Bundespatentgericht:
Beschluss vom 27. September 2010
Aktenzeichen: 20 W (pat) 369/05

(BPatG: Beschluss v. 27.09.2010, Az.: 20 W (pat) 369/05)

Tenor

Das Patent 103 43 457 wird auf der Grundlage der folgenden Unterlagen aufrechterhalten:

Patentansprüche 1 bis 6, eingereicht in der mündlichen Verhandlung, Beschreibung Seiten 1 bis 6, eingereicht in der mündlichen Verhandlung, Zeichnungen: Figuren 1 bis 4 gemäß Patentschrift.

Gründe

I.

Gegen das Patent 103 43 457 mit der Bezeichnung "Vorrichtung zur Partikelmessung", dessen Erteilung am 21. April 2005 im Patentblatt veröffentlicht wurde, hat die Einsprechende am 20. Juli 2005 Einspruch eingelegt.

Die Einsprechende macht geltend, dass der Patentgegenstand nicht patentfähig sei, § 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG.

Sie stützt ihr Vorbringen im Einspruchsschriftsatz auf die Druckschriften:

D1 DE 197 35 066 C1, D2 EP 0 427 908 B1, D3 JP 63-144235 A, D4 JP 3-108635 A, D5 MAGER, Manfred: Untersuchung der Feststoffpartikelkontaminationen in hydraulischen Systemen. Aachen : Mainz, 1999, ISBN 3-89653-266-9, Die Einsprechende beantragt, das Patent 103 43 457 zu widerrufen.

Die Patentinhaberin widerspricht dem Einspruch vollumfänglich und beantragt, das Patent 103 43 457 aufrechtzuerhalten;

hilfsweise (Hilfsantrag 1): das Patent im Umfang des Hilfsantrags 1 aus dem Schriftsatz der Patentinhaberin vom 17. August 2010 aufrechtzuerhalten;

weiter hilfsweise (Hilfsantrag 2): das Patent auf der Grundlage der folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:

Patentansprüche: Patentansprüche 1 bis 6; Beschreibung: Beschreibung Seiten 1 bis 6, alle vorgenannten Unterlagen aus der mündlichen Verhandlung; Zeichnungen: Figuren 1 bis 4 gemäß Patentschrift;

weitere Hilfsanträge 3 und 4: das Patent im Umfang der Hilfsanträge 3 und 4 aus dem Schriftsatz der Patentinhaberin vom 17. August 2010 aufrechtzuerhalten.

Das erteilte Patent umfasst einen unabhängigen Sachanspruch 1 und diesem untergeordnete Unteransprüche 2 bis 7. Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung lautet:

"1. Vorrichtung zur Partikelmessung mit einem Partikelzähler (22), bei dem mittels eines Sensors, der auf die Anwesenheit von Partikeln (14) in einer von einem Fluidstrom eines viskosen Mediums (12) durchströmten Meßzone anspricht, ein auswertbares Sensorsignal erzeugt wird, wobei vor Eintritt des Fluidstromes in die Sensor-Meßzone des Partikelzählers

(22)

mittels einer Einstelleinrichtung (28) der Eingangsdruck für das viskose Medium (12) anpaßbar ist, dadurch gekennzeichnet, dass für die Anpassung des Eingangsdruckes an die temperaturabhängige Viskosität des Mediums

(12)

die Einstelleinrichtung (28) auf der Abströmseite (24) des Sensors und/oder im Nebenzweig (34) zu diesem angeordnet ist."

Bezüglich des Wortlauts der sonstigen erteilten Patentansprüche wird auf die Patentschrift verwiesen.

Mit Hilfsantrag 1 wird das Patent hilfsweise in einer Fassung verteidigt, die insgesamt fünf Patentansprüche umfasst, von denen der Hauptanspruch lautet:

"1. Vorrichtung zur Partikelmessung mit einem Partikelzähler (22), bei dem mittels eines Sensors, der auf die Anwesenheit von Partikeln (14) in einer von einem Fluidstrom eines viskosen Mediums (12) durchströmten Meßzone anspricht, ein auswertbares Sensorsignal erzeugt wird, wobei vor Eintritt des Fluidstromes in die Sensor-Meßzone des Partikelzählers

(22) mittels einer Einstelleinrichtung (28) der Eingangsdruck für das viskose Medium (12) anpaßbar ist, wobei die Einstelleinrichtung (28) auf der Abströmseite (24) des Sensors angeordnet ist, dadurch gekennzeichnet, dass als Einstelleinrichtung (28) für die Anpassung des Eingangsdruckes an die temperaturabhängige Viskosität des Mediums (12) auf der Abströmseite (24) des Sensors ein federbelastetes Rückschlagventil (30) mit auswählbarer und vorgebbarer Nennweite sowie Federstärke dient oder im Nebenzweig (34) eine Drossel (36) vorgesehen ist, deren Durchfluß aufgrund der beim Durchströmen entstehenden Reibung viskositätsabhängig ist, und dass bei gleichzeitiger Verwendung einer Drossel (36) und eines Rückschlagventils (30) das Rückschlagventil (30) im Fluidkreis in Strömungsrichtung des Mediums (Fluid 12) hinter einer Abzweigstelle (40) angeordnet ist, an der der Nebenzweig (34) mit der Drossel (36) in den Hauptzweig (32) mit dem Sensor des Partikelzählers (22) auf dessen Abströmseite (24) mündet."

Bezüglich des Wortlauts der sonstigen im Rahmen des Hilfsantrags 1 verteidigten Patentansprüche wird auf die Akte verwiesen.

Mit den in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen gemäß Hilfsantrag 2 wird das Patent weiter hilfsweise in einer Fassung verteidigt, die insgesamt sechs Patentansprüche umfasst, von denen der Hauptanspruch lautet:

"1. Vorrichtung zur Partikelmessung mit einem Partikelzähler (22), bei dem mittels eines Sensors, der auf die Anwesenheit von Partikeln in einer von einem Fluidstrom eines viskosen Mediums (12) durchströmten Meßzone anspricht, ein auswertbares Sensorsignal erzeugt wird, wobei vor Eintritt des Fluidstromes in die Sensor-Meßzone des Partikelzählers (22) mittels einer Einstelleinrichtung (28) der Eingangsdruck an die temperaturabhängige Viskosität des Mediums (12) anpaßbar ist, wobei die Einstelleinrichtung (28) auf der Abströmseite (24) des Sensors und/oder im Nebenzweig (34) zu diesem angeordnet ist, dadurch gekennzeichnet, dass auf der Einströmseite (20) des Sensors ein Leitungsstück (42) vorgebbarer Länge als Beruhigungsstrecke derart vorhanden ist, dass sich im Fluid mitgeführte Gase wieder im Fluid lösen."

Bezüglich des Wortlauts der sonstigen im Rahmen des Hilfsantrags 2 verteidigten Patentansprüche sowie der im Rahmen der Hilfsanträge 3 und 4 verteidigten Patentansprüche wird auf die Akte verwiesen.

II.

Der Einspruch hat Erfolg, soweit er gegen die erteilte Fassung und gegen die mit Hilfsantrag 1 verteidigte beschränkte Fassung des Patents gerichtet ist. Er ist unbegründet, soweit er gegen die mit Hilfsantrag 2 verteidigte beschränkte Fassung des Patents gerichtet ist, weil der Patentgegenstand in dieser Fassung patentfähig ist.

Die Erfindung betrifft eine Vorrichtung zur Partikelmessung mit einem Partikelzähler, bei dem mittels eines Sensors, der auf die Anwesenheit von Partikeln in einer von einem Fluidstrom eines viskosen Mediums durchströmten Messzone anspricht, ein auswertbares Sensorsignal erzeugt wird, wobei vor Eintritt des Fluidstromes in die Sensor-Messzone des Partikelzählers mittels einer Einstelleinrichtung der Eingangsdruck für das Viskosemedium anpassbar ist (Absatz 0001 der Patentschrift).

Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, die bekannten Vorrichtungen zur Partikelmessung dahingehend weiter zu verbessern, dass der Volumenstrom des zu analysierenden Fluidmediums im Partikelzähler zuverlässig auf einen definierten Bereich (z. B. zwischen 20 und 200 ml/min.) eingestellt wird und der Einfluss der Temperatur auf die Viskosität des zu analysierenden Fluidmediums weitgehend eliminiert wird, insbesondere, dass bei geringen Herstellkosten eine funktionssichere Vorrichtung erhalten wird, die verbesserte Messungen für einen mit Partikeln (Verschmutzungen) beladenen Fluidstrom liefert (Absätze 0005-0007 der Patentschrift).

Als Fachmann für derartige Messvorrichtungen erachtet der Senat einen Maschinenbauer mit Hochschulausbildung und praktischen Erfahrungen auf dem Gebiet der Partikelmessung in viskosen Medien. Einem solchen Fachmann sind auch Kenntnisse über die Fluidund Strömungsmechanik zuzurechnen.

1. Zum Hauptantrag Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung betrifft eine Vorrichtung zur Partikelmessung

[1] mit einem Partikelzähler (22), bei dem mittels eines Sensors, der auf die Anwesenheit von Partikeln (14) in einer von einem Fluidstrom eines viskosen Mediums (12) durchströmten Messzone anspricht, ein auswertbares Sensorsignal erzeugt wird,

[2] wobei vor Eintritt des Fluidstromes in die Sensor-Messzone des Partikelzählers (22) mittels einer Einstelleinrichtung (28) der Eingangsdruck für das viskose Medium (12) anpassbar ist, und

[3] für die Anpassung des Eingangsdruckes an die temperaturabhängige Viskosität des Mediums (12) die Einstelleinrichtung (28)

[3a] auf der Abströmseite (24) des Sensors und/oder [3b] im Nebenzweig (34) zu diesem angeordnet ist.

Der Anspruch umfasst durch die und/oder-Verknüpfung der Merkmale 3a und 3b drei Ausführungsformen der Vorrichtung, die durch die unterschiedliche Anordnung der Einstelleinrichtung (auf der Abströmseite des Sensors und/oder in einem Nebenzweig zum Sensor) zu unterscheiden sind. Zumindest zwei der drei Alternativen gehörten aber zum maßgeblichen Anmeldetag bereits zum Stand der Technik, wie er insbesondere durch die Druckschrift JP 63-144235 A (D3) dokumentiert ist.

Aus der Druckschrift JP 63-144235 A (D3), insbesondere der Figur 1, ist eine Vorrichtung zur Partikelzählung in Form eines Detektors D bekannt, der eine Messzelle C umfasst, die von einem partikelbeladenen Fluid durchströmt wird und auf die Anwesenheit von Partikeln anspricht. Am Ausgang des Detektors wird ein entsprechendes Messsignal ausgegeben (Merkmal 1). Dabei ist unerheblich, dass der Sensor S auf das in die Messzelle eingestrahlte Licht reagiert, sofern dieses gestreut wird, und nicht -wie im Ausführungsbeispiel des Streitpatents -nach dem sogenannten "Abdunkelungsverfahren" arbeitet. Der Patentanspruch 1 ist durch seinen Wortlaut nämlich nicht auf das Abdunkelungsverfahren beschränkt. Auch die Erfindungsbeschreibung wirkt insoweit nicht beschränkend (st. Rspr., BGH, Urteil vom 12. Februar 2008 -X ZR 153/05, GRUR 2008, 779 -Mehrgangnabe, Urteil vom 12. Dezember 2006 -X ZR 131/02, GRUR 2007, 309 -Schussfädentransport; BGHZ 160, 204 -Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung).Die Streuung des Lichts ist nämlich ebenso eine Reaktion auf die Anwesenheit von Partikeln in dem Fluidstrom, auf die es bei der Partikelmessung maßgeblich ankommt. Wie insbesondere aus Figur 1 der Druckschrift D3 unmittelbar deutlich wird und wie in deren englischsprachigen Zusammenfassung erläutert ist, ist stromabwärts des Sensors ein Strömungsmesser Q angeordnet, an den sich eine erste Kapillarröhre C1 mit großem Strömungswiderstand und eine zweite Kapillarröhre C2 mit geringem Strömungswiderstand anschließen. Die zweite Kapillarröhre C2 ist der ersten Kapillarröhre C1 parallel geschaltet, wobei der zweiten Kapillarröhre C2 ein Umschaltventil V nachgeordnet ist. In einem Nebenzweig 2B zum Sensor S und zu den Kapillarröhren C1 und C2 ist eine dritte Kapillarröhre C3 angeordnet, die abströmseitig ebenfalls mit dem Umschaltventil V verbunden ist. Parallel zur dritten Kapillarröhre C3 ist eine Bypassleitung mit einem Nadelventil VN geschaltet. Das Umschaltventil V kann zwischen einer ersten Ventilstellung und einer zweiten Ventilstellung umgeschaltet werden. In der ersten Ventilstellung kann der Fluidstrom des viskosen Mediums die erste und zweite Kapillarröhre sowie die Bypassleitung durchströmen, wohingegen die dritte Kapillarröhre C3 gesperrt ist. In der zweiten Ventilstellung kann der Fluidstrom die erste Kapillarröhre C1 und die dritte Kapillarröhre C3 durchströmen, wohingegen die zweite Kapillarröhre C2 gesperrt ist. Die damit geschaffene Möglichkeit der Umschaltung zwischen den einzelnen Kapillarröhren gestattet die Einstellung unterschiedlicher Strömungsgeschwindigkeiten und -wegen des unmittelbaren Zusammenhanges zwischen Strömungsgeschwindigkeit und Druck in einem Fluidstrom -damit auch unterschiedlicher Eingangsdrücke. Insoweit stellen die Kapillarröhren C1, C2 und C3 in Verbindung mit dem Umschaltventil V -wie der Fachmann ohne Weiteres versteht -eine Einstelleinrichtung dar, mittels derer der Eingangsdruck für das viskose Medium angepasst werden kann (Merkmal 2). Mit der Einstellmöglichkeit für den Eingangsdruck geht die Möglichkeit einher, auf verschiedene Messbedingungen reagieren zu können. Dies schließt die Möglichkeit der Anpassung an die Viskosität ein, da diese -von Ausnahmen abgesehen -temperaturabhängig ist (sogenannter Viskositätsindex für die Abhängigkeit der kinematischen Viskosität von der Temperatur und z. B. Arrhenius-Andrade-Beziehung für die Abhängigkeit der dynamischen Viskosität von der Temperatur; Merkmal 3). Dabei erfolgt die Anpassung auch mit Mitteln, die auf der Abströmseite des Sensors und/oder in einem Nebenzweig 2B vorgesehen sind. Denn in der vorstehend beschriebenen ersten Stellung des Umschaltventils V wirken die Einstellmittel (hier: C1, C2) allein auf der Abströmseite (Merkmal 3a) und in der vorstehend beschriebenen zweiten Stellung des Umschaltventils V wirken die Einstellmittel (hier: C1, C3) auf der Abströmseite des Sensors und im Nebenzweig 2B zu diesem (Merkmal 3b). Damit sind zwei der im Anspruch zusammengefassten drei Ausführungsformen der Anordnung der Einstellmittel neuheitsschädlich durch die Druckschrift JP 63-144235 A (D3) vorweggenommen.

Der Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung kann demzufolge keinen Bestand haben. Nachdem sich der Patentanspruch 1 als nicht rechtsbeständig erweist, kann die beantragte vollständige Aufrechterhaltung des Patents nicht erfolgen. Mit dem Patentanspruch 1 fallen auch alle anderen Ansprüche (BGH, Beschluss vom 27. Februar 2008 -X ZB 10/07, GRUR-RR 2008, 456 -Installiereinrichtung Tz. 22, mit weiteren Nachweisen). Aus der Fassung des Antrags und dem zu seiner Begründung Vorgebrachten ergeben sich keine Zweifel an dem prozessualen Begehren der auch in der mündlichen Verhandlung anwaltlich vertretenen Patentinhaberin, das Patent vollständig in der erteilten Fassung aufrechtzuerhalten (BGH, Beschluss vom 22. September 2009 -Xa ZB 36/08, GRUR 2010, 87 -Schwingungsdämpfer Tz. 15).

2. Zum Hilfsantrag 1 Mit dem Hilfsantrag 1 begehrt die Patentinhaberin eine beschränkte Aufrechterhaltung des Patents. Der so verteidigte Gegenstand betrifft eine Vorrichtung zur Partikelmessung

[1] mit einem Partikelzähler (22), bei dem mittels eines Sensors, der auf die Anwesenheit von Partikeln (14) in einer von einem Fluidstrom eines viskosen Mediums (12) durchströmten Messzone anspricht, ein auswertbares Sensorsignal erzeugt wird,

[2] wobei vor Eintritt des Fluidstromes in die Sensor-Messzone des Partikelzählers (22) mittels einer Einstelleinrichtung (28) der Eingangsdruck für das viskose Medium (12) anpassbar ist,

[3a] wobei die Einstelleinrichtung (28) auf der Abströmseite (24) des Sensors angeordnet ist, und

[3] als Einstelleinrichtung (28) für die Anpassung des Eingangsdruckes an die temperaturabhängige Viskosität des Mediums

(12)

[3a'] auf der Abströmseite (24) des Sensors ein federbelastetes Rückschlagventil (30) mit auswählbarer und vorgebbarer Nennweite sowie Federstärke dient oder

[3b'] im Nebenzweig (34) eine Drossel (36) vorgesehen ist, deren Durchfluss aufgrund der beim Durchströmen entstehenden Reibung viskositätsabhängig ist, und

[4] dass bei gleichzeitiger Verwendung einer Drossel (36) und eines Rückschlagventils (30) das Rückschlagventil (30) im Fluidkreis in Strömungsrichtung des Mediums (Fluid 12) hinter einer Abzweigstelle (40) angeordnet ist, an der der Nebenzweig (34) mit der Drossel (36) in den Hauptzweig

(32) mit dem Sensor des Partikelzählers (22) auf dessen Abströmseite (24) mündet.

Der so verteidigte Patentanspruch 1 ist zulässig, denn sein Gegenstand geht nicht über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Anmeldung hinaus und erweitertden Schutzbereichs der Patents in der erteilten Fassung nicht. Insbesondere findet der Gegenstand des Patentanspruchs 1 seine Stütze in den ursprünglichen Patentansprüchen 1 (Merkmale 1 bis 3), 2 (Merkmale 3a), 3 (Merkmal 3a', 3b') und 5 (Merkmal 4) sowie der Offenbarung auf Seite 8, Zeile 11-14, und Seite 9, Zeile 1-3, der ursprünglichen Unterlagen (Merkmale 3a', 3b') (vgl. Bl. 13, 15, 16 der Amtsakte). Der verteidigte Anspruch 1 stellt -abgesehen von formellen Umstellungen -zugleich eine Zusammenfassung der Merkmale aus den erteilten Patentansprüche 1, 2 und 4 (Merkmale 1 bis 4, 3a, 3a', 3b') und Merkmalen aus der Beschreibung, Absätze 0019 und 0021 der Patentschrift, (Merkmale 3a', 3b') dar.

Der Anspruch 1 umfasst wiederum drei Ausführungsformen der Vorrichtungen, die durch die unterschiedliche Anordnung der Einstelleinrichtung und deren konkrete Ausgestaltung zu unterscheiden sind. Neben den Merkmalen 1, 2 und 3 weisen die Ausführungsformen folgende Merkmale auf:

1.

Ausführungsform: die Einstelleinrichtung ist auf der Abströmseite des Sensors vorgesehen und ist ein federbelastetes Rückschlagventil (30) mit auswählbarer und vorgebbarer Nennweite sowie Federstärke (Merkmale 3a, 3a');

2.

Ausführungsform: es sind (nicht näher spezifizierte) Teile der Einstellvorrichtung auf der Abströmseite des Sensors angeordnet und die Einstelleinrichtung umfasst zugleich im Nebenzweig zum Sensor vorgesehene Teile in Form einer Drossel, deren Durchfluss aufgrund der beim Durchströmen entstehenden Reibung viskositätsabhängig ist (Merkmale 3a, 3b');

3.

Ausführungsform: die Einstelleinrichtung ist sowohl auf der Abströmseite des Sensors, dort in Form eines federbelasteten Rückschlagventils (30) mit auswählbarer und vorgebbarer Nennweite sowie Federstärke, als auch im Nebenzweig, dort in Form einer Drossel, deren Durchfluss aufgrund der beim Durchströmen entstehenden Reibung viskositätsabhängig ist, vorgesehen und das Rückschlagventil (30) im Fluidkreis in Strömungsrichtung des Mediums (Fluid 12) ist hinter einer Abzweigstelle (40) angeordnet, an der der Nebenzweig (34) mit der Drossel (36) in den Hauptzweig

(32) mit dem Sensor des Partikelzählers (22) auf dessen Abströmseite (24) mündet (Merkmale 3a, 3a', 3b', 4);

Im Rahmen der zweiten Ausführungsform versteht der Fachmann, dass die Anordnung der Einstellvorrichtung in Form einer Drossel im Nebenzweig zum Sensor implizit auch verlangt, dass die Einstellvorrichtung überhaupt (auch) im Nebenzweig angeordnet ist, wie das im erteilten Patentanspruch 1 durch das Merkmal 3b vorgesehen ist, das Merkmal 3b' also das Merkmal 3b quasi einschließt.

Diese zweite Ausführungsform beruht angesichts des Standes der Technik, wie er aus der Druckschrift JP 63-144235 A (D3) bekannt ist, jedenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Aus der Druckschrift D3 ist nämlich -wie oben zum Hauptantrag erläutert -eine Vorrichtung zur Partikelmessung mit den Merkmalen 1, 2, 3, 3a und 3b bekannt. Davon unterscheidet sich die zweite Ausführungsform dadurch, dass die im Nebenzweig angeordnete Einstelleinrichtung eine Drossel ist. Die zusätzliche Angabe, dass "deren Durchfluss aufgrund der beim Durchströmen entstehenden Reibung viskositätsabhängig ist" führt zu keiner weiteren Abgrenzung, da damit lediglich eine dem angesprochenen Fachmann bekannte Eigenschaft von Drosseln angegeben wird, die diesen immanent ist.

Es kann dahinstehen, ob der Fachmann beim Gegenstand der Druckschrift D3 mitliest, dass die dort verwendete Kapillarröhre C3 funktionell nichts anderes als eine Drossel ist und die Druckschrift D3 den Gegenstand des Patentanspruchs 1 dadurch neuheitsschädlich vorwegnimmt. Denn die Verwendung einer Drossel im Nebenzweig zur Einstellung der Durchflussgeschwindigkeit und damit des Eingangsdrucks ist dem Fachmann jedenfalls durch die Dissertation von MAGER (D5) nahegelegt. Hierin wird beispielsweise in Figur 3.3 eine Partikelmessvorrichtung offenbart, die im Nebenkreis eine (einstellbare) Drossel aufweist (ganz links im Schaltbild). Auch bei der insoweit bekannten Lehre stellt sich das erfindungsgemäße Problem der Einstellung des Eingangsdrucks.

Der Patentanspruch 1 in der Fassung gemäß Hilfsantrag 1, der die nicht patentfähige zweite Ausführungsform umfasst, kann demzufolge nicht Grundlage einer beschränkten Aufrechterhaltung sein. Damit fällt der gesamte Hilfsantrag 1 (BGH, Beschluss vom 27. Februar 2008 -X ZB 10/07, GRUR-RR 2008, 456 -Installiereinrichtung Tz. 22; BGH, Beschluss vom 22. September 2009 -Xa ZB 36/08, GRUR 2010, 87 -Schwingungsdämpfer Tz. 15).

3. Zum Hilfsantrag 2 a) Mit dem Hilfsantrag 2 begehrt die Patentinhaberin eine in anderer Weise beschränkte Aufrechterhaltung des Patents. Der so verteidigte Gegenstand betrifft eine Vorrichtung zur Partikelmessung

[1] mit einem Partikelzähler (22), bei dem mittels eines Sensors, der auf die Anwesenheit von Partikeln in einer von einem Fluidstrom eines viskosen Mediums (12) durchströmten Messzone anspricht, ein auswertbares Sensorsignal erzeugt wird,

[2/3] wobei vor Eintritt des Fluidstromes in die Sensor-Messzone des Partikelzählers (22) mittels einer Einstelleinrichtung (28) der Eingangsdruck an die temperaturabhängige Viskosität des Mediums (12) anpassbar ist, wobei die Einstelleinrichtung (28)

[3a] auf der Abströmseite (24) des Sensors und/oder [3b] im Nebenzweig (34) zu diesem angeordnet ist, und

[5] auf der Einströmseite (20) des Sensors ein Leitungsstück

(42) vorgebbarer Länge als Beruhigungsstrecke derart vorhanden ist, [5a] dass sich im Fluid mitgeführte Gase wieder im Fluid lösen.

b) Der so verteidigte Patentanspruch 1 ist zulässig, denn sein Gegenstand geht nicht über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Anmeldung hinaus und erweitert den Schutzbereich des Patents in der erteilten Fassung nicht. Insbesondere findet der Gegenstand des Patentanspruchs 1 seine Stütze in den ursprünglichen Patentansprüchen 1 (Merkmale 1 bis 3), 2 (Merkmale 3a, 3b) und 6 (Merkmal 5teilweise) sowie der Offenbarung auf Seite 9, Zeile 18-22, der ursprünglichen Unterlagen (Merkmale 5Rest, 5a) (vgl. Bl. 13, 15, 16 der Amtsakte). Der verteidigte Anspruch 1 stellt -abgesehen von formellen Umstellungen -zugleich eine Zusammenfassung der Merkmale aus den erteilten Patentansprüchen 1 und 5 (Merkmale 1 bis 5teilweise) und einem Merkmal aus der Beschreibung, Absatz 0022 der Patentschrift, (Merkmale 5Rest, 5a) dar.

c) Der Senat legt den Anspruch dahingehend aus, dass das in Merkmal 5 angegebene Leitungsstück nicht schlechthin ein Leitungsstück ist, wie es der Fachmann bei Vorrichtungen zur Partikelmessung für die Zuführung des viskosen Mediums zu der Sensor-Messzone ohnehin verwenden würde und das dann auch eine "vorgebbare Länge" hätte. Durch die funktionellen Angaben, dass das Leitungsstück als "Beruhigungsstrecke" fungiert und in einer Weise ausgestaltet ist, "dass sich im Fluid mitgeführte Gase wieder im Fluid lösen", ist klargestellt, dass das Leitungsstück eine solche "vorgebbare Länge" aufweisen muss, dass es gerade die genannten funktionellen Eigenschaften erlangt. Hätte das Leitungsstück lediglich die Funktion der Zuleitung des viskosen Mediums zu der Sensor-Messzone, würde der Fachmann es nur unter Berücksichtigung dieser Zuleitungsfunktion, der angetroffenen räumlichen Gegebenheiten des konkreten Anwendungsfalls und wirtschaftlicher Gesichtspunkte dimensionieren. Dies würde zu einer einfachen Gestaltung des Leitungsstücks führen, wie sie in den nachfolgend verkleinert wiedergegebenen Figuren 1 und 2 der Patentschrift schematisch gezeigt ist.

Davon abweichend berücksichtigt die Ausgestaltung des anspruchsgemäßen Leitungsstücks die Funktion als "Beruhigungsstrecke derart ..., dass sich im Fluid mitgeführte Gase wieder im Fluid lösen", was gegenüber dem nur an der Zuleitungsfunktion orientierten Leitungsstück zu einer größeren Länge führt, wie das schematisch in Form einer Schleife bzw. Windung 42 in den nachfolgend wiedergegebenen Figuren 3 und 4 der Patentschrift gezeigt ist, worauf in der Patentschrift, Absatz 0022, ausdrücklich verwiesen wird.

d) Entgegen der in Hinblick auf die Dimensionierung des Leitungsstücks von der Einsprechenden vertretenen Auffassung, dass durch die Funktionsangabe lediglich eine für die Prüfung der Patentfähigkeit unbeachtlichte Zweckangabe gegeben sei, ist der Senat davon überzeugt, dass der Fachmann den funktionellen Angaben die notwendigen Informationen für eine Gestaltung des Leitungsabschnittes entnimmt, die von der Realisierung der reinen Zuleitungsfunktion abweicht. Eine andere Form der Beschreibung der Eigenschaften des Leitungsstücks, insbesondere die Angabe einer konkreten Länge und/oder eines konkreten Kalibers bzw. einer konkreten Querschnittsform, etwaiger Materialen etc. war auch nicht angezeigt, weil die entsprechende konkrete Auswahl von einer Vielzahl von -dem Fachmann bekannten -Einflussfaktoren, wie den Eigenschaften des viskosen Mediums, der Temperatur, des Druckes etc., abhängt. Würden alle diese Einflussfaktoren im Detail ihren Niederschlag im Anspruchswortlaut finden, wäre damit möglicherweise eine ungerechtfertigte Einschränkung des Schutzes verbunden, was von der Patentinhaberin nicht hingenommen zu werden braucht.

e) Die Vorrichtung zur Partikelmessung gemäß Patentanspruch 1 des Hilfsantrags 2 ist neu.

Keiner der von der Einsprechenden genannten und vom Senat berücksichtigten Druckschriften kann eine Vorrichtung entnommen werden, die alle Merkmale des Patentanspruchs 1 aufweisen würde. Zwar verfügen auch die insoweit bekannten Vorrichtungen an sich über ein "Leitungsstück vorgebbarer Länge" auf der Einströmseite des Sensors bzw. der jeweiligen Messzone. Jedoch sind den Druckschriften keine Angaben zu entnehmen, nach welchen Kriterien die Längenvorgabe erfolgt. Damit kommen allein Vorgaben in Betracht, die der Fachmann seinem Fachwissen entnimmt, mithin eine Dimensionierung nach den oben genannten fachmännischen Kriterien (Zuleitungsfunktion, Geometrie des Einbauortes, Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkte). Dass sich im Fluid mitgeführte Gase wieder im Fluid lösen sollen, spielt dabei keine Rolle.

Die gewerbliche Anwendbarkeit des Gegenstandes ist offensichtlich gegeben.

f) Der beschränkt verteidigte Gegenstand beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Aus der Druckschrift JP 63-144235 A (D3), von der der Senat als der dem Gegenstand des Patentanspruchs 1 nächstkommenden Lösung aus dem Stand der Technik ausgeht, ist zwar -wie oben zum Hauptantrag erläutert -eine Vorrichtung zur Partikelmessung mit den Merkmalen 1, 2, 3, 3a und 3b bekannt. Diese verfügt auch über ein Leitungsstück Y auf der Einströmseite der Sensor-Messzone (Figur 1; vgl. auch Seite 2 der von der Patentinhaberin vorgelegten Übersetzung der Druckschrift D3 in das Englische [Anlage 2 des Schriftsatzes vom 17. August 2010]: "sample fluid flow path Y"), dessen Länge grundsätzlich auch vorgebbar ist. Allerdings liegt es für den Fachmann nicht nahe, die Länge dieses einströmseitigen Leitungsstücks so zu wählen, dass das Leitungsstück als Beruhigungsstrecke wirkt, so dass sich im Fluid mitgeführte Gase wieder im Fluid lösen.

Von diesem bekannten Stand der Technik unterscheidet sich der Gegenstand des verteidigten Patentanspruchs 1 durch die funktionell beschriebene Gestaltung und Dimensionierung des einströmseitigen Leitungsstücks.

Ausgehend von der Partikelmesseinrichtung, wie sie in der Druckschrift D3 beschrieben ist, stellt sich dem Fachmann die Aufgabe in der Praxis von selbst, die Messgenauigkeit zu erhöhen. Denn es gehört zu den üblichen Aufgaben des Fachmanns, bei Messaufgaben eine hohe Genauigkeit sicherzustellen.

Weder geben die Druckschrift D3 und der sonstige im Verfahren berücksichtigte Stand der Technik dem Fachmann einen Hinweis bzw. eine Anregung, noch gibt sein Fachwissen ihm Veranlassung, die bekannte Vorrichtung zur Partikelmessung so abzuändern, wie es im Einzelnen im Patentanspruch 1 angegeben ist.

Es ist zur Überzeugung des Senats für den Fachmann durchaus überraschend, dass durch diese konstruktiv vergleichsweise einfache Maßnahme eine Steigerung der Messgenauigkeit erreichbar ist, indem Gasblasen durch deren Auflösen im Fluid vollständig oder weitgehend vor dem Eintreten des Fluids in die Sensor-Messzone reduziert sind.

Die Lösung liegt für den Fachmann auch deshalb nicht nahe, weil mit der Beruhigungsstrecke in den Augen des Fachmann das Risiko weiterer Toträume im Strömungskanal einhergeht, was dem angestrebten Ziel der Erhöhung der Messgenauigkeit entgegenstehen würde.

Soweit der Fachmann allein auf Grund des Standes der Technik und seines Fachwissens überhaupt auf die Idee käme, die Messgenauigkeit durch Entfernung der Gasblasen aus dem viskosen Medium zu erreichen, so würde er in naheliegender Weise eine Entfernung mit Hilfe eines Druckbzw. Blasenspeichers vorsehen, wie es beispielsweise aus der im Prüfungsverfahren bereits berücksichtigten Druckschrift DE 41 10 231 A1 bekannt ist (vgl. Fig. 1; Sp. 4, Z. 14-22; Sp. 5, Z. 18-21; Streitpatentschrift DE 103 43 457 B3, Abs. 0022).

Der Fachmann muss somit erfinderisch tätig werden, um in Kenntnis des Standes der Technik zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 zu gelangen.

Dies führt unter den vorliegenden Umständen zu der Überzeugung des Senats, dass auch das Beruhen auf einer erfinderischen Tätigkeit anzuerkennen ist.

g) Die Unteransprüche 2 bis 6 gestalten den Gegenstand des Patentanspruchs 1 zweckmäßig, in nicht nur trivialer Weise weiter aus und sind mit diesem patentfähig.

h) Nachdem schließlich die Erfindungsbeschreibung an den beschränkt verteidigten Gegenstand gemäß Hilfsantrag 2 angepasst wurde, bilden die Unterlagen des Hilfsantrags 2 eine geeignete Grundlage für die beschlossene beschränkte Aufrechterhaltung des Patents.

4. Zu den Hilfsanträgen 3 und 4 Nachdem der Senat die beschränkte Aufrechterhaltung nach dem Hilfsantrag 2 beschlossen hat, bedarf es eines Eingehens auf die nachrangigen Hilfsanträge 3 und 4 nicht mehr.

Dr. Mayer Werner Kleinschmidt Musiolprö






BPatG:
Beschluss v. 27.09.2010
Az: 20 W (pat) 369/05


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