen Elemente weitgehend entkleidet hat, insoweit (noch) gerechtfertigt ist, gestützt auf Art. 32 GG dem Bund die Verwaltungskompetenz zuzuweisen (§ 74 IRG). Dabei geht es nicht darum, ob das Europäische Haftbefehlsgesetz der Zustimmung des Bundesrates bedurfte, sondern um die Frage, ob überhaupt eine von Art. 83 ff. GG abweichende Gestaltung der Vollzugskompetenz zulässig ist. Im vorliegenden Verfahren bedurfte die - mit den Beteiligten nicht erörterte - Frage auch nach meiner Auffassung keiner Entscheidung, weil eine daraus etwa resultierende Verfassungswidrigkeit des Europäischen Haftbefehlsgesetzes seine vorübergehende Weitergeltung nicht in Frage gestellt hätte.
BVerfG:
Beschluss v. 21.07.2005
Az: 1 BvR 2561/03
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